Umgang mit Angst (-Störungen) in der Hausarzt-Praxis Dr. Bernhard Lache Facharzt für Allgemeinmedizin Bremer Hausärztetag, 19.11.2014
Hintergrund Behandlungspfad Angst-Erkrankungen, Etelsen-Seminar 2011-2013 Degam-Anwender-Version in Arbeit, vorrauss. 09/2015 fertig S3-LL April 2014. Wer hat von der S3-LL gehört? Wer hat sie gelesen? >Projekt Degam-Anwenderversion
Angaben zu Interessenkonflikten 1 Eigentümerinteresse an Arzneimitteln/Medizinprodukten (Patente, Urheberrechte, Verkaufslizenzen) Nein Geschäftsanteile/Aktien an Unternehmen der Gesundheitswirtschaft Möglich (Aktien-Fonds, die solche Anteile enthalten können) persönliche Beziehungen zu Vertreter eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z.B. Partner dort angestellt) Honorare für Berater-/Gutachtertätigkeit außerhalb der üblichen Patientenbetreuung als Hausarzt/-ärztin , bezahlte Mitarbeit im wissenschaftlichen Beirat eines Unternehmens der Gesundheitswirtschaft (z.B. Arzneiindustrie, Medizinprodukte), eines kommerziellen Auftragsinstituts oder einer Versicherung Honorare für Vortrags- und Schulungstätigkeiten oder bezahlte Autoren- oder Co-Autorenschaften im Auftrag eines solchen Unternehmens Honorare für Anwendungsbeobachtungen oder klinische Auftrags-Studien der pharmazeutischen oder Medizin-Geräte-Industrie
Angaben zu Interessenkonflikten 2 Erstattung von Reise- oder Übernachtungskosten für einen Kongress oder eine Fortbildungsveranstaltung durch ein Unternehmen der Gesundheitswirtschaft Nein Erstattung von Teilnahmegebühren für einen Kongress oder eine Fortbildung durch ein Unternehmen der Gesundheitswirtschaft Gelder (auch Geräte, Materialien, organisatorische Hilfestellung oder Unterstützung bei der Abfassung von Manuskripten) für ein von mir initiiertes Forschungsvorhaben aus einem Unternehmen der Gesundheitswirtschaft Ich verdiene Geld mit der klinischen Prozedur, über die ich in diesem Vortrag berichte Hausarzt, Psychosomatische Grundversorgung Ideelle, persönliche Interessenkonflikte Mitarbeit Degam-Anwenderversion-Angst-LL, DEGAM- u. MEZIS-Mitglied
Was ich mit Ihnen vorhabe Einleitung Kurze Systematik der Angststörungen Brainstorming zu Angst-Symptomen Dynamiken bei Panikattacke und – Störung Gruppen-Arbeit und Infos von mir zu: Wie Angststörungen erkennen? Welche Differentialdiagnostik? Wie eine hilfreiche Arzt-Patient-Beziehung gestalten? Wie könnte eine Basisbehandlung aussehen? Medikamente, Psychotherapie (Schnittstellen) Mitschreiben nicht nötig, Folien schicke ich per mail auf Wunsch
Zur Einstimmung „Der Schrei“ v Zur Einstimmung „Der Schrei“ v. Edvard Munch, auf dem sehr eindrucksvoll die Dramatik und Dynamik eines Angstzustandes zum Ausdruck kommt..
Angst – unser ständiger Begleiter Grundgefühl (Primäraffekt) des Menschen Biologisch angelegtes Reaktionsmuster auf (mögliche) Gefahr „Kampf-Flucht-Reaktion“, Ziel: Gefahr entkommen oder bewältigen Aktivierende oder lähmende Wirkung möglich Existenzielle Erfahrung, z.B. bei jedem Schritt ins Ungewisse, Neue Entwicklungsschritte durch Überwinden von Angst „Grundformen der Angst“, Fritz Riemann, spannendes Buch über die existenziellen Ängste mit denen wir kämpfen, in Abhängigkeit von unserer jeweiligen Charakterstruktur
„Was ist noch normal?“ Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, V, Mai 2013
März 2014 erschienen. Thesen: Überdiagnose psychischer Erkrankungen als Trend Finanzielle Interessen der „Seelenindustrie“ Soziale Probleme werden medikalisiert Aus Schüchternheit wird soziale Phobie Für mich schüttet er hier z.T. das Kind mit dem Bade aus..
