Umweltrecht Winfried Kluth | Ulrich Smeddinck (Hrsg.) Ein Lehrbuch

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Umweltrecht Winfried Kluth | Ulrich Smeddinck (Hrsg.) Ein Lehrbuch Springer Vieweg Auflage: 2013 (24. Mai 2013) Die praxisorientierte Einführung in das Umweltrecht Inhalt: Allgemeiner Teil Immissionsschutzrecht Kreislaufwirtschaftsrecht Wasserrecht Natur- und Artenschutzrecht Klimaschutzrecht Rechtsschutz Umweltstrafrecht 21.01.2014 u.smeddinck@tu-braunschweig.de

Edmund Brandt Die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative im Kontext der Zulassung von Windenergieanlagen Vortrag im Rahmen des Forums „Umwelt- und Planungsrecht in Praxis und Wissenschaft“ edmund.brandt@web.de Halle/Saale, 21.01.2014 | Seite 0

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2013 - Auszüge - „In Übereinstimmung mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung, ob der artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungstatbestand erfüllt ist, einen naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren (…) gelten auch in Genehmigungsverfahren. Dabei bezieht sich die behördliche Einschätzungsprärogative sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung anstehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden. … Die Überprüfung behördlicher Einschätzungsprärogativen ist wirksamer gerichtlicher Rechtschutz, nämlich bezogen auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des behördlichen Einschätzungsspielraums, und genügt damit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen (…). …“ 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 1 edmund.brandt@web.de

Vier zentrale Aussagen 1. Im Zusammenhang mit dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot gibt es die Rechtsfigur NEP. 2. Ausweitung der dazu im Rahmen von Planfeststellungsverfahren entwickelten Grundsätze auf Genehmigungsverfahren 3. Erstreckung der NEP auch auf die Sachverhaltsermittlung 4. Die mit der NEP verbundene Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte ist mit Art. 19 IV GG vereinbar. 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 2 edmund.brandt@web.de

Gliederung Einleitung I Zur NEP in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Begriffliche Klärungen Chronologie/Entwicklung der Rechtsprechung Begründungselemente Normative Anknüpfungspunkte II Stellungnahme Dimensionen Naturschutzrechtliche Aspekte Verfassungsrechtliche Aspekte Ausblick 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 3 edmund.brandt@web.de

NEP – Begriffliche Klärungen Letztendscheidungsrecht der Exekutive hinsichtlich der Rechtsvoraussetzungen und der Rechtsfolgen Hier: Bestehen oder Nichtbestehen eines „signifikant“ erhöhten Risikos Hier: Entgegenstehen öffentlich-rechtlicher Vorschriften 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 4 edmund.brandt@web.de

Mittlerweile ständige Rechtsprechung (des Bundesverwaltungsgerichts und ihm im wesentlichen folgend auch der Oberverwaltungsgerichte) Erste Entscheidungen – 2008, 2009, 2010 – NEP noch begrenzt und auf Planfeststellungsverfahren auf Bewertung der Gefahren, denen die geschützten Arten bei Realisierung des Vorhabens ausgesetzt sein würden Mit Entscheidung vom 27.06.2013 und Ausdehnung auf Genehmigungsverfahren („… gelten auch…“) auf die Sachverhaltsermittlung („…sowohl auf die Erfassung des Bestands…“) (Mutmaßliche) Bestätigung durch Entscheidung vom 27.11.2013 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 5 edmund.brandt@web.de

Begründungselemente für die Zubilligung einer NEP in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Das Artenschutzrecht werfe außerrechtliche Fragestellungen auf, zu denen es nach dem derzeitigen Kenntnisstand keine eindeutigen Antworten gebe. Für die im Rahmen von § 44 I Nr. 1 BNatSchG zu treffende Entscheidung fehle es an normkonkretisierenden Maßstäben. Sie enthalte prognostische Elemente. Naturschutzfachliche Einschätzung stehe gegen naturschutzfachliche Einschätzung, ohne dass sich eine eindeutige Erkenntnislage und anerkannte Standards herauskristallisiert hätten. Auch eine Überprüfung lediglich der Einhaltung der rechtlichen Grenzen der behördlichen EP sei wirksamer Rechtschutz im Sinne von Art. 19 IV GG. 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 6 edmund.brandt@web.de

