VL Tägliche Liturgie - Sommersemester Prof. Dr. Cornelius Roth

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VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth 1. Begriffsklärung a. Stundengebet – Stundenliturgie – Tagzeitenliturgie - Stundengebet - Stundenliturgie (liturgia horarum) - Tagzeitengebet - Tagzeitenliturgie - Offizium (officium divinum) - Brevier(-gebet) - Zwei Grundtypen der täglichen Liturgie: monastischer bzw. kathedraler Typ - Plädoyer für die „Stundenliturgie“: entspricht dem lateinischen liturgia horarum und bringt am besten die Heiligung des ganzen Tages (nicht nur bestimmter Tagzeiten) zum Ausdruck 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth 1. Begriffsklärung b. Heiligung der Zeit – Heiligung des Lebens - R.F. Taft: „In diesem ursprünglichen und elementaren Sinn ist die Liturgie der Horen, tatsächlich alle Liturgie, jenseits von Zeit. Für den Christen gibt es wirklich keinen heiligen Ort, keine heiligen Personen oder Zeiten; alles ist in Christus erlöst, für den nur Gott heilig ist, und die, denen er seine Heiligkeit geschenkt hat, den Heiligen, das heißt, seinem Volk.“ - „Die Liturgie der Horen ist also eine Heiligung des Lebens durch Hinwendung zu Gott am Beginn und Ende jeden Tages; und wann immer man kann, zwischendurch, nämlich zu tun, was Liturgie immer tut: in rituellen Momenten zu feiern und zu manifestieren, was die dauernde Haltung jeder Minute des Tages ist und sein soll, nämlich unsere unablässige priesterliche Darbringung unserer selbst in Christus, zum Lob und zur Verherrlichung des Vaters im Dank für seine Heilsgaben in Christus.“ - Es ist also wichtig, das Ziel der Stundenliturgie nicht aus dem Blick zu verlieren. Durch die Heiligung der Stunden des Tages soll die Heiligung des Lebens erfolgen. „Heiligung der Zeit“ und „Heiligung des Lebens“ sind keine Gegensätze, sondern zwei Schritte auf dem Weg zur Heiligkeit. 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet a. Grundstruktur gottesdienstlichen Betens „Allmächtiger, ewiger Gott (Anaklese), am heutigen Tag hast du durch deinen Sohn den Tod besiegt und uns den Zugang zum ewigen Leben erschlossen (Anamnese). Darum begehen wir in Freude das Fest seiner Auferstehung. Schaffe uns neu durch deinen Geist, damit auch wir auferstehen und im Licht des Lebens wandeln (Bitte). Darum bitten wir durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und Gott, der in der Einheit des Hl. Geistes mit Dir lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen (Doxologie + Ewigkeitsformel).“ 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet a. Grundstruktur gottesdienstlichen Betens Anaklese: die Anrufung (Nennung) des Namens Gottes als Akt der Kontaktaufnahme mit Gott Anamnese: die Proklamation des Handelns Gottes in der Geschichte, in den zentralen Gebeten sakramentlicher Feiern (wie dem eucharistischen Hochgebet) breit entfaltet Bitte, in der um den Einbezug des Beters bzw. der betenden Gemeinde in die proklamierten Heilstaten Gottes gebeten wird Doxologie: die Verherrlichung Gottes als die letztgültige Haltung des Menschen vor Gott - Bekenntnis zur Dreieinigkeit – wichtig ist die Ewigkeitsformel 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet b. Gebet als Sprachhandlung Christliches Gebet ist die wichtigste Weise, wie die Beziehung des Menschen zu Gott realisiert wird Keine Mitteilung von Sachverhalten, keine Indoktrination Im Gebet geschieht nicht Information, sondern Transformation des Menschen Im Reden erschließt sich der Mensch sowohl dem „Du“ der Mitmenschen wie dem dieses „Du“ ermöglichenden und alle „Du-heit“ umfassenden „Du“ Gottes Wechselbeziehung von Person und Wort Die Psalmisten sind „Erfahrene“, die uns mit ihrem gedichteten (= verdichteten!) Wort keine „fremden Worthülsen“ überstülpen, sondern unsere Beterqualität entfalten helfen Gebet ist auch ein aktuelles Geschehen: ein Handeln Gottes und des glaubenden Menschen im Medium der Sprache, aber auch vermittels des leiblichen Ausdrucks 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet c. Gebet als Eintritt in die Gegenwart Gottes Wer Gott beim Namen nennt, wird von seiner Gegenwart ergriffen Das Gebet ist Ort der Begegnung mit dem Deus loquens, der reden und daher auch hören und erhören kann Die Kommunikation zwischen dem Menschen und Gott geschieht in anabatischer (aufsteigender) Richtung in zwei Grundakten, in Opfer und Gebet Grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Gebet und Opfer: Einschwingen des Menschen in die Selbsthingabe des Sohnes an den Vater Für das christliche Beten ist das Gebet Jesu vorbildhaft Die Kommunikation Christi mit seinem Vater ist prinzipiell keine andere als das innertrinitarische Gespräch zwischen Vater und Sohn vor aller Zeit, durch die Menschwerdung aber hineingenommen in die Dimension der zeitlichen Begrenztheit Christus betet als das fleischgewordene Wort einmal in der Kontinuität des ewigen innertrinitarischen Liebesdialogs, andererseits aber auch als Haupt der Menschheit in ihrem Namen; deshalb hat sein Gebet notwendigerweise immer fürbittenden Charakter 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet d. Gebet als Handlung Gottes und des Menschen Das Gebet hat seine Initiative nicht im Menschen, sondern es ist von Gott erst ermöglicht, der den Menschen zum Gebet einlädt und ihn dazu provoziert Dem eigentlichen Gebet geht deshalb zuerst ein Hören auf Gott voraus, dem schließlich die menschliche Antwort folgt Damit teilt das Gebet die Grundbewegung jeder Liturgie: Auf die göttliche Katabasis folgt die menschliche Anabasis Der Mensch kann sich gegenüber dieser Einladung zur Kommunikation aber auch verweigern Von hoher theologischer Bedeutung ist die sprachliche Fassung der Anamnese: Die vor Gott proklamierte Geschichte ist sein Prädikat Zugleich ist Gebet aber auch menschliche Handlung, an dem die ganze Gemeinde beteiligt ist 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet e. Gebet als Wandlung des Beters Die Grundsituation des Menschen vor Gott ereignet sich in Anaklese und Anamnese Die je konkrete, geschichtliche Situation mit ihrer Heillosigkeit, ihren Ängsten und Dunkelheiten kommt im gottesdienstlichen Gebet aber vor allem im Modus der Bitte vor Bittgebet als Rückkehr zu Gott Bittgebet ist „Anaphora“, im Anschluss an Christi Opfer Selbsthingabe des Beters und Emportragung der in ihm gesammelten Welt (K. Koch: nicht „sum“, sondern „sursum“) Was geschieht im Bittgebet? Nicht Gott ändert sich oder sein Verhalten auf ein Gebet des Menschen hin, sondern im Menschen vollzieht sich die Öffnung für die ihn vergöttlichende Gnade; er tritt in Kommunikation mit Gott Was für den Menschen so aussehen könnte, als habe er durch intensives Gebet eine Wandlung in Gott herbeigeführt, einen Wandel von Nichterhörung zu Erhörung, ist die Folge seines Eintritts in die lebendige Kommunikation mit Gott 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet e. Gebet als Wandlung des Beters Der betende Mensch und seine Welt werden heil durch die Herabrufung der ununterbrochen wirkenden Gnade, der sich der betende Mensch öffnet Es ist wie bei der Feier der Eucharistie: Wie Gott Brot und Wein „braucht“, um es dem Menschen als Leib und Blut seines Sohnes zurückzugeben, ebenso „braucht“ er das Bittgebet des Beters, um seine Nöte, Ängste und Bitten zu verwandeln, indem der Mensch die Bedrängnisse seines Lebens zu Gott empor trägt (Anaphora) und hineinhält in die göttliche Lebensfülle Für die Doxologie gilt analog: Gott braucht nicht das Lob des Menschen zu seiner Ehre, aber der Mensch lobt ihn, wenn er in der Beziehung zu Gott zu sich selbst findet Die ganz persönliche, jedem Menschen unverwechselbar eigene Situation kommt im gottesdienstlichen Gebet nicht laut zur Sprache, sondern hat ihren rechten Ort im stillen Gebet, das der Kollekte vorausgeht 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet f. Christliches Beten „durch Christus“ „im Heiligen Geist“ Im Gebet wird die christliche Gemeinde hineingenommen in das Gespräch zwischen Gott und Gott, in die Kommunikation der Liebe des göttlichen Logos mit dem Vater Gerade in den Präsidialgebeten, also den Gebeten des Vorstehers, wird deutlich, dass sich die Gläubigen mit und durch Christus an Gott wenden Mittlerschaft Christi: Adressat in den zentralen Gebeten der christlichen Liturgie ist immer der Vater, auch dort, wo erkennbar zunächst das Gebet an den Sohn gerichtet ist (AES 6: „Das Gebet zu Gott muss in Verbindung mit Christus geschehen, dem Herrn über alle Menschen und einzigen Mittler, durch den allein wir Zutritt zu Gott haben.“) Andere Traditionsstränge – vor allem des Ostens – kennen auch das Gebet „ad Christum“, besonders in Hymnen und im christlich gedeuteten Psalmengebet So kann für das christliche Gebet formuliert werden, dass das Gebet zu Christus unverzichtbar ist, wenn dabei im Blickfeld bleibt, dass es mit der Forderung nach trinitarischem Gebet in Einklang stehen muss 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

