Gesetzgebung.

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 Präsentation transkript:

Gesetzgebung

Gesetzgebung Vertiefungshinweise: Herdegen, Europarecht, § 8, Rn. 67-72. Arndt/Fischer/Fetzer, Europarecht, 4. Teil, Rn. 227-235. Hobe, Europarecht, 3. Teil, Rn. 54-75.

Merkmale des Gesetzgebungsverfahrens Die Kommission konsultiert und schlägt vor; Der Rat und das Europäische Parlament beschließen das Gesetz; Der Gerichtshof spricht Recht; Die nationalen Parlamente wirken mit; Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen nehmen Stellung.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 17 EUV (2) Soweit in den Verträgen nichts anderes festgelegt ist, darf ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden. Andere Rechtsakte werden auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags erlassen, wenn dies in den Verträgen vorgesehen ist.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 289 AEUV (1) Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren besteht in der gemeinsamen Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament und den Rat auf Vorschlag der Kommission. Dieses Verfahren ist in Artikel 294 festgelegt. (2) In bestimmten, in den Verträgen vorgesehenen Fällen erfolgt als besonderes Gesetzgebungsverfahren die Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament mit Beteiligung des Rates oder durch den Rat mit Beteiligung des Europäischen Parlaments. (3) Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden, sind Gesetzgebungsakte. (4) In bestimmten, in den Verträgen vorgesehenen Fällen können Gesetzgebungsakte auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten oder des Europäischen Parlaments, auf Empfehlung der Europäischen Zentralbank oder auf Antrag des Gerichtshofs oder der Europäischen Investitionsbank erlassen werden.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 289 AEUV (1) Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren besteht in der gemeinsamen Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament und den Rat auf Vorschlag der Kommission. Dieses Verfahren ist in Artikel 294 festgelegt.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 289 AEUV (2) In bestimmten, in den Verträgen vorgesehenen Fällen erfolgt als besonderes Gesetzgebungs-verfahren die Annahme einer Verordnung, einer Richtlinie oder eines Beschlusses durch das Europäische Parlament mit Beteiligung des Rates oder durch den Rat mit Beteiligung des Europäischen Parlaments.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 289 AEUV (3) Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden, sind Gesetzgebungsakte.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 289 AEUV (4) In bestimmten, in den Verträgen vorgesehenen Fällen können Gesetzgebungsakte auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten oder des Europäischen Parlaments, auf Empfehlung der Europäischen Zentralbank oder auf Antrag des Gerichtshofs oder der Europäischen Investitionsbank erlassen werden.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 76 AEUV Die in den Kapiteln 4 und 5 genannten Rechtsakte sowie die in Artikel 74 genannten Maßnahmen, mit denen die Verwaltungszusammenarbeit in den Bereichen der genannten Kapitel gewährleistet wird, werden wie folgt erlassen: a) auf Vorschlag der Kommission oder b) auf Initiative eines Viertels der Mitgliedstaaten.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 281 AEUV Die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird in einem besonderen Protokoll festgelegt. Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Satzung mit Ausnahme ihres Titels I und ihres Artikels 64 ändern. Das Europäische Parlament und der Rat beschließen entweder auf Antrag des Gerichtshofs nach Anhörung der Kommission oder auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Gerichtshofs.

Gesetzgebungsverfahren Geregelt in Art. 294 AEUV Wichtigstes Rechtsetzungsverfahren (1) Kommission schlägt vor (2) EP und Rat beschließen gemeinsam

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV (1) Wird in den Verträgen hinsichtlich der Annahme eines Rechtsakts auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren Bezug genommen, so gilt das nachstehende Verfahren. (2) Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Vorschlag.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV Erste Lesung (3) Das Europäische Parlament legt seinen Standpunkt in erster Lesung fest und übermittelt ihn dem Rat. (4) Billigt der Rat den Standpunkt des Europäischen Parlaments, so ist der betreffende Rechtsakt in der Fassung des Standpunkts des Europäischen Parlaments erlassen. (5) Billigt der Rat den Standpunkt des Europäischen Parlaments nicht, so legt er seinen Standpunkt in erster Lesung fest und übermittelt ihn dem Europäischen Parlament. (6) Der Rat unterrichtet das Europäische Parlament in allen Einzelheiten über die Gründe, aus denen er seinen Standpunkt in erster Lesung festgelegt hat. Die Kommission unterrichtet das Europäische Parlament in vollem Umfang über ihren Standpunkt.

