Beweis, Beweisverwertung und Verwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bonn – 24. April 2015.

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Beweis, Beweisverwertung und Verwertungsverbote im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bonn – 24. April 2015

Beweisaufnahme in der Arbeitsgerichtsbarkeit: Grundlagen und Tendenzen Datenschutzfragen Einsatz besonderer Beweismittel Verwertungsverbote Fallstricke in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht

Einsatz besonderer Beweismittel Videoüberwachung Detektiveinsatz Körperliche Untersuchungen Auswertung von EDV/Internet/Email Informationen aus Sozialen Netzwerken Statistischer Beweis Ehrlichkeitskontrollen

I. Beweisaufnahme in der Arbeitsgerichtsbarkeit: Grundlagen und Tendenzen auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 138 ZPO) Aufgabe der Parteien, diejenigen Tatsachen beizubringen, über die entschieden werden soll jede Partei hat diejenigen Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, auf die sie sich beruft dynamischer Prozess, abhängig vom Prozessziel und Bestreiten des jeweiligen Gegners

Ausnahmen vom Beibringungsgrundsatz Amtsermittlung im Beschlussverfahren (§ 83 Abs. 1 S. 1 ArbGG) aber: es muss auch hier zumindest eine Tatsachengrundlage geschildert werden, die dem Gericht eine sinnvolle Amtsermittlung überhaupt ermöglicht Konzept der abgestuften Darlegungs- und Beweislast

Konzept der abgestuften Darlegungs- und Beweislast die an sich darlegungs- und beweisbelastete Partei muss nur bis zu einem gewissen Grad vortragen (soweit möglich) die Darlegungs- und Beweislast wechselt dann auf die gegnerische Partei, die ihrerseits darlegen und beweisen muss kann mehrstufig hin und her wechseln

Praxisbeispiele für das Konzept der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Kleinbetriebsklausel, § 23 Abs. 1 KSchG Anrechnung bereits gewährten Urlaubs, § 6 Abs. 1 BUrlG freier Weiterbeschäftigungsarbeitsplatz, § 1 Abs. 2 KSchG Geltendmachung von equal-pay-Ansprüchen, § 9 Nr. 2 AÜG u.v.a.m.

Grundsatz: Arbeitsnehmer muss Anwendbarkeit des KSchG beweisen  trägt vor, was in seiner Kenntnis steht Arbeitgeber muss jetzt aufgrund besserer Kenntnis des Betriebs unter Darlegung und ggf. erwidern  trägt vor, was in seiner Kenntnis steht Arbeitnehmer muss seinerseits auf Vortrag des Arbeitgebers nach seinem Kenntnis- und Wissenstand erwidern  ggf. Beweisaufnahme

Warum werden in der ersten Instanz der Arbeitsgerichtsbarkeit verhältnismäßig wenig Beweisaufnahmen durchgeführt? § 68 ArbGG: „Wegen eines Mangels im Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist die Zurückverweisung unzulässig.“

Sachverständige Augenschein Parteivernehmung Urkunden Zeugen

Sachverständige meist kostspielig (PKH-Sache?) Aufwand, geeignete – und gutachtenbereite – Sachverständige zu finden verlängert Verfahrensdauer u.U. erheblich i.d.R. gute Ergebnisse und oft streitentscheidend

Augenschein Orttermine i.d.R. unüblich Trend: elektronische Medien = SMS-Verläufe, WhatsApp-Konversationen, Videoaufzeichnungen, Screenshots

Parteivernehmung des Gegners, nicht der eigenen Partei subtile Beweisregel bei Weigerung zur Aussage („nach freier Überzeugung“, § 446 ZPO) eigene Partei nur mit Zustimmung des Gegners (§ 447 ZPO) aber: Anordnung der Parteivernehmung beider Parteien von Amts wegen möglich (§ 448 ZPO)

Urkunden alle verkörperten Gedankenerklärungen in Schriftform auch nach h.M. Telefax und ausgedruckte Email  Absenderstreit häufig Unterschriftenstreit  Schriftgutachten Doppel für ehrenamtliche Richter bereit halten

Zeugen häufig Nähe zu einer Prozesspartei Ausforschungstendenz gelten als „wackeligstes“ Beweismittel gleichwohl wird den allermeisten Zeugen durch die Instanzgerichte geglaubt

Beweisrechtlich Grundannahme: Der Zeuge lügt Zeugenvernehmung Ist das Gericht zur vollen Überzeugung der Richtigkeit der Aussage des Zeugen gelangt? 98,47 %

Kennzeichen einer glaubhaften Zeugenaussage: Widerspruchsfreiheit der Wahrnehmungsangaben Vortrag von Realitätskennzeichen Schilderung auch des Randgeschehens