2. Grundsätzliches zum christlichen Gebet g. Gebet als Eintritt des Menschen in die Fülle der Zeit Beachtung der Zeitmodi: In der Anamnese ist die Vergangenheit präsent, in der Bitte kommt die Gegenwart des Beters zur Sprache; das Gebet bindet beide Zeitebenen zusammen auf die Vollendung in die Zukunft hin Am Anfang und am Ende des Gebets (in der Anaklese und in der doxologischen Verherrlichung) steht Gott selbst als derjenige, der „die Zeit in Händen hält“ Ewigkeitsformel an drei Stellen der Liturgie als Abschluss des Tagesgebets in Messe und Stundenliturgie als Abschluss des eucharistischen Hochgebets am Ende der Psalmen und biblischen Cantica in der Stundenliturgie Diese Gebetsformeln („Kleine Doxologie“) haben im Zuge der christologischen Streitigkeiten in der Alten Kirche ihre heutigen Formen erhalten 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes a. Altes Testament und Judentum „Orte“ jüdischer Liturgie und jüdischen Gebetslebens: Tempel, Haus, Synagoge Tempelkult: Fünfmaliges tägliches Stundengebet mit Morgen- und Abendlob als Eckzeiten (Am Abend wurde des Auszugs aus der Knechtschaft Ägyptens und am Morgen des Bundesschlusses am Sinai gedacht) Hausgebet: Seit dem Exil und der Zerstörung des Tempels können Gebetszeiten auch zu Hause absolviert werden (Dan 6, 11; Ps 55, 18) Synagoge: Bezeugt sind Gottesdienste am Abend und am Morgen. Der Abendgottesdienst hatte den Charakter eines Gebetsgottesdienstes mit den Schwerpunkten Lobpreis und Bittgebet, während der Morgengottesdienst zusätzlich Wortverkündigung und Katechese beinhaltete 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes a. Altes Testament und Judentum Das Morgen- und Abendgebet der Synagoge besteht im Kern aus zwei verpflichtenden Praktiken: der Rezitation des Schema Jisrael (zweimal am Tag vorgeschrieben gemäß Dtn 6,7) und dem jüdischen Hauptgebet, dem Schemone esre (Achtzehngebet: dreimal am Tag vorgeschrieben: morgens, nachmittags, abends) Das Schema Jisrael ist das die jüdische Identität stiftende Grundbekenntnis zur Einheit und Einzigkeit Gottes. Es ist in erster Linie Schriftlesung, nicht Gebet. Die Lesung besteht aus drei Abschnitten: Dtn 6,4-9; Dtn 11,13-21 und Num 15,37-41 Die Lesung dieser drei Tora-Abschnitte ist eingebettet in Gebets- und Bekenntnisakte des Beters bzw. der betenden Gemeinde Das Achtzehngebet (schemone esre: achtzehn) ist das jüdische Hauptgebet, das der Jude dreimal am Tag zu beten hat – auch tefillah genannt Kette von achtzehn Abschnitten, zum größeren Teil Bittgebeten 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes a. Altes Testament und Judentum Aufbau des Achtzehnbittengebetes 1. Preisung des Gottes der Patriarchen 2. Gott, der „Beleber der Toten“ 3. Heiligkeit Gottes 4. Einsicht und Erkenntnis als Gottesgabe 5. Umkehr als Hinwendung des Menschen zu Gottes Gesetz 6. Vergebung 7. Erlösung aus aller Not 8. Heilung durch den himmlischen Arzt 9. Bitte um Segen für das Gottesland (Neujahrsmotiv) 10. Endzeitliche Sammlung der Diaspora 11. Wiederherstellung der Gerichtsbarkeit 12. Verfluchung der Ketzer 13. Bitte für die Frommen Israels 14. Bitte für die Wiederherstellung Jerusalems und das Kommen des davidischen Messias 15. Bitte um Gebetserhörung 16. Bitte um die Wiederherstellung des Jerusalemer (Tempel-)Gottesdienstes 17. Dankbekenntnis zu Gott 18. Segen in Anspielung auf den aaronitischen Priestersegen Num 6,22-27 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes b. Neutestamentliche Aussagen Bei aller formalen Kontinuität darf man den inhaltlichen Bruch des christlichen Tagzeitengebets gegenüber den jüdischen Vorbildern und Parallelbildungen nicht verkennen Zwei verschiedene Regelsysteme Gebetsversammlungen am Morgen und am Abend, in deren Mitte das Lob Gottes um Jesu willen stand. Der natürliche Ansatz am Morgen und am Abend eines jeden Tages begünstigte die Übertragung der Lichtsymbolik auf Christus, das „abendlose Licht“ und die „Sonne der Gerechtigkeit“ – sie hatten ein charismatisches Gepräge (Eph 5,19f; Kol 3,16), waren aber wohl kaum ohne jede Ordnung Neben diese bei aller Spontaneität doch irgendwie geregelte Gebetspraxis trat der Ruf nach beständiger Wachsamkeit - „Betet ohne Unterlass!“ (1 Thess 5,17) - Aus dieser Grundhaltung heraus entstehen mit der Zeit Formen wie die stündlichen (d.h. den üblichen Tageseinteilungen entsprechenden) Gebetszeiten sowie die Vigil In der Apostelgeschichte: Gebet zur dritten (Apg 2, 15), sechsten (Apg 10, 9) und neunten Stunde (Apg 3,1) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes c. Die frühe Kirche Traditio apostolica 215 (Hippolyt?): privates Gebet beim Aufstehen, zur dritten, sechsten und neunten Stunde, beim Schlafengehen, um Mitternacht, beim Hahnenschrei. Allgemeine Versammlungen finden morgens zur Unterweisung und abends zur Agape statt Symbolische Deutung der Gebetsstunden Die Gebetszeiten am Morgen und Abend werden auf Grund der Lichtsymbolik (das neue Licht am Morgen, das Anzünden der Lampe am Abend) auf Christus gedeutet. Der Morgen steht für die Auferstehung Christi. Die Bitte um die Wiederkehr des Lichts am Abend ist Bitte um die Parusie Christi Die Gebete zur dritten, sechsten und neunten Stunde sind anamnetische Gebete zum Gedächtnis der Passion Christi gemäß der markinischen Chronologie (Kreuzigung zur dritten Stunde: Mk 15,25; Finsternis zur sechsten Stunde: Mk 15,33; Tod Jesu zur neunten Stunde: Mk 15,34) – Damit ist das christliche Gebet Anamnese des Gebets der apostolischen Kirche Das Gebet in der Nacht, die Wurzel der späteren Vigilien, wird eschatologisch gedeutet: als Wache für den ankommenden Herrn, für den Bräutigam, der um Mitternacht kommt (Mt 25,6) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes c. Die frühe Kirche Die Gebetszeit beim Hahnenschrei wird als Stunde der Erkenntnis Jesu ebenfalls österlich-eschatologisch interpretiert Die eschatologische (Erwartung des kommenden Herrn) wie die asketische Motivation des Tag- und Nachtzeitengebets (Bewahrung vor Versuchung) kommen gleichermaßen zum Zug Von besonderer Bedeutung für den Gemeinschaftscharakter des Tagzeitengebets sind die beiden Versammlungen am Morgen und am Abend Aus der synagogalen Übung der Tora-Lesung am Morgen entwickelt sich der christliche Lesegottesdienst, der im Laufe des 2. Jh. am Sonntag mit der Eucharistiefeier verbunden wird, d.h. die Eucharistiefeier übernimmt die Stelle des Morgenopfers Morgenlob (laudes matutinae): Rezitation der Hallelpsalmen (Ps 148-150) Abendlob: Opferbezug mit ritueller Entfaltung - „Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf; als Abendopfer gelte vor dir, wenn ich meine Hände erhebe“ (Ps 141,2) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

3. Geschichtliche Entwicklung des Stundengebetes c. Die frühe Kirche Neben dieser Einrichtung von Gebetsversammlungen an den Eckpunkten des Tages ist auch die Praxis dreimaligen Betens am Tag vom Judentum auf das Christentum übergegangen Didache: dreimaliges Vater unser am Tag - Das Herrengebet tritt hier an die Stelle des jüdischen Achtzehnbittengebets Die Frage, ob die Pflichtgebete „privates“ oder „liturgisches“ Gebet waren, ist anachronistisch; nach der Überzeugung der frühen Kirche betete auch der einzelne nie für sich allein privat, sondern im Gesamtzusammenhang der betenden Kirche Versammlungen der Gemeinde: nicht für das tägliche Gebet, sondern zu katechetischen oder didaktischen Wortgottesdiensten und zu Agapen Gestalt und Inhalt des Tagzeitengebets: vermutlich Lobpreis Gottes und Fürbitte für die Welt (analog zum Achtzehn-Bitten-Gebet) Psalmen waren bis zum 4. Jahrhundert kein Hauptbestandteil 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Zwei Typen christlichen Tagzeitengebets, die in der Realität wohl selten unvermischt existiert haben: der „kathedrale“ Typ mit regelmäßigen Versammlungen am Morgen und am Abend sowie gelegentlichen Vigilien; der „monastische“ Typ mit mehreren, über den ganzen Tag und die ganze Nacht verteilten Horen Der „kathedrale Typ“ Ausprägung vor allem im Orient im Laufe des 4. Jh. Psalmen, Hymnen und rituelle Vollzüge, Lesungen nur vereinzelt bezeugt Am Abend spielt die Lichtdanksagung überall eine Rolle – wichtig das Phos Hilaron von Basilius von Cäsarea († 379) – im GL 660 – eines der wenigen erhaltenen Beispiele der ursprünglich sehr reichen altchristlichen Hymnodik (vgl. sonst nur noch das Gloria und das Te deum) Die an Ps 141, 2 anknüpfende rituelle Entfaltung – das Weihrauchopfer – ist zuerst bei Theodoret von Cyrus († um 466) bezeugt Johannes Chrysostomus († 407): am Abend Bußgedanke vorherrschend, am Morgen das brennende Verlangen nach Gott (Ps 63,1) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Pilgerbericht der Egeria: Wichtige Aussagen über den Tagzeitengottesdienst in Jerusalem im 4. Jh. (siehe Handout) Grundstruktur der kathedralen Liturgie im Osten (siehe Handout) Im Westen kommt der kathedrale Typus in Reinkultur kaum vor Kathedrale Elemente prägen vor allem die nichtrömischen Riten (mailändische, gallikanische und mozarabische Liturgie) Hier herrscht eine größere Vielfalt in der Auswahl der Psalmen als im Osten Vollzug der Psalmen: meist Chorgesang, der durch Gemeindeantiphonen unterbrochen wurde Grundstruktur der Morgen- und Abendhore des kathedralen Typus (siehe Handout) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Der „monastische Typ“ Anfänge des monastischen Stundengebets in Ägypten Die Eigenart dieses Offiziums besteht darin, dass es anachoretisch ist: Die Mönche vollziehen es privat in der Zelle. Nur samstags und sonntags versammeln sie sich zum Chorgebet, zur Eucharistie und zum gemeinsamen Mahl. Das Herzstück der Gebetszeiten sind zwölf Psalmen, die currente psalterio, d.h. fortlaufend, von einem einzelnen vorgetragen werden wichtige Grundzüge des monastischen Offiziums: Psalmen werden nicht thematisch ausgewählt, sondern fortlaufend und ohne Unterbrechung durch Antiphonen rezitiert Grundzug, der sich noch in der Regula Benedicti auswirkt: Der Mönch betet ständig, auch bei der Arbeit Mischformen von monastischem und kathedralem Stundengebet: Mönche nahmen am Kathedraloffizium teil, behielten aber ihre nächtliche Morgenhore bei 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Drei wesentliche Schritte zur Herausbildung des kirchlichen Stundengebets verdanken wir den morgenländischen Mischoffizien: 1. Kleine Horen (Terz, Sext und Non mit jeweils drei Psalmen) füllen das gemeinsame Offizium aus, und zwar zu den Zeiten, an denen sonst das private Gebet stand 2. Es erfolgt eine Synthese von monastischen und kathedralen