Crashkurs Zivilrecht Gruppe Prof Avenarius/Haferkamp

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Crashkurs Zivilrecht Gruppe Prof Avenarius/Haferkamp Fall 4 IPad

Der 16-jährige K hat sein Taschengeld und Weihnachtsgeld gespart, um sich endlich ein Ipad kaufen zu können. Daher bestellt er bei Elektrohändler V am 10.6.2014 einen iPad Air 2 für 689 Euro. Nach ihrer Absprache soll V das iPad binnen zwei Wochen per Post an K schicken. Die Eltern des K wissen nichts von dem Kauf. Sie haben mit K vereinbart, dass er grundsätzlich sein Geld eigenständig verwenden darf, bei größeren Käufen jedoch eine Absprache mit Ihnen erfolgen muss. K denkt, dass seine Eltern wohl nicht begeistert sind, weil sie Apple-Produkte grundsätzlich nicht mögen. Der Postangestellte gerät bei der Auslieferung des Pakets am 22.6.2014 unverschuldet in eine Massenkarambolage, wobei alle Pakete vollständig zerstört werden. K, hatte den Kaufpreis bereits am 13.6.2014 an V überwiesen und sich zudem eine Hülle für € 30,- besorgt, die er auch sofort mit seinem Taschengeld bezahlt hatte. Der umsichtige V hat alle seine elektronischen Geräte umfänglich versichert und erhält für das zerstörte iPad eine Versicherungspauschale von € 750,-. Die Eltern des K haben am 14.6.2014 die Rechnung von V gefunden und daraufhin den K zur Rede gestellt. Nach einer längeren Diskussion erklären sie gegenüber K, dass sie den Kauf doch für sinnvoll halten. Als V nun zufällig von der Minderjährigkeit des K erfährt, will er sofort den Vertrag widerrufen. Er ruft daher bei K an und erklärt dessen Vater am Telefon, er wolle den Vertrag widerrufen. Der Vater erklärt ihm daraufhin, dass dies nicht in Betracht käme, sie seien ja mit dem Geschäft einverstanden. K fragt sich, welche Rechte er gegen V hat und welche er sinnvollerweise geltend machen sollte. Ihn interessieren besonders die folgenden Fragen, bei deren Beantwortung Sie K durch ein Rechtsgutachten unterstützen sollen:

1. Kann K von V ein anderes iPad desselben Typs verlangen? 2. Kann er den Kaufpreis von V zurückfordern? 3. Kann er die Kosten für die Laptop-Tasche von V verlangen? 4. Kann er von V die Versicherungsprämie verlangen? Wie würde sich die Geltendmachung des Anspruchs auf die übrigen Ansprüche auswirken? Ist K zur Geltendmachung des Anspruchs zu raten? Anmerkung: Gehen Sie davon aus, dass es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag nach § 312 b, d BGB handelt.

Die folgende Darstellung ist keine Musterklausurlösung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dient lediglich als Besprechungsgrundlage zu den Kursen. Es können daher aus didaktischen Gründen Probleme ausführlicher oder kürzer ausgeführt sein, als sie in einer guten Klausurlösung erwartet werden.

I. Anspruch des K gegen V auf Übereignung eines anderen iPads gem I. Anspruch des K gegen V auf Übereignung eines anderen iPads gem. § 433 I BGB K könnte gegen V einen Anspruch auf Übereignung eines anderen iPads gem. § 433 I BGB haben. Kaufvertrag a. Übereinstimmende WE von V und K (+) b. ℗ schwebende Unwirksamkeit wegen MJ des K? grds K beschränkt geschäftsfähig nach § 106 BGB -> grds Einwilligung der Eltern erforderlich, sonst ist der Vertrag schwebend unwirksam i begrifflicher Unterschied von Einwilligung und Genehmigung, §§ 183, 184 BGB Einwilligung nach § 107 (-)   Hier keine Einwilligung der Eltern, sie wissen nichts von dem Geschäft § 110 BGB mit Überweisung des Betrages? Aber: beschränkte Einwilligung der Eltern, nicht für höhere Beträge, 689 Euro auf jeden Fall ein höherer Betrag, daher mit Bewirken der Leistung keine Wirksamkeit Andere Interpretation würde dem Gedanken des § 110 zuwiderlaufen (berücksichtigt auch Erziehungsrecht der Eltern)

Genehmigung nach § 108? Kann ggü MJ erklärt werden -> hier + Widerruf des V? Genehmigung ggü K § 108 II 1 2 HS Genehmigung ggü V nach Aufforderung erfolgt c. Ergebnis: Kaufvertrag (+)

2. Ausschluss des Anspruchs wegen Unmöglichkeit, § 275 I BGB Der Anspruch könnte aber wegen Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB ausgeschlossen sein. Dann müsste die geschuldete Leistung unmöglich geworden sein. Fraglich ist daher, welcher Art die geschuldete Leistung ist. a. Abgrenzung Gattungsschuld/Stückschuld Während bei einer Stückschuld Unmöglichkeit schon dann eintritt, wenn das betreffende Stück nicht mehr übereignet werden kann, muss bei Vereinbarung einer Gattungsschuld grundsätzlich ein weiteres Stück aus derselben Gattung nachgeliefert werden. Die Gattungsschuld unterscheidet sich von der Stückschuld dadurch, dass bei ihr nicht die Lieferung eines bestimmten Einzelstücks vereinbart wird, sondern sich der Vertrag auf die Lieferung einer Sache aus einer ganzen Kategorie untereinander austauschbarer Sachen bezieht. Was von beidem vereinbart ist, ist durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). i es geht um die subjektive Vereinbarung der Parteien! Nicht um eine objektive Bestimmung!