Kennzeichen einer unglaubhaften Zeugenaussage: Widersprüche in den Wahrnehmungsangaben, insbesondere bei Vorhalten Fehlen von Realitätskennzeichen Schilderung nur des Kerngeschehens Orientierung an Akteninhalt und am Beweisbeschluss (wenn vor dem Termin verkündet) Verwendung von verfahrensrelevanten Begriffen

Anhörung nach § 141 Abs. 1 ZPO Anordnung des persönlichen Erscheinens „zur Aufklärung des Sachverhalts“ häufig Einfallstor zur Ausforschung durch das Gericht

Aktuelle Entwicklungen im Beweisrecht: diverse Vorschläge zu Beweiserleichterungen zugunsten der Arbeitnehmerseite eigengeschaffene Beweislage: sog. Testing-Verfahren Verschiebung der bekannten Darlegungs- und Beweislast bei Überstundenstreitigkeiten Entschädigungsklagen bei als unzulässig erachteten Ermittlung- und Beweisgewinnungsmethoden

AGG-Testing-Verfahren – parallele Scheinbewerbung – LAG Schleswig-Holstein Urt. v. 09.04.2014 – 3 Sa 401/13 * Bewerber erstellt zwei schriftliche Bewerbungen eine Bewerbung gibt die tatsächlichen Verhältnisse mit wahrheitsgemäßen Angaben und Anlagen wieder eine Bewerbung unter Alias macht Bewerber jünger, hierfür werden Phantasie-Anlagen manipuliert die „echte“ Bewerbung wird abgelehnt, die gefälschte führt zur Einladung zum Vorstellungsgespräch Bewerber verlangt AGG-Entschädigung Klage erfolglos, aber nur wegen Profildifferen

Konkludente Anordnung von Überstunden – BAG Urt. v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 * konkludente Zuweisung von Überstunden durch schlichte Zuweisung von Arbeit, die innerhalb Normalarbeitszeit nicht zu schaffen ist Vortrag zur Nicht-Machbarkeit ist ausreichend Arbeitgeber muss sich sodann entlasten Duldung der Überstunden durch Hinnahme in Kenntnis deren Leistung ohne Vorkehrungen zur Verhinderung

Schmerzensgeld für durchgehende Videoüberwachung – LAG Hessen Urt. v. 25.10.2010 – 7 Sa 1586/09 * Montage 02.06.2008 („spätestens“)  Klage 13.10.2008 unstreitig zur Überwachung des Eingangsbereichs Klägerin aber ebenfalls dauerhaft im Bild Ausmaß der Überwachung streitig Schmerzensgeld: 7.000 EUR Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen

Schmerzensgeld bei Detektiveinsatz – BAG Urt. v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13 auf Tatsachen beruhender konkreter Verdacht einer Pflichtverletzung erforderlich AU-Bescheinigungen unterschiedlicher Ärzte für sich nicht verdachtsbegründend EUR 1.000,-- bei viertägiger Überwachung angemessen

II. Datenschutzfragen Renteneintrittsklauseln, monatsweise Aufstockung

hohe Sensibilität für Datenschutz, Tendenz steigend Beweisrecht wird immer mehr zum Datenschutzrecht, insbesondere bei Verdachtskündigungen hohe Sensibilität für Datenschutz, Tendenz steigend aber auch: pauschale Berufung auf Datenschutz auch Änderungsvertrag, befristet Änderungen

§ 32 BDSG – Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses Neuregelung bereits zum 01.09.2009 zentrales Merkmal: Erforderlichkeit (vorher § 28 BDSG a.F.: „dienen“) besondere Regelung bei Straftaten neue EU-Datenschutzgrundverordnung in Arbeit

(1) Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.

(1) … Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

Dokumentation von tatsächlichen Anhaltspunkten Datenschutzrechtliche Voraussetzungen Straftatermittlung (§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG): Dokumentation von tatsächlichen Anhaltspunkten Verdacht auf Straftat (nicht: Vertragspflichtenverstoß) Erforderlichkeit zur Aufdeckung Verhältnismäßigkeitsprüfung Beispiel: Monatsbestenlisten im Vertrieb

§ 32 BDSG betrifft Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten anlässlich Entscheidung über Begründung, für die Durchführung oder die Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen

auch manuelle und sonstige DV BDSG allgemein nur automatisierte DV § 32 BDSG auch manuelle und sonstige DV (2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ohne dass sie automatisiert verarbeitet oder in oder aus einer nicht automatisierten Datei verarbeitet, genutzt oder für die Verarbeitung oder Nutzung in einer solchen Datei erhoben werden.