Bräuchen durch Übernahme von Elementen des jeweils anderen Typus. Dabei setzt sich die fortlaufende Psalmenrezitation durch 3. Als ein neues Offizium entsteht die Komplet (mit Ps 91 [90]), möglicherweise ebenfalls durch Verdoppelung der kathedralen und der monastischen Abendhore Fast völliges Fehlen der kathedralen Offizien im Westen, dafür monastische Ordnungen (Grund: kaum städtische Gesellschaften) Johannes Cassian († 435): führt die (idealisierte) Ordnung, die er in Betlehem kennengelernt hat, in Gallien ein – Unterschied u.a. der Abschluss eines jeden Psalms durch das Gloria Patri (besteht bis heute zwischen Ost und West) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Kloster Lérins: Das tägliche Stundengebet ist reich entfaltet: Nokturnen (Vigilien), Matutin, Prim, Terz, Sext, Non, Lucernarium, Duodecima (Komplet) Die Entstehung der Prim ist nicht restlos geklärt. Möglicherweise wurde sie eingeführt, um die Mönche vom allzu langen Morgenschlaf (bis zur Terz) abzuhalten! Bedeutender für die spätere Entwicklung des römischen Stundengebets sind die monastischen Ordnungen in Italien: 1. Die Magisterregel enthält ein sehr durchdachtes System der Psalmodie als der tragenden Grundstruktur des Offiziums: Je vierundzwanzig Psalmen sind auf die Tageshoren Prim, Terz, Sext, Non und Vesper sowie auf die Nachthoren Nokturnen und Matutin (Laudes) verteilt Die Psalmen werden antiphonal oder responsorial vollzogen, es fehlt die Psalmodie in directum, d.h. als Vortrag eines Einzelnen für die ganze Gemeinschaft Jede Einheit setzt sich folgendermaßen zusammen: Psalm - Gloria Patri - Prostration - Gebet 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet 2. Benediktsregel - Vorteile der benediktinischen Ordnung gegenüber der Regula Magistri: Hier wie dort ist die Aufteilung der Psalmen (mit Ausnahme der Laudes und der Komplet) currente psalterio, d.h. die 150 Psalmen werden auf eine bestimmte Zeit verteilt (RM: 1 Tag; RB: 1 Woche) Von besonderer Bedeutung war die Einfügung von Hymnen in das Stundengebet durch Benedikt sowie die Unterbrechung der nächtlichen Psalmodie mit Lesungen So weisen die Gebetszeiten der Benediktregel eine römische Struktur auf, die noch dem heutigen „Stundenbuch“ zugrundeliegt Einzelheiten Schema von sieben Tageshoren (nach Ps 119, 164) wichtigste Strukturelemente sind die Psalmodie currente psalterio, Lesungen, Responsorien, Hymnen, Cantica aus den Evangelien, Fürbittgebete (Litaneien) 150 Psalmen werden auf eine Woche verteilt monastischer Charakter der Vigil Stilles Gebet nach der Rezitation des Psalmes 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Weitere Einzelheiten des benediktinischen Stundengebetes kathedrale Elemente: fixe, täglich wiederkehrende Psalmen in der Morgenhore (Ps 63; Ps 51, die universalen Laudespsalmen 148-150) Aufführungspraxis der Psalmen (die meisten werden antiphonisch gesungen) Hymnen als poetisches Element Cantica aus den Evangelien (Benedictus am Morgen, Magnificat am Abend) Litanei als Fürbittgebet Es fehlen rituelle Elemente wie das Luzernar (wegen des Prinzips, dass alles bei Tageslicht verrichtet wird: RB 41,8) Responsorium als „meditatives Element“ Zwei Arten von Lesungen Weg vom Psalm zum Gebet: Psalmen werden weniger als an die Hörer gerichtetes Gotteswort, sondern als vor Gott verrichtetes Gebetswort verstanden Stehen beim Psalmensingen Gebet zwischen den Psalmen fällt weg 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

d. Das „kathedrale“ und das „monastische“ Stundengebet Grundstruktur der benediktinischen Vesper (siehe Handout): Verbindung der monastischen und der kathedralen Abendhore, die kathedralen Elemente haben aber keinen eigentlichen Sitz im Leben mehr Grundstruktur der byzantinischen Vesper (siehe Handout): weitgehende Erhaltung der kathedralen Elemente; zahlreiche poetische Texte treten zu den biblischen Texten hinzu; seit dem 8. Jh. „Mischtyp“ (Synthese von monastischem und kathedralem Stundengebet) In der ostsyrischen Tradition ist die Bema ein eigener liturgischer Ort für das Stundengebet (elliptische Anordnung des Kirchenraumes: Stundengebet / Lesegottesdienst und Eucharistie als zwei Brennpunkte der Liturgie) das Offizium im Osten bleibt in der Gemeindeliturgie verankert Das Stundengebet ist wichtiger Bestandteil der allgemeinen liturgischen Spiritualität und nicht exklusiv dem Klerus und den Mönchen vorbehalten 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

e. Von der Stundenliturgie zum Breviergebet Das römische Stundengebet hat sich seit der Zeit Benedikts bis zum II. Vaticanum in seinen Grundstrukturen kaum verändert Dennoch gibt es eine wechselvolle Geschichte mit einigen Verengungen und Bedeutungsverschiebungen Durch Reformen (Gregor der Große, Gregor VII. [1073-1085]) war bis ins Hochmittelalter überall im Abendland das römische Offizium verbreitet und hatte andere, ältere Traditionen verdrängt Grundlegende Reform durch Papst Innozenz III. (1198-1216) mittels des Franziskanerordens: Dieser verbreitete das Offizium der römischen Kurie in einer neuen komprimierten Form, dem Brevier, über das ganze Einzugsgebiet des römischen Ritus und verfestigte damit die schon lange vorher begonnene Entwicklung zur Privatisierung des Stundengebets Wandlung von der Stundenliturgie als gefeiertem Gottesdienst zum privaten Rezitieren des Breviers hängt auch mit einer neuen Weihepraxis zusammen (bis zum 11. Jh. Weihe für eine bestimmte Kirche, danach Priesterweihe ohne Ortsanbindung) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

e. Von der Stundeliturgie zum Breviergebet Je stärker sich die Weihe von der Bindung an eine Kirche loslöste, umso mehr nahm die private Rezitation des Stundengebets außerhalb des Chores zu. Damit begann auch die Loslösung der Horen vom zeitlich richtigen Ansatz Der Beginn der „Brevierpflicht“ wird zurückverlegt auf die Regel des Chrodegang, Bischof von Metz († 766), der für die Regularkanoniker vorschrieb, dass diese das Offizium bei Abwesenheit vom Chorgebet privat zu vollziehen hätten Der „Weltpriester“ bekam damit eine zum Teil monastische Spiritualität Ihren konsequenten Abschluss findet diese Entwicklung im Jesuitenorden, der gänzlich ohne Chorgebet auskommt Die Gemeinde wurde schon früh weitgehend von der Stundenliturgie ausgeschlossen, allerdings erhielt sich die lateinische Sonntagsvesper und weitere Andachtsformen ersetzten das frühere Kathedraloffizium Seit dem 10. Jh. Entwicklung des Officium parvum, ein kleines Zusatz-offizium zu Ehren der Dreifaltigkeit, der Gottesmutter oder eines Heiligen 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

f. Neuzeitliche Reformversuche Erneuerungsversuche in der Zeit der Reformation brachten keinen Durchbruch in Richtung eines vollziehbaren gemeindlichen Stundengebets Allein die anglikanische Kirche kann auf eine lückenlose Tradition gemeindlichen Stundengebets zurückschauen. Noch heute wird dort das „evening prayer“ als Gemeindegottesdienst gefeiert Auf katholischer Seite Reformbrevier von Kardinal Quinones (1535): rein privates Brevier Breviarium Romanum (1568) schreibt den alten Zustand fort Zeit der Aufklärung: Pfarrer, die ihr Tagzeitengebet teilweise als Gemeindegottesdienst gestalteten, blieben zur doppelgleisigen Brevierrezitation verpflichtet Die LB griff das Anliegen des gemeindlichen Charakters des kirchlichen Stundengebets auf und forderte die (Wieder-)Einführung einzelner Gebetszeiten (Prim und Komplet beliebter als Laudes und Vesper) Wichtige Vertreter: Suitbert Bäumer, Lambert Beaudouin, Athanasius Wintersig OSB, Romano Guardini, Pius Parsch 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste 4. Die liturgische Erneuerung der Stundenliturgie durch das 2. Vatikanum a. Die Aussagen des Konzils im 4. Kapitel der LK (SC 83-101) J. A. Jungmann: Reform der Stundenliturgie war am notwendigsten, aber auch am schwierigsten Aufbau des 4. Kapitels der LK über das „Stundengebet“ (so die offizielle Überschrift): Wesen der Stundenliturgie (SC 83-86) Strukturreform der Stundenliturgie (SC 87-90) Reform einzelner Teile (SC 91-93) Verpflichtungscharakter (SC 94-98) Vollzug in Gemeinschaft (SC 99-100) Die zu verwendende Sprache (SC 101) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste a. Die Aussagen des Konzils im 4. Kapitel der LK (SC 83-101) Stundenliturgie ist von ihrem Wesen Vollzug des Priesteramtes Christi (SC 83); Christus ist auch im Vollzug der Tagzeitenliturgie der erste Liturge Im Tagzeitengebet vollzieht sich die Heiligung des Tages (SC 84); Die ganze Lebenszeit des Menschen, jeder Tag und jede Stunde, soll durch das Gebet geheiligt werden (d.h. nicht unbedingt ununterbrochenes Gebet) Träger der Tagzeitenliturgie (SC 84): Priester, andere Beauftragte, alle Christgläubigen in Verbindung mit dem Priester (nicht die Gemeinde als solche); Paulinisches Bild von Braut und Bräutigam Die Tagzeitenliturgie ist für die Kirche ein officium, eine ihr obliegende Pflicht (SC 85) Verhältnis von Tagzeitenliturgie und Seelsorge (SC 86) Konzil plädiert für eine Weiterführung der begonnenen Reform und gibt dafür Hinweise für die Tagzeitenliturgie im römischen Ritus (SC 87) Zeitansatz der Gebetsstunden (SC 88): Ziel bleibt die Heiligung des ganzen Tages, daher Reduzierung des Umfangs der einzelnen Horen auf ein in der Seelsorge realistisches Maß 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste a. Die Aussagen des Konzils im 4. Kapitel der LK (SC 83-101) Aufbau der Tagzeitenliturgie (SC 89): Laudes und Vesper als „Angelpunkte“ der täglichen Tagzeitenliturgie (tägliche Feier in den Priesterseminaren!); Komplet als wirklicher Tagesabschluss; Lesehore als gelungene neue Form anstelle der Nokturn / Matutin; Wegfallen der Prim; Kleine Horen auf eine reduziert Tagzeitenliturgie und Frömmigkeit (SC 90): Tagzeitenliturgie „ist zwar öffentliches Gebet der Kirche, das nicht mit privaten geistlichen Übungen zu verwechseln ist; als Offizium, das im Namen der Kirche verrichtet wird, hat es seinen Wert in sich. Aber es muss gleichzeitig persönliches, wahrhaft ehrliches und fruchtbares Gebet eines jeden einzelnen Priesters werden. Eigenart des Gebetes ist ja, durch eine geheimnisvolle Begegnung mit Gott (commercium divinum) dem Herzen geistliche Nahrung, Hilfe und Freude zu schenken“ (Bischof A. Martin). Verteilung der 150 Psalmen auf einen längeren Zeitraum als eine Woche (SC 91) – Frage der Fluchpsalmen erst vom Consilium beantwortet (Streichung) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste a. Die Aussagen des Konzils im 4. Kapitel der LK (SC 83-101) Neugestaltung der Schriftlesungen der Lesehore (SC 92): im deutschen Stundenbuch zweijähriger Zyklus mit größtmöglicher Vielfalt (ganzes NT, 46 % AT); Erweiterung der Väterlesungen; Möglichkeit der Lesung anderer geistlicher Autoren (AES 250); Revidierung der hagiographischen Lesungen Neugestaltung der Hymnen (SC 93): in die Tagzeitenliturgie wurden 183 neue Hymnen aufgenommen, nicht nur aus dem Schatz der Überlieferung, sondern auch Schöpfungen lebender Hymnendichter (lateinische Hymnen können nach AES 178 der jeweiligen Volkssprache angepasst werden) Bedeutung der Stundenliturgie für den Tagesablauf (SC 94): Vermeidung der Zusammenziehung von Horen (veritas horarum) Die zum Chorgebet verpflichteten Gemeinschaften (SC 95): meinen die Orden der Kanoniker, Mönche und Chorfrauen, ferner die Kathedralkapitel Die nicht zum Chorgebet verpflichteten Kleriker (SC 96): unterschiedliche Regelung des Verpflichtungsgrades der einzelnen Horen in AES 29f 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste a. Die Aussagen des Konzils im 4. Kapitel der LK (SC 83-101) Austauschmöglichkeiten und Dispens (SC 97): betreffen nur den Vorabend von Weihnachten (Komplet), Gründonnerstag (Vesper) und Karfreitag (Vesper) sowie die Osternacht (Lesehore) Stundenliturgie der Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften (SC 98): vollziehen in der Stundenliturgie „öffentliches Gebet der Kirche“ (ebenso wie alle anderen Beter, auch die nicht verpflichteten Laiengruppen) Empfehlung der gemeinsam gefeierten Tagzeitenliturgie auch für nicht zum Chor verpflichtete Kleriker (SC 99): wird heute immer häufiger praktiziert – in Pfarrhäusern, bei Priestertreffen usw. Tagzeitenliturgie der Laien (SC 100): wird vom Konzil empfohlen und heute wieder häufiger praktiziert, v.a. die Gemeindevesper mit rituellen Elementen (Licht, Weihrauch etc.) Verwendung der liturgischen Sprache (SC 101): eigentlich ist Latein vorgesehen, allerdings ist Muttersprache ebenso erlaubt und pflichtgemäß 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste b. Die Neuordnung der Liturgia Horarum die Liturgia Horarum ist nicht nur Gebet, sondern wie alle Liturgie Aktualisierung des mittlerischen Priestertums Christi, das sowohl soterischen (,katabatischen‘) wie auch latreutisch-impetratorischen (‚anabatischen‘) Charakter hat Allerdings überwiegt der anabatische Charakter Im deutschen Sprachgebiet wird „Liturgia Horarum“ meist (unkorrekt) mit „Stundengebet“ übersetzt Die ganze am Priesteramt Christi teilnehmende Kirche ist Träger der Stundenliturgie Die wesentlichen Neuerungen des liturgischen Buches selbst dürfen vor allem darin gesehen werden, dass die Struktur insgesamt einsichtig ist (Laudes und Vesper als Angelpunkte des Tages, neue Konzeption der Matutin als Lesehore, Verteilung des Psalters auf 4 Wochen ist Besinnung auf das Wesentliche, Verbesserung der Lesungen und der Hymnen) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste c. Das deutsche Stundenbuch Die authentische deutsche Ausgabe des Stundenbuches wurde am 4. Mai 1978 von der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst konfirmiert Jeder der drei Bände enthält ein vollständiges Ordinarium (dazu 16 Lektionarfaszikel) Um den Gesang der Stundenliturgie zu ermöglichen, wurde 1979 das deutsche „Antiphonale“ herausgegeben Für die Gemeindeliturgie ist auf das neue „Gotteslob“ hinzuweisen, das nun neben ausführlicheren Modellen für die Laudes, Vesper und Komplet auch neue tagzeitliche Liturgien enthält (z.B. Morgenlob/GL 618, Statio während des Tages/GL 626; Abendlob/GL 659-661) „Kleines Stundenbuch“ in vier Bänden (1981-1984) Verbesserungen weiterhin möglich und notwendig (v.a. ist dringend eine Aktualisierung der Heiligengedenktage erforderlich) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste 5. Die einzelnen Tagzeiten a. Laudes Laudes (matutinae) bezeichnen ganz allgemein das Morgenlob der Gemeinde am Ende der Nacht und zum Beginn des Tages zur Stunde der Auferstehung Kern: Morgenpsalm (meist Ps 63), Fürbittlitaneien und Entlasssegen Erweiterung des Grundstocks durch Elemente aus der Gemeindevigil: Ps 51 (Miserere), Canticum des Mose (Ex 15: Siegeslied nach dem Durchzug durch das Rote Meer) und der drei Jünglinge im Feuerofen (Dan 3, 57-88) Aus dem nächtlichen bzw. frühmorgendlichen Psalmodieren der Mönche werden das Schlussstück des Psalters übernommen, die sog. Laudes (= Psalmen 148-150) und die dazugehörige Große Doxologie (Gloria) Aufbau im jetzigen Stundenbuch: Hymnus, Psalmodie (Morgenpsalm, atl. Canticum, Lobpsalm, jeweils mit Antiphonen), Kurzlesung, ggf. Homilie, Responsorium, Benedictus, Bitten (Preces) , Vaterunser, Schlussoration, Segen - Wenn die Laudes am Beginn des Tages stehen, geht ihnen das Invitatorium voraus 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste 5. Die einzelnen Tagzeiten b. Vesper Vesper: Abendhore des Stundengebetes (lat. vesperae, von vesper = Abendstern), auch „Duodecima“ (Gebet zur zwölften Stunde = 18 Uhr) genannt Drei Motivkreise: Dank für den vollbrachten Tag (heilsgeschichtliche Perspektive), Anzünden der Lichter (Lucernar), Stunde des Opfers (sichtbar im Aufsteigen des Weihrauchs und im Erheben der Hände, vgl. Ps 141,2) Aufbau: Einleitungsvers, Hymnus, Psalmodie mit zwei Psalmen und einem ntl. Canticum; Kurzlesung (bei einer Gemeindevesper auch längere Lesung mit Homilie), Responsorium, Magnificat mit Antiphon, Fürbitten, Vaterunser, Schlussgebet, Segen Wiederentdeckung der Vesper in den Gemeinde (Lucernar, Weihrauch) Vesper in der byzantinischen Liturgie und in der protestantischen Tradition 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste 5. Die einzelnen Tagzeiten c. Lesehore Aufbau: Eröffnungsversikel, Hymnus, Psalmodie (drei Psalmen, jeweils mit Antiphon), Zu den Lesungen überleitender Versikel, Erste Lesung (aus der Heiligen Schrift) mit Responsorium, Zweite Lesung (aus Werken der Kirchenväter oder -schriftsteller oder hagiographische Lesung) mit Responsorium, an Sonntagen „Te Deum“, Tagesgebet, Segen bzw. Versikel Zweck: Lesehore „soll dem Volk Gottes, vor allem denen, die auf besondere Weise dem Herrn geweiht sind, die Meditationen der schönsten Stellen aus der Heiligen Schrift und aus den Werken geistlicher Schriftsteller nahebringen.“ Frage des Zeitpunkts Unterscheidung Lesehore – Vigil – Matutin Auswahl der Lesungen in der Liturgia horarum und im deutschen Stundengebet – nach Autoren und Jahrhunderten (siehe Handout) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste 5. Die einzelnen Tagzeiten c. Lesehore Fazit: das geistliche Lektionar der Liturgia Horarum ist weithin ein patristisches Lektionar geblieben, während das deutsche Stundenbuch ein wirkliches Lektionar der Väter und Kirchenschriftsteller geworden ist Die vorkonziliaren Postulate nach einer Erneuerung der Väterlesungen wurden weitestgehend erfüllt Frage nach noch mehr Freiheit in der Auswahl der geistlichen Lektüre AES 250 räumt ein, die zweite Lesung der Lesehore gegen „eine andere Lesung derselben Zeit aus dem Stundenbuch oder aus dem Auswahllektionar“ auszutauschen oder „an Wochentagen ... eine Art Bahnlesung“ aus einem frei gewählten „Kirchenvater“ (dann doch wohl auch aus einem Kirchenschriftsteller neuerer Zeit) zu halten Neue Auswahlmöglichkeiten durch die Schriftenreihe des DLI (mit mehr Autoren aus dem 20. Jh.) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste d. Kleine Horen: Terz – Sext – Non Begründung in AES 74 und 75: Überlieferung, privates Gebet, Gebet und Arbeit, Gedächtnis der Heilsereignisse II. Vatikanum : „Im Chor sollen die Kleinen Horen, Terz, Sext und Non, beibehalten werden. Außerhalb des Chores darf man eine davon auswählen, die der betreffenden Tageszeit am besten entspricht“ (SC 89) Anders als zum Gebet am Morgen und Abend und zur Nacht werden die Psalmen zur Lesehore und zu den Kleinen Tagzeiten im allgemeinen nicht unter thematischen Aspekten ausgewählt Einteilung der Psalmen in längere und kürzere und Zuweisung der kürzeren an die Kleine Tagzeit (Unterbrechung des Prinzips durch Ps 119 und an Sonntagen, am 3. Freitag und am 4. Samstag) Für jede Tagzeit der viermal sieben Tage des Zyklus ist eine eigene Lesung (lectio brevis) vorgesehen; allerdings keine klare Ordnung bei der Auswahl Prägung der Kleinen Tagzeit durch die Schlussoration 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste d. Kleine Horen: Terz – Sext – Non Analyse der Orationen der Kleinen Tagzeiten (siehe Handout) Der Freitag ist zu allen kleinen Tagzeiten als Tag des Leidensgedächtnisses charakterisiert An den anderen Wochentagen ist das Gebet zur neunten Stunde mehrheitlich dem Gedenken des Kreuzestodes Christi gewidmet das Gebet zur dritten Stunde ist an (fast) allen Tagen dem Gedächtnis des Pfingstgeschehens gewidmet Dem kann man die beiden auf Apg 10 bezogenen Orationen zuordnen, insofern hier die „zweite Geistsendung“, das „Pfingsten der Heiden“, zum Thema wird (= Erste Ausbreitung des Evangeliums) Vergleichsweise untypisch sind die meisten Orationen zur Sext, d.h. 4 von 