Rechtsanwalt Kai Henning/Dortmund

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Dr. Andreas Schmidt, Insolvenzgericht Hamburg NIF,
Advertisements

I. Forderungsschuldner – Träger des zu verwertenden Vermögens
Vorlesung Insolvenzrecht WS 2008/2009
Haftungsfragen bei Debit - Kartenzahlungsvorgängen
Überblick über das IT-Recht
Überschuldung - Schuldnerberatung
Rolf Schaefer Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Hannover Arbeitsrechtsforum Hannover Aktuelle Rechtsprechung
Juristische Fakultät Prof. Dr. Joachim Vogel, RiOLG Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene im Sommersemester 2012 – 6. Besprechungsfall – München, 29.
Das neue Schuldrecht in Anspruchsgrundlagen
Das neue Schuldrecht in Anspruchsgrundlagen
Das gerichtliche Mahnverfahren
Referatsleiterin Gesundheitspolitik, BAG SELBSTHILFE
ARGE Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung
Pflichtübung aus Europarecht 16. April 2014
Crashkurs Zivilrecht Gruppe Prof Avenarius/Haferkamp
Rechtsanwalt Ulrich Amthauer Fachanwalt für Familienrecht Notar
1 Verjährung des Vergütungsanspruchs – Prozessuale Besonderheiten RA Hans Christian Schwenker.
Pflichtübung aus Europarecht 13. Mai 2015
Koordinierungsstelle SCHULDNERBERATUNG in Schleswig-Holstein
Mittelstandsrecht SoSe 2015 ra-freimuth. de Vorlesung vom
§ 266 Missbrauchstatbestand Vom Täter getätigtes Rechtsgeschäft Dabei genutzte Befugnis: Vertretungsbefugnis oder Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen.
Der zulässige Eigenantrag Dr. Andrea Heilmaier Richterin am Amtsgericht.
1 Lerneinheit 8 – Überblick A.Leistungsstörungen 3. AbschnittLeistungsverzögerung § 11 Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 I, III,
Tel.: Fax: Schuldnerberatung Insolvenzberatung Kopernikusstr.
Headhunting leicht gemacht! (C) RA M. Hoffmannwww.ra-michael-hoffmann.de2 Headhunting leicht gemacht! B ist Personalvermittler für hochqualifizierte.
Erfa 80. Erfa-Kreis-Sitzung Stuttgart Stuttgart Auftragsdatenverarbeitung Möglichkeiten und Grenzen.
RiAG Dr. Daniel Blankenburg, Hannover.  Relevanz der alternativen Beendigungs- möglichkeiten in der gerichtlichen Praxis Einführung Planverfahren Schuldbereinigungsplanverfahren.
Krankenstand – aber richtig! Arbeitsrechtliche Fragen Ass.-Prof. Dr. Andreas Mair.
§ 1330 ABGB (1) Wenn jemandem durch Ehrenbeleidigung ein wirklicher Schade oder Entgang des Gewinnes verursacht worden ist, so ist er berechtigt, den Ersatz.
1 Klausurtermin: Grundkurs II im Bürgerlichen Recht Dienstag, – ca Uhr - ZHG 011 Einlass ab Uhr Beginn: ca Uhr Die.
Rechtliche Grundlagen der Pseudonymisierung/Anonymisierung Berlin, 23. Mai 2016Dr. Bernd Schütze.
Prof. em. Dr. Dirk Olzen, Direktor IMR Die haftungsrechtliche Bedeutung von Richtlinien, Leitlinien und Empfehlungen.
I. Personengesellschaften C) Veränderungen im Personenbestand Überblick  Ausscheiden  Auflösung  Haftung.
HERZLICH WILLKOMMEN! Unterlassen Vertiefung Recht entsteht durch Rechtsprechung. Entscheidungen lesen und verstehen.
Edgar Oberländer – Mitglied im Landesausschuss Recht, Steuern und Versicherung Stand: Mai 2013 Inhalt und Anlagen von Steuererklärungen.
Unionszollkodex 2016 Dr. Josef Traxler Dr. Michael Stögerer (1)
30. Kongress der IVBS Mainz - Mai 2017
Methodenlehre der Rechtswissenschaft
Prüfung des gesetzlichen Mindestlohns durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) 2 Jahre gesetzlicher Mindestlohn – eine Bilanz Stand:
Chancen und Probleme bei der Zusammenarbeit mit dem Rechtspfleger
Herzlich willkommen zur Mitarbeiterversammlung
Anwendung des §33 der Spielordnung
(Schwer-)Behindertenrecht
Marken- und namensrechtliche Probleme bei Domainnamen
Modul II 13. Vorlesung ( ) KVV / Wintersemester 2016/ 17 Strafprozessordnung Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich Mittwochs von 14 bis 16 Uhr.
Das EU-Gewaltschutzverfahrensgesetz vom 5. Dezember 2014
Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren – Zusammenarbeit von Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter RA Axel W. Bierbach, Insolvenzverwalter Fachanwalt.
Verfahrensschema Wohlverhaltensphase InsO-Vor
Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg (BPW 2018)
Stimmrechte der Vereinsmitglieder
Frage 1: I. Inanspruchnahme der E durch die Bürgschaft
Aktuelle steuerrechtliche Probleme
Einheit 10: Der allgemeine Aufopferungsanspruch
SchuldR AT 1 7. Woche.
SchuldR BT 3. Woche.
Meldung von unsicheren Situationen
Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „WIPO-Dienste und -Initiativen“
Die Versorgungs-ordnung
Allgemeines Verwaltungsrecht
Einheit 12: Der Folgenbeseitigungsanspruch
Einheit 11: Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
Einheit 2: Amtshaftungsanspruch Teil 1
►Veranstaltungsort und Seminarzeit
Händler Hansmann verlangt von Michael Schadenersatz für das beschädigte Fahrrad. ( „Wer will was von wem“) Eine mögliche Anspruchsgrundlage könnte sich.
Stress im Straßenverkehr
Stimmrechte der Vereinsmitglieder
Die Versorgungs-ordnung
Steuererklärungen Inhalt und Anlagen von
Grundstücksrecht Falllösung 1.
KreditSiR Falllösung 4.
 Präsentation transkript:

Rechtsanwalt Kai Henning/Dortmund Praxisprobleme bei den Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung (§ 302 InsO) Norddeutsches Insolvenzforum e. V. Hamburg, 3. April 2017 Rechtsanwalt Kai Henning/Dortmund

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln Aktuelle Fragen: 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? 2. Zurückweisung einer mangelhaften Anmeldung (Kreuzchen-Anmeldung) durch Verwalter oder Rechtspfleger? 3. Anmeldung Forderung aus Steuerhinterziehung nur bei vorliegender rechtskräftiger Verurteilung wegen Steuerhinterziehung? 4. Wann liegt bei nicht geleistetem Unterhalt ein vorsätzlich pflichtwidriges Handeln des Unterhaltsverpflichteten vor? 5. Sollte sich der Schuldner gegen eine mangelhafte Anmeldung wehren? 6. Kann in einem Verfahren ohne beantragte Restschuldbefreiung eine Forderung als Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln angemeldet werden? 7. Kann der Schuldner seinen Widerspruch bei einer unterlassenen Belehrung (175 Abs. 2 InsO) nachholen? 8. Wem ist die Belehrung gem. § 175 Abs. 2 InsO zuzustellen? 9. Gilt § 302 InsO auch in einem Insolvenzplanverfahren? 10. Darf der Gläubiger einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln nach Erteilung der Restschuldbefreiung mit einer vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle gegen den Schuldner vollstrecken, obwohl dieser Widerspruch eingelegt hat?

