Bedarfsorientierte Mindestsicherung und Arbeitsmarktintegration

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
dgdg Grundsicherung für Arbeitssuchende – Licht und Schatten
Advertisements

Inhalte Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL Zielsetzung und Programm Vorgehensweise Die Entwicklungspartnerschaft Berlin DiverCity Partnerinnen Zielsetzung.
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Kulturwissenschaftliches Institut Institut Arbeit und Technik Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Folien.
Eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) – was ist das?
Corporate Citizenship – Teil 1
Susann Kasperski Juliane Schmidt
Armut und Soziale Kontrolle Gesellschaftliche Transformationsprozesse aus den Perspektiven von David Garland und Loic Waquant.
Konzeption und Umsetzung der guten gesunden Schule
Dr. Valentin Aichele, LL.M.
Qualitätsentwicklung und Nachhaltigkeit im Kontext häuslicher Pflegearrangements Entwicklungstrends und Perspektiven Doktorarbeit am Fachbereich Human-
Wirkungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik
IAB im Internet: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Aktivieren durch Fördern und Fordern Internationale Erfahrungen und Ansätze.
Capability Approach – was ist das?
Bildung für nachhaltige Entwicklung – ein Thema für die Förderschule?
International Disability Alliance
Errungenschaften der letzten 200 Jahre
Sozialpolitik.
3. März 2008Mag. Bernhard Just Von der Grundsicherung zur Arbeitsmarktintegration Das Instrument der Bedarfsorientierten Mindestsicherung Mindestsicherung.
Der Wert des Alters im demographischen Wandel
"Beschäftigung in der Wachsenden Stadt – Neue Chancen für Benachteiligte" – Projekt ESF Art. 6 Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Wirtschaft und.
Betriebliche Suchtprävention und Gesundheitsförderung an Hochschulen und Universitätskliniken Die Gütekriterien für gesundheitsförderliche Hochschulen.
Dr. Hans Dietrich Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Digital Divide und seine Folgen
Wer wir sind Interuniversitärer Weiterbildungs- studiengang der Universitäten Basel, Bern und Zürich in Public Health 1992 gegründet Abschlüsse werden.
© 2008 STEBEP Der Steirische Beschäftigungspakt STEBEP Modellprojekte im Rahmen des ESF Schwerpunktes Integration arbeitsmarktferner Personen 3. März 2008.
Absicherung gegen Armut Rechtliche Überlegungen Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal Enquete Armut und Armutsbekämpfung Vorarlberger Landtag 1. Dezember 2006.
Gegenwartsdiagnose Was bedeutet heute „arbeiten“?
„Fördern und Fordern“ im aktivierenden Sozialstaat
Die sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit - Vorschläge zur Konkretisierung und Operationalisierung -
Verhinderung von Störungen vs. Förderung von Gesundheit
Armut definieren – Armut wahrnehmen Armut verstehen
Willkommen Welcome Bienvenido
Referat von Xiaoyan Yang
Wohlfahrtsstaat und aktive Eingliederung in Österreich
Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Österreich - Aktueller Stand
HARTZ IV und die Auswirkungen auf Migrant/innen und Flüchtlinge
Fff Die Bibliothek der Zukunft – Die Zukunft der Bibliotheken Neue Fortbildungsangebote des BVÖ Mag. Gerald Leitner Bozen, Tagung Die lernende.
European Conference EUROPE: 20 Years in Transition Univ.-Prof. Dr Ewald Nowotny Gouverneur Oesterreichische Nationalbank.
Eidgenössisches Departement des Innern EDI Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG Geschlechtergleichstellung als Querschnittsaufgabe im.
Berufliche Rehabilitation
GK/LK Sozialwissenschaften
Perspektive Gemeinwesen? Prof. Dr. Albrecht Rohrmann
Mindestsicherung und Arbeitsmarktintegration in der Steiermark Fachtagung vom 3. März Seite 1 Stadt Zürich Sozialdepartement Arbeitsintegrationsangebote.
Vom Nutzen des Mehrgenerationenhauses für den Landkreis.
Europawahlprogrammentwurf Mitentscheiden Europa braucht ein starkes Parlament, kein regieren in Hinterzimmern Europa vor Ort – Subsidiarität respektieren.
Armutsprävention: vor der Sozialhilfe ansetzen
Chance Nachwachsende Rohstoffe Wissenschaftliche Tagung Ried 2007 Workshop Gruppe 1 – Wissenschaft 1. Multifunktionalität und Zielkonflikte,
Der Schutz der Menschenwürde im Arbeits- und Sozialrecht
Lage der Agrarwirtschaft Ungarns nach dem EU-Beitritt
Schadensminderung im Justizvollzug Zusatzmodul: Gefangene aus ethnischen Minderheiten Training Criminal Justice Professionals in Harm Reduction Services.
Situation älterer Menschen in unserer Gesellschaft
Zur ökonomischen Situation der Frauen in Österreich Gudrun Biffl
Breitband: Basis der Digitalisierung
Nockherstraße München Dr. Wolfgang Mack Miteinander oder Nebeneinander? Perspektiven der Kooperation von Schule und Jugendhilfe.
Der Wohlfahrtsstaat im Zeitalter der permanenten Austerität Festvortrag an den Bremer Universitäts- Gesprächen Prof. Dr. Klaus Armingeon Institut für Politikwissenschaft.
Prof. Dr. Peter Faulstich
Sozialpolitik Präsentation für das GPA-djp Seminar am
Auch WIR arbeiten in Europa! Eine europäische Partnerschaft für Menschen mit einer geistigen Behinderung August Juli 2012.
Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie „Umbrüche in der regionalen Bevölkerungsstruktur – Möglichkeiten und Grenzen der Landesarbeitsmarktpolitik“
Von aktiver zu aktivierender Arbeitsmarktpolitik – Die Hartz-Arbeitsmarktreformen.
GK/LK Sozialwissenschaften Informationen Klasse 9 1. Februar 2016.
Der Europäische Sozialfonds in Bremen. Was ist der ESF? Die Abkürzung ESF steht für Europäischer Sozialfonds. Der ESF ist einer der sogenannten Strukturfonds.
Soziale Arbeit in Polen – Organisation und Finanzierung, Chancen und Herausforderungen Prof. Dr. Piotr Błędowski Warsaw School of Economics (SGH) Institute.
M 08 Inklusion Werte und Normen Marianne Wilhelm PH Wien.
o relativ junger Begriff o Der Bestandteil des Lebens, der Innen- und Außenpolitik o EXPLIZITE SPRACHENPOLITIK Grundsätze, Regelungen, Gesetze, finanzielle.
Das Arbeits- und Sozialrecht der Europäischen Union.
Ablauf Zwei Geschichten der EU – offiziell und kritisch Was ist dran an den gängigen EU-Bildern? Pause Zukunft der EU: reformieren, retten, austreten?
 Präsentation transkript:

