Einheit 10: Der allgemeine Aufopferungsanspruch

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Einheit 10: Der allgemeine Aufopferungsanspruch Staatshaftungsrecht Einheit 10: Der allgemeine Aufopferungsanspruch Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch A. Überblick Ansprüche aus enteignungsgleichem oder enteignendem Eingriff setzen jeweils eine Beeinträchtigung vermögenswerter Rechte voraus. Denkbar sind aber auch Eingriffe in nicht-vermögenswerte Rechte: Bsp.: Eine staatliche angeordnete Impfung führt zu Rötungen am Unterarm. In einem seltenen Fall sogar zur Lähmung einzelner Körperpartien. Hier hat der BGH bereits 1953 den Aufopferungsgedanken der §§ 74, 75 Einl. PrALR fruchtbar gemacht. Auch hier ist es zunächst einmal unerheblich, ob es sich um rechtmäßige oder rechtswidrige Eingriffe handelt. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch Rechtsgrundlage bilden weiterhin die §§ 74, 75 Einl. PrALR. Darüber hinaus dürfte heute auch von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung auszugehen sein. Achtung: In vielen Bereichen besteht heute aber eine gesetzliche Ausgestaltung, die dem allgemeinen Anspruch vorgeht. Siehe etwa: § 41 PolG oder § 1 StrEG Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch B. Anspruchsvoraussetzungen I. Öffentlich-rechtliches Handeln Hier gelten grds. keine Besonderheiten. II. Nicht-vermögenswertes Recht Als solche kommen in Betracht: Leben körperliche Unversehrtheit Freiheit Für Eingriffe in sonstige Grundrechte lehnt der BGH bisher einen entsprechenden Anspruch ab (etwa APR), sie sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch III. Unmittelbarer Eingriff Der Eingriff muss unmittelbar durch das staatliche Handeln erfolgen. Unterlassen kann einen solchen Eingriff darstellen, soweit eine rechtliche Handlungspflicht bestand. Denkbar ist auch ein Eingriff durch psychischen Zwang. Bsp.: Staatliche Behörden fordern formal unverbindlich immer wieder zur Teilnahme an einer Impfaktion auf. Völlig freiwilliges Verhalten schließt einen Eingriff hingegen aus. Zudem soll ein Eingriff auch ausscheiden, sofern sich der Betroffene selbst und schuldhaft in die jeweilige Gefährdungslage gebracht hat (Verletzung durch einen Mitsträfling). Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch Insgesamt zeigen die Beispiele, dass es hier erneut um eine Wertungsfrage geht. Zu klären ist also, ob es aus der Perspektive einer angemessenen Verantwortlichkeitszuweisung gerechtfertigt erscheint, den jeweiligen Schaden der staatlichen Sphäre zuzuordnen oder nicht. Gerade in einer Klausur sollte hier daher nicht zu schematisch argumentiert werden. IV. Sonderopfer Erforderlich ist die Überschreitung der „Opfergrenze“ beim Betroffenen. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch Zu fragen ist also, ob der Eingriff vom Betroffenen zu dulden ist oder aber eine Qualität erreicht, die eine entschädigungslose Hinnahme nicht zu rechtfertigen vermag. Bsp.: Impfung Bei rechtswidrigen Eingriffen ist das immer der Fall. Eine Entschädigung scheidet danach auch aus, soweit sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht: Schüler verletzt sich beim Turnunterricht bei einer Übung, die so oder ähnlich auch außerhalb des Unterrichts beim Spielen vorkommt. Auch hier geht es im Kern um Zurechnungsfragen. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch V. Subsidiarität Der Anspruch ist nach Ansicht der Rechtsprechung ein „äußerster Rechtsbehelf“ und tritt daher hinter andere Ansprüche zurück. Dazu reicht es, dass der Anspruch jedenfalls zu einer Kompensation des Schadens führt; der andere Anspruch muss nicht im Aufopferungsgedanken wurzeln. Bsp.: Leistungen aus der Sozialversicherung nach dem SGB. Auch Art. 5 Abs. 5 EMRK ist ein solcher Anspruch. Diese Rechtsprechung ist allerdings nicht unumstritten. Zum Amtshaftungsanspruch besteht hingegen Realkonkurrenz. Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch C. Rechtsfolgen Ersatz der unmittelbaren Vermögensschäden, aber kein vollständiger Ersatz aller immaterieller Schäden. Daher regelmäßig auch kein Schmerzensgeld. D. Verjährung/Rechtsweg § 40 Abs. 2 1. Hs. VwGO: Ordentliche Gerichte Verjährung: allgemeine Regeln (§§ 195 ff. BGB) analog Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18

Der allgemeine Aufopferungsanspruch Priv.-Doz. Dr. Alexander Thiele 12/11/18