Kollektivvertragsfähigkeit von freiwilligen Berufsvereinigungen und Vereinen Stefan Kühteubl 05.11.2014.

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Kollektivvertragsfähigkeit von freiwilligen Berufsvereinigungen und Vereinen Stefan Kühteubl 05.11.2014

stefan kühteubl Vortragender T +43 1 534 37 50772 E s.kuehteubl@schoenherr.eu Position Partner, Schönherr Rechtsanwälte GmbH Spezialisierung Arbeitsrecht Ausbildung Universität Wien (Dr. iur. 2004) Mitgliedschaft Rechtsanwaltskammer Wien Publikationen Autor diverser Publikationen zum Arbeitsrecht, insbesondere zu Arbeitnehmerentsendungen, Ausgliederungen Sprachen Deutsch, Englisch

Inhalt Kollektivvertragsfähigkeit Übersicht Kollektivvertragsfähigkeit Ex lege / kraft Zuerkennung Gesetzliche Interessenvertretungen vs freiwillige Berufsvereinigungen, Vereine Zuerkennung / Aberkennung Behördliche Normsetzung: Satzung / Mindestlohntarif Voraussetzungen Rechtswirkungen

Kollektivvertragsfähigkeit Überblick Kollektivvertragsfähigkeit kraft Gesetzes Gesetzliche Interessenvertretungen der AN und AG (§ 4 Abs 1 ArbVG): zB WKO, AK Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 7 ArbVG): zB Träger der Sozialversicherung Kollektivvertragsfähigkeit kraft Zuerkennung Freiwillige Berufsvereinigungen der AN und AG (§ 4 Abs 2 ArbVG): zB Versicherungsverband, Bankenverband Vereine (§ 4 Abs 3 ArbVG): zB „Wiener Symphoniker“

Interessenvertretungen / jur Personen öR § 4 Abs 1 ArbVG; § 7 ArbVG Gesetzliche Interessenvertretungen Aufgabe, auf Regelung von Arbeitsbedingungen hinzuwirken Gegnerunabhängigkeit Juristische Personen öffentlichen Rechts Soweit nicht hinsichtlich bestimmter Betriebe/Verwaltungsbereiche anderer KV- fähiger Körperschaft angehörig

Berufsvereinigungen § 4 Abs 2 ArbVG KV-fähig sind „die auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhenden Berufsvereinigungen“ der AG und AN Statuten: Regelung von Arbeitsbedingungen innerhalb Wirkungsbereich (Z 1) Größerer fachlicher/räumlicher Wirkungsbereich (Z 2) Maßgebende wirtschaftliche Bedeutung kraft Mitgliederzahl und des Umfangs der Tätigkeit (Z 3) Gegnerunabhängig (Z 4)

KV-fähige Vereine Vereine iSd Vereinsgesetzes 2002 § 4 Abs 3 ArbVG Vereine iSd Vereinsgesetzes 2002 Maßgebende Bedeutung Mitgliederzahl Umfang der Tätigkeit Zahl der Arbeitnehmer Keine Zugehörigkeit zu einer KV-fähigen Körperschaft der Arbeitgeber

Zu- und Aberkennung der KV-Fähigkeit § 5 ArbVG Zuständig: Bundeseinigungsamt Einleitung des Verfahrens Zuerkennung: auf Antrag Aberkennung: auf Antrag und von Amts wegen Konstitutive Wirkung

Umfang der KV-Fähigkeit OGH 9.5.2007, 9 ObA 114/06i (Verband der Privatkrankenanstalten) Bescheidmäßige Zuerkennung der KV-Fähigkeit ohne Einschränkung: Geltungsbereich der KV-Fähigkeit erschließt sich nicht aus Spekulationen, was BEA „zuerkennen wollte“ Umfang der KV-Fähigkeit ergibt sich aus den (im Zeitpunkt der Zuerkennung geltenden) Statuten Nachträgliche Änderungen des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs ändern Umfang der KV-Fähigkeit nicht

Aberkennung der KV-Fähigkeit § 5 Abs 3 ArbVG Voraussetzungen der Zuerkennung sind nicht (mehr) gegeben Parteifähig: KV-fähige Berufsvereinigungen und gesetzliche Interessenvertretungen Rechtsfolgen Erlöschen der KV-Fähigkeit Erlöschen sämtlicher von der Vereinigung abgeschlossener Kollektivverträge (Nachwirkung) Erlöschen einer Satzung (keine Nachwirkung)

Aberkennung der KV-Fähigkeit VwGH 2.10.2013, 2011/08/0230, Österreichisches Rotes Kreuz – Aberkennung der KV-Fähigkeit Durchbrechung der Rechtskraft: Nachträgliche Aberkennung der KV-Fähigkeit obwohl Voraussetzungen nach § 4 Abs 2 oder 3 ArbVG bereits ursprünglich fehlten „Berufsvereinigung“ verlangt Überbetrieblichkeit: Allgemeine Vertretung der Interessen von AG im Wirkungsbereich ÖRK fokussiert sich auf Gegebenheiten des eigenen Unternehmens/„Konzern“ Unzulässigkeit von „Firmen-KVs“