Europäisches Parlament Artikel 231 AEUV Soweit die Verträge nicht etwas anderes bestimmen, beschließt das Europäische Parlament mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Geschäftsordnung legt die Beschlussfähigkeit fest.

Rat Art. 16 EUV (3) Soweit in den Verträgen nichts anderes festgelegt ist, beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV Zweite Lesung (7) Hat das Europäische Parlament binnen drei Monaten nach der Übermittlung a) den Standpunkt des Rates in erster Lesung gebilligt oder sich nicht geäußert, so gilt der betreffende Rechtsakt als in der Fassung des Standpunkts des Rates erlassen; b) den Standpunkt des Rates in erster Lesung mit der Mehrheit seiner Mitglieder abgelehnt, so gilt der vorgeschlagene Rechtsakt als nicht erlassen; c) mit der Mehrheit seiner Mitglieder Abänderungen an dem Standpunkt des Rates in erster Lesung vorgeschlagen, so wird die abgeänderte Fassung dem Rat und der Kommission zugeleitet; die Kommission gibt eine Stellungnahme zu diesen Abänderungen ab.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV Zweite Lesung (8) Hat der Rat binnen drei Monaten nach Eingang der Abänderungen des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit a) alle diese Abänderungen gebilligt, so gilt der betreffende Rechtsakt als erlassen; b) nicht alle Abänderungen gebilligt, so beruft der Präsident des Rates im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments binnen sechs Wochen den Vermittlungsausschuss ein. (9) Über Abänderungen, zu denen die Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat, beschließt der Rat einstimmig.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV Vermittlung (10) Der Vermittlungsausschuss, der aus den Mitgliedern des Rates oder deren Vertretern und ebenso vielen das Europäische Parlament vertretenden Mitgliedern besteht, hat die Aufgabe, mit der qualifizierten Mehrheit der Mitglieder des Rates oder deren Vertretern und der Mehrheit der das Europäische Parlament vertretenden Mitglieder binnen sechs Wochen nach seiner Einberufung eine Einigung auf der Grundlage der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates in zweiter Lesung zu erzielen. (11) Die Kommission nimmt an den Arbeiten des Vermittlungsausschusses teil und ergreift alle erforderlichen Initiativen, um auf eine Annäherung der Standpunkte des Europäischen Parlaments und des Rates hinzuwirken. (12) Billigt der Vermittlungsausschuss binnen sechs Wochen nach seiner Einberufung keinen gemeinsamen Entwurf, so gilt der vorgeschlagene Rechtsakt als nicht erlassen.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV Dritte Lesung (13) Billigt der Vermittlungsausschuss innerhalb dieser Frist einen gemeinsamen Entwurf, so verfügen das Europäische Parlament und der Rat ab dieser Billigung über eine Frist von sechs Wochen, um den betreffenden Rechtsakt entsprechend diesem Entwurf zu erlassen, wobei im Europäischen Parlament die Mehrheit der abgegebenen Stimmen und im Rat die qualifizierte Mehrheit erforderlich ist. Andernfalls gilt der vorgeschlagene Rechtsakt als nicht erlassen. (14) Die in diesem Artikel genannten Fristen von drei Monaten beziehungsweise sechs Wochen werden auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates um höchstens einen Monat beziehungsweise zwei Wochen verlängert.

Gesetzgebungsverfahren Artikel 294 AEUV Besondere Bestimmungen (15) Wird in den in den Verträgen vorgesehenen Fällen ein Gesetzgebungsakt auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten, auf Empfehlung der Europäischen Zentralbank oder auf Antrag des Gerichtshofs im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, so finden Absatz 2, Absatz 6 Satz 2 und Absatz 9 keine Anwendung. In diesen Fällen übermitteln das Europäische Parlament und der Rat der Kommission den Entwurf des Rechtsakts sowie ihre jeweiligen Standpunkte in erster und zweiter Lesung. Das Europäische Parlament oder der Rat kann die Kommission während des gesamten Verfahrens um eine Stellungnahme bitten, die die Kommission auch von sich aus abgeben kann. Sie kann auch nach Maßgabe des Absatzes 11 an dem Vermittlungsausschuss teilnehmen, sofern sie dies für erforderlich hält.

