Die Bekämpfung der Diskriminierung: Die Richtlinien von 2000 über den Gleichbehandlungsgrundsatz Konferenz der Europäischen Rechtsakademie 30.-31. Oktober.

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 Präsentation transkript:

Die Bekämpfung der Diskriminierung: Die Richtlinien von 2000 über den Gleichbehandlungsgrundsatz Konferenz der Europäischen Rechtsakademie Oktober 2006 Helmut Graupner

Sexuelle Ausrichtung: Sexuelle Ausrichtung : bezogen auf das Geschlecht des Partners Homosexualität/Heterosexualität/Bisexualität Präferenz und Verhalten

I. Sexuelle Ausrichtung als Menschenrecht II. Rechtsprechung des EuGH III. Die Richtlinien (ausgewählte Probleme)

I. Sexuelle Ausrichtung als Menschenrecht 1787 Aufhebung der Todesstrafe für homosexuelle Kontakte in Österreich als erstem Land der Welt (stattdessen bis 1 Monat Zwangsarbeit) 1789Entkriminalisierung von homosexuellen Kontakten in Frankreich als erstem Land der Welt

Europakarte Mindestalter

Französische Revolution Russische Revolution Sexuelle Revolution

Europakarte

Europakarte Partnerschaften

zentraler Gedanke der Menschenrechte ist der Respekt vor der menschlichen Würde und Freiheit, die Anerkennung der persönlichen Autonomie ist ein bedeutendes Auslegungsprinzip in der Anwendung des Rechts auf Achtung des Privatlebens. Sexualität und Sexualleben gehören zum Kernbereich des Grundrechts auf Schutz des Privatlebens. Staatliche Regulierung sexuellen Verhaltens greift in dieses Recht ein; und solche Eingriffe sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie nachweislich notwendig sind, um von anderen Schaden abzuwenden (dringendes soziales Bedürfnis, Verhältnismässigkeit). Ansichten und Werthaltungen einer Mehrheit können Eingriffe in das Recht auf Privatleben (wie auch in andere Grundrechte) jedenfalls nicht rechtfertigen. Europäischer Menschenrechtsgerichtshof: (Dudgeon vs. UK 1981, Norris vs. Ireland 1988, Modinos vs. Cyprus 1993, Laskey, Brown & Jaggard vs. UK 1997, Lustig-Prean & Beckett vs. UK 1999; Smith & Grady vs. UK 1999; A.D.T. vs. UK 2000, Christine Goodwin vs. UK 2002, I. vs. UK 2002, Fretté vs. France 2002, L. & V. v. Austria 2003, S.L. v. Austria 2003)

Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung –ist inakzeptabel –ebenso schwerwiegend wie Diskriminierung auf Grund von Rasse, ethnischer Herkunft, Religion und Geschlecht –Differenzierung bedarf besonders schwerwiegender Gründe (Lustig-Prean & Beckett vs. UK 1999; Smith & Grady vs. UK 1999; Salgueiro da Silva Mouta vs. Portugal 1999; L. & V. v. Austria 2003, S.L. v. Austria 2003)

Nicht bloß negative Rechte auf Freiheit von staatlichen Eingriffen sondern auch positive Rechte auf (aktiven) Schutz dieser Rechte, gegenüber dem Staat wie auch gegenüber anderen Individuen. Verpflichtung des Staates zu aktivem Tätigwerden bei Beeinträchtigung des Rechts auf freie Entfaltung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, und auf Aufnahme und Führung zwischenmenschlicher Beziehungen (Zehnalová & Zehnal vs. CZ 2002)

Strafrecht: (a) Totalverbote verletzen Art. 8 EMRK –Dudgeon vs. UK 1981, Norris vs. Ireland 1988, Modinos vs. Cyprus 1993 ebenso: UN-Menschenrechtsausschuss, Toonen vs. Australia 2004 (b) Verbote (homo)sexueller Kontakte zwischen mehr als zwei Personen verletzen Art. 8 EMRK –A.D.T. vs. UK 2000 (c) Sonderaltersgrenzen verletzten Art. 8 und 14 EMRK –L. & V. vs. Austria 2003, S.L. vs. Austria 2003, Woditschka & Wilfling vs. Austria 2004, F. L. vs. Austria 2005; Thomas Wolfmeyer vs. Austria 2005; H.G. & G.B. vs. Austria 2005; R.H. vs. Austria 2006

(d) Aufhebung der Sonderstrafgesetze reicht nicht: Opfer müssen rehabilitiert und entschädigt werden, auch bei Freispruch –L. & V. vs. Austria 2003, S.L. vs. Austria 2003, Woditschka & Wilfling vs. Austria 2004, F. L. vs. Austria 2005; Thomas Wolfmeyer vs. Austria 2005; H.G. & G.B. vs. Austria 2005; R.H. vs. Austria 2006 –S. L. vs. A: EUR 5.000,-- Entschädigung (zzgl. Verfahrenskosten) an Jugendlichen, weil ihm zwischen 14 und 18 selbstbestimmte sexuelle Kontakte mit erwachsenen Männern verwehrt wurden. (e) Verbot (homosexueller) Pornografie auch unter Erwachsenen und ohne Belästigung Unbeteiligter –S. vs. CH 1992

Arbeitswelt: Nachforschungen zur sexuellen Orientierung und Entlassung wegen Homosexualität verletzen Art. 8 EMRK –Lustig-Prean & Beckett vs. UK 1999, Smith & Grady vs. UK 1999