Angst – wann ist sie krankhaft? Unangemessen stark oder unbegründet Überdauernd keine Möglichkeit zur Bewältigung, Vermeidungsverhalten Deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität und der Funktionsfähigkeit des Betroffenen
Angststörungen – warum wichtig? Häufig Hausärzte oft erster Ansprechpartner Oft chronischer Verlauf Hohe Inanspruchnahme des Gesundheitswesens Psychische u. soziale Funktionen sowie Lebensqualität deutlich beeinträchtigt Häufig nicht erkannt Folgeerkankungen, AU etc Gute Behandlungsoptionen
Angststörungen – Klassifikation nach ICD-10 Ungerichtete Ängste Panikstörung F 41.0 Plötzlich auftretende Angstanfälle, oft mit Angst die Kontrolle zu verlieren, ohnmächtig oder verrückt zu werden oder zu sterben; Über ca. 10 Min. zunehmende Symptome, spontanes Ende (Dauer: Min. bis max. 2h). In 2/3 der Fälle mit einer Agoraphobie verbunden Generalisierte Angststörung F 41.1 Ungerichtete, andauernde Angst in wechselnder Kombination, Nervosität, Schlafstörungen; ständige Sorgen in mehreren Bereichen des Lebens Gerichtete Ängste = Phobien Agoraphobie mit / ohne Panikstörung F 40.0 Angst vor Panikattacke/Kontrollverlust in Menschenmengen (ÖPPNV, Kino, Kaufhaus etc), engen Räumen, auf öffentlichen Plätzen oder beim Reisen (v.a. alleine) Soziale Phobie F 40.1 Angst vor Situationen, in denen man im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Furcht negativ bewertet zu werden. Spezifische Phobien F 40.2 Angst vor einzelnen Situationen oder Objekten (z.B. Katzen-, Blut-, Spinnen- oder Höhenangst) Aktuelle Systematik noch jung, Konzept Panikattacke erst im DSM-III 1980
Angst – hat viele Gesichter Herzklopfen-/-rasen, Hitzewallungen/Kälteschauer, Schwitzen, Mundtrockenheit Brustenge (auch Druck), Halsenge, Atembeschwerden Übelkeit, Oberbauchbeschwerden, Globusgefühl/Schluckbeschwerden Muskuläre Verspannungen/Schmerzen Nervosität, Anspannung, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Schwäche Benommenheits-Schwindel, inneres Zittern/Tremor, Parästhesien Derealisation (z.B.„Umgebung wirkt fremd, unwirklich“), Depersonalisation (z.B.„Neben sich stehen“) Welche Symptome fallen Ihnen spontan ein? Lets brainstorming Karteikarten, Stellwand
Frau M. , 34 Jahre: „Gestern abend saß ich vor dem Fernseher Frau M., 34 Jahre: „Gestern abend saß ich vor dem Fernseher. Plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Meine Kehle schnürte sich zu. Mir wurde schwindelig, und ich glaubte, gleich in Ohnmacht zu fallen. Das Öffnen des Fensters half auch nicht. Mein Herz klopfte bis zum Hals; ich hatte das Gefühl, dass es gleich aussetzt. Es fühlte sich an wie in einem Traum. Mein Gesicht war wie taub. Dann rief mein Mann den Notarzt. Als der da war, ging es mir schnell besser. Der Arzt in der Notaufnahme vermutete, dass es eine Blutdruckkrise war. Den Rest des Tages war ich ganz gerädert.“ Typische Panikattacke
Panikattacke – die Angstspirale Oft spontan Angst auslösende Situation (emotionale Erregung, Gedanken) (körperl. Anstrengung etc) z.B. Herzrasen, Schwitzen, Brustenge, Atemnot, Schwindel Ängstliche Bewertung (z.B. Herzklopfen = Herzinfarkt-Vorbote) Angst vor Kontrollverlust, Ohnmacht, zu Sterben etc Modifiziert nach Markgraf und Schneider, „Panik“ 1990