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln Einleitung Der Schuldner soll sich bestimmten, besonders belasteten Forderungen durch das Verfahren nicht entziehen können (BT-Drucks. 12/2443 S.194). Die Ausgleichsfunktion des Deliktsrecht, der Sanktionscharakter der Geldstrafen und besondere Finanzierungsmodelle sozialer Einrichtungen sollen so geschützt und erhalten werden. Dem ist grundsätzlich natürlich zuzustimmen. Wir wollen, dass Mörder, Anlagebetrüger, Unterhaltsverweigerer, Steuerhinterzieher oder Diebe den entstandenen Schaden wieder gut machen. Aber Fakt ist auch, dass die Deliktsforderungen wegen ihrer Höhe oft nicht befriedigt werden können. Wir sollten uns daher auch hier Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung vor Augen führen. Sie ist zum einen eine Rechtswohltat dem Schuldner gegenüber, aber sie entlastet uns alle als Gläubiger, Steuerzahler oder Sozialversicherte ebenfalls. Das Restschuldbefreiungsverfahren kann zudem den deliktischen Schuldner motivieren, zumindest einen Teil des Schadens wieder gut zu machen, anstatt sich dauerhaft zu verweigern.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln Einleitung Die Regelungen der Restschuldbefreiung dienen dabei nicht nur dem persönlichen Schutz und dem Persönlichkeitsrecht des Schuldners, dem ein wirtschaftlicher Neubeginn ermöglicht werden soll und für den die vollständige Restschuldbefreiung von existentieller Bedeutung ist … . Vielmehr verfolgen diese Regelungen das allgemeinwirtschaftliche und sozialpolitische Ziel, den Schuldner wieder in den Markt zu integrieren und sein Abdriften in graue Kredit- und Arbeitsmärkte zu verhindern … . Auch aus dem Sozialstaatsgebot ist die Berechtigung der Restschuldbefreiung abzuleiten … . BGH Urt. vom 25.6.15 -IX ZR 199/14-

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln Einleitung Richtlinienentwurf der EU Kommission vom 22.11.2016 Art. 20: Entschuldung in vollem Umfang nach höchstens drei Jahren Art. 22 Abs. 1 … längere Fristen für eine volle Entschuldung können festgelegt werden, wenn der Schuldner … Gläubigern gegenüber unredlich oder böswillig gehandelt hat; siehe Heyer „Die EU reformiert unser Entschuldungsrecht“, ZVI 2017, 45

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? Können Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln hier überhaupt eine Rolle spielen? Nach dem Wortlaut der §§ 4a Abs. 1 S. 3 und S. 4 sowie 4c InsO nicht. Aber der BGH stellt in ständiger Rspr. fest, dass eine Stundung auch dann ausscheidet, wenn die Restschuldbefreiung vom Schuldner offensichtlich nicht zu erreichen ist (BGH Beschl. 16.1.14 -IX ZB 64/12-).

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? Grundsätzlich: „Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Stundung der Verfahrenskosten auch dann ausgeschlossen, wenn andere der in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Gründe für eine Versagung der Restschuldbefreiung bereits in diesem Verfahrensstadium zweifelsfrei feststehen.“ „ … keine komplizierten Prüfungen … „. „Die Stundung kann, wenn ihre übrigen Voraussetzungen vorliegen, nur dann verweigert werden, wenn offensichtlich keine Restschuldbefreiung erlangt werden kann. Eine solche klare und eindeutige Beurteilung scheidet bereits dann aus, wenn - wie hier - eine Verjährung der ausgenommenen Forderung ernsthaft in Betracht kommt.“ BGH Beschl. vom 16.01.2014 -IX ZB 64/12-

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? Wann ist die Stundung nach Ansicht von Rechtsprechung und Literatur zu versagen? Bei einem 12,5% Anteil deliktischer Forderungen keine Stundung AG Düsseldorf 14.8.07 -503 IN 301/06- Bei einem 95% Anteil keine Stundung AG Siegen 24.9.02 -25 IN 203/01- Bei einem 100% Anteil keine Stundung Pape in Mohrbutter/Ringstmeier Handbuch Insolvenzverwaltung 9. Aufl. 2015 Kap. 18 Rn. 22 Deliktische Forderungen sind bei der Stundungsprüfung nicht zu berücksichtigen AG Göttingen 9.12.15 -71 IN 101/15-

