Neuere Entwicklungen im Gesellschaftsrecht

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Neuere Entwicklungen im Gesellschaftsrecht – Personengesellschaften und Haftung des Geschäftsführers – Folien zum Download auf http://www.uni-leipzig.de/~handel/Material/Veranstaltungen.htm

Gliederung Teil 1 I. Personengesellschaften 1. Wer ist Personengesellschaft? Anforderungen an gemeinsamen Zweck Behandlung der Nicht-EU-Auslandsgesellschaft Fehlgeschlagene GmbH-Gründung 2. Die GbR als „Mini-OHG“ GbR im Grundbuch Anwendung auch von § 129a HGB / Fortgeltung der Darlehensregeln nach dem MoMiG Vertretungsbeschränkung 3. Minderheitenschutz a) Materielle Beschlusskontrolle statt formaler Bestimmtheit b) Schutz gegen Nachzahlungspflichten c) Rechtsfolge bei zustimmungsbedürftigen Beschlüssen Gesellschafter minderen Rechts 4. Einzelfragen: a) Firmierung b) „Erwerbsgeschäft“ i.S.d. § 1822 BGB c) Durchschlagen kapitalgesellschaftsrechtlicher Regelungen bei Stimmrechtspools d) EuGH-Vorlage zum Beitritt an der Haustür

Gliederung Teil 2 II. Haftung des Geschäftsführers 1. Haftung für Insolvenzverschleppung Präzisierung der Außenhaftung Innenhaftung wegen Masseschmälerung 2. Allgemeine Sorgfaltshaftung, § 43 II GmbHG a) Business Judgement Rule b) Pflicht zur Selbstbeschränkung bei der Vergütung? 3. Existenzvernichtender Eingriff a) Bedeutung für den GF b) Direkthaftung ggü. Gläubigern 4. Neue Fragen durch das MoMiG a) Privilegierung der aufsteigenden Darlehen Anrechnungslösung bei verdeckten Sacheinlagen Neue Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG 5. Einzelfragen a) Rechtsscheinhaftung

I 1 a: Anforderungen an gemeinsamen Zweck Problemfeld: Verträge in familiärem Zusammenhang (Darlehen, Immobilien etc.) BGH II ZR 207/07, BGH II ZR 183/06 Grauzone: Kann als Gesellschaft gewollt sein, muss aber nicht BGH betont Parteiwillen Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks und einer Beitragspflicht als essentialia negotii „Sicherung des Familienheims“ genügt nicht, wenn Parteien ein Darlehen wollten Objektive Kriterien (Beteiligung an Gewinn und Verlust etc.) können durch entgegenstehenden Parteiwillen verdrängt werden

I 1 b: Nicht-EU- Auslandsgesellschaft IPR der Gesellschaften immer noch in Bewegung: Zuzugsfrage innerhalb der EU geklärt Anerkennung der Limited als englische Rechtsform Möglichkeit der Hinein-Verschmelzung für alle Rechtsformen (Sevic) Gleichstellung der Gesellschaften aus Drittstaaten mit Staatsvertrag Wegzugsfrage immer noch z.T. offen: § 122a UmwG ermöglicht Hinaus-Verschmelzung für Kapitalgesellschaften „Cartesio“ (EuGH v. 16.12.2008, Rs C 210/06): Verneint Wegzug unter Mitnahme der Rechtsform (Verwaltungssitzverlegung) Bejaht aber (obiter) Wegzug mit Formwechsel (Satzungssitzverlegung) Gesetzliche Regelung kommt einstweilen nicht Referentenentwurf IPR politisch gescheitert (wie immer wegen Mitbestimmung)

I 1 b: Nicht-EU- Auslandsgesellschaft Sitztheorie damit an vielen Stellen durchbrochen Gänzliche Verabschiedung? Zuzug der Drittlandsgesellschaft „Mitnahme“ der GmbH ins Ausland § 4a idF MoMiG lässt den ausländischen Verwaltungssitz zu Was nichts nützt, wenn Verlegung IPR-rechtlich weiter als Auflösung gewertet wird (OLG München, ZIP 2007, 2124) BGH zur Drittlandsgesellschaft (II ZR 158/06) Anerkennung der Rechtsfähigkeit als Personengesellschaft (GbR oder OHG) Im Grundsatz zu begrüßen Folgeprobleme bei Vertretung und Beschlussfassung Offen: GmbH-Wegzug Dagegen: Cartesio, Suspendierung der Sitztheorie nur „soweit wie nötig“ Dafür: Gesetzgeber MoMiG, anderweitige Lösungsmöglichkeit analog §§ 122a ff. UmwG.