Merkmal der Erforderlichkeit: Müssen für diesen Zweck überhaupt Daten erhoben werden? Müssen gerade diese Daten erhoben werden? Mindestergebnis oder bestes Ergebnis? objektiver oder individueller Maßstab? Beispiel: Monatsbestenlisten im Vertrieb

Betriebliches Eingliederungsmanagement Erforderlichkeit immer gegeben bei gesetzlichen Vorgaben oder Folgen gesetzlicher Vorgaben, z.B.: Betriebliches Eingliederungsmanagement Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Unfallverhütungsvorschriften Arbeits- und Gesundheitsschutz Pflegedokumentationen  keine Bedenken an prozessualer Verwertbarkeit keine Anhaltspunkte bei sozialen Netzwerken

Fazit: Erforderlichkeitsfeststellung erfolgt am vom Arbeitgeber verfolgten Zweck breiter Einschätzungsspielraum für den Arbeitgeber Ausscheiden nur von schlicht überflüssigen Erhebungen Verschärfung gegenüber § 28 BDSG a.F.

Rechte der Betroffenen nach dem BDSG: Benachrichtigung (§ 33 BDSG) Auskunft (§ 34 BDSG) Berichtigung (§ 35 BDSG) Sperrung (§ 35 BDSG) Löschung (§ 35 BDSG) Anrufung der Aufsichtsbehörde (§ 38 BDSG) Woher haben Sie das über mich? Entfernung aus der P-Akte

Sperrung § 35 Abs. 8 Ziff. 1 BDSG: Weitergabe ohne Einwilligung des Betroffenen nur zulässig zur Behebung einer bestehenden Beweisnot  wenn keine Beweisnot  keine Verwertung  keine Verwertung bei Löschung(svoraussetzung)  Berichtigung? Woher haben Sie das über mich? Entfernung aus der P-Akte

III. Einsatz besonderer Beweismittel

1. Videoüberwachung

Verwertung der unzulässigen Videoüberwachung – BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 * verdeckte Videoüberwachung öffentlicher Plätze Verstoß gegen § 6 b BDSG führt nicht per se zur Unverwertbarkeit einer Videoüberwachung Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege ./. Persönlichkeitsrechte bei Verdacht einer Straftat oder schweren Vertragspflichtverletzung

öffentliche/offene Videoüberwachung verdeckte/geheime Videoüberwachung

öffentliche/offene Videoüberwachung verdeckte/geheime Videoüberwachung Maßgeblich § 6 b BDSG Kennzeichnungspflicht Zweckbindung der Videoüberwachung Zufallsfunde nicht gestattet Erforderlichkeit der Beweisverwertung (mildere Mittel?) Verhältnismäßigkeitsprüfung öffentliche/offene Videoüberwachung verdeckte/geheime Videoüberwachung

verdeckte/geheime Videoüberwachung BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 Notwehr oder notwehrähnliche Lage Verhältnismäßigkeit

Probleme: Anfertigung durch private Dritte Anfertigung durch Ermittlungsbehörden

2. Detektiveinsatz

Ist die Maßnahme problematisch? Beispiel: Arbeitnehmer A steht im Verdacht, zur Vermeidung unbeliebter Schichten Arbeitsunfähigkeiten vorzutäuschen. Arbeitgeber Z veranlasst eine Observation durch einen Detektiv. Die Observation erstreckt sich durchgehend über 10 Tage. Bereits am ersten Tag wird umfangreiche Bautätigkeit durch A an seinem Wohnhaus ermittelt. Ist die Maßnahme problematisch? Meldepflichten AU

wiegt schwerer, wenn privater Lebensbereich überwacht wird Detektiveinsatz stellt erheblichen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dar (Heimlichkeit) wiegt schwerer, wenn privater Lebensbereich überwacht wird nur rechtmäßig bei dringendem Verdacht einer schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung andere Ermittlungsmethoden müssen ausgeschöpft sein eröffnet Haftungsperspektive ggü. Arbeitgeber Meldepflichten AU

3. Körperliche Untersuchungen

Körperliche Untersuchung greifen tief in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein sind unzulässig sind staatlichen Ermittlungsbehörden vorbehalten sind nicht vorab vertraglich regelbar § 127 StPO („Jedermannsparagraph“) erlaubt nur Festsetzung, nicht körperliche Untersuchung Beweisverwertung bei Freiwilligkeit und Fund?

