Institutionelles Abkommen Schweiz-EU

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 Präsentation transkript:

Institutionelles Abkommen Schweiz-EU Prof. Dr. Matthias Oesch 2. Mai 2019

Inhalt I. Ausgangslage II. Der Bilaterale Weg III. Institutionelles Abkommen

I. Ausgangslage Geographie Interdependenzen politisch, gesellschaftlich, kulturell, wissenschaftlich 8.3 Mio. Einwohner, davon 2 Mio. AusländerInnen, 1.4 Mio. aus EU/EFTA viertwichtigster Handelspartner der EU; 54% der Exporte gehen in die EU; 72% der Importe kommen aus der EU 320’000 Grenzgänger Tradierte Vorstellungen von Souveränität, Neutralität, direkter Demokratie, Föderalismus, handelspolitischer Autonomie; innere (und äussere) Distanz zum europäischen Friedensprojekt

Der Bilaterale Weg (1/3) Scheitern der grossen OEEC Freihandelszone: 1956 Europäische Freihandelsassoziation (EFTA): 1960 Scheitern der EWG-Assoziierung: 1962 Freihandelsabkommen (FHA): 1972 (72.5% Ja) Versicherungsabkommen: 1989 Ablehnung EWR-Beitritt: 1992 (50.3% Nein und 16 Kantone) Ablehnung Initiative «EU-Beitrittsverhandlungen vors Volk!»: 1997 (74.1% Nein und alle Kantone)

Der Bilaterale Weg (2/3) Bilaterale I: 1999 (67.2% Ja; Personenfreizügigkeit, Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen, Konformitätsbewertung, Luftverkehr, Landverkehr, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit) Ablehnung Initiative “Ja zu Europa”: 2001 (76.8% Nein und alle Kantone) Bilaterale II: 2004 (Schengen/Dublin 54.6% Ja; Zinsbesteuerung, Betrugsbekämpfung, Schengen/ Dublin, verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Pensionen, Statistik, Umwelt, Media, Berufsbildung, Jugend) Ausdehnung Personenfreizügigkeit: 2005 (56% Ja) Bundesgesetz über die Ostzusammenarbeit: 2006 (53.4% Ja) Weiterführung/Ausdehnung Personenfreizügigkeit: 2009 (59.6%) Zusammenarbeit mit Agenturen (Europol, Eurojust, Verteidigungsagentur) Abkommen über Zollerleichterungen und Zollsicherheit: 2009 Abkommen über Zusammenarbeit bei der Anwendung von Wettbewerbsrechten: 2013 Annahme Masseneinwanderungsinitiative (MEI): 2014 (50.3%; 14½ Stände)

Der Bilaterale Weg (3/3) Institutionelles Zweisäulenprinzip Durchführung Überwachung Streitbeilegung Weiterentwicklung statisch routinemässige Übernahme; zeitweise langwierig und kompliziert Nichtübernahme der Unionsbürgerrichtlinie Ausnahme: dynamisch Schengen/Dublin; bei Nichtübernahme Beendigung der Abkommen Gemischte Ausschüsse

Institutionelles Abkommen (1/6) Zweisäulenprinzip => Substanz und Form klaffen auseinander bei den Abkommen, die auf EU-Recht beruhen und die Teilnahme der Schweiz am Binnenmarkt bezwecken Forderung der EU, ein institutionelles Abkommen abzuschliessen Rechtsanpassung (Verfahren zur fortlaufenden Anpassung an den EU-Acquis) Auslegung (Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung der Abkommen) Überwachung (Sicherstellung der korrekten Anwendung der Abkommen) Streitbeilegung (Verfahren zur Streitschlichtung zwischen den Vertragsparteien)

Institutionelles Abkommen (2/6) Zweck Sicherstellung einheitlicher Bedingungen für alle; Rechtssicherheit gemäss EU conditio sine qua non für neue Marktzugangsabkommen (Energie, evtl. Finanzdienstleistungen, …), nur befristete Verlängerung der Äquivalenzentscheidung betr. Börsen, keine Aufdatierung bestehender Abkommen, Verknüpfung mit weiteren Sachthemen (anfängliche) Abneigung der Schweiz; seit 2014 Verhandlungen «Verhandlungsabschluss» im Dezember 2018 «Konsultationen» in der Schweiz

Institutionelles Abkommen (3/6) Geltungsbereich geltende fünf Abkommen (FZA, Land, Luft, Landwirtschaft, technische Handelshemmnisse); nicht FHA 1972 künftige Abkommen, mit denen die Schweiz am Binnenmarkt teilnimmt dynamische Rechtsübernahme kein Automatismus: innerstaatliche Zustimmungsregeln unberührt bei Nichtnotifikation durch die EU und bei Nichtübernahme durch die Schweiz: Ausgleichsmassnahmen Bsp. für mögliche Ausgleichsmassnahmen der EU Bsp. für mögliche Ausgleichsmassnahmen der Schweiz => (weitere) faktische Einschränkung der demokratischen Rechte! Überwachung weiterhin Zweipfeilerprinzip

Institutionelles Abkommen (4/6) Streitbeilegung Schiedsgericht, bei «Begriffen des EU-Rechts» Befassung des EuGH bei Nichtbefolgung eines Urteils: Ausgleichsmassnahmen staatliche Beihilfen anwendbar auf das Luftverkehrsabkommen und künftige Abkommen (z.B. Strom) Errichtung einer unabhängigen Überwachungsbehörde in der Schweiz (potentiell) weitreichende Konsequenzen! Unionsbürgerrichtlinie nicht erwähnt Abkommensrelevanz?

Institutionelles Abkommen (5/6) flankierende Massnahmen (FlaM) «Immunisierung» einer 4-Tage-Voranmeldepflicht (risikobasiert), Kautionspflicht (risikobasiert), Dokumentationspflicht Übernahme der revidierten EntsendeRL und der DurchsetzungsRL bei Uneinigkeit zukünftig Beurteilung durch das Schiedsgericht (inkl. Befassung des EuGH)

Institutionelles Abkommen (6/6) systemisch stimmig, keine grossen Überraschungen potentiell mittel-/langfristig staatspolitisch weitreichende Konsequenzen (v.a. dynamische Rechtsübernahme; staatliche Beihilfen) weiteres Vorgehen? sine qua non für die erfolgreiche Weiterführung des bilateralen Wegs Schweiz klinkt sich sektoriell in den dynamisch fortschreitenden europäischen Integrationsprozess ein Preis, den die Schweiz bezahlt dafür, mitgliedstaatsähnlich am Binnenmarkt teilzuhaben und in weiteren Politikbereichen eng mit der EU zusammenzuarbeiten

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