Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) NMR Spektroskopie 1. Physikalische Grundlagen Viele Atomkerne besitzen einen von Null verschiedenen Eigendrehimpuls (Spin) p=ħ·I, der ganz – oder halbzahlige Werte von ħ betragen kann. I bezeichnet die Kernspin-Quantenzahl. Damit haben diese Kerne ein magnetisches Moment µ=g·p, wobei g das sogenannte gyromagnetische Verhältnis darstellt. I = 0 : 12C, 16O (sogenannte gg-Kerne haben immer I=0!) I = 1/2: 1H, 13C, 15N, 19F, 31P,... I = 1: 2H=D, 6Li ,14N I = 3/2: 7Li, 11B,.... I = 5/2: 17O, .... Im magnetischen Feld B0 richtet sich der Vektor p bzgl. B0 aus und nimmt bestimmte, diskrete Werte an (Richtungsquantelung), die mit der magnetischen Quantenzahl m beschrieben werden: m=+I, I-1, I-2...-I. Der sogenannte Zeeman-Effekt bewirkt die Aufspaltung in (2I+1) verschiedene Eigenzustände mit den Energien E= -g·m·ħ·B0 mit m=+I...-I D.h. für das Proton mit I=1/2 erhält man 2 Energieniveaus mit E= ±1/2·g·ħ·B0 m Bo NMR -1_1
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Verhalten eines Kernspins mit I=1/2 im Magnetfeld B0 B0 Energie E µ Präzession des mag. Moments um B0 mit der Larmor-Frequenz w0 w0 = - g B0 1H: B0=1.4T => n0 = w0/2p = 60 MHz +1/2g· h/2p · Bo · B0 -1/2g· h/2p · Bo · µ B0 Magnetfeld B NMR -1_2
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) B0 µ +1/2g· h/2p · Bo |b> DE B0 µ -1/2g· h/2p · Bo |a> Besetzung der Energieniveaus gemäß der Boltzmann -Verteilung: Na/Nb =exp(-DE/kT)=exp(-ghB0/2pkT) ~1 - ghB0/2pkT Beispiel: B0 = 1.4 T, T=298K => DE ~0.02 Jmol-1 NMR -1_3
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Anlegen des Magnetfeldes y x z Bo Mo Die Kernspins richten sich parallel oder anti-parallel zum angelegten Magnetfeld aus: da die parallel ausgerichteten Momente in der Überzahl sind, wird die Probe magnetisiert. NMR -1_4
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) 2. Messprinzip N S B1 Empfänger Sender Steuerung/ Auswertung Magnet NMR -1_5
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Mo y z x B1 Laborkoordinatensystem Rotierendes Koordinatensystem z´ Mo x´ y´ B1 NMR -1_6
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) z´ z´ Einstrahlung eines linear polarisierten Feldes B1 Relaxation nach Abschalten des B1 Feldes Mo Mo x´ x´ y´ y´ B1 Sendespule Empfangsspule 1/n0 HF-Puls Erzeugung = * tp NMR -1_7
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Signal der Probe nach Anregung mit einem HF- Puls Fourier- Transformation Spektrum der Probe NMR -1_8
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) 3. Die chemische Verschiebung Abschirmung des Kernspins durch die umgebenden Elektronen Die Kerne „spüren“ nicht das tatsächlich anliegende Magnetfeld B0, sondern werden durch die sie umgebende Elektronenhülle abgeschirmt. Das lokale Feld (das am Kernort) ist dann: Blokal = (1 - s)B0 . Die Konsequenz ist eine veränderte Resonanzfrequenz wlokal w0. Da diese Abschirmung von der chemischen Umgebung abhängt, nennt man diesen Effekt chemische Verschiebung - dieser Effekt erlaubt es, chemisch nicht äquivalente Kerne zu unterscheiden, da ihr Signal im NMR Spektrum bei unterschiedlichen Frequenzen erscheint. Induziertes Magnetfeld Elektron Proton NMR -1_9