Der Anknüpfungspunkt für die NEP in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts § 6 I Nr. 1 BImSchG § 6 I Nr. 2 BImSchG § 44 I Nr. 1 BNatSchG Grundsätzlich Anspruch auf Genehmigung Es sei denn, öffentlich-rechtliche Vorschriften stehen der Errichtung und dem Betrieb der Anlage entgegen Verbot, wild lebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten [EP der zuständigen Behörde hinsichtlich der Erfassung der potenziell betroffenen Tiere und der Bewertung des Kollisionsrisikos] 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 7 edmund.brandt@web.de

Aus der Zubilligung einer NEP resultierende Konsequenzen Die zu Grunde liegende behördliche Entscheidung ist gerichtlich nicht voll überprüfbar Überprüfung nur im Hinblick auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen der behördlichen EP: Sind die Annahmen naturschutzfachlich vertretbar? Beruhen sie auf einem ungeeigneten Bewertungsverfahren? 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 8 edmund.brandt@web.de

Dimensionen der Auseinandersetzung mit der NEP - Auswahl - Systemtheoretisch: Wie soll im Zusammenspiel der beteiligten Akteure die Rollenverteilung aussehen? Auf der Handlungsebene: Wer darf/muss was mit welchen Konsequenzen tun? Naturschutzrechtlich: Interpretation von Bestimmungen des Besonderen Artenschutzrechts und insbesondere des § 44 I Nr. 1 BNatSchG Verfassungsrechtlich: Vereinbarkeit mit Art. 19 IV GG und dem Gewaltenteilungsgrundsatz 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 9 edmund.brandt@web.de

Naturschutzrechtliche Aspekte Interpretation des § 44 I Nr. 1 BNatSchG durch das Bundesverwaltungsgericht: Artenschutzrechtliches Tötungsverbot dann erfüllt, „wenn sich durch das Vorhaben das Kollisionsrisiko für die geschützten Tiere signifikant erhöht.“ Stellungnahme Diese Interpretation ist nicht haltbar: Die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „Töten“ setzt Vorsatz voraus (Ergebnis einer Wortsinn- und systematischen Auslegung, abgesichert durch teleologische Begleitkontrolle und Prüfung der Europarechtskonformität). Versuch, die wegen der Anknüpfung an das Kollisionsrisiko drohenden unhaltbaren Ergebnisse durch die Einführung des „Signifikanztheorems“ zu vermeiden, nicht zielführend. Um die Ziele des Allgemeinen und Besonderen Artenschutzes gemäß den §§ 37 ff. BNatSchG zu erreichen, bedarf es der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Konstruktion nicht. 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 10 edmund.brandt@web.de

Verfassungsrechtliche Aspekte (I) (bezogen auf Art. 19 IV GG) Art. 19 IV GG gewährleistet als Ausgleich zum staatlichen Gewaltmonopol einen substantiellen Anspruch auf eine wirkungsvolle gerichtliche Kontrolle. Grundsätzlich besteht danach ein Anspruch auf vollständige Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. (Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) Im Rahmen verfassungsrechtlicher Funktionenteilung sind gerichtliche Kontrollkompetenzen nicht unbegrenzt. (Ebenfalls ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) Ausprägungen: Beurteilungsermächtigungen, Technikklauseln, Planungsermessen und auch: Einschätzungsprärogativen. Speziell Einschätzungsprärogativen. Voraussetzung: das zugrundeliegende gesetzliche (!) Entscheidungsprogramm eröffnet der Verwaltung einen politisch-gestalterischen Bereich. 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 11 edmund.brandt@web.de

Verfassungsrechtliche Aspekte (II) (bezogen auf Art. 19 IV GG) Eine solche Konstellation bei den §§ 6 I BImSchG, 44 I BNatSchG nicht gegeben. „Absolut nicht ungewöhnliche Verknüpfung unbestimmter Rechtsbegriffe („entgegenstehen“, „Tiere der besonders geschützten Arten“, „töten“). Ihr Bedeutungsgehalt ist mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln zu erschließen. Anknüpfungspunkte dafür, dass in tatsächlicher Hinsicht keine vollständige Überprüfung zu erfolgen hat, sind nicht gegeben: selbst bei Abstellung auf das Tötungsrisiko handelt es sich um „normale“ empirische Feststellungen. Fazit: Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur NEP stellt einen doppelten Verstoß gegen Art. 19 IV GG dar. 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 12 edmund.brandt@web.de

Ausblick Gewinner - Verlierer Kein Rechtsfrieden Auswirkungen auf die Energiewende Anhaltender (rechts-)wissenschaftlicher Klärungsbedarf 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 13 edmund.brandt@web.de

Mit dem Wissen wächst der Zweifel. (Goethe, Maximen und Reflexionen) 21.01.2014 | Edmund Brandt | k:wer | Seite 14 edmund.brandt@web.de