I 1 c: Fehlgeschlagene GmbH- Gründung Die „unechte Vor-GmbH“ ist Personengesellschaft (GbR/OHG) Vor-GmbH nach Aufgabe der Eintragungsabsicht Rechts- und Prozessfähigkeit bleibt erhalten Bestätigt durch BGH II ZR 308/06 Problem: Feststellung anhand objektiver Kriterien? Zeitpunkt der Umwandlung?

I 2 a: GbR im Grundbuch Angleichung an das Recht der OHG schreitet voran Fortentwicklung der seit 2001 bestehenden Rspr. zur Rechtsfähigkeit der GbR Konsequent umgesetzt durch BGH V ZB 74/08: Einzutragen ist der Eigentümer, Eigentümer ist die GbR, also ist GbR einzutragen Eintragung erfolgt unter ihrem Namen (Freshfields Bruckhaus GbR) Beifügung der Gter-Namen nur erforderlich, wenn GbR selbst keinen Namen führt. Problem: Gesellschafter nicht offengelegt und auch (anders als bei OHG/KG) nicht aus dem HR ersichtlich Kein Vertrauensschutz in Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters

I 2 a: GbR im Grundbuch z.T. allgemeine Folgeprobleme Ermittlung der Gter zur Durchsetzung der Haftung analog § 128 HGB Grundbuchspezifische Probleme: (1) Gutgläubiger Erwerb bei mangelnder Vertretungsmacht des GF? (2) Nachweis der Vertretung bei der Eintragung ggü. Grundbuchamt? Zu 1) zahlreiche Vorschläge bürgerlich-rechtlich über Vollmachtsurkunde (§ 172 BGB) sonst nur Anscheinsvollmacht begründbar weiterreichende Vorschläge (z.B. § 15 HGB analog) scheitern an der fehlenden Registrierung der GbR und der GF Zu 2) Notwendigkeit, Gesellschaftsvertrag und aktuellen Gesellschafterbestand in der Form des § 29 I 1 GBO beizubringen not. beglaubigte Unterschrift aller Gesellschafter Alter der Erklärung? Anlehnung an § 32 GBO?

I 2 b: Eigenkapitalersatz Problem der Gesellschaften ohne natürliche Person als Vollhafter Vor allem GmbH & Co. KG Aber auch GbR, an der nur Kapitalgesellschaften beteiligt sind (ARGE, Konsortien etc.) Bisher Eigenkapitalersatzrecht (§§ 129a, 172a HGB) wie in der GmbH Durch MoMiG zum 1.11.2008 aufgehoben Neue Regelung über Gesellschafterdarlehen in der InsO Eigenkapitalbedarf und Krise spielen keine Rolle mehr BGH II ZR 213/07 wendet auf Insolvenzverfahren, die vor 1.11.2008 eröffnet sind, altes Recht an Insoweit auch auf GbR Argument insoweit: Ähnlichkeit zur OHG, Möglichkeit der jederzeitigen Verwandlung und Rückverwandlung „Gesamte Haftungsverfassung“ wie bei OHG Konsequente Fortführung der Rechtsprechung seit 2001

I 2 c: Vertretung der GbR Keine feste Vertretungsordnung Dispositionsfreiheit der Gter Möglichkeit beschränkender Regeln aus der Geschäftsführung heraus (§§ 714, 709 BGB) Keine Registereintragung der Vertretungsmacht (vgl. § 107 HGB) BGH 2001: Keine allgemeine Vertretungsbeschränkung (GbR mbH) Aber was ist mit Beschränkungen im Einzelfall? Analogie auch zu § 126 HGB? Gleichstellung nicht nur der Haftungs- sondern auch der Vertretungsordnung? §§ 50 HGB, 126 HGB, 37 GmbHG, 82 AktG als allgemeiner Grundsatz des Unternehmensrechts? Oder doch nur Anscheinsvollmacht?