Panikstörung – und die Folgen Vermeidungs-verhalten, sozialer Rückzug Angst vor der Angst Erhöhte Anspannung körperliche Veränderungen, ängstliche Bewertung Angstattacke Nur ein kleiner Anteil (3-20%) von denen, die jemals eine Panikattacke hatten, entwickelt eine Panikstörung Vulnerabilität durch überreaktives autonomes Nervensystem und/oder hohe Sensibilität für körperl Symptome und Angst zu erkanken Kindheitstraumata, Interaktionsstile der Eltern?? Sucht, Depression
Angststörung – eine schwierige Diagnose?! Häufig (ca. 50%) nicht erkannt Probleme: Beratungsanlass sind meist körperliche Symptome Differentialdiagnostik ist manchmal anspruchsvoll Diagnose wird ev. von Pat. anfangs abgelehnt Häufig psychiatrische Komorbidität
Fehlversorgung und mögliche Folgen Angst als Ursache der Symptome wird nicht erkannt Aufsuchen verschiedener Ärzte, v.a. Spezialisten Fehlinterpretation von begleitenden pathol. Befunden (z.B. Hypertonus, „zervikogener Schwindel“) somatische Fixierung Chronifizierung, AU, psychiatrische Folgeerkrankungen
Jetzt sind Sie dran! Arbeit in 4 Kleingruppen, zunächst jeder alleine max. 5 Min überlegen/Stichworte aufschreiben, dann 10min in der Gruppe auf Karteikarten sammeln, ggf. dazu kurze Diskussion, am Ende 1 Sprecher bestimmen Gruppe 1: Bei wem und wie suche ich nach einer Angststörung? Sind Fragebögen hilfreich? Wenn ja, wie setze ich sie sinnvoll ein? Gruppe 2: Was sollte ein Minimal-Standard bei der Differentialdiagnostik beinhalten? Welche DD sind besonders wichtig? Gruppe 3 u. 4: Welche Probleme können in der Arzt-Patient-Beziehung mit „Angst-Pat.“ auftreten? Wie gelingt eine Basisbehandlung? Was hilft dem Pat. (und mir)?
Case-Finding Gruppe 1 Bei wem und wie suche ich nach einer Angststörung? Sind Fragebögen hilfreich? Wenn ja, wie setze ich sie sinnvoll ein?
Case-Finding – „Such-Fragen“ Nutzen für Screening nicht belegt, Schaden sicher! Case-Finding mit „Such-Fragen“ (S3-LL, IV): Panikstörung: Haben Sie plötzliche Anfälle, bei denen Sie in grosse Angst versetzt werden, und bei denen Sie unter Symptomen wie Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Luftnot leiden? GAS: Fühlen Sie sich oft nervös oder angespannt? Haben Sie das Gefühl, ständig besorgt zu sein und dies nicht unter Kontrolle zu haben? Soziale Phobie: Haben Sie Angst in Situationen, in denen Sie befürchten, dass andere Leute negativ über Sie urteilen könnten?
PHQ – Paniksyndrom (Ausschnitt Kurzform) Spitzer et al., PHQ, 1999 Löwe et al., Deutsche Version (PHQ-D), 2002
PHQ/GAD - generalisiertes Angstsyndrom
HADS-D = Hospital-Anxiety-Depression-Scale Zigmond and Snaith 1983 als psychologisches Screening-Instrument zur Erfassung von Angst und Depressivität bei Patienten mit körperlichen Erkrankungen bzw. mit somatoformen/ funktionellen Beschwerden entwickelt v.a. Symptome einer GAD (6 Items) (Sorgen/Befürchtungen, Nervosität, Anspannung), 1 Item für Panikattacken Zigmond and Snaith 1983 Herrmann et al., Deutsche Version 1995
Risiko Überdiagnose – Beispiel GAD-2/-7 Testeigenschaften bei undifferenziertem Einsatz, also Screening, in der HA-Praxis Was bedeuten diese Daten? Wofür kann man den Test gebrauchen? Wofür nicht? >>bei klinischem Verdacht, also hoher Vortest-Wahrscheinlichkeit, auch als Unterstützung der Diagnose, bei undifferenziertem Screening nur zum Ausschluss geeignet!
