Antibiotikadosierung bei Nierenersatztherapie in der Sepsis

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 Präsentation transkript:

Antibiotikadosierung bei Nierenersatztherapie in der Sepsis Krankenhaus Düren 21. Oktober 2015 PD Dr. med. Rolf Dario Frank Nephrologie, St. Antonius-Hospital Eschweiler

Agenda Problemstellung Pharmakokinetische Grundbegriffe Pharmakokinetik beim Intensivpatienten Niereninsuffizienz und Pharmakokinetik Antibiotika: PK/PD-Ansatz Nierenersatzverfahren Antibiotikadosierung bei Nierenersatztherapie Hilfe aus dem Internet… Zusammenfassung

Antibiotikatherapie bei Niereninsuffizienz Therapieziele rasch effektive Wirkspiegel (PK) beste antibiotische Effektivität (PD) Unterdosierung/Therapieversagen vermeiden Überdosierung/Kumulation und toxische Effekte verhindern

Antibiotikadosierung bei AKI/RRT viele Probleme …. Keine ausreichenden Angaben in den Fachinformationen, v.a. bei Nierenersatz Abschätzung der residualen Nierenfunktion, z.T. tägliche Änderung der Nierenfunktion Quantifizierung der Eliminationsleistung einer Nierenersatztherapie

Abschätzung der Nierenrestfunktion ein Problem … Optionen zur Abschätzung der Nierenfunktion: einfache Kreatinin-Messung endogene Kreatinin-Clearance eGFR MDRD-Formel eGFR Cockcroft-Gault eGFR CKD-Epi eGFR Cystatin-C ± Kreatinin aber: für Intensivsetting nicht validiert, nur für stabile Nierenfunktion entwickelt „Idealfall“: anurischer Patient: GFR = 0 ml/min

Pharmakokinetik Grundlagen Eliminationskinetik 1. Ordnung 50 25 12.5 100 Zeit [h] % Dosis t1/2 50 25 12.5 100 Zeit [h] % Dosis t1/2 Eliminationskinetik 1. Ordnung → halblogarithmische Auftragung ergibt eine Gerade Eliminationskonstante Ke= Steigung der Geraden = Clear/Vd Halbwertszeit t ½ = 0.693/Ke und t ½ = 0.693 x Vd/Clear

3 wichtige Grundbegriffe Pharmakokinetik 3 wichtige Grundbegriffe Dosis D Elimination Konstante Ke Vd Konzentration C Verteilungsvolumen Vd: Vd = D/C0 D = Vd x C0 (Proportionalitätsfaktor) Clearance: Clear = Vd x Ke Clear = 0.694 x Vd/ t ½ Halbwertszeit: t ½ = 0.693 x Vd/Clear = 0.693/ Ke

wichtige pharmakokinetische Daten Antibiotika wichtige pharmakokinetische Daten Antibiotikum MG [g/mol] Protein-bindung [%] Vd [l/kg] Elimination Ceftriaxon 554.6 90 0.15 hepatisch Ceftazidim 636.7 20 0.23 renal Piperacillin 517.6 15-30 0.18 Ampicillin 349.4 28 0.29 Ciprofloxazin 331.4 30-40 1.8 Moxifloxazin 437.9 50 1.7-2.7 Meropenem 383.5 2-8 0.25 Vancomycin 1449 40-50 0.7 hohes Vd = lipophil, eher hepatisch geringes Vd = hydrophil, eher renal

Pharmakokinetik beim Intensivpatienten Veränderungen: Verteilungsvolumen Vd  Leakage Proteinbindung  Hypoalbuminämie Renale Clearance   hepatische Clearance →  → im Alltag kaum kalkulierbar …

Niereninsuffizienz und Medikamentenclearance Pharmakokinetik Niereninsuffizienz und Medikamentenclearance 20 40 60 80 100 GFR [ml/min] 50 30 10 Arzneimittelclearanc[ml/min] Q0 nicht-renale Clearance renale Clearance 1-Q0 Q0 Ceftriaxon -- Cefuroxim 0.06 Ceftazidim 0.05 Piperacillin 0.3 Ampicillin Ciprofloxazin 0.4 Moxifloxazin 0.8 Meropenem 0.24 Vancomycin Zwischen Nierenfunktion und Medikamentenclearance (renaler Anteil) besteht ein linearer Zusammenhang. nach L. Dettli 1976