4. Auswertung von EDV/Internet/Email

Verbotene Internetnutzung durch Leitenden BAG Urt. v. 14.04.2012 – 2 AZR 186/11 * auch ein nach zeitlichem Umfang erheblicher Verstoß gegen ein ausdrückliches Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses sowie das Herunterladen pornografischen Bildmaterials schafft keinen absoluten Kündigungsgrund alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu beachten

Verwertbarkeit u.a. abhängig von etwaiger Erlaubnis zur privaten Nutzung Nutzung untersagt  Befugnis zur Kontrolle nur Verhältnismäßigkeitsprüfung Nutzung gestattet  grds. keine Befugnis zur Kontrolle, § 88 Abs. 3 S. 1 TKG aber: Kollision mit steuer-, und handelsrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften  h.M.: Kennzeichnungspflicht privater Vorgänge durch den Arbeitnehmer

Erlaubnis der privaten Nutzung ausdrücklich durch Betriebsvereinbarung / Kundgabe im Betrieb durch betriebliche Übung? durch Duldung? aufgrund sozialadäquatem Verhalten?

5. Informationen aus Sozialen Netzwerken

Dokumentation von Pflichtenverstößen in Sozialen Netzwerken: Screenshots/Bildschirmausdrucke Bild- und Videodateien auf Datenträgern Zeugenbekundungen schriftliche Vermerke durch Zeugen

Feststellung pflichtwidrigen Verhaltens über Beiträge in Sozialen Netzwerken: Hauptfallgruppe: AU/Efz-Betrug meist (nur) Verdachtskündigung Dokumentation?

Verdachtskündigung Ermittlungspflicht falls bislang bloß Anhaltspunkte (hemmt Frist nach § 626 Abs. 2 BGB) Anhörung des Mitarbeiters – ggf. schriftliche – ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung Nachermittlungspflicht bei Verteidigungsvorbringen ggf. erneute Anhörung des Mitarbeiters

Anhörungspflicht bei Verdachtskündigung – BAG Urt. v. 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 Ermittlungspflicht bringt Fristaufschub Fristaufschub entfällt nicht nachträglich, wenn Stellungnahmefrist für Arbeitnehmer verstreicht und Arbeitgeber nun auf Anhörung verzichtet Anhörung kann bei von vornherein geäußerter Ablehnung der Stellungnahme unterbleiben Stellungnahme muss auch bei unfreiwilligem Schweigen nicht abgewartet werden

Anforderungen an die Verdachtskündigung – LAG Köln Urt. v. 12.12.2013 – 7 Sa 537/13 Beschränkung der Verdachtskündigung auf besondere Ausnahmefälle scheidet aus, wenn Arbeitgeber nicht zuvor alle erdenklichen Anstrengungen zur Aufklärung unternommen hat

Dokumentation von AU/EfZ-Betrug: „Er wurde auf der Straße gesehen“ „Sie fuhr immer genau während der AU Hunde-schlittenrennen in Kanada“

6. Statistischer Beweis

Statistischer Beweis einer Diskriminierung – BAG Urt. v. 21.06.2012 – 8 AZR 1012/08 * aus Statistiken können sich grundsätzlich Indizien für eine Diskriminierung ergeben dies müssen sich jedoch konkret auf den betroffenen Arbeitgeber beziehen allein das (Miss-)Verhältnis zwischen dem Anteil der Frauen im Unternehmen insgesamt zu Männern in Führungspositionen indizieren keine Diskriminierung („gläserne Decke“)

7. Ehrlichkeitskontrollen

Taschenkontrollen / Diebesfallen Ehrlichkeitskontrollen grundsätzlich zulässig stichprobenartige Kontrollen von Taschen bei Verlassen nicht unverhältnismäßig Diebsfalle nur, wenn Ehrlichkeit auf andere Weise nicht festgestellt werden kann „Verführungssituation“ wirkt sich auf Folgemaßnahmen (Abmahnung vor Kündigung) aus Meldepflichten AU

IV. Verwertungsverbote Meldepflichten AU

Das Strafrecht kennt gesetzliche Beweisthemenverbote (z.B. § 51 BZRG) Beweismittelverbote (z.B. § 52 ff. StPO) Beweismethodenverbote (z.B. § 136 a StPO) Beweisverwertungsverbote (z.B. §§ 81 a, 81 c, 100 c, 136 a StPO u.v.a.m.) Das Zivilrecht und das Arbeitsrecht kennen weder gesetzliche Beweiserlangungs- oder Beweiserhebungs- noch Beweisverwertungs-verbote. Meldepflichten AU

Grundlage von Beweisverwertungsverboten im Arbeitsrecht Art. 1 Abs. 3 GG (Grundrechtsbindung aller staatlicher Gewalten) Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör)  abgewogen in aller Regel gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht AN) Meldepflichten AU

