Aktuelle Ergebnisse notfallmedizinischer Forschung 2012/2013

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 Präsentation transkript:

Aktuelle Ergebnisse notfallmedizinischer Forschung 2012/2013 Hinkelbein, Braunecker, Singer, Thiele, Böttiger in : Notfallmedizin up2date, Heft 4, 2013

CPR : Kompressionsfrequenz 1  Untersuchung: Resultiert aus unterschiedlichen Kompressionsraten ein unterschiedliches Outcome ? - Pat. > 19 Jahre mit Herzstillstand - automat. Aufzeichnungen des Defi-Monitors bei Rettungseinsätzen durch Paramedics - über 18 Monate (2005-2007) - 8,6% Überlebensrate

CPR : Kompressionsfrequenz 2 Ergebnis :  Optimum hinsichtlich einer primär erfolgreichen CPR (ROSC) lag bei 125/min  Sowohl bei höherer und bei niedriger Frequenz war ROSC-Rate schlechter  Jedoch keine Korrelation zwischen der Rate der Kompressionsfrequenz und der KKH-Entlassung

CPR : Kompressionsfrequenz 3 Kritik :  Kompressionstiefe wurde nicht registriert !  Dauer der CPR wurde nicht registriert !  Datenaufzeichnung auf die ersten 5min beschränkt !

CPR : Hyperoxie 1  Seit einigen Jahren galt: Hyperoxie bei KKH-Aufnahme nach Reanimation kann deletäre Folgen haben !  inzwischen durchaus kontroverse Diskussionen  Hauptkritikpunkt: 1. Erkenntnisse stammten aus retrospektiven Datenbankanalysen und Tierexperimenten 2. Beschränkung auf Nachweis der Hyperoxie bei KKH-Aufnahme  Andere Autoren fanden hingegen keine klaren Hinweise auf eine O2-induzierte Steigerung der Mortalität  Frage hier: Schadet eine Hyperoxie in der frühen Phase einer Reanimation ?

CPR : Hyperoxie 2 Studie aus Graz (Spindelboeck et al.) - Daten von 1015 Patienten zw. 2003 und 2010, die die präklinisch reanimiert wurden - Bei 145 dieser Patienten erfolgte präklinische BGA in der frühen Phase der Reanimation - 3 Gruppen : PaO2 < 61mmHg, PaO2 61 – 300mmHg und PaO2 > 300mmHg  je höher der PaO2, desto höhere ROSC-Rate

CPR : Hyperoxie 3

CPR : Hyperoxie 4 Unterschied zu früheren Studien : • Kritik : - bei allen früheren Studien erfolgte BGA erst bei Krankenhausaufnahme - Ist dieser methodische Unterschied verantwortlich für unterschiedliche Ergebnisse ? • Kritik : - nur retrospektive Arbeit (statistische Verzerrungen?)

CPR : Videolaryngoskopie Innerklinische Untersuchung:  Intubation mittels Glidescope bei CPR - auch unerfahrene Anwender hatten eine vergleich- bare Erfolgsrate wie Erfahrene - IT wohl ohne relevante Unterbrechung der Thorax- kompressionen möglich Kritik : - innerklinische Untersuchung - kein Patient mit schwierigem Atemweg

CPR : Therapeut. Hypothermie  Untersuchung: Invasive vs. Nichtinvasive Kühlung nach CPR ( Coolgard vs. ArcticSun ) - kaum Unterschiede festzustellen - möglicherweise leicht reduziertes Auftreten von Nebenwirkungen bei nichtinvasivem Vorgehen (weniger Infektionen, weniger größere Blutungen)

CPR : Prognosefaktoren  Empfehlungen der schwedischen Gesellschaft für Wiederbelebung zur Vorhersage des neurologischen Outcome

CPR : Prognosefaktoren Fehlen einer Schmerzreaktion - galt früher 72h nach ROSC als valides Zeichen eines schlechten neurologischen Outcome - wohl anders bei Patienten mit therapeut. Hypothermie - Auch Patienten mit fehlendem Schmerzreiz 72h nach ROSC zeigten noch gutes neurolog. Ergebnis - Ursache:  verlängerter Einfluss der Sedativa und Analgetika unter Hypothermie ???

CPR : Prognosefaktoren Pupillenreflex  bilaterales Fehlen 72 Stunden nach ROSC schlechtes prognostisches Zeichen • Cornealreflex  Fehlen 72 Stunden nach ROSC jedoch kein sicheres prognostisches Zeichen ! • General. Krampfanfälle und Myoklonie  Ebenso kein sicheres prognostisches Zeichen

CPR : Prognosefaktoren Somatosensibel evozierte Potentiale (SEP) : - vor Einführung der therap. Hypothermie als sehr spezifische Untersuchungsmethode bzgl. Prognose anerkannt - weitgehend unabhängig von Körperkerntemperatur - allerdings Fallberichte über Patienten mit gutem neurologischem Outcome trotz schlechter SEP nach therap. Hyperthermie beschrieben

CPR : Prognosefaktoren Elektroenzephalographie : - Auch Aussagekraft des EEG durch Hypothermie relevant eingeschränkt ! - möglicherweise durch die gleichzeitige Gabe von Sedativa wie Midazolam bedingt  SEP und EEG zur Therapieentscheidung sollten im normothermen Zustand frühestens 72 Stunden nach Beendigung der Sedierung erfolgen