Wenn Fragebögen, bei wem und wann? Nutzen i.d. Hausarztpraxis nicht belegt Diagnose nie allein mit Fragebogen! „Syndrom“ vs. „Störung“ Differentialdiagnosen, Dauer! ?? im Rahmen eines Case-Finding bei „nicht-spezifischen“ Körperbeschwerden hohem Risiko für Depression/Angst (z.B. Diabetes, Herzinsuffizienz, Post-Infarkt, COPD/Asthma, Sucht u.a.) Auffälligem Bauchgefühl ?? Zur ergänz. Verlaufskontrolle ?? Zur Unterstützung eines Reha-Antrages Zeitkriterium bei Diagnose: z.B. GAD 6 Monate
Differentialdiagnostischer Prozeß (modifiziert n Differentialdiagnostischer Prozeß (modifiziert n. Berger, Psychiatrie und Psychotherapie, 1998) Normale Angst? Sekundärangst somatisch? Sekundärangst psychiatrisch? Primärangst, spontan? Primärangst, situativ? Alltagsstressoren, kritische Lebensereignisse, Krankheit Angststörungen
Differentialdiagnostik Gruppe 2 Was sollte ein Minimal-Standard bei der DD beinhalten? Welche DD sind besonders wichtig?
Differentialdiagnosen – somatisch Kardiovaskulär: KHK, Arrhythmien, Kreislauf-dysregulation u.a. Pulmonal: Asthma bronchiale u.a. Endokrin: v.a. Hyperthyreose, Hyperparathyreodismus, Phäochromozytom, Cushing- und Karzinoid-Syndrom, Insulinom Metabolisch: Hypoglykämie, Hypo-/Hyperkaliämie, Akute intermitt. Porphyrie Hirnorganisch/Vestibulär: komplex-partielle Anfälle, Multiple Sklerose, BPLS, Migräne, Hirntumoren Toxisch-/Pharmak.: Koffein, Medikamente (z.B. Interferone, Fentanyl, Risperidon, Doxazosin........ at-Datenbank 11/2014) Komplex-partielle Anfälle: mit Bewusstseinsstörung, ev. Hallzinationen, spez. EEG-Veränderungen, ggf. CK-, Prolaktinanstieg
Differentialdiagnosen – psychiatrische Somatoforme Störung (Nicht-spezifische Körperbeschwerden), Hypochrondrische Störung Depression (agitierte) Posttraumatische Belastungsstörung / Anpassungsstörung Entzugssyndrom (Alkohol, Opiate, Benzodiazepine u.a.) Drogenkonsum (LSD, Amphetamine, Cannabis) Borderline-Persönlichkeitsstörung Psychosen Hypochrondrie: Dominanz gesundheitsbezogener Ängste PTBS: „Flashbacks, wie im Film“, Alpträumen, Gefühl der emotionalen Stumpfheit „Führen Sie Ihre Ängste auf ein ungewöhnlich schreckliches oder bedrohliches Ereignis zurück, unter dessen Nachwirkungen Sie monatelang litten?“
Komorbiditäten - psychiatrische Quelle: S3-LL Angststörungen 2014
Differentialdiagnostik Schrittweise, individuell und gezielt „Quartärprävention“ Welcher Minimal-Standard ? Ausführliche Anamnese, psychiatrisch-diagn. Interview Symptombezogene körperliche Untersuchung ? Bei GAD:(oder Panikstörung): TSH, K, Ca ? weitere Diagnostik fakultativ (klinisches Bild, „Shared-Decision“...) ? Auszug S3-LL-Angststörungen
Hausärztliche Basisbehandlung Gruppe 3 und 4 Welche Probleme können auftreten? Wie kann sie gelingen? Was hilft dem Pat. (und mir)?