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? Eine Stundung der Verfahrenskosten kann nicht gewährt werden, wenn der Anteil der Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln bei 50% liegt. LG Hannover Beschl. vom 24.4.2015 -20 T 14/15- Geldstrafen stehen der Stundung der Verfahrenskosten gem. § 4a InsO nicht entgegen, wenn der Schuldner bei wertender Betrachtung eine Chance für einen wirtschaftlichen Neustart erhält. AG Göttingen Beschl. 14.12.16 -74 IK 352/16- Es muss differenziert werden. Blankenburg ZVI 2015, 239-241 

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? Wann liegen deliktische Forderungen offensichtlich vor? Die Beantwortung ist bspw. hinsichtlich der Verjährung komplizierter geworden. Bislang: Ein Feststellungsanspruch verjährt nicht BGH Urt. 02.12.2010 -IX ZR 247/09- Rn. 12 Neu: Ein Unterhaltsanspruch hat einen anderen Streitgegenstand als ein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht. Beide Ansprüche können daher gesondert verjähren. Ist lediglich der Unterhaltsanspruch tituliert, kann die Feststellung, dass die Forderung auch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stammt, nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht mehr durchgesetzt werden. BGH Beschl. vom 3.3.16 -IX ZB 33/14-

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 1. Stundung trotz vorliegender Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln? Folge und eigene Meinung: Die Frage, ob die Restschuldbefreiung wegen möglicher Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln nicht zu erreichen ist, hängt von soviel Unwägbarkeiten ab, dass die Stundung in den meisten Fällen zu bewilligen ist. Das Stundungsverfahren ist nicht der Ort, um bspw. zu klären, ob der Schuldner in vorwerfbarer Art und Weise Unterhalt nicht gezahlt hat. Es bleibt die angemessenere Möglichkeit, die bewilligte Stundung gem. § 4c Nr. 5 InsO aufzuheben, wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass die Restschuldbefreiung definitiv nicht zu erreichen ist. Die Aufhebung der Stundung gem. § 4c Nr. 5 InsO kommt auch in Betracht, wenn die Versagungsgründe zweifelsfrei vorliegen (K.Schmidt InsO/Stephan, 19. Aufl. § 4c Rdnr. 29).