Vorrang der freiw. Berufsvereinigungen § 6 ArbVG Zuerkennung der KV-Fähigkeit an freiwillige Berufsvereinigung  gesetzliche Interessenvertretung verliert KV-Fähigkeit für die Dauer der Geltung und für den Geltungsbereich eines abgeschlossenen KV hinsichtlich der Mitglieder der Berufsvereinigung

Behördliche Normsetzung Überblick Gesetzliche Vorsorge beim Fehlen von KVs Substitutionsformen Satzung Mindestlohntarif Zuständig: Bundeseinigungsamt Subsidiarität

Satzung §§ 18 – 21 ArbVG; Überblick Verbindliche Wirkung eines KV außerhalb seines Geltungsbereichs Nur Verbandskollektivverträge Antrag einer KV-fähigen Körperschaft – Partei des zu satzenden KV Rechtsnatur: Verordnung zB: KV-SWÖ (ex BAGS-KV)

Satzungsvoraussetzungen § 18 Abs 3 ArbVG KV ist gehörig kundgemacht und steht in Geltung (Z 1) KV hat überwiegende Bedeutung erlangt (Z 2) Arbeitsverhältnisse im Wesentlichen gleichartig (Z 3) Arbeitsverhältnisse sind nicht schon von KV erfasst (Z 4) Keine Satzung von Vereins-KV (§ 18 Abs 6 ArbVG)

Satzungsvoraussetzungen VwGH 22.12.2009, 2009/08/0064, Österreichisches Rotes Kreuz – Antrag auf Satzung Subjektives öffentliches Recht der Berufsvereinigung auf Erklärung des KV zur Satzung Antrag zur Erklärung zur Satzung: Es genügt, dass Antragsteller eine „kollektivvertragsfähige Körperschaft“ ist BEA darf nicht untersuchen, ob die KV-Fähigkeit zu Recht besteht, also die antragstellende Körperschaft in jeder Hinsicht eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung ist

Rechtswirkungen der Satzung § 19 ArbVG Bestimmungen der Satzung sind unmittelbar rechtsverbindlich Relativ zwingender Charakter Subsidiarität der Satzung KV setzen für ihren Geltungsbereich eine bestehende Satzung außer Kraft Ausgenommen: General-KV Erlöschen der Satzung: keine Nachwirkung

Subsidiarität der Satzung OGH 19.3.2013, 9 ObA 8/13m - Grünes Kreuz I Satzung des ÖRK-KV – KV für das Personenbeförderungsgewerbe Satzung wird nur dann durch KV verdrängt, wenn ein KV auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Wesentlich für Ausschluss der Anwendung der Satzung nach § 19 Abs 2 ArbVG: AG ist Mitglied der Partei des KV und vom (fachlichen) Geltungsbereich des KV erfasst.

Satzung und Mischbetrieb OGH 26.11.2013, 9 ObA 91/13t – Grünes Kreuz II Mischbetrieb Analoge Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG: Vorrang eines im wirtschaftlich maßgeblichen Betriebsbereich anwendbaren gesatzten Kollektivvertrags

Mindestlohntarif §§ 22 – 25 ArbVG Regelungen betreffend Mindestentgelt und Mindestbeträge für Ersatz von Auslagen Andere Fragen dürfen nicht geregelt werden Schriftlicher Antrag einer KV-fähigen Körperschaft der AN Angemessene Höhe Verwandte Wirtschaftszweige

Voraussetzungen des Mindestlohntarifs § 22 Abs 3 ArbVG Mindestlohntarif darf nur für Gruppen von AN festgesetzt werden, für die KV nicht abgeschlossen werden kann: weil keine KV-fähige AG-Körperschaft und keine Regelung von Mindestentgelten durch Satzungserklärung eines KV

Mindestlohntarif und KV-Fähigkeit OGH 16.12.2005, 9 ObA 43/05x OGH 08.08.2007, 9 ObA 4/07i AG muss Mitglied in KV-fähiger AG- Körperschaft sein, damit die Festsetzung eines Mindestlohntarifs ausgeschlossen ist Erlangt eine Berufsvereinigung erst während Bestehens eines Mindestlohntarifs KV-Fähigkeit  kein Erlöschen des Mindestlohns Erst Abschluss eines KV bewirkt Beendigung der Rechtswirkungen des Mindestlohntarifs

Rechtswirkungen des Mindestlohntarifs § 24 ArbVG Unmittelbar rechtsverbindlich Relativ zwingender Charakter Subsidiarität des Mindestlohntarifs KV und Satzungen setzen für ihren Geltungsbereich einen bestehenden Mindestlohntarif außer Kraft Ausnahme: General-KV Nachwirkung

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