I 3 a: Minderheitenschutz Neuordnung des Minderheitenschutzes durch BGH II ZR 245/05 – Otto – Bisher vor allem Schutz durch Aufklärung Bestimmtheitsgrundsatz: Mehrheitsklausel im Vertrag deckt nur gewöhnliche Geschäfte der laufenden Verwaltung (Maßstab des § 116 I HGB) Für außergewöhnliche Geschäfte (§ 116 II HGB) und Grundlagengeschäfte (insbes. Vertragsänderung) ausdrückliche Regelung erforderlich, aber auch ausreichend Kritik: Formaler Maßstab, lange Listen, Eingreifen ohne Rücksicht auf Beschlussinhalt Forderung nach „zweiter Kontrollstufe“ bezogen auf Inhalt des Beschlusses Ähnliche Entwicklung wie im Kapitalgesellschaftsrecht

I 3 a: Minderheitenschutz So jetzt auch BGH a.a.O.: Bestimmtheitsgrundsatz wird zurückgeführt Mehrheitsklausel der Auslegung zugänglich Wachsende Bedeutung der Treupflicht und der Kernbereichslehre Kernbereich der Mitgliedschaft:

I 3 a: Minderheitenschutz Zum Kernbereich gehören: Leistungsvermehrung, §§ 707 BGB, 53 III GmbHG Informationsrechte, §§ 716 II BGB, 118 II HGB Teilnahmerecht an Gter-Versammlung und Stimmrecht Gewinnbeteiligung und Liquidationserlös Abfindung Klagerecht gegen Beschlüsse Sonderrechte (§ 35 BGB)  Nachträgliche Änderung gegen den Willen des Betroffenen unzulässig

I 3 a: Minderheitenschutz Im Übrigen Treupflicht: Übermäßige Gewinnthesaurierung kann treuwidrig sein (Otto) Kontrolle von Abfindungsklauseln am Maßstab des § 738 BGB (zuletzt BGH II ZR 3/06) Treupflicht auch der Minderheit Allerdings strenge Voraussetzungen: i.d.R. nur bei Gefahr für Fortbestand Und unter Beachtung des Verbots der Leistungsvermehrung (BGH II ZR 181/06)

I 3 b: Nachzahlungspflichten Mehrere Urteile zur Nachzahlungspflicht: BGH II ZR 126/04; II ZR 282/05; BGH ZR 22/06. Grundsätze: Abweichung von § 707 BGB muss im Gesellschaftsvertrag erfolgen z.B. Pflicht zu laufenden Beiträgen z.B. Pflicht zur Ausstattung der Gesellschaft nach Maßgabe von Zweck und Geschäftsverlauf Objektivierbarer Maßstab erforderlich z.B. Klausel, die Einforderung durch Mehrheitsbeschluss gestattet Dann aber Höchstgrenze erforderlich (ziffernmäßig oder bestimmbar) Klausel kann nicht nachträglich durch Mehrheitsbeschluss eingeführt werden Bei Schweigen des Vertrages Zustimmung jedes Gesellschafters erforderlich Auswirkung der Kernbereichslehre

I 3 c: Rechtsfolge bei Zustimmungspflichten BGH zur Rechtsfolge in diesen Fällen: Schwebende Unwirksamkeit Zustimmungsbedürftiges Rechtsgeschäft Regeln über nichtige oder anfechtbare Beschlüsse gelten nicht Auch keine Konvaleszenz des Beschlusses nach Ablauf gesetzlicher (§ 246 AktG) oder vertraglicher Klagefristen Wirkung nur ggü. dem dissentierenden Gesellschafter (Ausnahme § 139 BGB) Angriff mit Feststellungsklage ad infinitum möglich I.E. zweifelhaft, warum vertragliche Begrenzung nicht gelten soll

I 3 d: Gesellschafter minderen Rechts Rechtsprechung zum Ausschluss ohne Grund Am Verbot solcher Klauseln wird festgehalten (BGH II ZR 165/02) Schutz der Entschließungsfreiheit des Gesellschafters Aber zunehmend Ausnahmen: Koppelung an Arbeitnehmerstellung oder Stellung als Geschäftsführer „Probezeit“ in freiberuflicher Sozietät Beendigung einer Kooperation zwischen Unternehmen Jetzt neu: Durch letztwillige Verfügung (Auflage oder Teilungsanordnung, BGH II ZR 300/05) Arg. Maiore ad minus: Erblasser hätte auch ganz von der Zuwendung absehen können Schutz des so Bedachten durch Kontrolle des Abfindungsanspruchs Geltung auch für vorweggenommene Erbfolge? Oder überhaupt für Fälle des unentgeltlichen Erwerbs?