Aufklärung durch staatliche Einrichtungen hat immer Vorrang Meinungsspektrum: Aufklärung durch staatliche Einrichtungen hat immer Vorrang immer und einschränkungslos Verwertungsverbot BAG: Interessenabwägung/ Verhältnismäßigkeit

Bei der Abwägung zwischen dem Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat das Interesse an der Verwertung der einschlägigen Daten und Erkenntnisse nur dann höheres Gewicht, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzukommen, die ergeben, dass das Verwertungsinteresse trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung überwiegt. Meldepflichten AU

Allein das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht nicht aus. Die weiteren Aspekte müssen gerade eine bestimmte Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als schutzbedürftig qualifizieren. BAG Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 153/11 unter Bezugnahme auf BVerfG Urt. v. 13.02.2007 – 2 BvR 421/05 Meldepflichten AU

Fruits-of-the-forbitten-tree-Doktrin = Weitere Ermittlungsergebnisse auf Grundlage bereits zuvor rechtswidrig erlangter Informationen dürfen nicht genutzt und verwertet werden.  dem deutschen Rechtssystem fremd (str.) Meldepflichten AU

Die ausdrückliche Berufung auf bestehende Beweisverwertungsverbote ist i.d.R. notwendig, da sich viele Gerichte schlicht nicht um bestehende Verwertungsverbote kümmern. Meldepflichten AU

Folgen fehlerhafter Betriebsratsbeteiligung für die Beweissituation Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung  Maßnahmen des Arbeitgebers, die er ohne vorgesehene Mitbestimmung des Betriebsrats ergreift, sollen unwirksam sein  a.A. BAG Urt. v. 13.12.2007 (2 AZR 537/06) Meldepflichten AU

V. Fallstricke in der Beweisaufnahme vor dem Arbeitsgericht

§ 285 Abs. 1 ZPO „Über das Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Parteien unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln.“ Meldepflichten AU

Sachverwertungsverbote und anwaltliches Berufsrecht Ausgangssituation: Es besteht nach bisheriger Rechtsprechung des BAG kein allgemeines Sachverwertungsverbot (str.). Folge  legt eine beweisbelastete Partei ein Beweismittel vor, das an sich einem Verwertungsverbot unterliegt, kann das Gericht es gleichwohl verwerten, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt nicht bestritten wird Meldepflichten AU

 das Gericht darf den Sachverhalt als unstreitig zugrunde legen Beispiel: Arbeitnehmer A hat heimlich eine Raucherpause gemacht, ohne auszustempeln. Arbeitgeber Z hat ihn heimlich hierbei gefilmt. Z kündigt A fristlos. A klagt. Z legt im Verfahren eine DVD mit den Videoaufnahmen vor und beschreibt zudem im Schriftsatz, was darauf zu sehen ist. A beanstandet die Verwertung als unzulässig, bestreitet aber nicht den Sachvortrag.  das Gericht darf den Sachverhalt als unstreitig zugrunde legen Meldepflichten AU

„Mein Mandant lässt noch vortragen ...“ Folgerung: A müsste den Sachvortrag bestreiten, erst dann stellte sich die Verwertungsfrage. Frage: Darf der Rechtsanwalt des A berufsrechtlich bestreiten, obwohl die objektive Tathandlung zu sehen ist?  nur unter Distanzierung vom Vortrag des Mandanten  kein Hinführen zu Bestreiten, nur Hinweis auf Rechtslage „Mein Mandant lässt noch vortragen ...“ Meldepflichten AU

Arbeitsgerichte sind Kollegialorgane Meldepflichten AU Bauchgefühle und Bauchentscheidungen „Schwarzer Peter“-Prinzip Stimmungen im Verhandlungsverlauf

Präsentation besonderer Beweismittel mögliche Technikferne des Gerichts mangelnde oder nicht vorhandene technische Ausstattung Ungeübtheit in modernen Kommunikationsformen (WhatsApp, Facebook u.s.w.) und Präsentationsmitteln (Projektor, Notebook)  Anruf beim Kammervorsitzenden vor der Verhandlung?

Zeugenvernehmung Arbeitgeber sollte fragen, ob Arbeitsverhältnis zu ihm noch besteht „Ausquetschen“ des „eigenen“ Zeugen macht oft schlechten Eindruck auf die Kammer nie: Vereidigung beantragen

Probleme rund um den Beweisbeschluss Ladung von Zeugen mit Beweisbeschluss oder nur vorläufigem Beweisthema? Zeugenvernehmungen abseits des Beweisbeschlusses/Ausforschung  Intervention oder eigenes Ausforschen?