Wahrnehmungsstörung am Beispiel von Menschen mit autistischer Störung

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 Präsentation transkript:

Wahrnehmungsstörung am Beispiel von Menschen mit autistischer Störung Dr. U. Schupp Interdisziplinäre Konzepte in der Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung 05.11.2005

Frühkindlicher Autismus ICD-10 F84 Diagnostische Bereiche Qualitative Beeinträchtigung von: (1) Sozialer Interaktion (2) Kommunikation (3) Verhaltensrepertoire und Interessen Mindestens 6 Symptome aus (1), (2), (3) Manifestation vor dem 3. Lebensjahr Weitere unspezifische Auffälligkeiten

Frühkindlicher Autismus Quantitative Beeinträchtigung sozialer Interaktion Nichtverbale soziale Interaktion (Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung) Beziehungsverhalten (entwicklungsgemäße Beziehungen zu Gleichaltrigen, Teilen von Interesse oder Aktivitäten, Kontaktinitiierung) Mangel, Freude, Interessen, Erfolge zu teilen Sozio-emotionale Interaktion (Empathie, Aufmerksamkeit) z.B. Fehlen von Lächeln, Blickkontakt o. antizipatorisches Armehochstrecken, um von Eltern hochgenommen zu werden

Frühkindlicher Autismus Bereiche und Merkmale gestörter Kommunikation Ausbleibende oder verspätete Sprachentwicklung Keine Kompensation durch Gestik, Mimik Gebrauchsstörung der Sprache (stereotyp, nicht gegenseitig kommunikativ, Mangel an emotionaler Resonanz, Störung von Intonation und Rhythmus) Mangel an Imitation, Rollenspielen und Als-ob-Spielen

Frühkindlicher Autismus Merkmale repetitiver und stereotyper Verhaltensmuster und Interessen Extreme Beschäftigung mit stereotypen, begrenzten Interessen Extreme Beschäftigung mit Teilobjekten, Teilen von Gegenständen (Zweckentfremdung) Stereotypien/ Autoaggressivität Zwanghafte Anhänglichkeit an nicht funktionale Handlungen oder Rituale (Veränderungsängste)

Frühkindlicher Autismus Keine Reaktion auf Namensruf Wenig/ Keine Reaktion auf Sprache Schrille Schreie Übersensibilität: Zuhalten der Ohren

Frühkindlicher Autismus Kein Blickkontakt Keine verbaler oder nonverbaler Kontakt, nur Abwenden Kein Interesse am Bär, kein Fixieren

Frühkindlicher Autismus Fixieren gelingt Beschäftigung mit Teilobjekt Untersucher wird – scheinbar ohne Intention – berührt Erregung/ Freude: eigentümliche Handhaltung

Frühkindlicher Autismus ungewöhnliche Reaktion auf Sinnesreize: Faszination (Schattierungen, Licht, Gerüche) Übersensibilität (Zuhalten der Ohren, Widerwillen gegen Berührungen, Geschmäcker) Ignorieren von Sinnesreizen (Schmerz, Hitze, Kälte)

Frühkindlicher Autismus Emotionen sind schwer einzuschätzen: Stimmungslabilität Mangelnde Angst vor Gefahren Übermäßige Angst vor harmlosen Objekten

Frühkindlicher Autismus Visuelle Wahrnehmung Auditive Wahrnehmung Olfaktorische/ Gustatorische Wahrnehmung Taktile Wahrnehmung Motorik INTAKT?

Frühkindlicher Autismus Die Verarbeitung einfacher sensorischer, motorischer, auditiver, visueller und sprachlicher Reize weist weniger Störungen auf als die komplexe Informationsverarbeitung (Minshew et al., 1997)

Frühkindlicher Autismus kein globales Defizit

Sie verarbeiten Gesichter wie Objekte Gyrus temporalis inferior

Frühkindlicher Autismus und soziale Entwicklung Keine Rückversicherung durch Blickkontakt Kein Folgen der Blickrichtung/ des Zeigefingers Wenig Imitation von Verhalten Keine Suche nach Informationen in Gesichtern anderer Keine Zuwendung zur Bezugsperson in zwiespältigen Situationen, um Situation zu erfassen

Frühkindlicher Autismus und Emotion Wenig Reaktion auf Lob Fehlende Lächelreaktion Eher negative Emotionen Mangelnde Interpretation von Gesichtsausdrücken Spezifische Emotionen werden nicht erfasst Qualitativ andere Bindung zu Eltern Herabgesetztes Bewußtsein/ Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Normen

Frühkindlicher Autismus und Sprache Mangelndes Erkennen der Bedeutungsvielfalt von Sprache ICH wird spät beherrscht (Blickwinkel) Gezieltes Einsetzen von Sprache, keine sozialen Bezüge Wortwörtlichkeit, keine Ironie Gespräche sind nur erschwert möglich

Frühkindlicher Autismus Folge: Keine gemeinsamen Sinnzusammenhänge Keine gemeinsamen Erlebnisse = Gestörte soziale Integration

Theory of mind: Fähigkeit, eigene und fremde gedankliche Vorgänge und Verhaltensweisen zu erkennen, zu verstehen, zu erklären, vorherzusagen und zu kommunizieren

Theory of mind

Exekutivfunktionen Problemlösestrategien, um ein Ziel zu erreichen: Planung Impulskontrolle Unterdrückung nahe liegender, aber falscher Antworten Flexibilität im Denken und Handeln

Gestörte Exekutivfunktionen Störung der zielgerichteten Handlungsplanung und Selbststeuerung (begrenzte Interessens-gebiete, Beharren auf Eintönigkeit, „Fähigkeits-Einsprengsel“) Mangelnde Fähigkeit, vom sichtbaren Zustand der Realität zu abstrahieren Schwierigkeiten, Details zu integrieren Probleme, gleichzeitige Informationen zu erfassen Schwierigkeiten, aus Fehlern zu lernen

Zentrale Kohärenz Wahrnehmung und Denken werden durch zentrale Kohärenz bedingt Reize im Bezugssystem zu anderen Reizen gesehen Kontextgebundene Wahrnehmung von Menschen, Objekten und Situationen