Partnerschaften: Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare gegenüber verschiedengeschlechtlichen Paaren bedarf (unter Art. 14 EMRK) besonders schwerwiegender Gründe und muss zur Erreichung eines legitimen Zieles wirklich notwendig sein –Karner vs. Austria 2003 –ebenso: UN-Menschenrechtsausschuss, Young vs. Australia 2003Elternschaft: Nachteilige Bezugnahme auf sexuelle Orientierung im Kindschaftsrecht verletzt Art. 14 EMRK –Salgueiro da Silva Mouta vs. Portugal 1999

Ehe: Art. 12 EMRK gewährt das Recht auf Eheschliessung mit einem Partner des gleichen biologischen Geschlechts (post-operative Transsexuelle mit Angehörigen ihres früheren Geschlechts) bedeutender sozialer Wandel der Institution Ehe seit der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention dramatischen Änderungen durch die Entwicklung von Medizin und Wissenschaft Argument künstlich, dass post-operative Transexuelle nicht ihres Rechts auf eine Eheschließung beraubt worden seien, weil sie ja weiterhin eine Person ihres frühren Gegengeschlechts heiraten können.

Beschwerdeführerin lebt als Frau und wünscht nur einen Mann zu heiraten; da ihr diese Möglichkeit nicht gewährt wurde, ist der Wesensgehalt des Rechts auf Eheschließung verletzt worden die Unfähigkeit eines Paares, Kinder zu zeugen oder Eltern von Kindern zu sein, kann nicht per se ihr Recht auf Eingehung einer Ehe beseitigen. Artikel 9 der EU-Grundrechtecharta ist, ohne Zweifel mit Absicht, insofern vom Wortlaut des Art. 12 EMRK abgegangen, als die Bezugnahme auf Frauen und Männer gestrichen wurde. (Goodwin vs. UK 2001, I. vs. UK 2001)

Nachteilige Anknüpfung an frühere Menschenrechtsverletzungen ist unzulässig –Thlimmenos v. Greece 2000 Mitgliedstaaten und ihre Behörden haben aktiv jene negativen Effekte zu beseitigen, die gegenwärtig als Folge früherer, heute als menschenrechtswidrig erkannter Anschauungen eintreten –Wessels-Bergervoet vs. NL 2002

II. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (a) Grant vs. South West Trains 1998 (C-249/96) Dienstnehmerin wurden Vergünstigungen für ihre Partnerin verwehrt, die ein männlicher Dienstnehmer für seine Partnerin erhalten hat –Keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gem. Art. 141 EG (b) D. & Sweden v. Council 2001 (C-122,125/99) Keine Haushaltszulage für (in Schweden registrierten) gleichgeschlechtlichen Partner eines (schwedischen) Beamten des Rates, während Beamte für Ehepartner in der gleichen Situation die Zulage erhalten –Weder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts noch der sexuellen Orientierung

III. Die Richtlinien (ausgewählte Probleme) a)Diskriminierung (Art. 2) b)Wesentliche berufliche Anforderung (Art. 4/1) c)Loyalität zum Ethos einer Organisation (Art. 4/2/2) d)Partnerschaften e)Diskriminierung ausserhalb der Arbeitswelt

(a)Diskriminierung (Art. 2) Unmittelbare Diskriminierung (Art. 2/2/a) –Entlassung/Kündigung –Gläserne Decke –Fragen nach sexueller Orientierung –Vorstrafen (Sonderstrafgesetze) Mittelbare Diskriminierung (Art. 2/2/b) –Sichtbarkeit/Zeigen der sexuellen Orientierung –Teilnahme an Gay-Pride –Vorstrafen (diskriminierend vollzogene Gesetze) Belästigung (Art. 2/3) –Erwägung 31/vermutete sex. Orientierung

(b) Wesentliche berufliche Anforderung (Art. 4/1) Art der beruflichen Tätigkeit/Bedingung ihrer Ausübung (was und wie) wesentliche und entscheidende Anforderung Rechtmässigkeit des Zwecks Angemessenheit der Anforderung –Sensible Tätigkeiten (Armee, Polizei, Geheimdienst) –Homosexuellenorganisationen und -lokale –Beratungsarbeit –Sexarbeit/sexuelle Dienstleistungen (c) Loyalität zum Ethos einer Organisation (Art. 4/2/2) Spezifizierung von Art. 4/2/1 (donc) Rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderem Grund/Einhaltung der übrigen Bestimmungen der Richtlinie Einklang mit einzelstaatlichem (Verfassungs)Recht –Lehrer –Pressesprecher eines Kardinals –Priester/Geistliche/Seminaristen

(d) Partnerschaften gg unverheiratete Paare – vg unverheiratete Paare vg registrierte Paare – gg registrierte Paaren vg verheiratete Paare – vg verheirateten Paaren vg registrierte Paare – vg verheirateten Paaren (vollständig identes rechtliches Regime) (unmittelbare Diskriminierung, EGMR: Karner 2000) vg registrierte Paare – vg verheirateten Paaren (nicht identes Regime) (ILO-Verwaltungsgericht, Entscheidung 2550, ) gg unverheiratete Paare – vg verheiratete Paare Erwägung 22: Vom Familienstand abhängige Leistungen –bleiben unberührt –KOM(1999)565 (8): Status von Eheleuten nicht berührt und daher auch deren Anspruch auf bestimmte Leistungen nicht beschnitten –keine Entsprechung im operativen Teil –(un-)mittelbare Diskriminierung

(e) Diskriminierung ausserhalb der Arbeitswelt –in meisten Mitgliedstaaten verboten (RL 2000/43 auch für sexuelle Ausrichtung umgesetzt) –Zuständigkeit des EuGH dann auch in diesen Bereichen (zB , C-130/95 Giloy; , C-306/99 BIAO)