Die berufliche Arbeitsteilung und die

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 Präsentation transkript:

Die berufliche Arbeitsteilung und die Prekarisierung der Erwerbsstruktur in der BRD 1991-2011 s Vortrag in der Ringvorlesung Alternativen für Wirtschaft und Beschäftigung veranstaltet an der Leibniz Universität Hannover von der Kooperationsstelle Hochschulen & Gewerkschaften Mittwoch, 29. Januar 2014, 18.30 – 20.00 Uhr Schneiderberg 5 0, Raum V 108 Michael Vester – Leibniz Universität Hannover

Kapitalismus ist nicht nur Ausbeutung: THESE DES VORTRAGS Kapitalismus ist nicht nur Ausbeutung: Die langfristige wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist bedingt durch den Konflikt und Widerspruch zwischen Produktivkräften (der Dynamik der gesellschaftlichen Arbeitsteilung) und Produktionsverhältnissen (den Machtverhältnissen auf allen gesellschaftlichen Ebenen: Wirtschaft, Gesellschaft und Politik)

Ende der Klassen durch Aufstieg in die Mitte? 2.1. Ende der Klassen durch Aufstieg in die Mitte? Erwerbsbevölkerung nach Stellung im Beruf (1882-2010) 1882-1933 Deutsches Reich – 1960-1990 Westdeutschland – 2000-2010 Gesamtdeutschland

Wirtschaftssektoren in Westdeutschland (1950-2010) Ende der Klassen durch die postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft ? Erwerbstätige nach Wirtschaftssektoren in Westdeutschland (1950-2010) Sektor 1950 1960 1970 1980 1992 2000 2010 Primärer Sektor (Land- und Forstwirtschaft) 25 % 13 % 9 % 5 % 3,4 % 2,2 % Sekundärer Sektor (Handwerk und Industrie) 43 % 48 % 45 % 40 % 29 % 24 % Tertiärer Sektor (Dienstleistungen) 33 % 39 % 49 % 56 % 69 % 74 %

Ende der Klassen durch die Wissensgesellschaft? Welches ist die künftige Gestalt der Qualifikationshierarchie: Pyramide ? Sanduhr ? Pilz ? Orange ? Olive ?

Die vier Dimensionen der beruflichen Arbeitsteilung (in Anlehnung an Marx, Durkheim und Bourdieu)

Die horizontale Sektorgliederung der Arbeitnehmerberufe nach den drei Arbeitslogiken (nach Oesch)

Zehn Arten der Dienstleistungen: Gliederung nach drei Sektoren und vier Stufen

Drei Alternativen des Wohlfahrtsstaates : Konservatives Exportmodell (BRD) Sozialdemokratischer Wohlfahrststaat (Schweden) Neoliberale Deregulierung (Großbritannien)

Welches ist die künftige Gestalt der Qualifikationshierarchie: Wissensgesellschaft? Welches ist die künftige Gestalt der Qualifikationshierarchie: Pyramide ? Sanduhr ? Pilz ? Orange ? Olive ?

Die hohe Dynamik der Produktivkräfte der BRD 1991- 2011 Verschiebung der Anteile der Berufsgruppen an den Erwerbstätigen 1 Prozent = ca. 0,4 Millionen Erwerbstätige

Fünf Verschiebungen in der Berufsgliederung 1. Kompetenzrevolution: Hohe, aber balancierte Dynamik des Bildungskapitals – Anhebung vor allem innerhalb der Mitte: Gestalt der „Olive“ 2. Restrukturierung des industriellen Exportmodells: Transnationale Strukturverschiebungen zu Lasten vor allem der Fachlehrberufe, aber auch der höheren Qualifikationen, aber nur sehr geringe Zunahme der Berufe mit niedrigen Qualifikationen.

