Kein Weihnachtsmärchen – KinderArmut in Österreich

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 Präsentation transkript:

Kein Weihnachtsmärchen – KinderArmut in Österreich Wien, am 14.12.2017 Kein Weihnachtsmärchen – KinderArmut in Österreich Manuela Wade

Armut in österreich? Der relative armutsbegriff Absolute Armut: Menschen verfügen nicht über die zur physischen Existenzsicherung notwendigen Güter wie Nahrung, Kleidung, Wohnen Als arm gelten jene Menschen, die von Hunger oder Obdachlosigkeit betroffen sind. Relative Armut: Gemessen am allgemeinen Lebensstandard der jeweiligen Gesellschaft Als arm gelten jene Menschen, denen es aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, in Österreich übliche Güter zu erwerben bzw. zu konsumieren – und denen dadurch eine gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt. Vergleichsmaßstab: durchschnittliches Einkommensniveau - „Armutsgefährdungsschwelle“ (60% des Median-Pro-Kopf-Haushaltseinkommens): Einzelperson: 1.185 Euro/Monat Alleinerzieher/-in mit einem Kind 1.540 Euro/Monat zwei Erwachsene und zwei Kinder: 2.488 Euro/Monat Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Daten zu armut in österreich Armuts- und ausgrenzungsgefährdung Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Daten zu armut in österreich Wer ist besonders betroffen? Ein-Eltern-Haushalte: 30% Personen mit maximal Pflichtschulabschluss: 22% Personen ohne österreichische StaatsbürgerInnenschaft: 40% Personen in Mehrpersonenhaushalten (mindestens 3 Kinder): 25% Arbeitslose Personen (mindestens 6 Monate): 38% Personen, deren Haupteinkommensquelle Sozialleistungen sind: 45% Kinder und Jugendliche: 16,3% Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Was bedeutet Armut? Einschränkungen bei Grundbedürfnissen Nicht leistbar Anzahl betroffener Kinder (bis 17) Notwendiger Arztbesuch 14.000 1 x pro Monat FreundInnen oder Verwandte zum Essen einzuladen 155.000 Jeden 2. Tag Fisch, Fleisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen 112.000 Unerwartete Ausgaben 443.000 Kauf neuer Kleidung 97.000 Zahlungsrückstände 156.000 Wohnung angemessen warm halten 49.000 Urlaub 289.000 Quelle: Statistik Austria (2017): Tabellenband EU-SILC 2016: Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Wien, S. 50 Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Was bedeutet armut? Einschränkung der entwicklungsmöglichkeiteN „Wenn ich mir was kaufen will, bin ich erst einmal traurig und irgendwie verstehe ich es aber auch, weil wir brauchen das Geld für etwas anderes, für Lebensmittel (…), aber wenn ich etwas dringend brauch zum Beispiel Gewand oder etwas für die Schule, dann nehme ich mein Taschengeld und zahle es.“ (Klara, 12 Jahre) I: „Und wenn alles schiefläuft… und du dir denkst, alle sind gemein. Was machst du da?“ „Ja, da schaue ich, dass ich, da setze ich meine Kopfhörer auf und höre Musik... da denke ich nach und schaue, wie ich die Probleme lösen kann.“ (Daniela, 14 Jahre) I: „Und was denkst du, tut ein Kind, wenn es etwas Schönes kaufen möchte und kein Geld dafür da ist?“ - B: „Dann ist das… dann kaufe ich es ihm und der muss mir dann nur dreiviertel zurückzahlen.“ (Kilian, 10 Jahre) Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Was bedeutet armut? Einschränkung der lebenswelten „Armut bedeutet immer einen Mangel an Möglichkeiten. Wer von Armut betroffen ist, hat ein geringes Einkommen, schlechte Bildungschancen, ist häufiger krank und kann am gesellschaftlichen Leben nur eingeschränkt teilnehmen.“ [Armutskonferenz 2015: Was ist Armut? Unter: http://www.armutskonferenz.at/armut-in-oesterreich/faqs-zum-thema- armut.html] Mehrdimensionales Armutsverständnis: Materiell: Grundversorgung mit u.a. Wohnung, Nahrung – gemessen an jeweiliger Gesellschaft Sozial: soziale Kontakte, Freizeitgestaltung, Teilhabe Kulturell: kognitive Entwicklung, Kompetenzen, Bildung Psychisch/physisch: Gesundheitszustand und -entwicklung Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Armut macht kinder krank lebenslaufperspektive Arme bzw. armutsgefährdete Kinder haben ein geringeres Gewicht bei der Geburt und eine geringere Körpergröße bei Schuleintritt, weisen öfters Entwicklungsverzögerungen auf, sind häufiger in Unfälle verwickelt (beispielsweise im Straßenverkehr), klagen häufiger über Bauch- und Kopfschmerzen, leiden öfters an chronischen Krankheiten (wie z.B. Asthma), haben weniger gesunde Ernährung und Bewegungsmöglichkeiten zur Verfügung, sind psychisch belasteter, haben weniger soziale Kontakte und Netzwerke, schätzen ihren Gesundheitszustand und ihre Lebensqualität schlechter ein, leiden im Erwachsenenalter häufiger an Herz-Kreislauf- sowie Atemwegserkrankungen, sind als Erwchsenen öfters von chronischen Angstzuständen betroffen und sterben früher (durchschnittlich 7 Jahre, v.a. bei Männern). Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Was tun gegen armut? „Armutsprävention ist also gesellschaftliche Verpflichtung und sozialstaatlicher Auftrag zugleich, entscheidend gestaltet durch Politik und Verwaltung sowie umgesetzt durch soziale Dienstleister und die dort tätigen Professionellen.“ [Holz, Gerda 2010: Kindbezogene Armutsprävention als struktureller Präventionsansatz, in: Holz, Gerda/Richter- Kornweitz, Antje (Hg.): Kinderarmut und ihre Folgen: Wie kann Prävention gelingen? München/Basel, 109-125, S. 112] Sozialleistungen reduzieren die Armutsgefährdung in Österreich um rund 20%: Vor Sozialleistungen und Pensionen: 45% Vor Sozialleistungen: 26% Nach Sozialleistungen: 14% Verringerung der Zahl der armutsgefährdeten Menschen von rund 3,8 Mio. Menschen auf rund 1,2 Mio. [Statistik Austria 2017: Tabellenband EU-SILC 2016: Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Wien] Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Je höher die ungleichheit, desto mehr soziale & gesundheitliche probleme Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Wie kinder stärken? Ansätze für forderungen Förderung eines inklusiven Betreuungs- und Bildungssystems: Einbeziehung von Konzepten zu Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstwirksamkeit von Kindern in einem möglichst frühen Stadium Einführung der gemeinsamen und ganztägigen Schule, um sozialer Selektion entgegenzuwirken Vollständige Aufnahme der Kinderrechtskonvention in die österreichische Verfassung sowie deren Umsetzung, v.a.: Schutz und Betreuung sowie Zugang zu medizinischer Versorgung speziell von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Meinungsfreiheit und Beteiligungsmöglichkeiten Soziale und materielle Absicherung für alle Kinder gewährleisten Kostenfreier und ausreichender Zugang zu diagnostischen und therapeutischen Leistungen und kostenfreie Mitbetreuung der Eltern Unbürokratische finanzielle Unterstützung bei nötigen Behandlungen mit hohen Selbstbehalten (z.B. Brillen, orthopädische Hilfen, Psychotherapie) Kindergrundsicherung Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Das tut die Volkshilfe Grundlagenarbeit Kinderarmut Jährlich: Tagung zu Kinderarmut sowie Sozialbarometer 2013: breit angelegte Kinderarmutsstudie in Kooperation mit der Sozialökonomischen Forschungsstelle (SFS) 2014/15:Studie über Lebenswelten und kindsspezifische Netzwerke aus Sicht von Kindern in Leoben und Mattersburg 2015: Projekt zur Stärkung der (gesundheitlichen) Entwicklung von Kindern mit Armuts- und Ausgrenzungserfahrungen (HVB SV) 2016/17: Projekt zu Empowerment von Kindern (BMASK) Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Das Tut die Volkshilfe Angebote in den bundesländern Sozialberatungsstellen Sozialpädagogische Familienhilfe in Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe Gezielte Angebote zur Lernförderung (Horte, schulische Nachmittagsbetreuung) Arbeitsmarktpolitische Projekte für ausgrenzungsgefährdete Jugendliche und Jugendliche mit Beeinträchtigungen (u.a. Lehrlingscoaching, Qualifizierungsprojekte, Beratungsprojekte) Sozial-ökonomische Betriebe (SÖBs) Betreute Wohnprojekte und Wohnberatungen (z.B. Wohndrehscheibe) Urlaubsfahrten für Alleinerziehende oder von Armut betroffene PensionistInnen Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Das tut die volkshilfe Leuchtturmprojekt kinderzukunft Aktion Kinderzimmer: Ausstattung und Sanierung von Wohnräumen Wohnen/Energie: Verhinderung von Stromabschaltungen Freizeit/Lebenswelten: Gratismitgliedschaften und Ermäßigungen für Freizeitaktivitäten Ausbildung/Bildung: Ausbau kostenfreier Lernhilfen und Geld-spenden für schulische Teilhabe Sensibilisierungsworkshops an Schulen: Auseinandersetzung u.a. mit Armut oder Gerechtigkeit Kinder reden mit: Wünsche von Kindern in Verbindung mit Sensibilisierungsaktionen Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017

Vielen dank für die aufmerksamkeit Kein Weihnachtsmärchen - Kinderarmut in Österreich, Wien am 14.12.2017