diagnostischen Prozess

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
V-Modell XT - Ein Überblick
Advertisements

Empirische Forschung Empirisch = eine wissenschaftliche Vorgehensweise betreffend, die nicht auf theoretischen Begründungen, sondern auf nachvollziehbaren.
WS 05/06Automatische Akquisition linguistischen Wissens1 Partielles Wissen erweitern 1.Zusammenhang mit bisherigen Algorithmen 2.Vom offensichtlichen zum.
Arbeits- und Präsentationstechniken 1 Teil A: Wissenschaftstheoretische Grundlagen Prof. Dr. Richard Roth WS 2011/2012 APT 1 Prof. Dr. Richard Roth.
Verhandeln statt Feilschen Die Methode soll das Verharren auf pers. Verharren verhindern Feilschen ? Sachbezogenes Verhandeln! Ziel: effizientes.
Politischer Liberalismus
Warentest Kartennutzung und Kartenkritik. Wie gut ist eine thematische Karte? Ansatz zur Kartenkritik: vom Nutzer und dessen Aufgaben ausgehend orthogonal.
Fragenkonzept zur Lebenssituation
VL Trainingswissenschaft 2
Einführung in die Sportwissenschaft Wissenschaft und Praxis
Einführung in die Sportwissenschaft Wissenschaft und Praxis
Tutorium
Ausgangslage Mangelhafte Führungs-kompetenz Schlechtes Betriebsklima
Computational Thinking Online Algorithmen [Was ist es wert, die Zukunft zu kennen?] Kurt Mehlhorn Konstantinos Panagiotou.
Neuronale Netze.
LV-Leiter: Mag. Birgit Fordinal Sommersemester 2009
Kapitel 19 Kointegration
Elternwerkstatt 4. Abend
Liebe KollegInnen, Anbei finden Sie eine PowerPoint-Vorlage zur Erarbeitung eines kurzen Zwischenberichts Ihrer Gruppe für das nächste Treffen. Bitte befüllen.
Hildeboldstraße München
Management, Führung & Kommunikation
Methoden der Sozialwissenschaften
Messen und Testen.
Mathematisch-Statistische Verfahren des Risikomanagements - SS Weitere Methoden Interne Daten reichen als einzige Datenquelle nicht aus Andere Modelle.
HEURISTIKEN.
Von Schätzern – über’s Schätzen Warum lassen Schätzer eigentlich nicht mit sich reden? „Egal, was ich denen zu erzählen hatte, die wollten das gar nicht.
Wohl:finden durch Stärkung des Selbstwertgefühls der SchülerInnen SchülerInnen-Befragung zum Zusammenhang zwischen L-Verhalten u. Selbstwertgefühl der.
Programmiersprachen II Vorbesprechung Klausur Prof. Dr. Reiner Güttler Fachbereich GIS HTW.
11 EIN OLDTIMER GEHÖRT IN DIE GARAGE UND NICHT IN EINE ZAHNARZTPRAXIS.
PCA Principal Component Analysis. Gliederung PCA – Warum eigentlich? PCA – Was ist zu tun? Was passiert eigentlich? Anwendungen Zusammenfassung.
Peter Kaufmann Stud Sek I 06 FHNW Aarau, Posterdesign © Maria Spychiger Jasmin KlauserStud Sek I 06 FHNW Aarau,
Institut für Verkehrssystemtechnik Dipl.-Psych. David Käthner Telefon:0531 / Ein kognitives Fahrermodell:
REIKI Augenstudie 2013 durchgeführt von Mitgliedern des ÖBRT.
Das Entwurfsmuster Model-View-Controller
Klangorientierter Fremdspracherwerb
Hallo, Kinder! Ich bin Sophia.
Der «global warming hiatus» Statistische Implikationen
War die 30jährige Krieg ein Religionskrieg?
Politisches Urteilen in Klasse 8
Zentrale Themen, Fragestellungen, Methoden und Vorgehensweisen der Soziologie, Politik- und Wirtschaftswissenschaft Die sozialwissenschaftliche Perspektive.
Gliederung 0. Motivation und Einordnung 1. Endliche Automaten
Wissenschaftstheorie
Comprehension and Production of Analogical Problems by a Chimpanzee
Grundlagen des Lernens
Ausbildungs- und Führungsstile
Politikwissenschaften, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften
Frühprognose nach Reanimation und therapeutischer Hypothermie
Titel des wissenschaftlichen Projekts
Brainstorming Name des Vortragenden.
Forschungsmethoden der Empirik
Herzlich Willkommen! NMS Entwicklungsbegleitung
HEURISTIKEN.
Andrea Gros Ellen Engel
EBN – zur Entwicklung einer FBA/SAA
Strategien empirischer Forschung
CAMPUS INNENSTADT MEDIZINISCHE KLINIK INNENSTADT INTENSIVSTATION
Forschungsmethode Empirik
Organisationsfähigkeit Ausgewählte Folien für Lehreinheit C2
Einsatz von Aufgaben im Physikunterricht
Textproduktion
<Titel des Vortrags>
Herzlich Willkommen zur 3
Ökonometrie und Statistik Datamining und Big Data anhand von Fallbeispielen Dr. Bertram Wassermann.
2. Die rekursive Datenstruktur Baum 2.1 Von der Liste zum Baum
Titel des wissenschaftlichen Projekts
Umweltkommunikation MitWirkung 4./
Der Weisheit letzter Schluss
Multivariate Analysemethoden Johannes Gutenberg Universität Mainz
Klausur der AHS – Direktor/innen Altlengbach, 24. /
Fächer der Sozialwissenschaft
 Präsentation transkript:

diagnostischen Prozess Die Urteilsbildung im diagnostischen Prozess Nina Decker

Gliederung Arten der diagnostische Urteilsbildung Definition der Urteilsbildung Strategien der Urteilsbildung Empirische Erklärungen

1. Arten der diagn. Urteilsbildung Diagnostische Urteilsbildung als wissenschaftliche Erklärung vs. diagnostische Urteilsbildung als Entscheidungshilfe Wissenschaftliche Erklärung: besteht aus zwei Komponenten: Explanandum E und Explanans G sowie zusätzlich einer Aussage A, die als Randbedingung bezeichnet werden G= allgemeine Basis, auf die man sich bezieht (empirisch gesichert) E= Schluss aus Daten abgeglichen mit Basis A= vorliegende konkrete Fall

1. Arten der diagn. Urteilsbildung Urteilsbildung als Entscheidungshilfe: zwei Arten der Entscheidung Terminal: Entscheidung zu Handeln Investigatorisch: weitere Infosuche

2. Definition der Urteilsbildung Urteilsbildung: Verdichtung von Einzelinformationen zu einem Gesamturteil  diagnostischer Schluss Urteil sollte diagnostisch oder prognostisch nutzbar sein Verdichtung= Transformation, Gewichtung und Integration von Informationen Seit den 1950er Jahren Frage: Mit welchen Strategien kann Verdichtung geschehen Mit welchen Strategien geschieht sie Welche Strategien sind die besten

3. Strategien der Urteilsbildung Nach Meehl (1954): zwei Strategien Statistische Urteilsbildung Klinische Urteilsbildung

3.1 Klinische Urteilsbildung Kombination, Gewichtung und Integration diagnostischer Informationen erfolgt ohne Anwendung formalisierter Regeln Der Diagnostiker kommt intuitiv zu einem diagnostischen Schluss Strategie wird oft im klinisch-psychologischen Kontext angewandt, deswegen klinische Urteilsbildung Basis: Fachwissen und Erfahrung des Diagnostikers

3.1 Klinische Urteilsbildung Intuition heißt nicht, dass keine Regeln angewandt werden  sind nur nicht formalisiert, nicht standardisiert und dem Diagnostiker zumeist nicht bewusst Handelt sich bei den Regeln eher um implizites Wissen  Diagnostiker können auf Nachfrage zumeist nicht beschreiben, nach welchen Regeln sie vorgegangen sind

3.2 Statistische Urteilsbildung Von statistischer Urteilsbildung spricht man, wenn quantitative Daten vorliegen (Testdaten oder Fragebogendaten) Kombination der Daten beruht auf ausformulierten Algorithmen Algorithmen: Regressionsfunktionen oder Diskriminanzfunktionen Werden anhand von Gruppendaten gewonnen und dann auf Einzelfälle angewandt

3.3 Vor- und Nachteile der Strategien Vorteile: klinische Strategie Der Diagnostiker verfügt über viel mehr Informationen, als die, die in Gruppenuntersuchungen berücksichtigt werden können Die mechanische Anwendung von statistischen Regeln werden dem Einzelfall nicht gerecht Jeder Fall ist anders gelagert und macht es nötig, spezifische Informationen zu berücksichtigen bzw. die Informationen spezifisch zu kombinieren