Fünf Verschiebungen in der Berufsgliederung 3. Unterschiedliche Entwicklungsdynamiken der horizontalen Sektoren Technische Berufe: Zunahme auf der Ingenieursebene, Auslagerungen bei den Semiprofessionen und vor allem bei den Facharbeitern: „polarisiertes upgrading“ Administrative Dienstleistungen: Zunahme der Managementberufe, Auslagerungen bei den Lehrberufen Interpersonelle Dienstleistungen: Nur geringe Zunahme der Zahl der Beschäftigten bei abnehmendem Arbeitsvolumen (Arbeitszeit) - Flucht in prekäre Selbstständigkeit

Fünf Verschiebungen in der Berufsgliederung 4. Gleichstellung der Frauen: Zunahme vor allem von Berufsgruppen der Dienstleistungen und der höheren Qualifikation, die traditionell höhere Frauenanteile hatten; höhere Chancen von Frauen, aber auch mehr Konflikte mit Männern, die nun in diese Berufsgruppen streben 5. Territoriale Disparitäten: Regionale und transnationale Strukturverschiebungen und ökonomische Schieflagen (insbesondere zwischen Territorien midauerhaft negativer und dauerhaft positiver Export-Leistungsbilanz)

Die fünf vertikalen Einkommensklassen nach Groh-Samberg: Prekarität und instabile untere Mitte als zusätzliche Einkommensklassen als Alternativen zu den statistischen Quintilen und zu verzerrenden Verallgemeinerungen zur Mitte

Erosion der Mitte? Die ungleiche Verteilung der Prekarisierung nach Berufsgruppen 2011 (im Vergleich zu 1991)

Die vertikale Einkommensschere des deutschen korporativen Pfads Grundmuster des korporativen Pfades (1991-2000) – die Orange: Bremsung der vertikalen Polarisierung durch das korporative Aushandlungssystem Kein extremes Wachstum der obersten und der untersten Einkommensklasse. Gini-Koeffizient: 0,25 (Ungleichheit der Haushaltseinkommen, n. SOEP 1990 und 2000) Neoliberale Revision des korporativen Pfades (2000-2007) – die Erdnuss: Umverteilung innerhalb der unterdurchschnittlichen Einkommensklassen Zwischen 2000 und 2007 Halbierung der unteren Mitte („instabiler Wohlstand“) von ca. 40% auf ca, 22%, Verdoppelung der Prekarität von ca. 15% auf ca. 30% und der Armut von ca. 5% auf ca. 10% Gini-Koeffizient: 0.29 (Ungleichheit der Haushaltseinkommen, n. SOEP 2005) .. Bedingte Erholung und Pfadkompromiss (2009-2011) – die Ellipse: Grundlage des extremen Exportüberschusses zu Lasten insbesondere Südeuropas Wiederannäherung der drei unterdurchschnittlichen Einkommensklassen an den Stand von 1991-2000. Leichte Zunahme der beiden oberen Einkommensklassen Gini-Koeffizient 0,28 (Ungleichheit der Haushaltseinkommen, n. SOEP 2010)

Die horizontale Einkommensschere des deutschen Exportmodells Bevorzugung der meisten technischen Berufe (Exportmodell) Bevorzugung der meisten administrativen Dienstleistungen (staatliche und private Bürokratie) Benachteiligung der Humandienstleistungen (Wohlfahrtsstaat)

Überschneidung der vertikalen und horizontalen Scheren: Das Mosaikbild der benachteiligten Arbeitnehmerberufe Untere Arbeitnehmerberufe (An- und Ungelernte und Fachlehrberufe) Facharbeiter und Verwaltungsberufen mit Fachlehre liegen nahe beim Durchschnitt Prekaritäts- und Armutseinkommen. In der Landwirtschaft, bei den interpersonellen Dienstleistungen und bei den gering qualifizierten Verwaltungsberufen liegen beide Gruppen extrem unter dem Durchschnitt, Professionen und Semiprofessionen: Fünf Gewinnergruppen, eine relativ benachteiligte Gruppe (die Semiprofessionen in den Humandienstleistungen)

Qualitative Dimensionen der Prekarisierung: Geringe Wochenarbeitszeit und befristete Vertragsdauer fallen im Allgemeinen mit den niedrigen Einkommensstandards zusammen. Diskriminierung nach Klasse, Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund und Region: Alle diese Gruppen sind in den benachteiligten Einkommensklassen weit über dem Durchschnitt vertreten.

