Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Frauendepression- Männerdepression?
Depression Als Hauptsymptome gelten: Gedrückte Grundstimmung/Traurigkeit: Gefühle der Verzweiflung und „inneren Leere“ ohne erkennbaren Anlass Interessenverlust: Die Fähigkeit, sich an wichtigen Dingen oder Aktivitäten des Alltags zu freuen bzw. daran teilzunehmen, geht verloren. Der Interessenverlust kann sich auf alle Lebensbereiche, also Familie, Freundeskreis, Beruf, aber auch Hobbies, Sport oder sexuelle Aktivitäten erstrecken. Verminderung des Antriebs/Energielosigkeit: Das Gefühl einer starken inneren Müdigkeit und Energielosigkeit lässt jede Aktivität beschwerlich erscheinen. Die Motivation zur Durchführung selbst einfacher Alltagsaktivitäten, wie Essenszubereitung oder Körperpflege, nimmt ab.
Depression Als Zusatzsymptome gelten: Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit: Schwierigkeiten mit den Gedanken bei einer Tätigkeit oder einer Aufgabe zu bleiben, ebenso Unentschlossenheit und ein verlangsamtes Denken Mangelndes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen: Eigene Leistungen und Fähigkeiten als sinn- oder nutzlos bewertet und der Betroffene erlebt sich als unfähig oder als Belastung für andere Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit: Einhergehend mit mangelndem Selbstwertgefühl neigen depressive Menschen dazu, sich Fehler und Versäumnisse vorzuwerfen, sich dafür verantwortlich und wertlos zu fühlen. Depressive Denkinhalte umfassen oft Themen wie Schuld, Sünde und Armut Negative und pessimistische Zukunftsperspektive: Entsprechend der negativen Selbst- und Weltsicht wird jeder neue Tag als Belastung und die Zukunft als aussichtslos erlebt Suizidgedanken oder Suizidhandlungen: Wenn Sinnlosigkeit und innere Leere das Denken bestimmen, können sich Lebensüberdruss und Suizidgedanken entwickeln und zu konkreten Suizidhandlungen führen Schlafstörungen: Bei depressiven Patienten am häufigsten in Form von Schlaflosigkeit mit typischerweise Durchschlafstörungen und Früherwachen; es sind aber auch Einschlafstörungen möglich, vermehrter Schlaf tagsüber oder in Form verlängerten Nachtschlafs (Hypersomnie) ist selten Verminderter Appetit: Es fehlt der Genuss beim Essen und die Betroffenen müssen sich zum Essen regelrecht überwinden. Als Folge nehmen sie häufig ab
Depression
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Männer und Frauen stimmen hinsichtlich der meisten Symptome überein, jedoch gaben Frauen 17,6, Männer 16,6 Symptome an. Signifikant häufiger gaben Frau einen gesteigerten Appetit an, häufigeres Weinen, generellen Interesseverlust, häufigere Todesgedanken. Romans S, Tyras J, Cohen M, Silverstone T 2007 Sexuelles Desinteresse, Selbstabwertung, Schuldgefühle, selbstschädigendes Verhalten, Selbstviktimisierung Die klassischen diagnostischen Kriterien wie Niedergeschlagenheit, Grübeln, Antriebslosigkeit und Rückzugstendenzen werden meist von Frauen berichtet. Männer berichten eher körperliche Symptome oder Gereiztheit, Impulsivität, Aggressivität, Autonomietendenzen oder antisoziales Verhalten, burn-out, berufliches Überengagement DÄ 2015, Zierau et al. Männer zeigen haben eine höhere Komorbidität für Substanzkonsum (48,1% vs. 24,5%) Grube J, Grube M. 2016
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Die Prävalenz der Depression ist bei Frauen (10-15%) doppelt so hoch wie bei Männern. Die Rate der vollzogenen Suizide ist bei Männern doppelt so hoch wie bei Frauen, nämlich 15:8 / Männer erkranken weniger häufig an Depressionen, verüben aber mehr Suizide als Frauen, nämlich 2-3:1 Suizidursachen Männer: häufig finanzielle Probleme, Scheidung, Trennung, Arbeitsplatzkonflikte, Substanzkonsum Suizidursachen Frauen: häufig interpersonelle (Partnerschafts)Probleme