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 2. Zurückweisung einer mangelhaften Anmeldung (Kreuzchen-Anmeldung) durch Verwalter oder Rechtspfleger? Reicht ein Kreuzchen? Nein= BGH, Urt. v. 9.1.2014 -IX ZR 103/13- Welche Tatsachen sind anzugeben? Praxisbeispiel: „Eingehungsbetrug, da keine Zahlung geleistet, aber Leistungen in Anspruch genommen.“ Ausreichend? BGH a.a.O.: Der geltend gemachte Anspruch muss in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt sein und der Schuldner muss erkennen können, welches Verhalten der Gläubiger ihm vorwirft. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nicht verlangt werden.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 2. Zurückweisung einer mangelhaften Anmeldung (Kreuzchen-Anmeldung) durch Verwalter oder Rechtspfleger? Ist es auch eine materielle Prüfung, ob der Sachverhalt tatsächlich ein vorsätzlich unerlaubtes Handeln wiedergibt, bspw. Schwarzfahren? Hierzu sagt AG Regensburg ZVI 2014, 454 Schwarzfahren sei kein vorsätzlich unerlaubtes Handeln. Ist eine deliktische Forderungsanmeldung dann zurückzuweisen? Oder ist es eine rein formelle Prüfung, ob Tatsachen in ausreichendem Umfang angegeben wurden? Siehe auch Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen (BGH NZI 2007, 532): Meine Ansicht: Formelle Prüfung. Alles Weitere im Feststellungs-Verfahren Wenn keine oder unzureichende Tatsachen angegeben werden, wer weist zurück? Das Gericht, um dem Gläubiger die Möglichkeit der Rechtspflegererinnerung zu geben. Nach Zurückweisung Möglichkeit des Gläubigers 1. die Anmeldung zu ergänzen oder 2. gem. § 11 RpflG Erinnerung zu erheben.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 3. Anmeldung Forderung aus Steuerhinterziehung nur bei vorliegender rechtskräftiger Verurteilung wegen Steuerhinterziehung? Streitig. Aus Gesetzesbegründung und § 175 Abs. 2 InsO wird gefolgert, dass Verurteilung auch noch nach Verfahrensaufhebung erfolgen kann. Aus § 174 Abs. 2 InsO wird aber auch gefolgert, dass die Verurteilung schon bei der Anmeldung vorliegen muss, da diese im Falle der Steuerforderung die anzugebende „Tatsache“ sei (Pape ZinsO 2016, 2005, 2008). Eine Anmeldung der Finanzverwaltung ohne Vorlage einer strafrechtlichen Verurteilung ist daher zurückzuweisen. Eine Nachmeldung der Verurteilung kann nach allgemeinen Regeln nur bis zur Verfahrensaufhebung erfolgen (Dornblüth/Pape ZInsO 2014, 1625, 1634). Unstreitig: Finanzamt muss die Forderung auf jeden Fall mit Hinweis auf Steuerhinterziehung anmelden, um die Privilegierung des § 302 InsO zu erreichen.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 3. Anmeldung Forderung aus Steuerhinterziehung nur bei vorliegender rechtskräftiger Verurteilung wegen Steuerhinterziehung? LG Dortmund 25 O 331/16: Finanzamt meldet Steuerforderungen als Forderung gem. § 302 InsO an. Eine rechtskräftige Verurteilung liegt bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht vor. Es läuft lediglich seit längerem ein Ermittlungsverfahren. Der Schuldner beantragt, festzustellen, dass es sich bei der von der Beklagten im Insolvenzverfahren 253 IN … /14 AG Dortmund zur laufenden Nr. 21 angemeldete Forderung über insgesamt 99.356,71 € nicht um eine Forderung handelt, die gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist. LG Dortmund hat für diese Klage Prozesskostenhilfe bewilligt.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 4 § 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 4. Wann liegt bei nicht geleistetem Unterhalt ein vorsätzlich pflichtwidriges Handeln des Unterhaltsverpflichteten vor? § 302 Nr. 1: … aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat … Ausreichend ist allein die Nichtzahlung des Unterhalts. AG Hannover Beschl. vom 28.9.15 -909 IK 1072/15 -9- Streiten Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner über die Frage, ob die Unterhaltspflicht vorsätzlich verletzt wurde und damit eine ausgenommene Forderung i.S.d. § 302 InsO vorliegt, hat der Schuldner seine mangelnde Leistungsfähigkeit darzulegen und zu beweisen, wenn für die betroffenen Zeiten bereits ein Unterhaltstitel vorliegt. BGH Beschl. vom 3.3.16 -IX ZB 65/14