Ungleiche Verteilung der Prekarisierung bei den Selbstständigen Rückkehr der prekären Selbstständigen Verschiebungen der Anteile der selbstständigen Berufsgruppen an den Erwerbstätigen 1991 – 2009

Folgerungen: Fünf Verschiebungen in der Berufsgliederung 1. Kompetenzrevolution: Hohe, aber balancierte Dynamik des Bildungskapitals – Anhebung vor allem innerhalb der Mitte: Gestalt der „Olive“ 2. Restrukturierung des industriellen Exportmodells: Transnationale Strukturverschiebungen zu Lasten vor allem der Fachlehrberufe, aber auch der höheren Qualifikationen, aber nur sehr geringe Zunahme der Berufe mit niedrigen Qualifikationen. 3. Unterschiedliche Entwicklungsdynamiken der technischen, administrativen und sozialen Arbeitnehmerberufe (a) Technische Berufe: Zunahme auf der Ingenieursebene, Auslagerungen bei den Semiprofessionen und vor allem bei den Facharbeitern: „polarisiertes upgrading“ (b) Administrative Dienstleistungen: Zunahme der Managementberufe, Auslagerungen bei den Lehrberufen (c) Interpersonelle Dienstleistungen: Nur geringe Zunahme der Zahl der Beschäftigten bei abnehmendem Arbeitsvolumen (Arbeitszeit) Flucht in prekäre Selbstständigkeit 4. Gleichstellung der Frauen: Zunahme vor allem von Berufsgruppen der Dienstleistungen und der höheren Qualifikation, die traditionell höhere Frauenanteile hatten; höhere Chancen von Frauen, aber auch mehr Konflikte mit Männern, die nun in diese Berufsgruppen streben 5. Territoriale Disparitäten: Regionale und transnationale Strukturverschiebungen und ökonomische Schieflagen (insbesondere zwischen Territorien midauerhaft negativer und dauerhaft positiver Export-Leistungsbilanz)

Folgerungen: ungleiche Verteilung der Prekarisierung in den Arbeitnehmerberufen 1991-2011 1. Prekarität und instabile untere Mitte als zusätzliche Einkommensklassen: Die fünf Einkommensklassen nach Groh-Samberg als Alternative zu den statistischen Quintilen und zu den verzerrenden Verallgemeinerungen über die Mitte. 2, Gebremste vertikale Polarisierung der individuellen Netto-Einkommen: Kein extremes Wachstum der obersten und der untersten Einkommensklasse; stattdessen relative Umverteilung (gemessen am Durchschnittseinkommen) innerhalb der oberen und innerhalb der unteren Einkommensgruppen: von der „Orange“ zur „Erdnuss“. 3. Die Umverteilung innerhalb der unterdurchschnittlichen Einkommensklassen – vor allem zwischen 2000 und 2007: Zwischen 2000 und 2007 Halbierung der unteren Mitte („instabiler Wohlstand“) von ca. 40% auf ca, 22%, Verdoppelung der Prekarität von ca. 15% auf ca. 30% und der Armut von ca. 5% auf ca. 10%; danach leichte Abmilderung der Polarisierungstendenz. 4. Die horizontale Einkommensschere des konservativen Exportmodells: Benachteiligung der Humandienstleistungen (Wohlfahrtsstaat) gegenüber den administrativen Dienstleistungen (staatliche und private Bürokratie) und den meisten technischen Berufen (Exportmodell). 5. Das räumliche Mosaikbild ungleicher Chancen: (a) Die unteren Arbeitnehmerberufe (An. und Ungelernte und Fachlehrberufe) sind unterschiedlich betroffen. Prekaritäts- und Armutseinkommen liegen nur bei den Facharbeitern und den qualifizierten Verwaltungsberufen mit Fachlehre nahe beim Durchschnitt. In der Landwirtschaft, bei den interpersonellen Dienstleistungen und bei den gering qualifizierten Verwaltungsberufen liegen sie extrem darunter. (b) Professionen und Semiprofessionen: Fünf Gewinnergruppen, eine relativ benachteiligte Gruppe (die Semiprofessionen in den Humandienstleistungen) 6. Qualitative Dimensionen der Prekarisierung: Geringe Wochenarbeitszeit und befristete Vertragsdauer fallen im Allgemeinen mit den niedrigen Einkommensstandards zusammen. 7. Diskriminierung nach Klasse, Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund und Region: Alle diese Gruppen sind in den benachteiligten Einkommensklassen weit über dem Durchschnitt vertreten (Sonderauswertung der Daten für das Institut für Gesellschaftsanalyse der RLS)