Vermeiden von Konflikten und Belastungen Forderungen nicht erfüllt Patient Ängstliche Symptombeob- achtung Katastrophisierende Erwartungen Wut über eigene Abhängigkeit und unnachgiebigem Arzt Vermeiden von Konflikten und Belastungen Anklammernde Nähewünsche Einfordern von mehr Dia-gnostik Angst, etwas zu übersehen immer mehr technische Diagnostik und Igeln Setzt keine Grenzen Vermeidet mit durch Krankschreiben Angst vor Verlassen werden, wenn man Forderungen nicht erfüllt Patient wird lästig Puzzle ängstlicher Beziehungsmodus Arzt und Pat. ergänzen sich in einem dysfunktionalen Muster Patient: Anklammerndes Verhalten, Forderung nach immer mehr Diagnostik, nach Vermeidungsverhalten und Schonhaltung Hausarzt: eigene Ängste, etwas zu übersehen oder juristisch belangt zu werden sowie Ängste, durch Setzen von Grenzen Patienten zu verlieren und zu brüskieren. Patienten mit unerfüllbaren Wünschen nach Nähe können irgendwann lästig und Krankheiten übersehen werden, oder dass ein Vermeidungsverhalten unterstützt wird und zu langandauernder Arbeitsunfähigkeit, iatrogenen Schäden (20) oder Chronifizierung von Ängsten und möglicherweise zu Süchten führt. Vermeidet Ansprechen der Angst Arzt Dr. med Iris Veit-Ärztin für Allgemeinmedizin/Psychotherapie 34
Hausärztliche Basisbehandlung I Angst ansprechen, beruhigen Arzt-Patient-Beziehung entwickeln, die Geborgenheit vermittelt und die Selbstkontrolle des Patienten fördert Erklärungsmodell des Pat. erfragen Biographische und soziale Anamnese (schrittweise) Psychoedukation: Vermittlung eines Erklärungsmodells (körperliche Angst-Korrelate, Angstspirale etc) Parallel dazu: Gezielte u. begrenzte körperliche Diagnostik Untersuchung zur Beruhigung vermeiden (Absicherungsverhalten, z.B. wiederholte EKGs) Endpunkt gemeinsam festlegen Wunsch-Überweisung zu Spezialisten besprechen (nicht „blind“!) Keine Mehrfach-Diagnostik ohne klare Indikation Offene Fragen und aktives Zuhören unter Zulassen von Pausen Akut-Situation: „Talking down“
Hausärztliche Basisbehandlung II Ggf. pathol. somat. Befunde neu einordnen, bilanzieren Fokussierung auf Symptome vermeiden (Beschwerdeunabhängige Folge-Termine, KEINE RR-Selbstm.! etc) Gemeinsame Suche nach kritischen Lebensereignissen und psychosozialen Problemen Ggf. (initial) Diagnose erst mal offenhalten Vermeidungsverhalten und sozialem Rückzug entgegenwirken (z.B. bei AU-Attest) Selbstständigkeit/Selbstkontrolle fördern (z.B. „Pill in the pocket“), Ressourcen stärken Körperliche Aktivität/Ausdauertraining und Entspannungsverfahren empfehlen „Was wird sich verändert haben, wenn die AU beendet ist?“ „Es ist unsere Erfahrung, dass längere AU Ihre Ängste und Beschwerden verstärken können.“ „Denken Sie Ihre Situation bis zu Ende durch, was würde eine Frühverrentung für Sie bedeuten?“ Ressourcen: z.B.: „Wo waren Sie schon mal mutig?"