6 Sext-Orationen sind eher allgemein auf die Tageszeit oder die Arbeit bezogen (nur am Dienstag geht es um die Ausbreitung des Evangeliums und am Freitag um die Kreuzigung) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste d. Kleine Horen: Terz – Sext – Non Analyse der Hymnen der Kleinen Tagzeiten (siehe Handout) Drei Gruppen: Ambrosius, frühmittelalterlich (7./8. Jh.), zeitgenössisch Hymnen zur Terz sehr einheitlich: Die dritte Stunde ist ganz und gar als die Stunde der Geistsendung gewertet Hymnen zur Sext: Die Kreuzigung Christi zur sechsten Stunde ist (nur) ein Thema unter anderen; daneben sprechen sie von der Tageszeit, vom Sonnenstand oder von den Aufgaben des Tages zu dieser Stunde Hymnen zur Non: ebenfalls verschiedene Themen – Heilungswunder, Schöpfungstag, Kreuz (Ambrosius: praemium mortis sacrae) Zwei Grundströmungen: Anthropologisch akzentuiert und zugleich naturreligiös bestimmt - schriftorientiert 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste d. Kleine Horen: Terz – Sext – Non Bedeutung der Kleinen Horen in der Frühzeit der Kirche (Hippolyt, Tertullian, Cyprian) Hippolyt († 215) / Traditio apostolica: Allein der Gekreuzigte ist Grund, zu den Tageshoren zu beten Tertullian († 220): Grund zum Gebet sind die Vorbilder aus der Apg Cyprian († 258): verbindet die beiden bei Hippolyt einerseits und Tertullian andererseits bezeugten Argumentationsreihen (Kreuzigung und Ausbreitung des Evangeliums in der Apg) Praxis des Gebets der Kleinen Hore: Nicht wenige beten zur Mittagsstunde - ebenso sinnvoll ist es, sich bewusst am Vormittag oder am Nachmittag eine Zeit des Gebets zu nehmen Häufig wird dies auch bei Konveniats oder vor Kommissionssitzungen getan (dann sollte dies aber in der Kapelle geschehen, nicht im Sitzungssaal) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste e. Komplet Komplet geht geschichtlich auf den Brauch der Mönche zurück, außer dem gemeinschaftlichen Abendlob der Vesper noch ein kurzes, mehr privates Abendgebet im Dormitorium (Schlafsaal) zu verrichten Basilius d. Gr. († 379) kennt dafür schon den noch heute verwendeten Psalm 91 (Sonntagskomplet) Benedikt schafft daraus eine eigentliche Hore: Ihr geht das sog. officium collationis voraus: Die Brüder setzten sich nach dem Abendessen zusammen und hörten eine geistliche Lesung. Dann begab man sich zur Komplet ins Dormitorium (später ins Oratorium). Dazwischen schob man im Mittelalter noch eine Apologie, die sich zum gegenseitigen Confiteor verfestigte. Später nimmt sie, wie Laudes und Vesper, auch ein ntl. Canticum (Nunc dimittis) auf Die Liturgische Bewegung trug besonders zur Wiederbelebung der Komplet bei (Guardini: Burg Rothenfels) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste e. Komplet Aufbau: Einleitungsversikel - Gewissenserforschung mit Schuldbekenntnis - Hymnus - Psalmodie mit einem oder zwei Psalmen (samstags und mittwochs) - Kurzlesung - Responsorium - Canticum Simeons (Lk 2, 29-32) mit Antiphon - Schlussgebet - Segen - Marianische Schlussantiphon Zeitansatz: Komplet ist das „letzte Gebet de Tages“ (Liturgia horarum). Sie wird unmittelbar „vor der Nachtruhe“ vollzogen, gegebenenfalls auch nach Mitternacht“ (AES 84) Motiv der commendatio: Begriff kommt von commendare und bedeutet soviel wie: in die Hand geben, zu treuen Händen übergeben, in die Hände legen. Damit verbunden ist sowohl die innere Ganzhingabe des Beters, das absolute Vertrauen in Gott, aber auch der ganze Komplex „Tod“ Liturgisch entfaltet wird das Motiv der commendatio in der Komplet im Responsorium, im Nunc dimittis, in einigen Hymnen (Samstag, Montag), aber auch in der Schlussbenediktion: „Eine ruhige Nacht und ein gutes Ende gewähre uns der allmächtige Herr.“ 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste 6. Die einzelnen Elemente der Stundenliturgie a. Invitatorium Drei Elemente: Versus / Eröffnungsruf – Eröffnungsantiphon – Eröffnungspsalm 95 (oder: 100, 67, 24) das Invitatorium steht „immer am Beginn des täglichen Stundengebets“ (AES 35). Da die erste Gebetsstunde entweder die Laudes oder die Lesehore sein kann, geht einer von diesen beiden das Invitatorium voraus Reihenfolge: Eröffnungsruf des Invitatoriums – Eröffnungsantiphon – Eröffnungspsalm – Hymnus der Laudes bzw. Lesehore Eröffnungsruf: Der dem Psalm 51 entnommene Vers 17 („Herr, öffne mir die Lippen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden.“) findet sich als Anfang des Offiziums schon in der Regula Magistri und der Regel des Benedikt. Eröffnungsantiphon: im neuen Stundenbuch über 70 verschiedene (eigene Antiphonen an Hochfesten, Festen, z.T. an Gedenktagen der Heiligen, Sonn- und Wochentagsantiphonen orientieren sich an Ps 95) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste a. Invitatorium Eröffnungsantiphon: meist zweigliedriger Aufbau, Anrufung + Aufforderung zur Anbetung In der theologischen Akzentuierung bevorzugen die Antiphonen eine christologische Aussage: „Christus nahm Fleisch an für uns; kommt, wir beten ihn an“ (Verkündigung des Herrn) „Christus, den Herrn, der im Evangelium spricht“ (25.4. Evangelist Markus) „Das Lamm Gottes, dem Johannes im Leiden vorausging“ (29.8. Enthauptung Johannes des Täufers); „Den Herrn, den König, der kommen wird“ (Advent); „Heute wurde die Mutter Christi in den Himmel erhoben; kommt, wir beten ihren Sohn an, den König der Könige“ (Maria Himmelfahrt) Eine starke Einprägungskraft geht von der Antiphon aus, wenn sie in der vollen Form des gottesdienstlichen Handelns mehrfach erklingt 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste a. Invitatorium Invitatorialpsalm 95: Analyse (siehe Handout) vv. 1-2: „Aufruf zum Festjubel“ (A. Deissler) vv. 3-5: Begründung für das Lob Gottes – seine Größe und grenzenlose Machtfülle vv. 6-7: Antwort des Menschen besteht darin, huldigend sich zu beugen, anbetend niederzuknien, staunend dieser Erkenntnis innezuwerden; Bezeugung und Anerkennung der Größe Gottes ist die Sendung des Volkes, das er sich erwählt hat vv. 8-11: Mahnwort, vielleicht von einem Priester oder Leviten vorgetragen; direkte Anrede und Mahnung Gottes an sein erwähltes Volk des Alten Bundes; Das „heute“ aus dem Invitatorialpsalm kann vom Beter auf den beginnenden Gebetstag bezogen werden; Beispiele aus der Wüstenwanderung werden zur Warnung angeführt; Auch für den neutestamentlichen Beter ist dieser Mahnspruch eine heilsame Warnung, sich Gott nicht zu verschließen, sondern den Willen des Vaters zu tun 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste b. Hymnus Die „klassischen“ lateinischen Hymnen dürfen den besonderen Verhältnissen eines modernen Kulturkreises und der Landessprache angepasst werden und sie dürfen durch Neuschöpfungen ersetzt oder ergänzt werden Freiheit und Berücksichtigung der liturgischen Eigenart eines Landes ist wichtig Die Erstellung eines eigenen deutschen Hymnars ist somit eine durchaus berechtigte Erwartung, ja Forderung Man hat sich dabei nicht an Liedern aus dem Gotteslob orientiert, vielmehr bestimmen entweder klassische Hymnen aus Antike und Mittelalter in deutscher Übersetzung oder zeitgenössische Neuschöpfungen das Hymnar 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste b. Hymnus: Lesehore (siehe Handout) Verschiedenheit zwischen SB und LH: von den 24 Hymnen der LH kehren nur drei wieder Viele zeitgenössische Dichtungen Der Nachthymnus hat als Hauptthema den Gegensatz von Licht und Nacht, Wachen und Schlafen Der Tageshymnus befasst sich mit dem eigentlichen Thema der Lesehore, dem Wort Gottes (3 zeitgenössische Hymnen) 1. Hymnus: Das „Göttliche Wort“ wird in fünf Zweizeilern anhand der alttestamentlichen Symbole Brennender Dornbusch, Wolkensäule, Schlüssel Davids, als Wort und Antwort, Anrede und Gegenrede zugleich angesprochen 2. Hymnus: Das „Wort Gottes“ rühmt die Allmacht des göttlichen Wortes in der Erschaffung der Welt und den geistigen Reichtum, den es der Welt bringt 3. Hymnus: Er feiert das menschgewordene Wort Gottes 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste b. Hymnus: Laudes (siehe Handout) Mit Ausnahme des Sonntags wird auf eine doppelte Besetzung mit Hymnen verzichtet und eine einheitliche Wochenserie fast nur aus dem Hymnenangebot der LH erstellt die besten Morgenhymnen der Tradition von ca. 350 bis 800 am Sonntag und Montag die zwei berühmtesten Texte des hl. Ambrosius († 397) am Mittwoch und Donnerstag hervorragende Stücke des Prudentius († ca. 405) am Dienstag der Morgenhymnus der früheren Prim zeitgenössische Formulierung im Samstags-Hymnus Sondergruppe „Preisungen und Gebete“, die gerade für den Beginn des Stundengebetes verschiedene gute Texte zur Verfügung stellt (vgl. SB I, 376-382) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste b. Hymnus: Vesper (siehe Handout) doppelte Hymnenreihe In den Wochen 1 und 3 wird, der Tradition getreu, das Schöpfungswerk entfaltet von der Erschaffung des Lichtes bis zur Erschaffung des Menschen Die Wochen 2 und 4 stehen unter der Thematik „Angelangt an der Schwelle des Abends“ Neben klassischen Hymnen werden hier auch freiere „Tonarten“ angeschlagen wie das alte Phos hilaron oder das asklepiadeische „Guter König und Herr“, in dem das ausdrucksstarke Bild der wandelnden Feuersäule vorgeführt wird (Str. 2) Unverkennbar ist in den Vesperpsalmen das deutliche Bemühen um gedankliche Reichhaltigkeit und formale Abwechslung, und das fast durchweg unter Verwendung kostbarer alter Texte 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste b. Hymnus: Komplet (siehe Handout) Komplet wird durch Hymnen eingeleitet, denen neben dem Gedanken des „Abschließens“ eine besondere Innigkeit des Betens eigen ist Exemplarisch tut das der klassische Abendhymnus Te lucis ante terminum; er wird täglich neu ausgedruckt Daneben wird immer ein 2. Text angeboten (mehr aus der Tradition als zeitgenössische) Neben diesen Haupthymnen bietet das Stundenbuch eine reiche Auswahl klassischer und zeitgenössischer Hymnen unter der Rubrik „Preisungen und Gebete“, die entweder zu jeder Hore (III, 157-163) oder zu bestimmten Horen (III, 164-175) gebetet werden können. Hervorzuheben ist dabei das berühmte Gebet von Hrabanus Maurus († 856) O Deus aeterne, mundi sanctissme rector, das sehr schön ins Deutsche übertragen wurde (III, 160). 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste c. Psalmodie Von Anfang an bildete der biblische Psalter einen Teil des Stundengebets Psalmen als Gegenstand der Meditation, worauf besonders die Psalmenkollekten hinweisen; offizieller Bestandteil der Stundenliturgie wurden die Psalmenkollekten allerdings nicht Das Stundenbuch gibt für den nutzbringenden Vollzug des Psalmengebetes verschiedene Hilfsmittel an: Überschrift (regt zum Gebet im christologischen Sinn an); Psalmorationen (sollen zum christlichen Verständnis der Psalmen führen); Antiphonen (verdeutlichen die literarische Gattung eines Psalms und machen ihn zum persönlichen Gebet) Cantica aus AT und NT dürften schon im gottesdienstlichen Gebrauch gewesen sein, als sie Aufnahme in die Heilige Schrift gefunden haben Verteilung der einzelnen Psalmen auf einen vierwöchigen Zyklus durch Paul VI. (1963-1978) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste d. Lesungen in der Stundenliturgie Schriftlesungen bilden einen Bestandteil jeder einzelnen Hore (Ideal des ägyptischen Mönchtums, jeder Psalmodie eine Lesung aus dem AT und NT folgen zu lassen) Unterschied zwischen den biblischen Kurzlesungen, wie sie zu jeder Hore gehören, und den biblischen, patrologischen und hagiographischen Lesungen als Spezifika der Lesehore Gesichtspunkte für Kurzlesungen: keine Evangelien – Eigenart des Sonntags, des Freitags und auch der jeweiligen Hore – Kurzlesungen der Vesper aus dem NT, weil sie auf das Canticum aus dem NT folgen Zentraler Ort für die Schriftverkündigung im Stundengebet ist die Lesehore: zwei Jahreszyklen (mit Lesungen aus AT und NT), in denen die Evangelien nicht vorkommen; Das NT wird – aufgeteilt in Messe und Stundengebet – jährlich ganz gelesen 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste e. Responsorien Die responsorische Singweise ist uralt, sie war auch dem AT für das Psalmensingen bekannt, wie Ps 136 zeigt, in dem jeweils auf den Ruf des Dankes an Gott das Responsum folgt: „…denn seine Huld währt ewig.“ Grundform eines Responsoriums: ein Solist (Kantor, Psalmist) trägt der Gemeinde einen Psalm vor (im Normalfall mit reich ausgezierter Melodie), und zwar Vers für Vers – die ganze Versammlung antwortet auf jeden Vers mit einem kurzen, melodisch einfachen Kehrvers, dem sog. Responsum Diese Grundform hat aus verschiedenen Gründen Verkürzungen und Veränderungen erfahren Das Responsorium breve nach den Kurzlesungen in Laudes und Vesper reduziert den Psalm auf einen Vers und den Abschlussvers „Ehre sei dem Vater“ (responsio a latere) Das Responsorium prolixum (nach den Lesungen der Lesehore) gibt dem Volksresponsum eine reichere Ausgestaltung. Wenn es gesungen wird, wird es meist von einer Schola getan 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste f. Lobgesänge aus dem Evangelium (Benedictus – Magnificat – Nunc dimittis) In der römischen Liturgietradition ist die früheste eindeutige Quelle für das Vorkommen von „Benedictus“ und „Magnificat“ und für ihren uns vertrauten Ort im Stundengebet die Regel Benedikts (12,4; 13,11; 17,8), die beide Gesänge als canticum de Euangelia bezeichnet und für das Ende des 6. Jh. bezeugt Über die Gründe der Zuordnung des „Benedictus“ zum Morgenoffizium und des „Magnificat“ zur Vesper können wir nur Vermutungen anstellen bzw. Konvenienzgründe aufweisen Das Wort vom „aufstrahlenden Licht aus der Höhe“ im Lobgesang des Zacharias gibt diesem eine Nähe zum Morgenlob (vgl. AES 38), während der dankbare Lobpreis Marias dem abendlichen Dank für den Tag und für die Erlösung verwandt ist (vgl. AES 39) Noch deutlicher ist die inhaltliche Nähe des „Abendlieds Simeons“ zum Tagesabschluss 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste f. Lobgesänge aus dem Evangelium (Benedictus – Magnificat – Nunc dimittis) Ihrer Form nach lassen sich die Cantica in ihrer Gesamtheit am besten als Lobpreis (Eulogie, Berakah) verstehen Aufbau aller drei lukanischen Lobgesänge: 1. eröffnender Lobpreis 2. begründende Aussage(n) 3. erweiternde Darstellung von Gottes Wirken. eschatologische Ausrichtung: Spannungsbogen des heilgeschichtlichen Schon und Noch-nicht Frage nach der liturgischen Art der neutestamentlichen Cantica: „Evangelium“ oder „Hochgebet“? Aus liturgiegeschichtlicher Sicht: Sonderform der Evangeliumsverkündigung 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste f. Lobgesänge aus dem Evangelium (Benedictus – Magnificat – Nunc dimittis) AES 138: „Den Lobgesängen Benedictus, Magnificat und Nunc dimittis wird dieselbe Feierlichkeit und Ehre erwiesen wie dem Evangelium.“ Daher gilt: Teilnehmer stehen; Bezeichnung mit dem Kreuzzeichen; Inzens von Altar, Priester / Offiziator und Volk (auch beim Benedictus möglich; vgl. AES 261); Lichtritus 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste g. Preces in Laudes und Vesper Sammelbegriff für die beiden Formen der Schlussbitten in den Laudes (Bitten - invocationes) und in der Vesper (Fürbitten - intercessiones) Inhaltliche Verschiedenheit der Intentionsreihen in den zwei Haupthoren: Während in den Preces des Abendlobes die großen Anliegen von Kirche, Menschheit und Welt in das Gesichtsfeld der Beter treten, dankt und preist die Gemeinde in der Morgenhore für die Schöpfung, für Leben und Licht, empfiehlt Gott den Tag an (die Funktion der Tagesdarbringung, die früher die Prim innehatte, fällt nun in etwa den Preces in den Laudes zu) drei Teile, die sich in jedem Precesformular zu einem Ganzen zusammenfügen: das Invitatorium, das Responsum, die Intentionen Invitatorium: besteht aus einer Kurzbenediktion (Berakah), gefolgt vom Gebetsappell; häufig schließt sich der Gebetsaufforderung eine Gottes- bzw. Christusprädikation an 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste g. Preces in Laudes und Vesper Responsum / Antwortruf: reicht vom traditionellen Kyrie eleison bis zu Akklamationen, die den geprägten Zeiten oder einem Festtag eine besondere Note geben; meistens drückt der Refrain eine Bitte aus, manchmal auch Lobpreis oder Ausdruck der Freude; kann sowohl bei der Einzelrezitation wie in der gemeinschaftlichen Begehung entfallen (AES 192-193); Einheit mit den vorgetragenen Anliegen Intentionen: beschränken sich im Stundenbuch in der Regel auf vier für die Laudes und fünf für die Vesper, wobei die letzte, stets den Verstorbenen gewidmet ist (AES 186) und das einstige Totengedächtnis „Fidelium animae …“ („Die Seelen der Verstorbenen mögen ruhen in Frieden“) ablöst; jedes Anliegen besteht aus zwei Teilen – deren zweiter kann als jeweils wechselnde Antwort verwendet werden 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste h. Vater unser und Schlussriten Das Gebet des Vaterunsers in Laudes und Vesper ist bereits Forderung der Benediktsregel; die Didache mahnt einen jeden Christen zum dreimal täglichen Gebet des Vaterunsers, gleichsam als „das Minimum des (Stunden-)Gebetes eines Christen.“ Nachdem das Vaterunser im Brevier des Mittelalters verlorengegangen war, hat es die Reform am Ende der Haupthoren Laudes und Vesper wieder eingeführt mit dem Argument, diese seien am ehesten mit der Gemeinde zu feiern Tradition des dreimal täglichen Gebets des Vaterunsers, wobei als drittes neben den Haupthoren das Vaterunser der Messe genannt wird „Das Vaterunser wird von allen gemeinsam gesprochen. Eine kurze Überleitung kann vorausgehen.“ (AES 196) – durch Kyrieruf Die Horen schließen mit einer Oration Sache eines geweihten Vorstehers ist es, am Schluss der Horen die Gemeinde zu segnen und zu entlassen 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet Römische Brevier Pius‘ V. 1568: das „Alma Redemptoris Mater“ in der Advents- und Weihnachtszeit; von Lichtmess (2. Februar) bis zum Mittwoch der Karwoche einschließlich das „Ave regina caelorum“; während der Osterzeit das „Regina caeli“; für die nachpfingstliche Zeit „per annum“ das „Salve, Regina“ Die AES hat diese traditionelle Struktur zwar im Gedächtnis, macht aber – außer in einem Fall – keine konkreten Vorgaben mehr. So heißt es in AES 91: „Zum Schluss (der Komplet) folgt eine der Marianischen Antiphonen, zur Osterzeit immer das ,Regina caeli‘. Die Bischofskonferenzen können darüber hinaus andere Antiphonen zulassen.“ Neuerungen: Antiphonen sind nicht mehr auf eine bestimmte Zeit festgelegt ; Erweiterungen der Bischofskonferenzen Falls die Vesper die letzte gemeinschaftlich gefeierte Hore ist, wird der Mariengruß schon am Ende der Vesper angestimmt, ansonsten nach der Komplet 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet „Alma redemptoris Mater“ Herkömmlicherweise der Advents- und Weihnachtszeit zugeordnet Schon der Marientitel der Anfangszeile lässt diese Zuordnung passend erscheinen. Maria wird begrüßt als „Redemptoris Mater“, als jene Frau also, die den „Redemptor gentium“ geboren hat. Am deutlichsten ist die Anspielung auf das weihnachtliche Festgeheimnis aus den Worten herauszuhören: „Tu quae genuisti, natura mirante, tuum sanctum Genitorem.