CPR : Prognosefaktoren NSE (neuronenspez. Enolase) und Protein S-100 : - Am häufigsten verwendete und untersuchte Biomarker - Beide bieten in den ersten 24-48 Stunden wertvolle Informationen über den neurologischen Zustand aber nicht bei Hypothermie - Es existieren Fallberichte von Patienten mit gutem neurologischem Outcome trotz extrem hoher Serumkonzentrationen

CPR : Prognosefaktoren Fazit :  Keiner der zur Verfügung stehenden Tests kann bei Anwendung der Therapeut. Hypothermie eine zuverlässige Aussage treffen  Einsatz von Sedativa und Analgetika und die Einführung der Therapeut. Hypothermie beein- flussen die Validität der Tests erheblich  Pat. müssen hierzu normotherm und frei von beeinflussenden Medikamenten sein

Traumaversorgung : Schockraumdiagnostik Computertomographie : - 59,5% aller europäischen Traumazentren nutzen die WBCT (Ganzkörper-CT) - Studie von 2002 bis 2009 mit ca. 40 000 Pat. (selektiert aus dem dt. Traumaregister mit ISS > 15) - Mortalität bei Pat. mit WBCT betrug 17,4% - Mortalität bei Pat. ohne WBCT betrug 21,4% - Kritik: retrospektive Studie !

Traumaversorgung Schockraumdiagnostik Labordiagnostik : Basendefizit (BD) 1 - aus 16 305 Datensätzen aus Traumaregister 2002-2010 - Einteilung in Gruppen :  Gruppe I (BD < 2mmol/l)  Gruppe II (BD > 2-6 mmol/l)  Gruppe III (BD > 6-10 mmol/l)  Gruppe IV (BD > 10 mmol/l)

Traumaversorgung Schockraumdiagnostik Basendefizit (BD) Ergebnisse:  übereinstimmend mit höherem BD wurde auch ein höherer ISS gefunden - ISS: Gruppe I vs. IV : 19,1 vs. 36,7 - Mortalität : Gruppe I vs. IV : 7,4% vs. 51,5% - erford. EK: Gruppe I vs. IV : 1,5 vs. 20,3 Empfehlung: Basendefizit nutzen, um Erfordernis Bluttransfusionen abzuschätzen !

Traumaversorgung Schockraumdiagnostik Schockindex (SI)  Dieselbe Arbeitsgruppe untersuchte auch die Wertigkeit des Schockindex - 21 853 Patienten aus Traumaregister aus 2002-2011 - 4 Gruppen : Gruppe I (SI < 0,6) Gruppe II (SI > 0,6 bis < 1) Gruppe III (SI > 1 bis 1,4) Gruppe IV (SI > 1,4)

Traumaversorgung Schockraumdiagnostik Schockindex (SI) Ergebnisse :  Auch hier wurde übereinstimmend mit dem SI ein höherer Injury Severity Score (ISS) gefunden - ISS: Gruppe I vs. IV : 19,3 vs. 37,3 - Mortalität: Gruppe I vs. IV : 10,9% vs. 39,8% - Anzahl der Ery-Konzentrate und Katecholamingabe stiegen an - Hb, Thrombos und Quickwert fielen in Abhängig- keit von der Gruppe

Traumaversorgung Schockraumdiagnostik Empfehlung :  Im Schockraum sollte das Basendefizit herange- zogen werden, um die Erfordernis von Blut- transfusionen abzuschätzen  In der präklinischen Phase ist mangels Labor die Heranziehung des Schockindex zur Abschätzung des Transfusionsbedarfs sinnvoll

Pädiatrie : O2 bei Neugeborenen  Vorläufig zerschlagen haben sich die Hoffnungen durch ein niedrigeres Sauerstoffangebot bei sehr kleinen Frügeborenen ein besseres Outcome zu erzielen.  Das verminderte O2-Angebot scheint mit einer höheren Mortalität einherzugehen  Die Oxygen Radical Desease wird vermutlich in Zukunft wieder mehr auftreten zugunsten einer verbesserten Überlebensrate

Kardiologische Notfallmedizin Vorgeschaltete Lyse–Therapie vor PCI beim ST-Hebungsinfarkt Ist eine Präklinische Lyse beim STEMI innerhalb von 3 h nach Symptombeginn sinnvoll, wenn der Patient nicht innerhalb von 1 Stunde ein geeignetes Krankenhaus erreichen kann ? - 1892 Patienten in Studie eingeschlossen - Keine Überlegenheit der fibrinolysebasierten Strategie aber deutlich mehr intrazerebrale Blutungen

Kardiologische Notfallmedizin Vorgeschaltete Lyse-Therapie...... Stellenwert für die Praxis : Auch für längere Transportwege wird nach den obigen Untersuchungen die Fibrinolyse als vorge- schaltete Therapie keine relevante Rolle mehr spielen !

Kernaussagen  Für die Kompressionsfrequenz bei der CPR könnte das Optimum bei ca. 125/min liegen.  Die außerklinische Implantation einer ECMO kann evtl. zu einer Verkürzung der Zeitdauer bis zum Erreichen eines Kreislaufes nach einer CPR führen, wenngleich die Implantation zeitaufwendig ist.  Die Durchführung eines Ganzkörper-CT im Rahmen der Polytraumaversorgung senkt die Mortalität  Das Basendefizit ermöglicht eine Abschätzung des Transfusionsbedarfs und der Mortalität

Kernaussagen  Wenn nicht innerhalb einer Stunde ein Katheterlabor zur Verfügung steht, ist auch eine frühzeitige prähospitale Fibrinolyse mit einer zeitnahen PCI nicht mit einer Verbesserung der Prognose verbunden. Allerdings ist die Rate an Komplikationen nach Fibrinolyse höher