Bedarfsorientierte Mindestsicherung und Arbeitsmarktintegration Linz, am 14.6.2010 Ass.Prof. Dr. Christine Stelzer-Orthofer

Arbeitsmarktaktivierung ist das bestimmende Schlagwort der sozial- und arbeitsmarktpolitischen Praxis in der europäischen Union. Im Vordergrund stehen Überlegungen zur (Re-)Integration von SozialtransferbezieherInnen anstelle eines passiven Leistungsbezugs. Fast in allen Ländern dient der Bereich der Sozialhilfe als Experimentierfeld für neue Wege der Aktivierung.

Begriffe: Aktivierung und aktivierender Staat Schlagwort und Leitbild „für ein neues Sozialmodell“ stehen für eine neue Balance von Rechten und Pflichten („fordern und fördern“) signalisieren Veränderung, Erneuerung, Modernisierung streben eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von arbeitsmarktfernen Gruppen an  Frage und Wertkonflikt, unter welchen Bedingungen (arbeitsfähige) Menschen Sozialtransfers beziehen dürfen

Leitbild: Aktivierender Staat Der aktivierende Staat wird oft „als Antwort auf die viel diskutierte Frage nach dem ‚dritten Weg‘ zwischen neoliberalem Minimalstaat und universellem Wohlfahrtsstaat“ (Dahme o.J.) verstanden. Ist Aktivierung eine Weiterentwicklung und Ergänzung eines auf Geldleistung und Erwerbsarbeit beruhenden Wohlfahrtsstaats? Oder: Zielen Aktivierungskonzepte und Arbeitsmarktintegrationskonzepte darauf ab, sozialstaatliche Leistungen zu reduzieren und Menschen aus dem Bezug zu drängen? Frage: Wohin führt dieser Weg? Nicht nur theoretische Frage, sondern betrifft die Zukunft europäischer Wohlfahrtsstaaten.