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Die chemische Verschiebung ist a) proportional zur Stärke des angelegten äußeren Magnetfeldes B0 und b) klein bzgl. des Zeeman-Effektes. Um a) vergleichbare und b) handhabbare Werte für die chemische Verschiebung zu haben, wurde die ppm- Skala eingeführt. Sie eicht die Lage der beobachteten Resonanzen bezüglich einer festgelegten Referenzsubstanz. Spektrum bei 1.4T (60 MHz) HCCl3 TMS 7.26 d (ppm) Dn = 435.6 Hz Spektrum bei 2.3T (100 MHz) HCCl3 TMS 7.26 d (ppm) Dn = 726 Hz d = (nProbe – nTMS)/Spektrometerfrequenz (MHz) [ppm] (1MHz=106 Hz, ppm=parts per million,nTMS=0 => dTMS=0) NMR -1_10
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Typische 1H chemische Verschiebungen bzgl. TMS: Cyclopropan 0.2 Csp3-H Primär RCH3 0.9 Sekundär R2CH2 1.3 Tertiär R3CH 1.5 Vinylisch C=C-H 4.6 - 4.9 Csp2-H Aromatisch Ar-H 6 - 8.5 Acetylenisch CC-H 2-3 Csp-H Benzylisch Ac-C-H 2.2 – 3 subst. Csp3-H Allylisch C=C-CH3 1.7 Fluoride HC-F 4 –4.5 X-Csp3-H Chloride HC-Cl 3 – 4 Bromide HC-Br 2.5 - 4 Jodide HC-J 2 - 4 Alkohole HC-OH 3.4 - 4 Äther HC-OR 3.3 - 4 Ester RCOO-CH 3.7 – 4.1 NMR -1_11
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Ester HC-COOR 2 – 2.2 subst. Csp3-H Säuren HC-COOH 2 – 2.6 Carbonylverb. HC-C=O 2 – 2.7 Aldehyde RCHO 9 –10 Csp2-H Hydroxy ROH 1 – 5.5 X-H (X=O,N) Phenol ArOH 4 - 12 Enol C=C-OH 15 - 17 Carboxy RCOOH 10.5 - 12 Amin RNH2 1 – 5 Die chemischen Verschiebungen sind von weiteren Parametern abhängig: Lösungsmittel Konzentration der Probe Temperatur dynamischen Prozessen (chemischer Austausch, Bewegungsvorgängen, Komplexbildungen u.a.) NMR -1_12
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) 4. Chemische Äquivalenz Verbindung Erwartete Anzahl von NMR Signalen Intensitäten 2 3 : 2 2 6 : 1 3 3 : 2 : 2 2 6 : 2 (3 : 1) 3 3 : 1 : 1 2 9 : 3 (3 : 1) 2 6 : 4 (3 : 2) 4 3 : 2 : 2 : 1 NMR -1_13
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Man erwartet 3 Signale mit den Intensitäten 3: 1:2 Man findet 4 Signale mit den Intensitäten 3:1: 1:1 C Hb * chirales Zentrum H * H C C C l 3 C l Ha Cl Cl Cl * * * H CH3 H CH3 H CH3 Hb Ha Cl Ha Cl Hb Cl Ha Hb Ha und Hb in allen Konformeren chemisch nicht äquivalent ! Cl Cl Cl * * * H CH3 H CH3 H CH3 Hb Z Ha Hb Z Ha Cl Cl Cl Diastereomere NMR -1_14
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) H(b) C H(b) Cl C H C H 3 3 H(b) Z C C Z H(b) Cl Cl Enantiomere NMR -1_15
Spektroskopische Methoden in der Organischen Chemie (OC IV) Dimethylsulfit oder N,N-Dimethylanilinoxid geben in einem achiralen Lösungsmittel nur ein Signal für die Methylgruppen. In Gegenwart eines chiralen Shiftreagenzes spaltet das Signal auf und man erhält für jede der enantiotopen Methylgruppen je ein Signal. NMR -1_16