I 4: Einzelfragen: Firmierung; BGH II ZB 46/07 (HM&A KG) Klarstellung, dass Sprechbarkeit genügt Zulässigkeit von Zahlen- und Buchstabenkombinationen ohne Wortsinn Entspricht liberalem Verständnis des § 18 HGB

I 4: Einzelfragen: b) „Erwerbsgeschäft“ i.S.d. § 1822 BGB bei beschränkter Haftung? OLG München, 31 Wx 76/08; OLG Frankfurt, 20 W 123/08 Unentgeltlicher Erwerb voll eingezahlter KG-Anteile Abgestellt wird auf Tätigkeit der KG Bei gewerblich tätiger KG bejaht, bei Vermögensverwaltungsgesellschaft verneint Anders allerdings BGH II ZR 148/88 zur GmbH Rechtsformübergreifende Lösung vorzugswürdig Risiken bestehen beim Kapital (§ 30 GmbHG/ § 172 IV HGB) Einfluss der Gesellschafter in der GmbH eher größer

I 4: Einzelfragen: c) Schutzgemeinschaftsvertrag BGH II ZR 116/08 Familienpool (GbR) hält Anteile an AG Entscheidung dort mit einfacher Mehrheit Auch, wenn in AG qualifizierte Mehrheit erforderlich Konsequenz: Poolmitglieder verlieren u.U. Sperrminorität Geltung der Stimmbindungsvereinbarung wird bestätigt Kein Verstoß gegen Bestimmtheitsgrundsatz Kein „Durchschlagen“ der kapitalgesellschaftsrechtlichen Abstimmungsregel Willensbildung in der PersG folgt eigenen Regeln Mangelnde Abstimmung ist Folge schlechter Vertragsgestaltung, die mal den einen, mal den anderen Gesellschafter treffen Minderheitenschutz: Treupflicht Möglichkeit zum Ausscheiden aus dem Pool

I 4: Einzelfragen d) Vorlage an den EuGH zum Haustürbeitritt Verhältnis von Gesellschaftsrecht zum Verbraucherrecht BGH II ZR 292/06 Betrifft i.d.R. Kapitalanlagegesellschaften Regel über fehlerhafte Gesellschaft führt ggü. der Gesellschaft dazu, dass Rücktritt folgenlos bleibt Einlage bleibt verloren Kompensation durch SE-Ansprüche gegen Verantwortliche und Gesellschaft selbst? Funktion des Eigenkapitals?

II 1: Haftung wegen Insolvenzverschleppung Schwerpunkt der Haftungsrechtsprechung der letzten Jahre Neuordnung durch MoMiG: Außenhaftung (ggü. Gläubigern) Früher § 64 I GmbHG i.V.m. § 823 II BGB Jetzt § 15a InsO i.V.m. § 823 II BGB Innenhaftung wegen Masseschmälerung: Früher § 64 II GmbHG Jetzt § 64 S. 1 GmbHG Innenhaftung für insolvenzverursachende Auszahlung Neu in § 64 S. 3 GmbHG

II 1: Haftung wegen Insolvenzverschleppung Zusätzliche Probleme durch Finanzkrise: Änderung des Überschuldungstatbestands „Alter“ Überschuldungstatbestand (vor InsO): Überschuldung zunächst rechnerisch zu prüfen (Zerschlagungs- oder Fortführungswerte) Danach kann positive Prognose Antragspflicht entgegenstehen (BGHZ 119, 201, 214) Durch InsO geändert (§ 19 InsO) Fortführungsprognose nur entscheidend für Wahl der Bewertungsmethode Ergibt sich trotz Ansatz von Fortführungswerten Überschuldung, ist Antrag zu stellen Sanierung im Verfahren „Alter“ Überschuldungsbegriff aufgegeben durch BGH II ZR 235/05 Rolle rückwärts durch Finanzmarktstabilisierungsgesetz BGBl. I 2008, 1982 Positive Prognose steht der Antragspflicht (wieder) entgegen Gilt nicht nur für Banken, sondern für alle Unternehmen