Idealtypische (wohlfahrtsstaatliche) Konzepte und Aktivierung Neoliberaler Minimalstaat Universeller Wohlfahrtsstaat Diagnose zu Arbeitslosigkeit Produkt des Versagens wohlfahrtsstaatlichen Handelns und mangelnde individuelle Motivation Arbeitslosigkeit ist durch ökonomischen Umbruch bedingt, strukturelle Veränderungen, Bedingungen der Erwerbsarbeit …. Menschenbild „homo oeconomicus“ „homo activus“ Konsequenzen Mehr individuelle Eigeninitiative und „weniger“ staatliche Interventionen Gesamtgesellschaftliche Verantwortung und „mehr“ Staat Ziel Arbeitsanreize und -motivation durch Druck und Sanktionen erhöhen Anbindung an Erwerbsarbeit und soziale Sicherheit, Sozial- und Arbeitsmarktintegration Mittel Betonung Pflicht, Zwang, Sanktionen durch Entfall und Kürzung von Leistungen Betonung liegt mehr auf dem Recht als auf Pflicht, Freiwilligkeit, Chancen erhöhen (Empowerment, Training, Qualifikation etc.) Output Aktivierung durch Workfare „supressive“ Aktivierung Aktivierung und Welfare „emanzipatorische“ Aktivierung

Zwei Beispiele: Aktivierung in der Sozialhilfe in der EU Belgien seit 2002 „Droits à l‘integration sociale“ (DIS) Ziel: Armutsfallen vermeiden; soziale Aktivierung, gesellschaftliche Teilhabe, soziale Integration und Chancen auf bezahlte Arbeit ermöglichen CPAS (kommunalen Sozialzentren) Integrativer Ansatz:Arbeitsmarktintegration, wenn notwendig: Case Management, fallbezogene unterstützende Sozialarbeit, Barrieren abbauen (z.B. Wohnprobleme) Verpflichtend für unter 25jährige binnen drei Monate ab Antrag Finanzierung: zumindest die Hälfte der Staat; Rest Regionen und Kommunen Anteil der Personen: von 6% auf 15% binnen drei Jahre erhöht Niederlande seit 2004: „The New Work and Social Assistance Act“ (WWB) Ziel: weniger NeuklientInnen; Missbrauchvermeidung durch Prävention u. Sanktion; Abgang erhöhen Zentraler Ansatz: Dezentralisierung, mehr Gestaltungsspielraum und finanzielle Verantwortung u. Autonomie für Gemeinden Rückgang der KientInnen (weniger Zugänge, mehr Abgänge), strengere Kontrollen, „Pflichten“ der KlientInnen werden in den Mittelpunkt gerückt

Schlussfolgerungen (1) Es existieren europaweit ganz unterschiedliche Voraussetzungen und Regelungen zur Mindestsicherung europaweit. Ebenso deutliche Unterschiede in Österreich Mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung werden sich vielerorts die Bedingungen der Inanspruchnahme eher verheinheitlichen. Wirkungsanalysen hinsichtlich Perspektiven und Nachhaltigkeit der (Sozial- und Arbeitsmarkt-)Integration notwendig sind.

Schlussfolgerungen (2) Begriff der Aktivierung kritisch zu hinterfragen und zu präzisieren („supressiver“ versus „emanzipatorischer“ Ansatz) . Workfare-Modelle führen zu Stigmatisierung und Ausgrenzung. Emanzipatorische Ansätze, sprich auf Freiwilligkeit basierend, zielen auf soziale Integration. Demnach ist der aktivierende Staat kein dritter Weg zwischen marktliberaler und universalistischer Konzeption, es kann nicht ein „Mehr“ und ein „Weniger“ an staatlicher Aktivität gleichzeitig verwirklicht werden. Sozialpolitische Strategien und Maßnahmen können nicht isoliert von Welt- und Menschenbild betrachtet werden.