Komitologie Nach Art. 290 und 291 Abs. 2 und 3 AEUV kann die Kommission ermächtigt werden, Durchführungsvorschriften zu Gesetzgebungsakten erlassen. Näheres regelt der sog. „Komitologie-Beschluss“, der unterschiedliche Verfahren zum Erlass der Durchführungsvorschriften vorsieht. Der Erlass von Durchführungsvorschriften erfolgt zusammen mit den Komitologie-Ausschüssen, in denen die Mitgliedstaaten vertreten sind, zum Teil auch unter Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Rates. Vgl. die Funktion der Rechtsverordnung in Deutschland nach Art. 80 GG.

Fall Gesetzgebung Auf dem Markt der Telekommunikationsendgeräte haben einzelne Mitgliedstaaten bestimmten nationalen Unternehmen Sonderrechte eingeräumt. Die Kommission erlässt eine Richtlinie, die diese Sonderrechte abschafft und den Wettbewerb auf dem Markt der Telekommuni- kationsendgeräte fördern soll. Die Kommission stützt die Richtlinie auf [Art. 106 Abs. 3 AEUV]. Frankreich ist der Auffassung, die Richtlinie habe nur der Rat nach [Art. 103 AEUV] beschließen dürfen. War die Kommission oder der Rat zuständig?

Fall Gesetzgebung Artikel 103 Abs. 1 AEUV Die zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 102 und 103 niedergelegten Grundsätze werden vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschlossen. Artikel 106 Abs. 3 AEUV Die Kommission achtet auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Beschlüsse an die Mitgliedstaaten.

Fall Gesetzgebung Auf dem Markt der Telekommunikationsendgeräte haben einzelne Mitgliedstaaten bestimmten nationalen Unternehmen Sonderrechte eingeräumt. Die Kommission erlässt eine Richtlinie, die diese Sonderrechte abschafft und den Wettbewerb auf dem Markt der Telekommuni- kationsendgeräte fördern soll. Die Kommission stützt die Richtlinie auf [Art. 106 Abs. 3 AEUV]. Frankreich ist der Auffassung, die Richtlinie habe nur der Rat nach [Art. 103 AEUV] beschließen dürfen. War die Kommission oder der Rat zuständig? EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs. C-202/88 (Frankreich/ Kommission), Slg. 1991, Seite I-01223

Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission) III - Zur Zuständigkeit der Kommission 19 Mit dem zweiten Klagegrund macht die französische Regierung, [...] geltend, die Kommission habe mit dem Erlass einer Richtlinie, die die schlichte Aufhebung besonderer oder ausschließlicher Rechte betreffend die Einfuhr, den Vertrieb, die Einrichtung, die Inbetriebsetzung und die Wartung von Telekommunikations-Endgeräten vorsehe, die ihr in [Art. 106 Abs. 3 AEUV] verliehenen Aufsichtsbefugnisse überschritten. Diese Vorschrift setze das Bestehen besonderer und ausschließlicher Rechte voraus. Die Auffassung, dass die Aufrechterhaltung dieser Rechte als solche eine Maßnahme im Sinne von [Art. 106] sei, verkenne demnach dessen Tragweite. 20 Die französische und die belgische Regierung sind ferner der Ansicht, eine Politik der Umstrukturierung des Telekommunikationssektors, wie sie die Richtlinie vorsehe, falle in die ausschließliche Zuständigkeit des Rates auf der Grundlage von [Art. 114 AEUV]. Nach Auffassung der belgischen und der italienischen Regierung verstößt die Richtlinie zudem gegen [Art. 103 AEUV], da allein der Rat ermächtigt sei, Vorschriften zur Durchführung der [Art. 101 und 102 AEUV] in bestimmten Sektoren zu erlassen.

Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission) 21 Zu dem ersten Argument ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die der Kommission übertragene Aufsichtsbefugnis die auf [Art. 106 Abs. 3 AEUV] gestützte Möglichkeit umfasst, die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zu präzisieren. Der Umfang dieser Befugnis hängt folglich von der Tragweite der Vorschriften ab, deren Beachtung sichergestellt werden soll. 22 Sodann ist festzustellen, dass dieser Artikel zwar von der Existenz von Unternehmen ausgeht, die bestimmte besondere und ausschließliche Rechte innehaben, dass damit jedoch nicht alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den einzelnen Vorschriften ab, auf die [Art. 106 Abs. 1] verweist. 23 Was den Vorwurf angeht, die Kommission habe in die dem Rat durch die [Art. 103 und 114 AEUV] verliehenen Befugnisse eingegriffen, so sind diese Bestimmungen mit denen des [Art. 106 AEUV] unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Gegenstands und Zwecks zu vergleichen.

Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission) 24 [Art. 114 AEUV] betrifft den Erlass der Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Gegenstand von [Art. 103 AEUV] ist der Erlass aller zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den [Art. 101 und 102 AEUV] niedergelegten Grundsätze, also der für alle Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln. [Art. 106 AEUV] seinerseits betrifft die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten gegenüber Unternehmen erlassen, zu denen sie besondere Beziehungen der in diesem Artikel genannten Art haben. Nur im Hinblick auf diese Maßnahmen erlegt er der Kommission eine Aufsichtspflicht auf, die erforderlichenfalls durch den Erlass von an die Mitgliedstaaten gerichteten Richtlinien oder Entscheidungen wahrgenommen werden kann. 25 Die der Kommission in [Art. 106 Abs. 3 AEUV] verliehene Zuständigkeit hat demnach einen anderen und spezifischeren Inhalt als die Zuständigkeiten des Rates nach [Art. 114 AEUV] einerseits und [Art. 103 AEUV] andererseits.

Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs Auszug: EuGH, Urt. v. 19. März 1991, Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission) 26 Wie sich zudem aus dem Urteil vom 6. Juli 1982 in den verbundenen Rechtssachen 188/80 bis 190/80 (Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg. 1982, 2545, Randnr. 14) ergibt, steht der etwaige Erlass einer Regelung durch den Rat aufgrund einer allgemeinen Zuständigkeit nach anderen Vorschriften des Vertrags, in der Bestimmungen enthalten wären, die den besonderen Bereich von [Art. 106 AEUV] berühren, der Ausübung der der Kommission in diesem Artikel verliehenen Zuständigkeit nicht entgegen. 27 Der Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission ist daher zurückzuweisen.

Wiederholungs- und Vertiefungsfrage “Europa der konzentrischen Kreise”, “Kerneuropa”, “Flexibilität”, “verstärkte Zusammenarbeit”, “Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten”, “Europa à la carte” … Welcher Grundgedanke liegt allen diesen Schlagworten zugrunde? Kennen Sie Ausprä- gungen dieses Gedankens im Europarecht? Unter welchen Voraussetzungen ist so etwas im Europarecht möglich?

Beispiele für Bereiche, an denen nicht alle Mitgliedstaaten teilnehmen: Schengen: Sonderregelungen für Dänemark, Großbritannien und Irland; Teilnahme von Island und Norwegen. Raum der Freiheit der Sicherheit und des Rechts: Sonderregelungen für Dänemark, Großbritannien und Irland WWU: 17 Mitgliedstaaten haben den Euro als Währung.

Welche Mitgliedstaaten gehören nicht der Eurozone an?

10 EU-Staaten sind nicht in der Eurozone (Stand 1 10 EU-Staaten sind nicht in der Eurozone (Stand 1. Januar 2011): Bulgarien, Dänemark, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien, Ungarn sowie das Vereinigte Königreich.

Wiederholungs- und Vertiefungsfrage: Worin besteht der Unterschied zwischen einem “Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten” und einem “Europa à la carte” und wie bewerten Sie diesen Unterschied?

Verstärkte Zusammenarbeit Art. 20 EUV Art. 326-334 AEUV

Gesetzgebung Vertiefungshinweise: Herdegen, Europarecht, § 8, Rn. 67-72. Arndt/Fischer/Fetzer, Europarecht, 4. Teil, Rn. 227-235. Hobe, Europarecht, 3. Teil, Rn. 54-75.