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Frauen haben ein früheres Ersterkrankungsalter (27,8 J vs. 31,6J) bei einzelnen depressiven Episoden als auch bei rezidivierenden depressiven Erkrankungen (24,8J vs 27,6 J). Frauen weisen im Vergleich mit Männern häufiger chronische Verläufe auf. Die Hospitalisierungsraten sind bei Frauen nahezu doppelt so hoch wie bei Männern. Die genetischen Einflüsse zeigen keine Unterschiede im Auftreten einer Depression zwischen Männern und Frauen. Die Entwicklung depressiver Symptome hängt bei Frauen u.a. mit verschiedenen Stadien des Reproduktionszyklus zusammen (PMS, peri- und postpartale Depression, menopausale Depression)
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Das führt u.a. zu der These, dass bei Frauen eine vom hormonellen Status abhängige biologische Komponente vorhanden ist. Die angegebenen Stadien fallen mit aber auch mit sog. „normativen“ Lebenskrisen zusammen (Erwachsenwerden, Mutter werden, Ablösung von den Kindern) Die Ausprägung der hormonellen Auswirkung hängt u.a. aber auch von der Sensitivität des Gehirns ab.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Analog beeinflussen hohe und niedrige Testosteronspiegel die männliche Stimmung Hohe Testosteronspiegel können sowohl mit einer erhöhten Depressionsrate, aber auch mit manischen Symptomen assoziiert sein. Grenzwertig niedrige Testosteronwerte können mit einem erhöhten Risiko für Depressionen korreliert sein. Treten weitere Symptome auf wie Abgeschlagenheit, sexuelle Dysfunktion, Libidomangel wird eine Überprüfung des Testosteronspiegels empfohlen.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Risiken für Frauen: Niedriges Bildungsniveau Mutterschaft Alleinerziehend sein Sexueller Missbrauch in der Vorgeschichte Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger Risiken für Männer: Arbeitslosigkeit Scheidung / Trennung Mangelnde berufliche Gratifikation Konkurrenzdruck Pensionierung (Chronische) somatische Erkrankung
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Psychopharmakologie Die Wirkung von Medikamenten hängt ab von Absorption, Metabolisierung, Verteilungsvolumen und Ausscheidung: Die Absorption prämenopausaler und prämenstrueller Frauen wird verlangsamt durch eine langsamere Magenentleerung als bei Männern. Die Metabolisierung der Leber von Männern und Frauen unterscheidet sich (Alkohol). Das Verteilungsvolumen von Männern (höhere Muskelmasse im Verhältnis zum Fettgewebe) und Frauen (geringeres Körpervolumen/geringere Körperoberfläche) ist geschlechtsspezifisch unterschiedlich.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Orale Kontrazeptiva (OK) greifen in das CYP 450-System ein und beschleunigen oder behindern den Abbau verschiedener Wirkstoffe wie Benzodiazepine, TZA und können die Proteinbindung mancher Wirkstoffe beeinflussen. Östrogene bei Depressionen: Die Studienergebnisse sind nicht eindeutig. (leichte, schwere Formen der Depression, prä- oder postmenopausal, postpartal). Es gibt Hinweise, dass Östrogensubstitution die Wirkung von AD augmentieren können.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Die renale Clearance ist geschlechtsspezifisch unterschiedlich und bei Frauen im Zyklusverlauf nochmals differenziert (vermehrte Wassereinlagerung unter Einfluss von Gestagenen/Progesteron, Pille?) Physiologische Veränderungen im Alter betreffen weniger Frauen, als Männer. Ältere Frauen sind jedoch häufiger betroffen von Tardiver Dyskinesie, möglicherweise aufgrund der Abnahme der Östrogenspiegel.