Hauptseminar: Die Religionsphilosophie des Deutschen Idealismus

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 Präsentation transkript:

Hauptseminar: Die Religionsphilosophie des Deutschen Idealismus Universität zu Köln Philosophisches Seminar Sommersemester 2014 Dr. Markus Wirtz Hauptseminar: Die Religionsphilosophie des Deutschen Idealismus

Textgrundlage für den 28.4.14: Immanuel Kant: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793). Hrsg. v. Bettina Stangneth. Hamburg 2003. Viertes Stück, Erster Teil: „Vom Dienst Gottes in einer Religion überhaupt“, S. 206-225

Zur Religionsphilosophie Kants (1 Zur Religionsphilosophie Kants (1.1) Theoretische Vernunft: Religionskritik Widerlegung der Möglichkeit einer theoretischen Gotteserkenntnis und damit einer „natürlichen“ (philosophischen, vernunftbasierten) Theologie Voraussetzung: erkenntnistheoretische Position des transzendentalen Idealismus → die Erfahrungswelt ist Erscheinung auf der Basis des subjektiven Verstandes, dieser ist durch transzendentale Kategorien vorstrukturiert Die theoretische Vernunft gelangt notwendigerweise zur Idee eines Inbegriffs aller Realitäten, eines allerrealsten Wesens. Dieses transzendentale Ideal wird sodann unzulässigerweise realisiert (objektiviert), hypostasiert und personifiziert → die Vernunft wähnt sich zu Unrecht im Besitz einer theoretischen Gotteserkenntnis.

Zur Religionsphilosophie Kants (1 Zur Religionsphilosophie Kants (1.2) Theoretische Vernunft: Religionskritik Doch das vermeintlich von der Vernunft erkannte Dasein Gottes ist in Wahrheit „ein bloßes Selbstgeschöpf ihres Denkens“ (Kritik der reinen Vernunft, A 584/B 712). Die Identifizierung eines absolut notwendigen Wesens mit einem Wesen von höchster Realität ist nicht zwangsläufig; deswegen sind alle Gottesbeweise hinfällig. Widerlegung des ontologischen, des kosmologischen und des physikotheologischen Gottesbeweises in der Kritik der reinen Vernunft

Zur Religionsphilosophie Kants (2 Zur Religionsphilosophie Kants (2.1) Praktische Vernunft: Autonomie der Moral Für die Begründung moralischer Normen ist Religion nicht erforderlich. Moral basiert auf der Freiheit des Menschen, verstanden als Fähigkeit zur Autonomie, d.h. zur Selbstgesetzgebung aus reiner praktischer Vernunft. Das Sittengesetz der reinen Vernunft besteht in der bloßen Form der allgemeinen Gesetzmäßigkeit (Universalisierbarkeit) subjektiver Handlungsgrundsätze (Maximen) → kategorischer Imperativ Moralisches Handeln ist insofern zweckfrei, als es keines vorgestellten Zweckes bedarf, um dessentwillen moralisch gehandelt wird. Ein wie auch immer gearteter Zweck kann moralisches Handeln nicht begründen. Zwecke sind nämlich immer etwas Bedingtes, während gutes Handeln unbedingt ist. Gleichwohl hat moralisches Handeln insofern Beziehung auf einen Zweck, als nach den Folgen eines Handelns gefragt werden kann, das sich an verallgemeinerungsfähigen Maximen orientiert.

Zwei getrennte „Reiche“? Zur Religionsphilosophie Kants (2.2) Praktische Vernunft: Verbindung von Natur und Sittlichkeit Zwei getrennte „Reiche“? Zweckmäßigkeit der Natur natürliche Bedürfnisse und Neigungen alles durch unsere Zwecke Bedingte GLÜCKSELIGKEIT Zweckmäßigkeit aus Freiheit Pflichten die formale Bedingung aller Zwecke PFLICHT

Zur Religionsphilosophie Kants (2 Zur Religionsphilosophie Kants (2.3) Praktische Vernunft: Postulatenlehre, ethikotheologischer Gottesbeweis und reiner Vernunftglaube Definition der Religion als „Erkenntnis unserer Pflichten als göttlicher Gebote“. Die Möglichkeit moralischer Vervollkommnung macht die Postulate der metaphysischen Ideen Freiheit, Gott und Unsterblichkeit der Seele notwendig. Ebenso erfordert die Idee des höchsten Guts, die Zusammenstimmung von Moralität und Glückseligkeit, einen obersten Weltenrichter (Gott). Daraus ergibt sich der ethikotheologische (moralische) Gottesbeweis: Die Zweckhaftigkeit moralischen Handelns ist für unsere Vernunft nur unter der Annahme eines gerechten Weltenrichters denkbar. Der reine Vernunftglaube basiert auf der Hoffnung, dass das höchste Gut durch Gott realisiert werde.

