Gestaltprinzipien der Wahrnehmung

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 Präsentation transkript:

Gestaltprinzipien der Wahrnehmung Teilweise entnommen aus dem Referat von Anja Blümel, Nicole Zerche, Christin Heiland, Michael Hirdina, Simon Wolff; WS 2001/02

Elementenpsychologie versus Gestaltpsychologie Die Gestaltpsychologie entwickelte sich als Gegenbewegung zur sogenannten Elementenpsychologie. In der Elementenpsychologie ging man davon aus, daß sich die Wahrnehmung aus kleinen Bausteinen zusammensetzt, sozusagen aus Elementarempfindungen, die in der Summe dann den Wahrnehmungseindruck bilden.

Elementenpsychologie versus Gestaltpsychologie Die Bilder der Pointillisten (z.B. Camille Pisarro) bestanden nur aus Farbtupfern. Dieser Malstil veranschaulicht vielleicht die Idee der Elementenpsychologen: Einzelne elementare Wahrnehmungsempfindungen (hier: einzelne Farbpunkte) setzen sich zu einem Wahrnehmungseindruck zusammen.

Camille Pisarro, Rote Dächer, 1877

Elementenpsychologie versus Gestaltpsychologie Der Grundgedanke der Elementen-psychologie ist praktisch der einer „bottom up“-Verarbeitung: Die Information wird „von unten nach oben“ als Produkt aus ihren Einzelteilen gewonnen. Dieser Idee widersprachen die Gestaltpsychologen. Wir beginnen mit einem Experiment von Max Wertheimer:

Was ist das Problem? Die kurze Darbietung des Lichtstreifens einmal links, dann rechts erzeugt die Illusion einer Bewegung. In dem schwarzen Raum zwischen der linken und der rechten Elementarwahrnehmung gibt es keine weiteren Reize, die die Wahrnehmung einer Bewegung rechtfertigen könnten. Offenbar sehen wir in diesem Fall mehr als die einzelnen Elemtarempfindungen nahelegen oder gar „rechtfertigen“ würden. Daher ist auch das Leitmotto der Gestaltpsychologie: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Der Ansatz der Gestaltpsychologie Hauptvertreter der Gestaltpsychologie:  Max Wertheimer (1923)  Kurt Koffka (1935)  Wolfgang Köhler (1947)

Wahrnehmung Die Gestaltpsychologen hatten eine bestimmte Vorstellung von der Wahrnehmung: Zur Wahrnehmung gehört die Aufnahme von Informationen über unsere Sinne sowie die anschließende Verarbeitung dieser Informationen zu inhaltlich bedeutsamen und sinnhaften Sachverhalten. Wahrnehmung ist mehr als der bloße Gebrauch unserer Sinne.

Prozesse bzw. Theorien der Wahrnehmungsorganisation Wahrnehmung ist kein passiver Prozeß sondern die gezielte Verarbeitung eintreffender Informationen. es existieren einige grundlegende Prin-zipien für diese Organisationsprozesse. Wir betrachten im folgenden eine Auswahl aus diesen sogenannten Gestaltgesetzen.

Prozesse bzw. Theorien der Wahrnehmungsorganisation Gliederung in Bereiche Geschlossenheit Integration in Bezugsrahmen Ganzheit Gruppierung Gesetz der Prägnanz Unterscheidung von Figur und Grund

Der Ansatz der Gestaltpsychologie Theoretische Grundorientierung: - Die menschliche Wahrnehmung strebt nach der "guten Gestalt". - "Gestalt" zeichnet sich aus durch: Geschlossenheit, Harmonie, Kontinuität, Ganzheitlichkeit, Stimmigkeit ...