II 1: Haftung wegen Insolvenzverschleppung Die Regelung ist bedenklich Gesetzgeber misstraut dem Insolvenzverfahren Es droht Rückfall in die Probleme vor der InsO Später Antrag, wenig Masse Strenge Anforderungen an „Sunshine Override“ Beweislast beim Geschäftsführer Erhärtung der Prognose durch Fakten unerlässlich Ertrags- und Finanzplan für wenigstens ein Jahr Gewisser Beurteilungsspielraum ist anzuerkennen Vor allem im Fall sachverständiger Beratung (BGH II ZR 48/06)

II 1 a: Präzisierung der Außenhaftung BGH hat Außenhaftung aus § 64 I GmbHG (jetzt § 15a InsO) i.V.m. § 823 II BGB weiter ausgebaut: Begriff des Neugläubigers bei Dauerschuldverhältnissen (II ZR 234/05) Neugläubigerstellung ist entscheidend, weil Altgläubiger nur Quotenschaden erhält Nur Neugläubiger kann verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er nicht kontrahiert Ersatz des Kreditgewährungsschadens Dafür genügt jede Erweiterung des Kreditvolumens (auch im Kontokorrent) Muss für Warenlieferanten entsprechend gelten

II 1 a: Präzisierung der Außenhaftung Kein Abzug der Insolvenzquote Bisher Problem in Neugläubigerfällen: Schaden verringert sich um die Insolvenzquote Diese steht oft erst nach Jahren fest Daher Übergang zur Abtretungslösung nach § 255 BGB Zahlung auf Altforderungen Schuldner zahlt während der Verschleppung auf Forderungen, die vorher entstanden sind Damit keine Erfüllung der Neuforderungen Vorteilsausgleichung scheidet aus Würde den Schädiger privilegieren Zahlung zu Lasten der Masse

II 1 a: Präzisierung der Außenhaftung Zudem zur Beweisfrage bei der Überschuldung: Bei Verstoß der Schuldnerin gegen Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten genügt Vortrag von Indizien Insbesondere Bilanz, die nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aufweist BGH VIII ZR 53/05 Passivierungspflicht von Gesellschafterforderungen durch MoMiG beibehalten (§ 19 II 2 InsO: Rangrücktritt erforderlich)

II 1 b: Innenhaftung wegen Masseschmälerung Erhebliche praktische Bedeutung Kein Schaden der Gesellschaft Voraussetzung Ersatz aller Zahlungen, die während der Insolvenzreife geleistet wurden Zweck der Norm ist die Erhaltung der Masse Und Gleichbehandlung der Gläubiger Ausnahme: Zahlungen, die (auch in der Insolvenz) mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind Insbes. Zahlungen, die Nachteile für die Insolvenzmasse abwenden (II ZR 262/06) Vorläufige Aufrechterhaltung des Betriebs Zahlung von Sozialversicherungsabgaben (§ 266a StGB), BGH II ZR 48/06

II 1 b: Innenhaftung wegen Masseschmälerung Sonderproblem Zahlung bei § 266a StGB Ursprünglicher Ansatz: Vorrang des Zivilrechts, Nichtzahlung strafrechtlich gerechtfertigt! Hat sich nicht durchgesetzt BGH 5 Str 263/05) Pflichtenkollision für Gf unzumutbar Daher Änderung der BGH-Rechtsprechung Insolvenzrechtlich kommt Anfechtung der geleisteten Zahlung nach § 131 InsO in Betracht § 266a StGB bewirkt insoweit keine Privilegierung Es gilt der Grundsatz der Gleichberechtigung der Gläubiger

II 1 b: Innenhaftung wegen Masseschmälerung Sonderproblem Drittbeteiligung BGH II ZR 38/07 Konzernfall: Insolvenzreife Gesellschaft verwahrt Gelder dritter Gesellschaften treuhänderisch auf ihrem Konto Begleicht damit Forderungen der Gläubiger der Drittgesellschaften Zahlung iSd § 64 GmbHG gegeben, Masseverkürzung liegt vor Insbes. keine dingliche Aussonderung der Mittel Rechtfertigung? Pflichtenkollision: GF war zur treuhänderischen Verwahrung der Mittel verpflichtet BGH sieht hier § 266 StGB berührt, damit Parallele zu § 266a StGB