Niereninsuffizienz verlängert die Halbwertszeit Pharmakokinetik Niereninsuffizienz verlängert die Halbwertszeit t1/2 steigt erst bei GFR <60 spürbar an fren = Clren /Cl fGFR = GFR/GFRnorm nach F.Keller

Niereninsuffizienz verlängert die Halbwertszeit Pharmakokinetik Niereninsuffizienz verlängert die Halbwertszeit Halbwertszeit t ½  Kumulationsgefahr → Cpeak und Ctrough  neues Gleichgewicht nach ca. 5 x t½ (daher tox. Effekte i.d.R. erst nach 3-5 Tagen Therapie) Ctrough= Cpeak x exp (-0.693 x 𝜏/t ½ )

Medikamentendosierung bei Niereninsuffizienz 3 Optionen (bei renal eliminierten Medikamenten): Dosis reduzieren (D) Dosierungsintervall verlängern (𝜏 ) Kombination aus beidem (D  und 𝜏 ) „Ja gut, es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage.“ Franz Beckenbauer

Pharmakokinetik/Pharmakodynamik Antibiotika Pharmakokinetik/Pharmakodynamik MHK Zeit [h] Konzentration T>MHK Cmax/MHK 24h-AUC/MHK PK/PD-Parameter MHK = minimale Hemmkonzentration Cmax = Spitzen-Konzentration, Peak-Konzentration AUC = area under the curve = Menge des Medikaments

Antibiotika 3 Kategorien Kategorie (Wirkung) PK/PD-Parameter Therapieziel Antibiotika-Beispiele zeit- abhängig (kaum PAE) T>MHK Expositionsdauer möglichst lang Beta-Laktame (Penicilline, Cephalo-sporine und Carbapeneme) Erythromycin konzentrations-abhängig (ausgeprägt PAE) Cmax/MHK 24hAUC/MHK* Cmax möglichst hoch Aminoglykoside Fluorchinolone* Daptomycin zeit- und konzentrationsabh. (mäßig PAE) 24hAUC/MHK möglichst große Dosis Vancomycin/Teicopl. Tigecyclin Linezolid Clindamycin Tetrazykline Azithromycin PK/PD = pharmakokinetisch/pharmakodynamisch PAE = post-antibiotischer Effekt nach: Nicolau-DP, J Infect Dis 2003; 9:292

Medikamentendosierung bei Niereninsuffizienz 3 Optionen (bei renal eliminierten Medikamenten): Dosis reduzieren (D) Dosierungsintervall verlängern (𝜏 ) Kombination aus beidem (D  und 𝜏 ) Bei Antibiotika Pharmakodynamik beachten !! bei zeitabhängigen Antibiotika → D, 𝜏 → (T>MHK) konzentrationsabh. Antibiotika → 𝜏, D → (Cmax/MHK, 24hAUC/MHK)

Antibiotika-Toxizität zum Glück selten, aber mitunter fatal Antibiotikum Beispiele Symptome Risikofaktoren Aminoglykoside Gentamicin Amikacin Ototoxizität Neuropathien Enzephalopathie Erhöhte ZNS-Permeabilität Cephalosporine High-risk: Cefazolin Ceftazidim Cefepim Low risk: Ceftriaxon Krampfanfälle NCSE Myoklonus Asterixis Nierenversagen Höheres Alter ZNS-Vorschäden Exzessive Dosen Penicilline Penicillin G Ampicillin Piperacillin Tremor Carbapeneme Imipenem Meropenem Ertapenem Krämpfe Cephalgien nach: Grill und Maganti, BJCP 2011;72:381 NCSE = non-konvulsiver Status epilepticus

Nierenersatzverfahren bei akutem Nierenversagen Intermittierend Kontinuierlich HD CVVHD Hämodialyse SLED/EDD (HF) Hämofiltration CVVH HDF Hämodiafiltration CVVHDF

Nierenersatztherapie Dialyseverfahren auf Intensiv im Vergleich Verfahren Dauer [h] Blutfluß [ml/min] Dialysat [ml/min] Ultrafiltration [ml/h] IHD 3-5 200-400 300-500 0-1000 SLED 6-18 100-200 100-300 0-500 CVVHD 21-24 100-200 25-50 0-500 Problematisch für Dosierung, noch schlechter zu kalkulieren

Nierenersatztherapie Prinzipien: Diffusion und Konvektion Hämodialyse Hämofiltration = Bewegung entlang eines Konzentrations-gradienten = Transport mit dem Lösungsmittel während der UF = Transport des Lösungsmittels durch hydrostatischen Druckgradienten aus Hörl/Wanner Dialyseverfahren 2004