Der Ansatz der Gestaltpsychologie Gestaltpsychologen argumentieren, diese Art der Wahrnehmung ergebe sich aus dem Aufbau und Funktionsprinzipien unseres Wahrnehmungsapparats (Gehirn und Sinnesorgane).  man strukturiert Sinnesreize so, wie es für uns am ökonomischsten und einfachsten ist

Gestaltgesetze der Wahrnehmung Gliederung in Bereiche

Gliederung in Bereiche erster Prozess der Wahrnehmungs- organisation:  Festlegung, welche dieser „Lichtflecken“ (helle Bereiche, dunklere usw.) zusammengehören und  Zusammenfassung zu größeren Einheiten („Bereiche“)

Gliederung in Bereiche Farbe (Ton, Sättigung oder Helligkeit) und Oberflächenstruktur (sog. Textur) liefern Hauptinformationen dazu  abrupter Wechsel der Farbqualität oder Textur bedeutet eine „Grenze“ zwischen verschiedenen Regionen  Trennung bzw. Gliederung des sensorischen Gesamteindrucks in Bereiche

Geschlossenheit Tendenz unvollständige Formen / Figuren zu ergänzen Ausprägung zur Schließung stark vorhanden

Geschlossenheit

Geschlossenheit  d.h. Wahrnehmung von Umrissen Auftreten von „subjektiven illusionären Konturen“ (hier am Bsp. des weißen Dreiecks)  d.h. Wahrnehmung von Umrissen  Konturen physisch nicht vorhanden!

Geschlossenheit

Geschlossenheit

Geschlossenheit Fazit: Geschlossenheit ist Grund dafür, daß wir Reize als vollständig wahrnehmen, auch wenn sie Lücken besitzen.

Bezugsrahmen Umrisse von Figuren werden relativ zum Bezugsrahmen gesehen Rahmen durch räumlichen oder zeitlichen Kontext (Zusammenhang) gegeben

BEZUGSRAHMEN I

BEZUGSRAHMEN II

Ganzheit Als Hauptsatz der Gestaltpsychologie formuliert Max Wertheimer nach Aristoteles: „Das Ganze ist verschieden von der Summe seiner Teile“ (Wertheimer) Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, wie nach den Vorstellungen der Gestaltpsychologie Ganzheit entsteht.

Gruppierungsgesetze Objekte können nach den folgenden Prinzipien gruppiert werden…:

Gesetz der Nähe Dicht beieinander liegende Elemente werden als Ganzheiten zusammengefasst

Gesetz der Nähe Wir bevorzugen, in diesem Bild vier schmale Säulen zu sehen, obwohl wir auch drei breite sehen könnten.

Gesetz der Nähe Die linke Anordnung sehen wir als vertikale Säulen. Die rechte dagegen als horizontale Reihen. Dies wird allein durch die Enge, mit der die Punkte zueinander stehen, manipuliert.

Gesetz der Ähnlichkeit Ähnliche Elemente bzw. Dinge gleicher Form, Farbe, Beschaffenheit usw. werden zusammengruppiert

Gesetz der Ähnlichkeit Die linke Anordnung sehen wir als vertikale Säulen. Die rechte dagegen als horizontale Reihen. Diesmal liegt es allerdings nicht an der Positition, sondern am Aussehen der Punkte.

Gesetz der gemeinsamen Bewegung = Gesetz des gemeinsamen Schicksals Reize/Elemente , die in dieselbe Richtung gehen, werden als zusammengehörig wahrgenommen

Gemeinsame Bewegung

Prägnanzgesetz = Gesetz der guten Gestalt (Prägnanzprinzip) Grundlagen: Einfachheit Komplexität reduzieren Symmetrie Regelmäßigkeit

Prägnanzgesetz Wahrnehmungsobjekte werden nicht in allen Einzelheiten und Unregelmäßigkeiten erkannt -Kein Festhalten am Detail; -Bildung einfacher Gestalten; -Abweichungen werden unterdrückt oder hervorgehoben

Umorganisieren von schlecht strukturierten Gestalten Wir neigen bei der links stehenden Figur nicht dazu, sie als ein „Elf“-Eck zu sehen. Eher sehen wir darin...

Umorganisieren von schlecht strukturierten Gestalten Ein Dreieck und ein Recht- eck, die übereinander liegen.

Umorganisieren von schlecht strukturierten Gestalten Diese Umorganisation ist uns möglich, weil wir dazu neigen, die Begrenzungs- linien der Objekte an Schnittpunkten fortzusetzen. Etwa so... Die folgenden Beispiele können in ähnlicher Weise organsisiert und vereinfacht werden.