II 2 a: Allgemeine Sorgfaltshaftung GF schuldet der Gesellschaft Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters; § 43 I GmbHG Dieser Anspruch schützt die Gesellschaft Daher kann diese auch auf ihn verzichten § 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG gilt dafür nicht (BGH II ZR 62/07) Unverzichtbare GF-Haftung daher nur bei Verstoß gegen drittschützende Regeln Bei Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer daher kein § 43 I GmbHG möglich I.Ü. enthaftet Weisung der Gter-Versammlung oder des Alleingesellschafters Oder Entlastung, wenn Umstände bekannt In der mehrgliedrigen Gesellschaft u.U. schon Kenntnis der übrigen Gesellschafter (BGH II ZR 193/02)

II 2 a: Business Judgement Rule § 93 AktG normiert Haftungserleichterung für Unternehmensleiter Schon vorher durch Rspr. anerkannt (BGHZ 135, 244 –“ARAG“) Voraussetzungen: Unternehmerische Entscheidung Abwesenheit von Interessenkonflikten Ausreichende Informationsgrundlage Keine offensichtlich gegen das Unternehmensinteresse gerichtete („unvertretbare“) Entscheidung BGH II ZR 202/07 übernimmt das für § 43 II GmbHG

II 2 a: Business Judgement Rule Dazu zwei Anmerkungen: (1): § 93 AktG ist vor dem Hintergrund des § 76 AktG konzipiert Vorstand leitet in eigener Verantwortung Rückbindung an Eigentümer ist weder möglich noch sinnvoll In der GmbH hingegen Weisungsgebundenheit und Vorlagepflicht (§ 37 II GmbHG) Entscheidungsspielräume des GF sind geringer Pflichtverletzung kann schon in der Nichtvorlage liegen Nur soweit GF zur Entscheidung berufen, macht § 93 AktG analog Sinn

II 2 a: Business Judgement Rule (2): BGH versteht das Informationserfordernis objektiv Und zugleich streng: „Alle verfügbaren Informationsquellen rechtlicher und tatsächlicher Art“ Das ist nicht unproblematisch: Gesetz geht von einem subjektiven Verständnis aus („annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information…“) Rechtsvergleichung: In den USA subjektiver Standard ganz h.M. Heranziehen „aller“ Informationen illusorisch Gefahr des Leerlaufens des Haftungsprivilegs Zumindest Ermessensspielraum („angemessen“) hinsichtlich des Informationsumfangs erforderlich Abwägung auch gegen die wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidung

II 2 b: Pflicht zur Selbstbeschränkung bei der Vergütung? BGH II ZR 161/06: GF verletzt seine Pflicht, wenn er eine Vergütung annimmt, die er nach dem Anstellungsvertrag nicht zu beanspruchen hat RF: Schadensersatz, nicht nur Bereicherungsrecht Daher z.B. auch Ersatz abgeführter Lohnsteuer Wie ist das in der AG? Die Vergütung muss angemessen sein, § 87 AktG Vorstand muss auf Einhaltung der Gesetze im Unternehmen achten Also auch auf die Befolgung von § 87 AktG Unangemessene, d.h. zu hohe (ggf. auch falsch strukturierte???) Vergütungen verstoßen gegen § 87 AktG Also darf der Vorstand sie weder fordern noch annehmen Pflicht zur Selbstbeschränkung als Mittel gegen überhöhte Vergütung?

II 3: Existenzvernichtender Eingriff Neues Haftungskonzept des BGH: § 826 BGB statt Durchgriff (BGH II ZR 3/04 –Trihotel –) Fortgeführt durch BGH II ZR 264/06 –Gamma– Schadensersatz statt Haftung analog § 128 HGB Berücksichtigt die bereits eingetretene Entwertung der Gläubigerforderung Innenhaftung ggü. der Gesellschaft Tatbestand im Wesentlichen unverändert Aktiver Eingriff durch Entzug von Vermögensmitteln Unterkapitalisierung genügt nicht (BGH a.a.O.) Bedeutung für den Geschäftsführer?