Zur Religionsphilosophie Kants (3 Zur Religionsphilosophie Kants (3.1) „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ Einteilung sämtlicher Religionen in die der Gunstbewerbung (des bloßen Kultes = KR) und die moralische Religion (= MR), die Religion des guten Lebenswandels Grundlage von KR: der fromme Wunsch, Gott möge mich glücklich und/oder zu einem besseren Menschen machen (etwa durch Beten, Beachtung religiöser Vorschriften, Vollziehen von Ritualen) Grundlage von MR: der Wille, durch Beachtung des kategorischen Imperativs dem Sittengesetz entsprechend zu handeln und so ein ,guter Mensch‘ zu werden; die Hoffnung, in diesem Bestreben durch höhere Mitwirkung unterstützt zu werden. Prinzip: ,Frage nicht, was Gott zu deinem Glück tun kann, sondern handle so, dass du göttlichen Beistandes würdig wirst!‘

Zur Religionsphilosophie Kants (3 Zur Religionsphilosophie Kants (3.2) „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ Die moralische Religion ist die einzig wahre; denn ihr Inhalt sind die durch Vernunft einsehbaren praktischen Gesetze. Statutarische religiöse Vorschriften sind dagegen historisch zufällig und können nicht für die gesamte Menschheit gelten. Macht man sie zur Bedingung göttlichen Wohlgefallens am Menschen, so kommt es zum Religionswahn. Nur durch einen guten Lebenswandel kann der Mensch Gott wohlgefällig werden. Für Kant stellt das Christentum den einzigen faktisch existierenden Fall einer moralischen Religion dar. In der Figur des Gottessohns wird das Ideal moralischer Vollkommenheit, das in unserer Vernunft liegt, personifiziert.

Zur Religionsphilosophie Kants (3 Zur Religionsphilosophie Kants (3.3) „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ Die Menschheit ist zur Beförderung des höchsten Guts verpflichtet. Deswegen ist die Schaffung eines ethischen Gemeinwesens, einer Republik unter Tugendgesetzen, welche letztlich die gesamte Menschheit umfassen soll, notwendig. Gott fungiert als der oberste Gesetzgeber des ethischen gemeinen Wesens. Weitere Einteilung der Religionen in natürliche (vernünftige) und geoffenbarte: In der natürlichen Religion macht erst die Erkenntnis einer unbedingten Pflicht diese zu einem göttlichen Gebot; in der Offenbarungsreligion geht das göttliche Gebot seiner Erkenntnis als unbedingte Pflicht voraus.

Zur Religionsphilosophie Kants (3 Zur Religionsphilosophie Kants (3.4) „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ Offenbarungsreligion (historisch-empirisch) Vernunftreligion (a priori)

Zur Religionsphilosophie Kants (3 Zur Religionsphilosophie Kants (3.5) „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ ,Parerga‘ (Randgebiete) der Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft und ihre problematischen Nebenwirkungen: 1) Gnadenwirkungen (können zu religiöser Schwärmerei führen) 2) Wunder (führen zu Aberglauben), 3) Geheimnisse (führen zu Wahnvorstellungen vermeintlicher Erleuchtung, Illuminatismus) 4) Gnadenmittel (führen zum Glauben an Thaumaturgie) Die Vernunft kann die Existenz dieser Gegenstände nicht mit letzter Sicherheit bestreiten, sie darf sie aber allenfalls dann in ihre Maximen aufnehmen, wenn die Moralität dadurch gefördert wird (reflektierender statt dogmatischer Glaube).

Zur Religionsphilosophie Kants (4) Religionspolitische Sanktionen gegen Kant Schreiben des preußischen Königs Friedrich Wilhelms II. vom 1. 10. 1794 an Kant: In dem Buch ,Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft‘ habe Kant das Christentum herabgewürdigt. Deswegen solle sich Kant in Zukunft aller die Religion betreffenden öffentlichen Äußerungen enthalten. Verteidigung Kants (veröffentlicht in der Vorrede zum Streit der Fakultäten, 1798): Seine Schrift enthalte im Gegenteil eine Würdigung der natürlichen Religion, mit der das Christentum in den Grundzügen übereinstimme.