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 4 § 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 4. Wann liegt bei nicht geleistetem Unterhalt ein vorsätzlich pflichtwidriges Handeln des Unterhaltsverpflichteten vor? Ernstes Problem aus Schuldnersicht: Die Rspr. der Familiengerichte zu einem anzunehmenden fiktiven Einkommen, wenn der Schuldner tatsächlich kein Einkommen erzielt. Die Entscheidung, ob eine Unterhaltsforderung eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung i.S.d. § 302 InsO ist, ist von den Familiengerichten zu treffen. BGH Beschl. vom 3.3.16 -IX ZB 33/14- Allgemein=Die zivilrechtliche Frage, ob eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln stammt, kann immer nur von den Zivilgerichten entschieden werden.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 5. Sollte sich der Schuldner gegen eine mangelhafte Anmeldung wehren? Wohl eher nicht. Denn eine nicht den Anforderungen des § 174 Abs. 2 InsO entsprechende unvollständige oder fehlerhafte Forderungsanmeldung schließt den Gläubiger u.U. mit weiterem Vortrag im Feststellungsverfahren aus (OLG Düsseldorf Beschl. 26.3.2010 -I-24 U 182/09-; AG Göttingen NZI 2012, 31). Im Feststellungsverfahren sind nur die Tatsachen zu berücksichtigen, die der Gläubiger bereits in seiner Forderungsanmeldung vorgetragen hat. Aber der Schuldner sollte jeder deliktischen Forderungsanmeldung widersprechen, um seine Rechte zu wahren und insbesondere vergleichsweise Regelungen zu erreichen. Auch die deliktische Forderung ist Insolvenzforderung und unterliegt dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO. Hieraus ergeben sich Verhandlungsmöglichkeiten.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 6. Kann in einem Verfahren ohne beantragte Restschuldbefreiung eine Forderung als Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln angemeldet werden? Das würde für den anmeldenden Gläubiger Sinn machen. Er erhält einen Titel mit dem er gem. § 850f Abs. 2 ZPO privilegiert vollstrecken kann. Dürfte aber abzulehnen sein, da eine Belehrung des Schuldners wegen der nicht erfolgten Beantragung der Restschuldbefreiung nicht erfolgt. Folglich würde tituliert, ohne dem Schuldner die Möglichkeit des Widerspruchs zu geben (so AG Aurich Beschl. 3.12.15 -9 IN 145/15-). AG Köln (Beschl. vom 1.12.2016 -73 IN 485/15- ZInsO 2017, 109) hat sich AG Aurich angeschlossen.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 7. Kann der Schuldner seinen Widerspruch bei einer unterlassenen Belehrung (175 Abs. 2 InsO) nachholen? Ja. Wiedereinsetzung möglich (AG Göttingen Beschl. vom 30.12.15 -74 IN 175/14-). Der BGH ergänzt: Jahresfrist des § 234 ZPO läuft nicht, wenn Fehler in der Sphäre des Gerichts liegt (BGH Beschl. 21.01.2016  -IX ZA 24/15-). weitergehend: Ist der Schuldner vom Gericht entgegen § 175 Abs. 2 InsO nicht auf die Möglichkeit des Widerspruchs gegen eine als deliktisch angemeldete Forderung hingewiesen worden, kann er den Widerspruch gegen die Forderung jederzeit nachholen. Die Regelungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gelten hierbei nicht. AG Düsseldorf Beschl. vom 1.7.14 -510 IK 125/06-

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 8. Wem ist die Belehrung gem. § 175 Abs. 2 InsO zuzustellen? Zustellungen haben im Insolvenzverfahren an einen bestellten Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners zu erfolgen. Eine Zustellung allein an den Schuldner ist unwirksam. Dies gilt auch für die Belehrung gem. § 175 Abs. 2 InsO über eine angemeldete Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung. AG Göttingen Beschl. vom 30.12.15 -74 IN 175/14- Ist die Zustellung nicht an den Verfahrensbevollmächtigten erfolgt = siehe Frage 7.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 8. Wem ist die Belehrung gem. § 175 Abs. 2 InsO zuzustellen? Die Vorlage einer Vollmacht ist bei anwaltlicher Vertretung im Übrigen nicht erforderlich. § 171 ZPO gilt für den anwaltlichen Prozess- und Verfahrensbevollmächtigten nicht. Die Prüfung einer anwaltlichen Vollmacht findet gem. § 88 ZPO Abs. 2 ZPO von Amts wegen nicht statt. § 88 Abs. 2 ZPO findet über § 4 InsO Anwendung im Insolvenzverfahren. Der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte kann also seine Bestellung formlos ohne Vorlage einer Vollmacht anzeigen (Prütting/Gehrlein/Tombrink ZPO 7. Aufl. 2015 § 172 Rdnr. 3). Die Vollmacht nichtanwaltlicher Vertreter ist allerdings gem. § 88 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu prüfen. Der jetzt gem. § 305 Abs. 4 InsO als Verfahrensbevollmächtigter zugelassene Schuldnerberater muss also eine Vollmacht vorlegen.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 9. Gilt § 302 InsO auch in einem Insolvenzplanverfahren? Deliktische Forderungen werden im regulären Verfahren bei entsprechender Anmeldung gem. § 302 Nr. 1 InsO nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Im Insolvenzplanverfahren besteht eine solche Privilegierung nicht. Der Plan wirkt vielmehr auch gegenüber diesen Gläubigern (BGH Beschl. v. 17.12.09 -IX ZR 32/08-). Der deliktische Gläubiger kann die Wirkung eines Planes nur dann gem. § 251 Abs. 1 InsO mit Erfolg verhindern, wenn er darlegen kann, dass er durch den Plan konkret wirtschaftlich schlechter gestellt wird, als er bei regulärer Durchführung des Insolvenzverfahrens stünde (BGH WM 2012, 1640).