Diffusion vs. Konvektion Stofftransport aus Hörl/Wanner Dialyseverfahren 2004 Ciprofloxazin 331 Vancomycin 1449 60 113 1355 5000 11000 66000

Kontinuierliche Nierenersatzverfahren Gegenüberstellung im Schema CVVHD CVVHDF CVVH FP Filtratpumpe UF Ultrafiltrat DP Dialysatpumpe D Dialysierflüssigkeit BP Blutpumpe L Substitutionslösung

Kontinuierlich vs. intermitt. Harnstoffverlauf kontinuierliche Behandlung tägliche, intermittierende Behandlung

Kontinuierliche Nierenersatzverfahren Einflußfaktoren auf Elimination CVVHD Verfahrensparameter: Membrantyp Verfahren: CVVHF, CVVHD, CVVHDF Prädilution oder Postdilution Dialysat-Flußrate Qd, Substitutionrate Qs Bei HDF Effluent-Rate Qe = Qs+Qd Siebkoeffizient Sc (CFiltrat/Cplasma) bzw. Sättigungskoeffizient Sd = Cdial/Cplasma Qd CVVHF Qs

Antibiotikadosierung CRRT-Effekt Siebkoeffizient Cefflu/Cplasma (HF) Sättigungskoeffizient Cdial/Cplasma (HD) Proteinbindung wichtig → nur freier Anteil kann filtriert werden Clearance CRRT = (Cefflu/Cplasma) x Qefflu im Alltag ist nur die Dialysat- bzw. Substituat-Flußrate bekannt … !

Antibiotika Hämodialyse Rebound „Rebound“ Konzentration „Rebound“ Dialyse Zeit [h] Rebound-Phänomen bedenken, zB bei Talspiegelmessungen!

Antibiotika-Clearance CRRT: Theorie und Praxis …. Antibiotikum Clearance [ml/min] 25 ml/kg/h 40 ml/kg/h p Piperacillin 24 (17-31) 22 (21-31) n.s. Ciprofloxazin 17 (16-20) 19 (13-24) Meropenem 21 (15-28) 23 (16-29) Vancomycin 21 (19-25) 28 (24-33) <0.0001 Median (IQR) 80 kg: 2000 ml/h vs. 3200 ml/h CVVHDF Roberts-DM et al., Crit Care 2015; 19:84

Antibiotikadosierung bei Nierenersatztherapie

Dosierung bei Nierenersatztherapie Antibiotika Dosierung bei Nierenersatztherapie Antibiotikum Regeldosis Dialyse 1* Dialyse 2# CRRT 1* CRRT 2# Ceftriaxon 1-2x2g 1x2g (2g n.HD) 1x4g 2x2g Ceftazidim 3x2g 1x1g 2x1g Piperacillin/Taz 3x4,5g 2x4,5g Ampicillin Ciprofloxazin 2x0,4g 1x0,4g 2x0,1g 3x0,2g Moxifloxazin Meropenem 3x1g 2x0,5g (1g n.HD) 1x0,5g Vancomycin 0,5g n.HD 1g n.HD Dialyse 3x/Woche; CRRT 2 l/h nach F. Keller*, nach F. Thalhammer#

Dosisanpassung bei Nierenversagen Hilfe aus dem Internet…. www.dosing.de www.thecaddy.de (CADDy: Calculator to Approximate Drug-Dosing in Dialysis) Pubmed www.ncbi.nlm.nih.gov „Wiener Liste“ www.antibiotika-app.eu (Prof. F. Thalhammer)

Zusammenfassung 1 Loading Dose nicht reduzieren: LD norm = LD AKI Dosisanpassung nur bei renal eliminierten Antibiotika Nierenrestfunktion und Eliminationsleistung schwer abzuschätzen Dosisanpassungen sind immer Schätzungen !! Unterdosierung ist häufiger (und schlimmer) als Überdosierung veränderte Pharmakokinetik beim Intensivpatienten ! Pharmakodynamik bzw. Antibiotikumtyp beachten

Zusammenfassung 2 intermittierende HD: Antibiotikum nach HD geben Behandlung immer zur gleichen Zeit planen CRRT: Faustregel: Beta-Laktame und Chinolone normal dosieren ! Dosierungstabellen (zB Wiener Liste) zu Rate ziehen Standard für häufig benutzte Antibiotika formulieren Drug monitoring für Beta-Laktame und Chinolone

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit !