Auf dem Weg zur Konversionstheorie

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 Präsentation transkript:

Auf dem Weg zur Konversionstheorie Universität Bielefeld Institut für Psychologie – AE Sozialpsychologie Auf dem Weg zur Konversionstheorie Referat im Rahmen des Seminars Sozialer Einfluss durch Minderheiten und Mehrheiten Prof. Dr. Gerd Bohner WS 2004/05 Referent: Daniel Wilhelm Literatur: Moscovici, S. (1980). Toward a theory of conversion behavior. Advances in Experimental Social Psychology, 13, 209-239.

Einleitung Annahme: Resultat: Was die Mehrheit macht ist richtig, da es viele machen Was die Minderheit macht ist falsch, da es nur wenige machen Resultat: Der Einfluss von Mehrheiten ist größer als der von Minderheiten Große Übereinstimmung siegt immer über geringe Übereinstimmung

Fragestellung In welchem Umfang ist eine Minderheit mehr oder weniger einflussreich als eine Mehrheit? Und warum? Moscovici stellt sich die Frage in welchem Umfang Minderheiten im Verhältnis zu Mehrheiten nehmen. Relevant hierfür ist zu klären: Welche Art von Einfluss übt eine Mehrheit und eine Minderheit aus? Wie groß ist dieser Einfluss? Besteht die Möglichkeit die Unterschiede im Einzelnen zu benennen und zu erfassen?

4 Annahmen Sowohl Minderheiten als auch Mehrheiten üben Einfluss aus, wobei keiner dem anderen gegenüber einen besonderen Vorteil hat, aber jeder seinen eigenen Aktionsbereich Mehrheiten eher im öffentlichen Bereich Minderheiten eher im privaten Bereich Einfluss führt zu Konflikten Meinung der Mehrheit wird passiv angenommen, die der Minderheit aktiv Je größer der Konflikt, desto einfacher kann man dem verfügbaren Pfad folgen, wenn der andere blockiert ist Zu 1:wird offen übernommen, um einen Konflikt aus dem Weg zu gehen (Mehrheit), siehe 2 Zu 2: wenn ich Meinung ändere, dann gebe ich das selten in der Öffentlichkeit zu, um Gesicht zu wahren oder um Konflikt mit der Mehrheit aus dem Weg zu gehen, Ihr widerstrebt es, gegen Normen zu verstoßen, die den anderen wichtig sind, ihr wichtig waren Zu 3: Zu 4:werde ich großem Druck von Mehrheit ausgesetzt, so gebe ich öffentlich vor, die Meinung zu übernehmen, behalte meine eigene Meinung aber bei – großer Konflikt auf öffentlichem Level, folge privaten Weg 4 Vorhersagen: Konversion wird durch permanenten Minderheitseinfluss hervorgerufen Konversion verursacht einen „echten“ Wandel der Meinung Je intensiver der Konflikt, desto radikaler die Konversion Konversion findet auch noch statt, wenn die Quelle des Einflusses nicht mehr da ist

Grundthese Da Minderheiten keinen sozialen und normativen Druck ausüben können, versuchen sie einzelne Gruppenmitglieder der Mehrheit durch inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema zu überzeugen Die Minderheitsmitglieder wagen es nur, den Konflikt zu provozieren, wenn sie sich ihrer Sache ganz sicher sind, was sehr oft mit extremen Einstellungen einhergeht.

Experiment 6er Gruppe (4 Versuchspersonen, 2 Konfidenten) Konfidenten sagten immer grün Farbe und Helligkeit von Dias bestimmen Bei Wiederholung: Versuchspersonen sahen nur noch grüne Dias Folgeexperimente erbrachten ähnliche Befunde Erst einmal Experimente gemacht, um Einfluss zu messen In diesem Experiment gaben 2 Eingeweihte des Versuchsleiters gegenüber 4 Versuchspersonen absichtlich falsche Beurteilungen ab. Die experimentelle Aufgabe bestand darin, die Farbe der Dias zu benennen, die alle blau waren, sich aber in der Intensität unterschieden. In einem zweiten Versuch mussten die Versuchspersonen dann Dias, die sich in einem blau-grün Bereich befanden, eine Farbe zuweisen und sagten vornehmlich grün. Moscovici erwähnt noch weitere Experimente die ähnliche Befunde hervorbrachten Bsp. Sich für ein Bild entscheiden (deutsch/italienisch) Konfident suchte je nach Nationalität ein Bild aus

3 Variablen die Einfluss bedingen Verhaltensstile Direkter und indirekter Einfluss Anzahl der Quellen (Einflussnehmer)

Starre und flexible Verhaltensstile flexibler Verhaltensstil: Konsistente Bekundung aus einer Kombination von Entschlossenheit und Flexibilität Man bezieht die Meinung der Anderen mit ein und umgeht so den Konflikt mit der Mehrheit Erlangen Akzeptanz durch eine eindeutige Aussage Starrer Verhaltensstil: Lässt keine anderen Meinungen zu Löst stärkeren Konflikt aus Eher indirekter Einfluss Akzeptanz durch Ableitung des Inhalts ihrer Aussage Minderheit muss konsistent sein, wenn sie Einfluss ausüben will, dies geht auf 2 Wegen

direkter und indirekter Einfluss Alle Experimente zeigen, dass Minderheiteneinfluss bei indirekten Begriffen größer ist als bei direkten Begriffen; eher bei starren als bei flexiblen Aussagen Folgerung: Unterschiede resultieren aus Konflikten zwischen der Meinung der Quelle und der zu Beeinflussenden