Umorganisieren von schlecht strukturierten Gestalten

Umorganisieren von schlecht strukturierten Gestalten

Prägnanzgesetz Sinn guter Gestalten: -bessere und leichtere Aufnahme -bessere Speicherung (behalten sie leichter) -bessere/leichtere Wiedergabe (Beschreibung)

Figur und Grund Die verschiedenen diskutierten Gestaltgesetze (es gibt noch mehr) helfen uns, Objekte zu erkennen. Die Wahrnehmung unterscheidet dabei zwischen Figur und Grund. Das Prägnantere, Einprägsamere, die bessere „Gestalt“ wird dabei als Figur gesehen, die sich vom (Hinter-)Grund abhebt. In seltenen Ausnahmefällen fällt es schwer, zwischen Figur und Grund zu trennen, etwa beim Rubinschen Becher: Geht auf den dänischen Psychologen Edgar Rubin (1915) zurück.

Figur und Grund: der Rubinsche Becher Kommt es zur Vertauschung von Figur und Grund, spricht man auch von „Kipp-bildern“.

Figur und Grund Zusammenfassung von einzelnen Regionen / Bereichen => Die Gliederung in Figur und Grund dabei kann Figur aus ein oder mehreren objektartigen Regionen bestehen Tendenz, Figuren vor einem Hintergrund zu sehen, ist sehr stark ausgeprägt

Figur und Grund wahrgenommen werden - Vertauschung von Figur und Grund Reizmuster können auch anders wahrgenommen werden  Doppel- bzw. Kippbilder - Vertauschung von Figur und Grund

Figur und Grund Zusammenfassung von einzelnen Regionen / Bereichen => Die Gliederung in Figur und Grund dabei kann Figur aus ein oder mehreren objektartigen Regionen bestehen Tendenz, Figuren vor einem Hintergrund zu sehen, ist sehr stark ausgeprägt

Figur und Grund Es gibt keine zwingenden Gesetze, ein bestimmtes Objekt zur Figur zu machen, die Wahrnehmung folgt hier nur allgemeinen Tendenzen. Figuren sind eher: - Symmetrische Objekte, - Kleinere Objekte, - Nach außen gewölbte (konvexe) Objekte, - Objekte mit horizontaler und vertikaler Orientierung, Unvertrautere Objekte, Negativ bewertete Objekte.

Bewertung der Gestaltpsychologie Die Erkenntnis, daß das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, ist auch heute noch ein wichtiges Prinzip in der Wahrnehmungspsychologie. Die Gestaltpsychologie hat gezeigt, daß der Standardfall der Wahrnehmung kein bottom-up-, sondern ein top-down-Prozeß ist.

Top-down versus Bottom-up Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Opernloge. Zu Ihren Füßen finden Sie einen undefinierbaren Gegenstand. - Er ist gelblich, - ca. 5 bis 7 cm. lang, - viereckig, aber in sich leicht gewunden, nicht ganz gerade. - Etwas dünner als Ihr kleiner Finger. - Sie heben ihn auf und bemerken, daß er fettig und von mehliger Konsistenz ist. Szenenwechsel: Sie sitzen bei McDonald‘s. Zu Ihren Füßen finden Sie einen gelblichen Gegenstand...

Top-down versus Bottom-up Um zu erkennen, daß zu Ihren Füßen eine Pommes Frites liegt, müssen Sie in der Operloge die einzelnen Komponenten des Reizes analysieren. Erst aus diesen Einzelheiten erkennen Sie, worum es sich handelt. Bei McDonald‘s ist es praktisch umgekehrt: Ihre Wahrnehmung wird „von oben nach unten“ organisiert. Zum Beispiel wissen Sie, wie sich die Pommes Frites anfühlen wird, noch bevor Sie sie angefaßt haben.

Kritik Kritisch ist anzumerken: Die Gestaltpsychologie gibt uns kein klares Kriterium an die Hand, wann eine Gestalt einfach ist, bzw. welche von mehreren sich anbietenden Gestalten die einfachste ist. In der folgenden Abbildung können Menschen die verschiedensten „Gestalten“ erkennen. Welche hier als einfachste hervorstechen soll, dazu schweigt die Gestaltpsychologie.

Anmerkungen

Gleichwohl gibt es sicherlich bestimmte Leistungen, die nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ erbracht werden und bei denen eine stufenförmige Itemfunktion angemessen ist.