Hausärztliche Basisbehandlung III Info zu Selbsthilfegruppen, sozialpsychiatrischen Angeboten etc. Versichern: bei starker Angst Termin am selben Tag (PVS) Ggf. Beratung zur Suchtprävention, Schlafhygiene zur Pflege bzw. Aufnahme guter sozialer Kontakte anregen (Gespräche ggf. zeitlich zu begrenzen) Angehörige ggf. einbeziehen Fakultativ: Techniken zur Selbstberuhigung vermitteln („Gedankenstopp“, „Formeln“) bei Phobien: Expositionstherapie anleiten (gute Vorbereitung!) „Was wird sich verändert haben, wenn die AU beendet ist?“ „Es ist unsere Erfahrung, dass längere AU Ihre Ängste und Beschwerden verstärken können.“ „Denken Sie Ihre Situation bis zu Ende durch, was würde eine Frühverrentung für Sie bedeuten?“ Ressourcen: z.B.: „Wo waren Sie schon mal mutig?“ „Was hilft Ihnen beim Aushalten der Angst?“
Psychotherapie Kognitive Verhaltenstherapie, KVT (S3-LL, Ia, A) Psychodynamische Verfahren (S3-LL, Iia, B) Elemente einer KVT Psychoedukation interozeptive, imaginative und/oder in-vivo-Exposition Abbau von Absicherungsverhalten Entspannungsverfahren selbstständige Emotionsregulation Bearbeitung von auslösenden/aufrechterhaltenen Kognitionen Training sozialer Kompetenz (soz. Phobie)
Medikamentöse Therapie – was ist 1. Wahl? SSRI, Ia Sertralin, 50 (-150)mg, beste Verträglichkeit? (Baldwin et al, BMJ 2011), OL f. GAS Paroxetin 20 (-50)mg Citalopram 20 (10-40)mg, OL für GAS u. soz. Ph. Trizyklische Antidepressiva, Ia/b Clomipramin 75 (-225)mg, OL für GAS, soz. Ph. Imipramin 75 (-225)mg, OL, aber gut untersucht! Benzodiazepine: „Pill in the pocket“, ggf. b. Panikattacke, (ggf. kurzzeitig zur Überbrückung, Cave Sucht!), z.B. Lorazepam 1 (-2,5)mg SSRI: S3-LL Ia/A, bei Zulassung Clomipramin: S3-LL Ia/B bei Panik Überlegenheit von SSRI vs TZA bzgl. UAW nicht belegt, bei den oft jüngeren Pat. mit Angststörungen anticholinerge UAW weniger relevant Wohl keine ausreichende Evidenz für Überlegenheit einer Substanz, oder SSRI vs. TZA (NICE 2012: Sertralin bevorzugt) OL = off label in Deutschland
Medikamentöse Therapie – Reserve-Subst.? SNRI Venlafaxin (Duloxetin): S3-LL jeweils Ia/A (Duloxetin nur GAS) Aber: vs SSRI (indirekt) kein Vorteil, tendenz. mehr UAW Opipramol: S3-LL, Ib / 0 für GAS Aber: Wirkung schlecht belegt (1 RCT bei GAD), Wirkung bei häufig komorbider Depression nicht belegt. Vorteil vs TZA?
Medikamentöse Therapie – was (eher) nicht? Escitalopram: Mee-too-Substanz, Enantiomer v. Citalopram, 4x teurer, Vorteil nicht belegt Pregabalin: viele UAW (v.a. Schwindel/Somnolenz), Suchtpotential ! Neuroleptika: ev. niedrigpotente als Bedarf im Anfall Cave Spätdyskinesien, v.a. wenn > 3 Monate Betablocker: Kein Nutzen
Medikamentöse Therapie – wie? Einschleichen, v.a. bei Älteren, bei TZA alle 3-5d erhöhen Aufklärung: initial ev. Angst-Zunahme, Wirklatenz (2-6 Wo), ggf. off-label-use, UAW... SSRIs: bei ca. 75% der Patienten reicht niedrige Ziel-Dosis ! Morgens oder mittags ( UAW Unruhe) Bei Älteren niedrige Dosis (z.B. Citalopram 10mg) Kontraindikationen, Interaktionen nicht vergessen! Erhaltungstherapie 6-12 Monate ? (S3-LL, IV) Ausschleichen! (1-2 Wo) Entzugssyndrom möglich (bei SSRI, SNRI, TZAs, Pregabalin) Entzugssyndrom: Angst, Agitiertheit, Tremor, Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Tachykardie, Akathisie sowie einschießende Parästhesien u.a.) GI-Blutungsrisiko unter SSRI, CAVE Kombi mit NSAR, ASS, OAK