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 9. Gilt § 302 InsO auch in einem Insolvenzplanverfahren? Zur Glaubhaftmachung reicht der allgemeine Hinweis des Gläubigers, dass seine Forderung bei Durchführung des Verfahrens der Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO nicht unterliegt, nicht aus (vgl. hinsichtlich der Zustimmung zu einem Plan gem. § 309 InsO BGH ZInsO 2013, 2333). Er wird vielmehr glaubhaft machen müssen, seine Forderung bei regulärem Verfahrensablauf nach Erteilung der Restschuldbefreiung auch tatsächlich gegen den Schuldner durchsetzen zu können. Dies wird dem Gläubiger bspw. nicht gelingen, wenn mit dauerhaft unpfändbarem Einkommen des Schuldners zu rechnen ist. Siehe zu Plänen für Inhaftierte: Wiedenhaupt ZVI 2014, 439.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 9. Gilt § 302 InsO auch in einem Insolvenzplanverfahren? Paradebeispiel: Amtsgericht Köln 71 IN 224/12: Über das Vermögen des Wolfgang Beltracchi geborener Fischer, geboren 1951, Birkenweg 7, 51147 Köln wird wegen Zahlungsunfähigkeit heute, am 01.11.2012, um 09:00 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Eröffnung erfolgt aufgrund des am 29.05.2012 bei Gericht Eingegangenen Antrags des Schuldners. Zum Insolvenzverwalter wird ernannt Rechtsanwalt Dr. Andreas Ringstmeier, Brückenstr. 21, 50667 Köln

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 9. Gilt § 302 InsO auch in einem Insolvenzplanverfahren? Wolfgang Beltracchi (* 1951 in Höxter als Wolfgang Fischer) ist ein deutscher Maler und (ehemaliger) Kunstfälscher. Er wurde am 27. Oktober 2011 in einem der größten Kunstfälscher-Prozesse in Deutschland seit dem Ende des zweiten Weltkriegs wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt. Ein weltweit anerkannter Kunstsachverständiger hält ihn für einen genialen Klon von Max Ernst. In Beltracchis Insolvenzverfahren wurden vorrangig deliktische Forderungen angemeldet. Mit einem Insolvenzplan, den der Verwalter vorgelegt hat, wurde ein Ausgleich zwischen den berechtigten Gläubigerinteressen und Beltracchis nicht erzwingbaren Verdienstmöglichkeiten gesucht. Die Gläubiger haben dem Plan in Beltracchis Verfahren am 18.10.13 zugestimmt.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 10. Darf der Gläubiger einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln nach Erteilung der Restschuldbefreiung mit einer vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle gegen den Schuldner vollstrecken, obwohl dieser Widerspruch eingelegt hat? Ja, denn widerspricht der Schuldner lediglich dem deliktischen Rechtsgrund der Forderung, ist dem Gläubiger nach Erteilung der Restschuldbefreiung eine vollstreckbare Ausfertigung der Tabelle zu erteilen (BGH NJW-RR 2014, 875; kritische Anmerkungen: Henning NZI 2014, 568). Der folgenden Vollstreckung muss der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage entgegentreten. In diesem Verfahren liegt dann die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer deliktischen Forderung allein beim Gläubiger.

§ 302 InsO Forderungen aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln 10. Darf der Gläubiger einer Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln nach Erteilung der Restschuldbefreiung mit einer vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle gegen den Schuldner vollstrecken, obwohl dieser Widerspruch eingelegt hat? Wie tief darf der Gläubiger vollstrecken? Darf er mit der vollstreckbaren Ausfertigung der Tabelle auch in den privilegierten Bereich des § 850f Abs. 2 ZPO vollstrecken? AG Köln Beschl. vom 1.12.2016 -73 IN 485/15- Rdnr. 9: Nein! Vollstreckbare Ausfertigung der Tabelle kann wie der Vollstreckungsbescheid keine Aussage zum Forderungsgrund enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse! Rechtsanwalt Kai Henning Dortmund/Hamm henning@rahenning.de