II 3: Existenzvernichtender Eingriff Bedeutung für den Geschäftsführer: Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen begründet § 43 II GmbHG Haftung ist unverzichtbar i.S.d. § 43 III GmbHG Wie Verstoß gegen Kapitalerhaltung zu behandeln, BGH II ZR 264/06 –Gamma– Außerdem kommt Direkthaftung ggü. Gläubigern nach § 826 BGB in Betracht

II 4 a: Neuregelung durch MoMiG MoMiG regelt Darlehen an Gesellschafter: Bei der Kapitalaufbringung nach § 19 V GmbHG Bei der Kapitalerhaltung nach § 30 I 2 GmbHG Voraussetzung ist jeweils Vollwertigkeit des Rückgewähranspruchs Gemeint ist bilanzielle Vollwertigkeit Unterschiede: Bei § 19 V GmbHG jederzeitige Kündbarkeit Voraussetzung, bei § 30 GmbHG nicht Bei § 19 V GmbHG Offenlegung gegenüber dem HR erforderlich, bei § 30 GmbHG nicht Wann gilt das eine, wann das andere?

II 4 a: Neuregelung durch MoMiG Haftungsrisiko falsche Erklärung: Bei Hin- und Herzahlen fehlt die freie Verfügung Erklärung nach § 8 II GmbHG ist unrichtig Haftungsfolge § 9a GmbHG(und § 82 GmbHG, mit 5-jährigem Tätigkeitsverbot nach § 6 GmbHG n.F.) Sofern Unrichtigkeit erkennbar, § 9a III GmbHG. GF muss bilanzielle Vollwertigkeit bei Gründung sorgfältig prüfen

II 4 a: Neuregelung durch MoMiG Haftungsrisiko Überwachungspflicht §§ 19 V, 30 I 2 GmbHG betreffen nur die Lage bei Darlehensgewährung GF hat aber Pflicht zur laufenden Prüfung der Schuldner-Bonität Aber nur aus § 43 I GmbHG Nachträgliche Verschlechterung führt nicht zum Wiederaufleben der §§ 19 V, 30 I 2 GmbHG Pflicht nach § 43 I GmbHG ist verzichtbar (str.)

II 4 b: Neuregelung durch MoMiG Haftungsrisiko verdeckte Sacheinlage: § 19 IV GmbHG normiert mit Anrechnungs-lösung Wert der Sache wird angerechnet, aber: Erst nach Eintragung im HR Freie Verfügung fehlt auch hier Daher Konsequenzen wie oben: §§ 9a, 82 GmbHG! Gleichzeitig wird Verfahren für Gter attraktiver, ihr Risiko sinkt Druck auf GF zum „Mitmachen“ wird sich erhöhen

II 4 c: Neuregelung durch MoMiG § 64 S. 3 GmbHG: Neue Haftungsnorm für insolvenzauslösende Zahlungen Ersatzanspruch eigener Art wie S. 2 Also kein SE, sondern Ersatz aller solcher Zahlungen Zahlungsbegriff wie bei S. 2: Abfluss von Vermögenswerten Unklar: Kausalitätserfordernis Umgang der Pflicht, sich Kenntnis zu verschaffen Aufstellung detaillierter Zahlungspläne (Solvency Test) wohl erforderlich Str. ist Planungshorizont (6 Monate bis 2 Jahre) Vorschrift trifft nur den GF, nicht die Gter als Empfänger der Mittel Ausnahme: Existenzvernichtender Eingriff, § 826 BGB

II 4 c: Neuregelung durch MoMiG These daher: § 64 S. 3 GmbHG verlängert die Fälle des existenzvernichtenden Eingriffs auf den GF Kausalität ist nur zu bejahen, wenn Auszahlungsverlangen des Gesellschafters die Insolvenz nachweisbar verursacht hat

II 5 a: Einzelfragen Rechtsscheinhaftung bei Weglassen des GmbH- Zusatzes BGH II ZR 84/05 (hier zur B.V.) Regel ist auch auf ausländische Gesellschaften anwendbar (Vertragsstatut, § 179 BGB analog) Gilt nur im schriftlichen Verkehr Haftung trifft (wegen des Ansatzes bei § 179 BGB) nur den handelnden Vertreter Das überzeugt nach wie vor nicht: Rechtsgrundlage ist die allgemeine handelsrechtliche Rechtsscheinhaftung „Rechtsscheinsetzer“ ist dabei im schriftlichen Geschäftsverkehr derjenige, der das Auftreten der Gesellschaft zu verantworten hat Das ist i.d.R. der GF