Wann überweisen, wann einweisen? Überweisung FA für Psychiatrie/Psychotherapie: Nach 3 Monaten kein Ansprechen auf Behandlung, Ggf. bei Nicht-Ansprechen auf Medikament der 1. Wahl auch früher Schwere Angststörung (starke Beeinträchtigung der sozialen Teilhabe und der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit, Suizidalität etc) Ggf. bei komorbiden psychischen Störungen, insb. bei: Sucht Posttraumatischer Belastungsstörung (alternativ: spezial. PT) Stationäre (Notfall-) Einweisung u.a.: Akute Suizidalität Kein anderer „schützender“ Rahmen mehr (Familie, soz. Umfeld) Ggf. bei schwerer Angststörung, ausgeschöpften amb. Optionen
Danke fürs Zuhören und Mitmachen! Folien? email an: bernhard.lache@gmx.de
Panikattacke - Symptomatik sehr variabel, auch bei der gleichen Person Herzklopfen-/-rasen, Brustschmerzen (Druck/Enge), Halsenge, Atemnot Parästhesien, Hypästhesie, Benommenheits-Schwindel, inneres Zittern/Unruhe Hitzewallungen/Kälteschauer, Schwitzen, Mundtrockenheit seltener Übelkeit/Oberbauchbeschwerden, Harn-/Stuhldrang intensive Angst (zu Sterben, vor Herzstillstand, Ersticken oder Ohnmacht, verrückt zu werden/die Kontrolle zu verlieren), „Ohnmachtsgefühl“, Derealisation und Depersonalisation
Medikamentöse Therapie – was (eher) nicht? Escitalopram: S3-LL jeweils Ia/A Aber: Mee-too-Substanz, Enantiomer v. Citalopram, 4x teurer, Vorteil nicht belegt Pregabalin: S3-LL Ia/B für GAS. Aber: viele UAW (v.a. Schwindel/Somnolenz), Suchtpotential !, keine Langzeiterfahrungen, FDA lehnte Zulassung ab, teuer, Vorteil nicht belegt, keine Wirkung auf häufig komorbide Depr. Allenfalls Reserve für GAS, Kontraindikation erhöhtes Suchtrisiko! Neuroleptika: Nur in therapieresistenten Fällen durch FA (s. S3-LL) oder ev. niedrigpotente als Bedarf im Anfall Cave Spätdyskinesien, v.a. wenn > 3 Monate Betablocker: Kein Nutzen, eher Schaden (Ib)
Angststörungen - Epidemiologie 12-Monats-Prävalenz (Deutschland, Jacobi et al. 2014) Punkt-Prävalenz HA-Praxis (Kroenke et al. 2007, USA) Beginn (Median) Oft chronischer Verlauf, Schübe bei Panikstörung und GAS Spontan-Remission bei Älteren Frauen : Männer = 2: 1 (spez. Phobie 3:1) Gehäuft bei allein Lebenden, Geschiedenen, Verwitweten niedrigem soz. Status Arbeitslosigkeit Hausfrauen/Hausmännern nach belastenden Lebensereignissen Kindheitstraumata S3-LL, 2014 Panikstörung 2 % 7% 24. Lj. General. Angststörung 8% 31. Lj. Agoraphobie 4% ? Soziale Phobie 3% 6% 13. Lj. Spezifische Phobien 10% 7. Lj.
Wenn Fragebogen – PHQ ? PHQ-D (Patient-Health-Questionaire, deutsche Version): Vorteile: Kostenlos (www) Flexibel einsetzbar (modularer Aufbau) gute Validität des GAD und Panik-Moduls (englische Version), kann spezifische Diagnose stützen (Herr et al. JAMA. 2014;312:78-84) Nachteile: Pfizer-Sponsoring Relativ lang: GAD-7 + Panik-Skala = 13 Items (Cave: „PHQ-Kurz“ enthält nur Panik-Skala!), PHQ-D gesamt: 4 Seiten, 59 Items!
Wenn Fragebogen – HADS ? HADS-D (Hospital-Anxiety-Depression-Scale, deutsche Version): Vorteile: Kurz und umfassend: 1 Seite mit 14 Items für Angst und Depressivität Kein Pharma-Sponsoring Gut validiert auch in deutscher Version (nicht spezifisch für eine Angststörung Suchtest) Nachteile: Kostenpflichtig (aktuell 76 €)