Regelakzeptanz und Regelbefolgung bei der Geschwindigkeitswahl

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 Präsentation transkript:

Regelakzeptanz und Regelbefolgung bei der Geschwindigkeitswahl Fakultät Verkehrswissenschaften - Lehrstuhl für Verkehrspsychologie Regelakzeptanz und Regelbefolgung bei der Geschwindigkeitswahl 20. DVR-Forum Sicherheit und Mobilität. 18. Juni 2014 Dr. Jens Schade, TU Dresden

Problemlage Ca. 90 % der Straßenverkehrsunfälle werden ganz oder teilweise durch menschliches Fehlverhalten verursacht Als unterschiedliche Typen von Fehlverhalten können Versehen, Fehler und Verstöße differenziert werden (Reason, 1994) Unterscheidung in unbeabsichtigte vs. beabsichtigte Handlungen. Jens Schade

Regelverstöße sind über sicherheitskonträre Motive der Person vermittelt und stellen bewusstes, beabsichtigtes (Fehl-) Verhalten dar. Dabei spielen individuelle Einstellungen, Wert- und Normvorstellungen eine bedeutsame Rolle. Bezüglich der Sicherheitsrelevanz zeigt sich, dass vor allem Verstöße für die Vorhersage von Unfällen bedeutsam sind (Parker et al. 1995a, 1995b, Meadows et al., 1998, Iversen & Rundmo, 2001, Sullman et al. 2002). Jens Schade

Gesamtgesellschaftlicher Schaden von Fehlverhaltensarten Hautzinger et al. (2011)

GESCHWINDIGKEITSVERÄNDERUNGEN: AUSWIRKUNGEN AUF UNFÄLLE: „Power Model“ Eine Abnahme der durchschnittlichen Geschwindigkeit um 5% bewirkt ungefähr eine Verringerung der Unfälle mit Verletzten um 10% und eine Verringerung der Unfälle mit Getöteten um 20% (u.a.: Nilsson, 2004; OECD, 2006, s. auch Elvik, 2009; 2012)

Allgemeine Determinanten der Regelbefolgung Verhaltens-angebote Einstellungen, Normen, Motive Mobilitäts- und verkehrsbezogenes Wissen Regelbefolgung Handlungs-anreize Wahrgenommene/s Verhalten/Konsequenzen Schlag et al. (2011) Jens Schade

Aus: Shinar, 2007

Psychologische Ursachen für schnelles Fahren Wahrnehmung Kognitive und motivationale Aspekte Einstellungen, Überzeugungen und subjektive Normen von Fahrern

Sichtweite und Geschwindigkeit …. und umgekehrt: Je weiter voraus der Blick, umso höher tendenziell die Geschwindigkeit! Je höher die Geschwindigkeit, desto ferner die visuelle Orientierung. Weller, Schlag et al. (2006)

Beispiel für kognitiv-motivationale Adaptation

Einstellungen, Normen und instrumentelle Erwartungen (Regelakzeptanz) als zentrale Faktoren der internalen Steuerung bei der Einhaltung von Verkehrsregeln

Verkehrsklima in Deutschland 2010 Gehlert & Genz (2011)

Einschätzung des persönlichen Fahrstils und des Fahrstils anderer Autofahrer im Vergleich (Gehlert, 2009, S. 8)

ABER .. FAZ vom 20.03.2013 http://bit.ly/10LnoQI 

Speed Violation Model R2 = .79 Soziale Norm Personale Norm .52 Personale Norm Deskriptiv Norm -.24 .16 R2 = .79 Wkt. Geschwindigkeits-übertretung .14 -.58 Wahrg. Sanktionswkt. .09 .47 -.58 Externe situative Faktoren Personal norm was negatively associated with the stated likelihood of non-compliance. Perceived difficulties to control the influence of situational affordances increases the likelihood of non-compliance. The stronger the personal norm the easier individuals perceived it to control situational influences. The expectations of important others on individual’s behaviour had a strong impact on the own personal norm. The descriptive norm had no significant impact on the personal norm but we could identify a direct effect on the likelihood of non-compliance, and furthermore, a positive impact on the perceived difficulties to control situational affordances. That is, the higher the perceived compliance rate in the society the more difficult individuals perceived it to control situational factors. That is an interesting aspect because it might suggest that if I perceive that others violate the rules I will perceive influencing factors as less controllable for my own behaviour or spent less effort to behave according to the traffic law in spite of adverse situational conditions Perceived Sanction Likelihood had no direct effect on the stated non-compliance, but had an direct effect on the Personal Norm. That suggest that the way a violation is formal sanctioned by authorities gives us also information about moral evaluation of this violation. Risiko-toleranz .35 Chi-Square = 545.716, df = 125, p ≤ 0.01, GFI = 0.941, AGFI = 0.920, RMSEA = 0.058 Schade, Rößger & Schlag (2011)

Zusammenfassende Schlussfolgerungen und Gegenmaßnahmen

Geschwindigkeitsübertretungen   1. Situative Begünstigung: Hemmende und leitende Umfeld-bedingungen 2. Soziale Normen 3. Personale Determinanten 4. Dominantes Problem und Ansatzpunkte zur Veränderung a.) Konsequenz­erwartungen: Wahrgenommene Eintrittswahrscheinlichkeit E und Strafhärte/Wert W. b.) Wahrgenommene Gefährdung, informelle Normen, gesellschaftliche Akzeptanz, llegitimitätssignale. Motivation für Übertretungen b) Fehleranfälligkeit und erlebte Kontrollierbar­keit Geschwindigkeitsübertretungen Fehlerhaftes Situationsverständnis, falsche Hinweisreize/cues Situativer Aufforderungsge-halt/Affordanzen (Kfz, Straße) (in Interaktion mit Motivation) E niedrig, W meist niedrig. Aber: Vermeintlicher Gewinn erscheint sicherer (E) und wichtiger (W). Wahrgen. Gefährdung niedrig, informelle Normen schwach, gesellschaftliche. Akzeptanz von Übertretungen hoch, Illegitimitätssignale gering. Diverse trait- (Alter, Geschlecht, sensation seeking u.a.) und state-Faktoren (Eile u.a.); fehlende negative Konsequenzen und wahrgen. Vorteile: Verstärkungszirkel bewirkt Habituation. Mentales Modell incl. Konsequenzen-erwar­tung ungünstig; Übertretungen als kontrollierbar erlebt. Übertretungsproblem: Motivation für und soziale Akzeptanz von Geschwindigkeitsüber-tretungen bei schwacher sozialer Kontrolle (enforcement und informell) und falscher Verstärkung. Schade, Schlag & Rößger (2009)

Welche Maßnahmen sind zu empfehlen? Technische Maßnahmen (Engineering) 1. Planung, Bau und Betrieb der Infrastruktur 2. Fahrzeuge 3. Kommunika- tionsstechnik; Schnittstellen Information, Aus- bildung, Erziehung (Education) 1. Aus- und Weiter- bildung 2. Aufklärung und Erziehung 3. Marketing und Öffentlichkeits- arbeit Gesetze, Überwa- chung, Ahndung (Enforcement) 1. Gesetzgebung 2. Überwachung 3. Ahndung Wirtschaftliche Anreize (Economy) 1. Steuerliche Maßnahmen 2. Preispolitische 3. Incentives, Subventionen Prinzip Selbst- erklärende Straße FIS/FAS (ISA) Normenbildung Tempolimits Überwachungs- druck Halterhaftung? Anreize für technische u. verhaltensorientierte Sicherheitsmaßnahmen 19 Quelle: Wiss. Beirat BMVBS (2010)

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