Anzahl der Minderheiten Quellen zahlenmäßig verstärken Somit Einfluss nicht mehr dem Individuum zuschreibbar, sondern dem Objekt Resultat: Bei direktem Einfluss: Anzahl der Quellen uninteressant Bei indirektem Einfluss: Anzahl relevant Starre Minderheit größeren Einfluss als die flexible Quellen müssen in die selbe Richtung beeinflussen, sonst heben sie sich auf Wenn selbe Richtung, dann egal, ob sie miteinander konkurrieren oder zusammen arbeiten

Experiment zum Vergleich von Minderheits- und Mehrheitseinfluss -Experimentbeschreibung- In der ersten Phase wurde einer Gruppe von 15jährigen Schweizern ein Fragebogen mit 20 Fragen vorgelegt, um ihre Einstellung zu einzelnen Themen zu überprüfen In der zweiten Phase, der eigentlichen Experimentierphase – 1 Woche später – teilte man ihnen die Positionen der Minderheiten und Mehrheiten zu den einzelnen Themen mit und las anschließend einen Text zum Thema Umweltverschmutzung vor In der dritten Phase – 3 Wochen später – mussten die Jugendlichen wieder diesen Fragebogen und zusätzlich einen Komplementärfragebogen ausfüllen. Letzterer zur Überprüfung, inwieweit sich die Personen an die Einflussquellen erinnern können

Resultat Influence Source Direct Items Indirect items Majority Fair +.167 -.268 Rigid +.179 -.310 Minority +.155 +.071 +.048 +.440 Direkt im Anschluss: nahezu kein Einfluss 3 Wochen später: unterschiedlicher Einfluss Bei direkten Begriffen: beide gleichen Einfluss Bei indirekten Begriffen: Mehrheit erwirkt negativen Effekt, Personen kehren zur Ursprungsmeinung zurück Minderheiten erwirken positiven Effekt, die Meinung wird übernommen und bleibt auch über die Zeit bestehen Verhaltensstil: Bei Mehrheiten keinen Einfluss Bei Minderheiten: flexibler Stil verlor bei beiden, aber nicht so extrem wie Mehrheiten; der starre Stil verlor bei direkten, aber gewann enorm bei indirekten

Resultat Influence Source Direct Items Indirect items Majority Fair +.167 -.268 Rigid +.179 -.310 Minority +.155 +.071 +.048 +.440

Studie von Moscovici zur Farbwahrnehmung (blaue Dias) Information: 81,8% der Mehrheit und 18,2% der Minderheit würden Dias als grün betrachten; Vertrauter sagte konstant grün Versuchspersonen sollten über die Farbe des Dias und die des Nachbildeffektes urteilen 4 Phasen: Privates Urteil, vor dem Einfluss Öffentliches Urteil (Dias), nach Einfluss des Konfidenten Urteil privat, Konfident anwesend Urteil privat, Vp alleine Experiment zum Nachweiß von anhaltendem Einfluss Phase: 5 Versuche, die Antworten privat Farbe des Dia Farbe des Nachbildes auf Skala von 1-9 von gelb zu violett(9) Herausgabe der Information 2. Phase: 15 Durchgänge, Vertrauter sagt immer grün 3. Phase: beide mussten ihr Urteil auf einen Zettel schreiben 4. Phase: der Konfident gab vor, er müsse aus bestimmten Gründen den Raum verlassen, Einflussquelle verschwunden, weitere 5 Versuche In der 2. Phase nur 5% die grün sagten Reaktion auf den Stimulus und auf das Nachbild waren andere Reaktion auf Stimulus öffentlich, Antwort auf Nachbild immer privat, VP hörte niemals die Farben gelb, orange, violett VP war sich über den Nachbildeffekt nicht bewusst Veränderung hat auf einem Level stattgefunden, wo die Veränderung wirklich wahrnehmbar ist, nicht nur verbaler art Nachbild von blau: gelb-orange Nachbild von grün: rot-violett

Abschließende Betrachtung 3 Variablen spielen bei der Einflussnahme eine entscheidende Rolle Verhaltensstil Flexibel vs. Starr Einflussart Direkt vs. Indirekt Anzahl der Quellen Die stärkste Auswirkung bei Minderheiteneinfluss misst man bei indirekter Einflussnahme, wobei die Anzahl der Quellen die Auswirkung verstärken kann. Die Auswirkung des Verhaltensstils ist kontextbezogen Verhaltensstil ist aber sicherlich kontextbezogen

Minderheiten sind einflussreicher als Mehrheiten, da sie einen „echten“ Sinneswandel produzieren