Hier : Einigung über eine Sache eines bestimmten Typs (iPad Air 2), Sache nach Parteiwillen ersetzbar durch eine andere Sache des gleichen Typs Es liegt somit eine Gattungsschuld i.S.d. § 243 I BGB vor. Daher bleibt V nach der.Zerstörung zur Lieferung eines anderen Geräts desselben Typs verpflichtet.  b. Konkretisierung der Gattungsschuld zur Stückschuld (§ 243 II BGB) Die Gattungsschuld könnte aber bereits vor der Zerstörung durch Konkretisierung zur Stückschuld geworden sein (§ 243 Abs. 2 BGB), mit der Folge, dass sich die Verpflichtung zur Übereignung nur noch auf den einen, dem Auslieferer bereits übergebenen iPad bezogen hätte. Dazu müsste V das zur Leistung seinerseits Erforderliche getan haben. Was das seinerseits Erforderliche ist, bestimmt sich nach dem Vertragsinhalt, also danach, ob eine Hol-, Schick- oder Bringschuld vereinbart wurde. Auch dies ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln.

aa. Ermittlung der vereinbarten Schuld durch Vertragsauslegung i Holschuld, Bringschuld, Schickschuld, Zweifelsregelung des § 269 Abs. 1 BGB Vorliegend sollte das iPad nach der Parteiabsprache nicht auf Vs Gefahr zu K gebracht werden, es liegt eine Schickschuld vor. bb. Erledigung des bei der Schickschuld Erforderlichen durch V Bei der Schickschuld hat der Verkäufer die Sache lediglich auszusondern und an eine Transportperson zu übergeben. Dies hat V hier getan. Gattungsschuld ist nach § 243 II BGB zur Stückschuld konkretisiert worden V schuldete damit nur noch die Übereignung dieses einen iPads Dieses iPad wurde zerstört

c. Ergebnis für die Unmöglichkeit (+) 3. Endergebnis: K hat gegen V keinen Anspruch auf Übereignung eines weiteren iPads gem. § 433 I BGB.

II. Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises i. H. v II. Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. € 689,- gem.   §§ 326 IV, 346 I BGB 1. Kaufvertrag, § 433 I (+) 2. § 326 I BGB Gem. § 326 I BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung jedoch, wenn der Schuldner nach § 275 I BGB nicht zu leisten braucht. Hier: (+) 3. Ausnahmen Fraglich ist aber, ob hier eine Ausnahme zu § 326 I BGB eingreift. i wichtigste Ausnahmen zu § 326 I: 326 II, 446, 447 hier: 326 II (-); 446 (-)

evt. § 447? Hier Anwendbarkeit? (-) Verbrauchsgüterkauf, § 474 IV (Achtung Gesetzesänderung 2014) (-) Exkurs: Versendung an einen anderen Ort als den Erfüllungsort? (Achtung terminologisch klar machen, was Erfolgsort und Erfüllungsort bedeutet) Voraussetzungen des § 447 447 (-) 326 I (+) Vss 326 IV (+) 4. Ergebnis: K hat gegen V einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach §§ 326 IV, 346 I BGB

Pflichtverletzung (+) Vertretenmüssen? IV. Anspruch des K gegen V auf Ersatz der Kosten für die Hülle gem.   § 284 BGB Bei den Ausgaben für die Hülle handelt es sich um ein freiwilliges Vermögensopfer und damit um Aufwendungen und nicht um einen Schaden. K hat sich die Hülle in der Erwartung, das iPad zugeschickt zu bekommen, gekauft, die Aufwendungen also auch im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht. § 284 „ anstelle eines SEanspruches statt der Lstg“ -> diese VSS müssen vorliegen Schuldverhältnis (+) Pflichtverletzung (+) Vertretenmüssen? Hier (-), keine Zurechnung des Transporteurs, im Übrigen dieser auch nicht verschuldet Daher kein Vertretenmüssen Damit kommt auch ein Aufwendungsersatzanspruch des K gegen V gem. § 284 BGB nicht in Betracht.

V. Anspruch des K gegen V auf Herausgabe der Versicherungsprämie i. H V. Anspruch des K gegen V auf Herausgabe der Versicherungsprämie i.H.v. € 750,- gem. § 285 I BGB § 275 I BGB (+) aufgrund der Unmöglichkeit Versicherungsprämie erlangt Grundsätzlich kann K die Versicherungsprämie also nach § 285 I BGB verlangen Macht K den Anspruch geltend, würde er allerdings gem. § 326 III 1 BGB zur Leistung des Kaufpreises verpflichtet bleiben. Zwar mindert sich der Kaufpreiszahlungsanspruch gem. § 326 III 2 BGB in dem Verhältnis, in dem der Wert des Ersatzanspruchs hinter dem der Leistung zurückbleibt. Die Versicherungsprämie ist hier allerdings nicht weniger wert als die Leistung, sodass die Pflicht des K zur Gegenleistung in voller Höhe bestehen bleiben würde. Daher würde der Anspruch des K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 326 IV, 346 I BGB i.H.v. € 689,- bei Geltendmachung des Anspruchs aus § 285 I BGB vollständig entfallen. Da die Versicherungsprämie aber € 100,- höher ist als der Kaufpreis, würde sich die Geltendmachung des Anspruchs aus § 285 BGB für K dennoch lohnen.

VI. Gesamtergebnis K hat keinen Anspruch auf Übereignung eines anderen iPads oder Ersatz der Aufwendungen für die Tasche. Er hätte aber einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Da der Wert der Versicherungsprämie aber höher ist, sollte er stattdessen besser Erstattung dieser Prämie von V verlangen.