“ Vieles spricht dafür, in der Advents- und Weihnachtszeit das tägliche Stundengebet auch weiterhin mit dieser Antiphon zu beschließen 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet „Ave, Regina caelorum“ diente früher als Antiphon zur Psalmodie der Non am Fest Mariä Aufnahme in den Himmel Leitmotiv in der vierten Zeile (ex qua mundo lux est orta) evtl. Grund dafür, diese Antiphon am Lichtmesstag anzustimmen und dann in den folgenden Wochen bis Ostern zu singen (eine inhaltliche Nähe zur Motivwelt der Fastenzeit ist allerdings nicht auszumachen) Die Zuordnung zur Quadragesima war denn auch nicht allgemein (andere Regelung z.B. bei den Prämonstratensern) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet „Regina caeli“ hatte bei den Menschen des Mittelalters ein so hohes Ansehen, dass manche meinten, der Gesang sei direkt aus dem Himmel gekommen (legendarischer Ursprung bei Gregor d. Gr. in der Legenda aurea) In Wirklichkeit dürfte das „Regina caeli“ erst im Laufe des 12. Jh. entstanden sein Gesang des „Regina caeli“ weckt an jedem Abend der Osterzeit wieder neu die Erinnerung an den Ostermorgen, als aus der Todesnacht Christus als das Licht, das nie mehr untergeht, aufstrahlte 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet „Salve Regina“ ist wahrscheinlich die älteste der vier traditionellen marianischen Schlussantiphonen; Verfasser vermutlich Bernhard von Clairvaux (in dem auf seine Veranlassung hin um 1140 neu redigierten Antiphonar des Zisterzienserordens finden wir das „Salve, Regina“ in seinem vollen Wortlaut zum ersten Mal bezeugt) Der ursprüngliche Text hat sich, von zwei geringfügigen, späteren Hinzufügungen (Einfügung von „mater“ vor „misericordiae“ und „virgo“ vor „Maria“) abgesehen, mit erstaunlicher Konsistenz bis in die Gegenwart rein erhalten Die Antiphon grüßt Maria als „Königin“ und fügt dann der hohen Anrede weitere Preisungen hinzu Vor der hohen und barmherzigen Frau breitet der Beter die eigene Bedürftigkeit und die Not der „Kinder Evas“ aus (Maria als advocata nostra – unsere Fürsprecherin) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet „Sub tuum praesidium“ kommt aus dem christlichen Osten: nach dem derzeitigen Stand der Forschung darf es als das älteste, außerbiblische Mariengebet überhaupt gelten (bereits vor dem Jahre 500 in der ägyptischen Kirche im Gebrauch) Im Westen begegnet die Antiphon erstmals im Antiphonar von Compiègne (9. Jh.) „deutscher“ Zusatz in nachtridentinischer Zeit ist im ökumenischen Zusammenhang zu sehen und wurde von den Jesuiten eingeführt Ihre Rolle als Fürsprecherin ist zu betonen (während die Bezeichnung „Mittlerin“ in dieser Hinsicht eher problematisch ist) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth Sommersemester 2015 Vorlesung Liturgiewissenschaft – Prof. Dr. Cornelius Roth Die Feier der Stundenliturgie und anderer Wortgottesdienste i. Marianische Antiphonen der Komplet Fazit die marianischen Antiphonen gehören nicht zu den notwendigen Stücken des Stundengebetes (erst die Marienfrömmigkeit des Hochmittelalters hat diesen marianischen „Schlussstein“ dem Tagesoffizium hinzugefügt) Mittelalterliche Autoren deuteten die marianische Schlussantiphon unmittelbar vor Beginn der Nachtruhe oft als Fürbittgebet der Wunsch, den täglichen Dienst des Gotteslobes und der Fürbitte am Abend des Tages gleichsam durch „die Hände“ Marias Gott empor zu schicken, machte den abendlichen Mariengruß beliebt Die gültigste Begründung dürfte jene sein, die schon beim ersten Aufkommen des Brauches um die Mitte des 13. Jh. franziskanische Quellen nennen: Der Mariengruß am Ende des Tages möchte dankbare Erinnerung an den Anfang der Erlösung sein Deshalb gilt ihr der Gruß: „Salve radix, salve porta, ex qua nobis lux est orta!“ 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

7. Neue Gestaltungen der Stundenliturgie a. Die Tagzeitenliturgie in der Gemeinde (1) Was ist der theologische Sinn, das geistliche Movens der Tagzeitenliturgie? (2) Welche Mittel und organisatorische Rahmenbedingungen stehen zur Verfügung, um es umzusetzen? (3) Welche liturgische Gestalt muss die Tagzeitenliturgie heute haben, damit sie ihren Sinn mit den gegebenen Mitteln entfalten kann? Gebet des Einzelnen Prinzip 1: Innerer Mitvollzug – Die Tagzeitenliturgie muss den Teilnehmern die Möglichkeit zur Pflege ihrer eigenen Gottesbeziehung bieten Prinzip 2: Alltäglichkeit – Die Liturgie muss auf häufigen, am besten täglichen Vollzug angelegt sein, d.h. die Feier ist dementsprechend zu gestalten und zu proportionieren 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

7. Neue Gestaltungen der Stundenliturgie a. Die Tagzeitenliturgie in der Gemeinde Gebet der Gemeinschaft Prinzip 3: Gemeinschaftlichkeit – Damit die zufällige Konstellation der Anwesenden sich als Gemeinschaft erlebt, müssen sie gemeinsam liturgisch handeln; auch unerfahrene Erstbesucher sollten durch präzise Regieanweisungen zum Mitmachen befähigt werden Prinzip 4: Kirchlichkeit – Traditionell kommt dies in der Leitung durch einen Kleriker zum Ausdruck. Aber auch wenn der Gottesdienst von Laien geleitet wird, ist er als Liturgie der Kirche erkennbar. Dies vermittelt zum Teil der Kirchenraum, vor allem aber der Ritus Gebet in und mit der Welt Prinzip 5: Verantwortlichkeit – Gemeinsames Bittgebet der Gläubigen zu allen Tagzeiten pflegen Prinzip 6: Öffentlichkeit – Die konkrete Versammlung steht zu ihrer Umwelt in Beziehung 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

7. Neue Gestaltungen der Stundenliturgie a. Die Tagzeitenliturgie in der Gemeinde Das neue Gotteslob hat die Feier der Tagzeiten gegenüber dem alten noch um ein Beträchtliches erweitert Während es im alten Gotteslob nur ein Laudesformular gab, finden wir nun neben der Grundform (GL 616/617) zahlreiche weitere Elemente für die Feier der Laudes und des Morgenlobs in den geprägten Zeiten (Advent, Österliche Bußzeit, Osterzeit, Marienfeste) Neu ist das in der liturgischen Entwicklung der letzten Jahre aufgekommene Morgenlob, das so etwas wie eine verkürzte Laudes darstellt (GL 618) Der Entwicklung liturgischer Feierformen entsprechend hat das neue Gotteslob jetzt auch eine Statio während des Tages (GL 626) aufgenommen (Alternative zum „Engel des Herrn“ oder den kleinen Horen Terz, Sext und Non, die sonst die gottesdienstliche Gestaltung des Tages prägen) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

7. Neue Gestaltungen der Stundenliturgie Die Tagzeitenliturgie in der Gemeinde Für die Vesper gibt es wie schon im alten Gotteslob zwei Grundmodelle Neu ist die Totenvesper (GL 655-658) In Analogie zum Morgenlob bietet das neue Gebet- und Gesangbuch auch ein Abendlob an, das mit einem eigenen Lichtritus (GL 659) und dem aus der Ostkirche stammenden Hymnus Phos hilaron (GL 660) sowie einer Lichtdanksagung (GL 661) neuere Elemente aufnimmt Die Tagzeitenliturgie endet mit der Komplet (GL 662-665) und einem schlichten Nachtgebet (GL 667) – mit Tagesrückblick Vergleicht man den Abschnitt der Tagzeitenliturgie im neuen mit dem im alten Gotteslob, bemerkt man den gewaltigen Zuwachs (gegenüber 25 Seiten im alten gibt es jetzt 129 Seiten mit Modellen und Formularen für die Tagzeitenliturgie) Aufnahme von Lesungen und Bitten/Fürbitten in allen Formularen Hinzunahme neuer, an der Stundenliturgie angelehnter Feierformen wie Morgen-, Abend- und Nachtlob 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

7. Neue Gestaltungen der Stundenliturgie b. Wiedergewinnen ritueller Handlungen Abendlicher Lichtritus / Luzernarium: Gestaltungsvorschlag (Vgl. GL 659-661 / G. Fuchs): Eröffnung – Lichtdanksagung mit Entzünden der (Oster-)Kerze – Hymnus der Gemeinde – Austeilung des Lichtes an die Gemeinde Weihrauchopfer: Weihrauch kam als dramaturgische Ausgestaltung von Vers 2 des Abendpsalmes 141 in die Stundenliturgie; Inzens als Beiwerk zum neutestamentlichen Canticum der Haupthoren (auch des Benedictus!); Gestaltungsmöglichkeit: „Weihrauchopfer“ – Räucherschale vor oder auf den Altar stellen; die Gläubigen legen zu den Anliegen der morgendlichen Bitten und der abendlichen Fürbitten Weihrauchkörner auf C. Taufvesper / Taufgedächtnis in den Laudes: Unter „Taufvesper“ versteht man eine Vesper, in der zum Taufgedächtnis eine Prozession mit Gesängen und Gebeten zum Taufbrunnen / Taufkapelle stattfindet Taufgedächtnis in den Laudes: Eröffnungsvers mit der Bereitstellung des Wassers – Dank- bzw. Segensgebet – Hymnus der Laudes; gutes Gegenüber zum Luzernarium der Vesper 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten a. Die Sakramentsandacht steht in engem Zusammenhang mit der Eucharistiefrömmigkeit des Hochmittelalters und mit dem Fronleichnamsfest Bedeutung der „Salveandachten“ Verbindung von Sakramentsandachten und Stundenliturgie: innere Bezogenheit zwischen Eucharistie und dem Hören / Verlesen des Wortes Gottes dennoch bleiben die Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit der Stundenliturgie zur Heiligung der Zeit und die der eucharistischen Anbetung als auf den Empfang der Eucharistie zielende Verehrung Frage der Leitung von Sakramentsandachten (Priester, Diakon, Akolyth, Kommunionhelfer/-in) 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten b. Der Kreuzweg verdankt seine Entstehung der Errichtung von Kreuzwegstationen, die wiederum auf Wegkreuze zurückgehen Nachbildungen der Jerusalemer Örtlichkeiten (v.a. des Hl. Grabes) Passionsdarstellungen des Schmerzensmannes, des Kalvarienberges (calvaires) und der Pietà (Vesperbild) werden zusammengefügt zu einer „geistlichen Straße“ (Nikolaus Wankel 1517) Der spanische Franziskanergeneral A. Daza gab 1626 in seinen „Exercitia Spiritualia“ eine Anleitung für die Kreuzwegandacht mit der endgültigen Ausgestaltung der Stationen 1750 wurde der Kreuzweg im römischen Kolosseum eingeweiht, von wo er sich über die ganze Welt verbreitete Heutige Form: Jugendkreuzweg (Texte sollten weiterhin primär das Leid Jesu im Blick haben, das natürlich mit dem Leid unserer Zeit zu tun hat) Im neuen Gotteslob findet sich unter GL 683/684 die einzig ganz durchkomponierte Andacht mit kurzen ausdrucksvollen Texten 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten c. Marianische Wortgottesdienste und Andachtsformen Die eigentliche Maiandacht ist eine Frucht des italienischen Barock: sie bestand aus Betrachtungen, Gebeten, der Lauretanischen Litanei, den Abschluss bildete der sakramentale Segen die erste „klassische“ Maiandacht auf deutschem Boden fand 1841 in München statt Theologie: Auch in der Maiandacht muss das Mysterium Christi im Vordergrund stehen, mit dem Maria „durch ein unzerreißbares Band“ verbunden ist; SC 103 als „Kanon für heutige Marienverehrung“ 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten c. Marianische Wortgottesdienste und Andachtsformen Rosenkranzgebet und Rosenkranzandachten: Vorformen des Rosenkranzes waren mittelalterliche Wiederholungsgebete, die das Leben und Leiden Jesu imitierten und besonders bei den Zisterziensern mit dem Ave-Maria verknüpft wurden Für die weitere Ausbreitung des Rosenkranzes sorgten neben Kartäusern und Benediktinern vor allem die Dominikaner (Alanus von Rupe OP) Rosenkranz als Mittel der katholischen Reform „Engel des Herrn“ („Angelus“): dreimaliges Gebet zum „Angelusläuten“ der Kirchenglocken am Morgen, Mittag und Abend; Nähe zum Stundengebet Das dreimalige Ave, unterbrochen mit den beiden Schriftzitaten Lk 1,38 und Joh 1,14, ist erstmals in einem 1560 in Venedig erschienenen Katechismus nachweisbar 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen i. Gottesdienste nach Großkatastrophen Begräbnisrituale 2009/ Manuale 2012: Vorbereitung und Durchführung einer liturgischen Feier nach Großschadensereignissen und Katastrophenfällen Der zentrale Mittelteil wird durch einen „Ritus des Gedenkens“ unter Einbeziehung von Symbolen bzw. einer symbolischen Handlung, mit genügend Raum für „Stille und Sprachlosigkeit“, gefeiert auf die Ambivalenz der Symbole achten Aufbau: Eröffnung (Lied) – Begrüßung (Kreuzzeichen und liturgischer Gruß) – Einführung (Erinnerung an das Ereignis, evtl. namentliche Nennung bestimmter Personen / Gruppen) – Kyrie-Rufe oder Klagepsalm (z.B. Ps 13; Ps 44; Ps 102) – Gebet – Wortgottesdienst (eine Lesung ausreichend) – Ansprache – Ritus des Gedenkens (Symbolhandlung, keine Gefühle verletzen, persönliche und anlassbezogene Momente) – Gesang – Fürbitten (Gebet für die Toten und die Angehörigen) – Gebet des Herrn – Gesang – abschließendes Gebet – Entlassung 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen ii. Gottesdienst mit Demenzkranken wertvolle Ergänzung zu den Andachten, die sonst in vielen Alten- und Pflegeheimen stattfinden Das Besondere an Demenzgottesdiensten ist v.a. die Atmosphäre Die verkürzte Liturgie, einfache Sprache und Symbole sprechen nicht nur demenziell erkrankte Menschen an Auch die Krankensalbung und/oder die Eucharistie können Bestandteil dieser grundsätzlich kurzen Gottesdienste sein Die Musik ist – den Bedürfnissen angepasst – langsamer und tiefer als gewohnt Bedeutung des Wiedererkennens Es ist angemessen, dass nur eine Person (ob Priester oder Laie) dem Gottesdienst vorsteht In Gottesdiensten mit Demenzkranken kann es passieren, dass Gottesdienstteilnehmer dazwischen rufen 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen ii. Gottesdienst mit Demenzkranken Zur Vorbereitung eines Demenzgottesdienstes kann man sich an einen normalen (Wort-)Gottesdienstablauf halten. Er sollte nicht länger als eine halbe Stunde sein. Die Ansprache muss sich auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Menschen mit Demenz einstellen und sollte möglichst viele Sinne ansprechen Zwischen der Sprache der Predigt und der Sprache der liturgischen Texte, der Gebete/Psalmen und der Lesungen ist zu unterscheiden Die Musik wird häufig als „Königsweg“ in der Begleitung von Menschen mit Demenz bezeichnet (eine der letzten verbleibenden Möglichkeiten der sozialen Teilhabe und des Selbstausdrucks) Wichtig sind sinnenhafte Elemente und die haptische Wahrnehmung Wichtig ist aber auch, dass die demenziell erkrankten Menschen nicht wie Kinder behandelt werden, sondern man einfach die Bedürfnisse eines erwachsenen Menschen respektiert 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen iii. Gottesdienste mit Menschen anderer Religionen Anlässe zu multireligiösen Feiern (verschiedene Termine) Sondersituationen wie Krisen- oder Kriegszeiten bieten Anlässe für multireligiöse Feiern, in denen die Religionen Zeichen für Versöhnung und Frieden setzen Die Schule stellt in mancher Hinsicht einen Sonderbereich dar Von christlicher Seite aus sollte die Feier möglichst ökumenisch getragen und von Geistlichen der entsprechenden Kirchen mitgestaltet werden Bei der Durchführung multireligiöser Feiern sollte darauf geachtet werden, dass die Unterschiede zwischen den Vertretern der christlichen Konfessionen und der anderen beteiligten Religionen von den Mitfeiernden wahrgenommen werden können Auf die Auswahl geeigneter Orte muss große Sorgfalt verwendet werden Für christliche Einladungen an Juden und Muslime eignet sich besonders die Tagzeitenliturgie 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen iii. Gottesdienste mit Menschen anderer Religionen Vom Träger aus gesehen gibt es bei multireligiösen Feiern zwei Formen, das Team-Modell und das Gastgeber-Modell Als grundsätzliche Regel gilt, dass auf das gemeinsame Beten – sei es von frei verfassten oder sei es von aus der Tradition ausgewählten Texten – verzichtet wird Für den Ablauf und Aufbau einer multireligiösen Feier gibt es keine verbindliche oder feststehende Form Geeignete christliche Gebetstexte sind unter anderem das Vaterunser, das Benedictus, das Magnificat, Psalmen sowie Lieder und Hymnen Gesten/Gebärden: Entzünden von Kerzen, Formen des Friedensgrußes, das Austeilen von Blumen oder andere geeignete Zeichen Das Schweigen als wichtiges und geeignetes Element, das der Sammlung und dem stillen Beten dient, aber auch beim Gedenken von Opfern der Gewalt und bei Bitten in Krisensituationen angebracht ist Instrumentalmusik eignet sich manchmal/meist besser als Gesang 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen iii. Gottesdienste mit Menschen anderer Religionen Als Modell multireligiösen Feierns gilt das Friedensgebet von Assisi (Papst Johannes Paul II., 27. Oktober 1986) Das Treffen hatte die Form eines Pilgerwegs mit drei Stationen An der 3. Station: Buddhisten, Hindus, Jainas, Muslime, Shintoisten, Sikhs, die Vertreter traditioneller Religionen Afrikas und Nordamerikas, die Parsen und schließlich die Juden traten nacheinander vor uns sprachen ein Gebet Die Christen machten mit Evangeliumslesung (Lk 6,20-31), Fürbitten, Vaterunser und einer Verpflichtungserklärung für den Frieden den Schluss Als typisch erschien dabei der Verzicht auf ein gemeinsam gesprochenes Gebet, um die unterschiedlichen Gottesvorstellungen zu respektieren Die 1968 in Rom gegründete internationale Laiengemeinschaft Sant'Egidio übernahm die Aufgabe, regelmäßige Folgetreffen zu veranstalten 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen iii. Gottesdienste mit Menschen anderer Religionen Vorstellung, dass die Religionen sich umso näher kommen, je mehr sie die Tiefe der eigenen Tradition entdecken, darin Gott nahe kommen und zum Frieden finden Das Grundprinzip von Assisi, in Eintracht zusammenzukommen, um in der jeweiligen Tradition für den Frieden zu beten, wird übernommen Darüber hinaus entfallen die öffentlichen Gebete der einzelnen Religionsvertreter, wie sie 1986 in Assisi zugelassen worden waren (Warum?) Es gibt also zwei Formen der multireligiösen Feier nach dem Modell von Assisi: Die ältere Form von 1986 veranschaulicht mit öffentlichen Gebetselementen die Hinwendung aller Teilnehmer zu Gott und setzt Toleranz gegenüber nichtchristlichem religiösem Brauchtum voraus Die jüngere Form der Nachfolgetreffen vermeidet durch den Verzicht auf öffentliche Gebete negative Emotionen durch die Konfrontation mit fremdartigen Riten und Texten. 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen iv. Gottesdienste mit „Gottsuchenden“ Die älteste Gruppe von Feieranlässen sind die Feiern im Kirchenjahr Erfurt 1988: feierliches „Weihnachtslob“ mit Weihnachtsmusik und Weihnachtsevangelium für die Nicht-Christen Aschermittwoch der Künste Segensgottesdienste für Liebende am Valentinstag (finden inzwischen an vielen Orten im deutschen Sprachgebiet statt) Heilungsgottesdienste am Gedenktag der Hl. Kosmas und Damian Gottesdienste zur Eröffnung oder während des Weihnachtsmarktes Ein weiteres Feld für Gottesdienste mit Gottsuchenden sind biographische Knotenpunkte, sind sie doch immer für Glaubende wie Suchende ein Anlass, nach Gott zu fragen neue Formen des Totengedächtnisses, z.B. für Menschen, die ohne Angehörige bestattet wurden, oder für verstorbene Obdachlose, für vorgeburtlich verstorbene Kinder 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth

8. Wortgottesdienste und Andachten d. Neue, „zeitgemäße“ Gottesdienstformen iv. Gottesdienste mit „Gottsuchenden“ Segensgottesdienste an „Schwellenzeiten“: Segnungen für werdende Eltern oder zu nichtsakramentalen Salbungsgottesdiensten und Heilungsfeiern mit einer Einzelsegnung Schwelle vom Abend zur Nacht: „Nachteulengottesdienst“, „Nacht der Kirchen“, „Nacht der Lichter“, „Jugendvigil“, „Nachtschwärmer-Gottesdienst“, „Night-Fever-Gottesdienste“ In jedem Fall spielt die atmosphärische Dichte hier eine herausragende Rolle, um suchende Menschen anzusprechen oder sogar anzuziehen. Kult und Kultur: Literatur- oder Operngottesdienste, Kantatengottesdienste, Orgelvespern, Prozession mit Kunststationen, spirituelle Kirchenführung Beispiel eines Literaturgottesdienstes in Luzern/Schweiz (Gunda Brüske): Dialog zwischen Bibel – Literatur – Musik (Orgel), der im Raum der Kirche, also vor Gott stattfindet 26.04.2019 VL Tägliche Liturgie - Sommersemester 2015 - Prof. Dr. Cornelius Roth