3.3 Vor- und Nachteile der Strategien Vorteil: statistische Strategie Wegen der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität ist der Diagnostiker kognitiv überfordert, viele Informationen angemessen zu berücksichtigen + Tendenz zur Verifizierung der Hypothese Diagnostiker stützt sich nur auf wenige Informationen, die zum Zeitpunkt der Urteilsbildung salient sind Dadurch Urteil qualitativ schlechter und in Selektionskontexten unfair Außerdem: begrenzter Erfahrungsschatz  kleiner als der Erfahrungsschatz von Untersuchungen an großen Gruppen

4. Empirische Erklärungen Zur Klärung der Frage, welche Strategie am besten ist: Metaanalyse Basisuntersuchungen stammen aus verschiedenen Bereichen (Vorhersage des Ausbildungserfolgs, Vorhersage der Rückfälligkeit von Straftätern, Vorhersage von Therapieerfolg) Aufbau der Untersuchung: Kliniker bekamen die Akten von Fällen, in denen alle vorhandenen Informationen enthalten waren Biografische Informationen, Testdaten, Beobachtungsdaten, Transskripte von Explorationen

4. Empirische Erklärungen Der Kliniker sollte auf Basis dieser Informationen ein Urteil fällen Paralell dazu: Datensätze statistisch ausgewertet Ergebnis der Metaanalyse von Meehl: In 11 Untersuchungen war die statistische prognose überlegen, in 9 Untersuchungen waren beide Strategien gleich gut

4. Empirische Erklärungen 1965: Aktualisierung der Metaanalyse Jetzt: 50 Vergleichsuntersuchungen Ergebnis war sehr ähnlich: in ca. der Hälfte der Untersuchungen war die statistische Prognose überlegen, in der anderen Hälfte waren beide Strategien gleich gut

4. Empirische Erklärungen 1966: Kritik von Sawyer Meehls angestellter Vergleich sei zu einfach Man dürfe Untersuchungen nicht nur danach differenzieren, wie sie Informationen integrieren Man müsse sie danach differenzieren, welche Datenarten zur Vorhersage benutzt werden Möglichweise sei die verwendete Datenart für das Ergebnis verantwortlich, nicht die Art der Datenkombination

4. Empirische Erklärungen Unterscheidet zwei Datenarten Klinische Daten (durch Exploration und Beobachtung gewonnen) Objektive Daten (Tests, Fragebogen) In Metaanalyse von Sawyer gingen 45 Vergleichsuntersuchungen ein  waren überwiegend gleich mit denen von Meehl

4. Empirische Erklärungen Ergebnis: Die Differenzierung nach Datenarten ändert nichts am Ergebnis von Meehl statistische Urteilsbildung ist unabhängig von der eingehenden Datenlage durchschnittlich überlegen

3. Empirische Erklärungen Trotzdem: immer noch viele Anhänger der klinischen Urteilsbildung Oft wird kritisiert, dass in die Metaanalysen Untersuchungen mit eingingen, in denen der Vergleich der beiden Urteilsstrategien nicht fair gewesen sei Die Kliniker hätten Kriterien vorhersagen müssen, mit denen sie in der Praxis kaum zu tun hatten Die Kliniker hätten nicht mit Daten ihrer Wahl arbeiten dürfen, sondern mit vorgegebenen Daten Die Kliniker hätten sich in ihrer Erfahrung und Ausbildung sehr voneinander unterschieden Die Forscher seien voreingenommen gewesen  Vertreter der statistischen Strategie

3. Empirische Erklärungen Kritik mag berechtigt sein: dennoch spricht wenig für die Überlegenheit der klinischen Strategie

4. Wahl einer Strategie in der Praxis Auch wenn statistische Urteilsbildung überlegen: oft ist man auf klinische Strategie angewiesen In vielen Fällen ist eine statistische Urteilsbildung nicht möglich, z.B. wenn Datensätze über den Zusammenhang zwischen potentiellen Prädiktoren und den vorgegebenen Kriterien nicht vorliegen Der Einzelfall nicht in das Raster vorhandener Gruppenuntersuchungen passt

4. Wahl einer Strategie in der Praxis In solchen Fällen geht an der klinischen Urteilsbildung kein Weg vorbei Wann immer die Aufgabenstellung in einem Einzelfall jeder aus vorhandenen Gruppenuntersuchungen entspricht, ist der Diagnostiker gut beraten, das Wissen aus diesen Untersuchungen anzuwenden