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Depressive Frauen sprechen in der Prämenopause besser an auf SSRI, in der Postmenopause besser auf TZA Neuroleptika/Antipsychotika in der Augmentationsstrategie Frauen entwickeln statistisch häufiger tardive Dyskinesien als Männer und sprechen besser (schnellere Wirkung, bessere Symptomreduktion) auf atypische AP an, da diese häufig auch das serotonerge System modulieren (Aripiprazol, Fluanxol). Eine Hyperprolaktinämie durch AP könnte bei beiden Geschlechtern mit einer Abnahme der Knochendichte in Zusammenhang stehen, wird bei Männern eher zu wenig beachtet. Robinson, G.E. 2002, Regitz-Zagrosek, V., Schubert, C., Krüger, S. 2008
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Obwohl bekannt ist, dass es erhebliche Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Bioverfügbarkeit, Verteilung, Metabolisierung und Elimination von AM gibt, sind Frauen in klinischen Studien unterrepräsentiert, geschlechtsspezifische Dosierungsempfehlungen fehlen.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Depressionsstation PatientInnen (62,3 % weiblich, 37,7% männlich) Hauptdiagnosegruppe F3 – 241 PatientInnen Hauptaltersgruppe J. 22% Frauen 15% Männer Mittlere Verweildauer stationär 46,6 Tage ( ,1 Tage, ,2 Tage)
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Männer erkranken weniger häufig an Depressionen, verüben aber mehr Suizide als Frauen.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Mann kriegt die Krise: Männer und Psychotherapie - geht das zusammen? Seit Jahrhunderten sind Frauen und Männer unterschiedlich sozialisiert, wieso sollte gerade in der Psychotherapie ein unisexueller Ansatz funktionieren?
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Hypothesen ( Hartkamp, Psychotherapie mit Männern, aus Ärztl. Psychotherapie 4/2012) Männer in der Psychotherapie sind nicht nur das „schwierige Geschlecht“, sondern „terra inkognita“. Männer werden häufig als verschlossen, unemotional und wenig introspektiv erlebt. Es wird angenommen, dass Männer für die Veränderungsprozesse, die durch Psychotherapie initiiert werden sollen, weniger motiviert seien, oder aber, dass sie insgesamt weniger emotional beweglich seien als die weiblichen Psychotherapiepatientinnen. Die gängigen Psychotherapiekonzepte richten sich an die Mehrheitsgruppe depressiver Patienten: Frauen
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener männliche Bewältigungsstrategien sind Gefühlsabwehr, Rationalisierung, Kontroll- und Abwertungsstrategien Symptome einer „männlichen Krise“ sind: körperliche Symptome, Gereiztheit, Impulsivität, Aggressivität, Autonomietendenzen oder antisoziales Verhalten, berufliches Überengagement.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Worüber reden Männer nicht und wonach fragen PsychotherapeutInnen kaum:
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Männer haben ebenfalls „normative“ Lebenskrisen, z.B. Ende der Schulzeit, Beginn einer Ausbildung, Vater werden und sein, älter werden, in Rente gehen. Rollenkonflikte: Die Rolle des Mannes bewegt sich heutzutage zwischen Dominanz und Verfügbarkeit, auch wenn Männer in kritischen Lebenslagen weiterhin auf dezidiert traditionelle männliche Bewältigungsstrategien zurückgreifen. Vom „geachteten Ernährer“ zum vielfach verspotteten „Depp“? Gewalterfahrungen
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Neue Konzepte der männlichen Identitätsentwicklung „Gender role identity paradigm“ Geht von der Annahme einer primär festgelegten männlichen Rolle aus und sieht als Entwicklungsziel an, diese Rolle zu übernehmen und sich damit zu identifizieren. „gender role strain paradigm“ Geht von der Annahme aus, dass sich jeweils spezifische Formen von Männlichkeit in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Rollen Anforderungen in durchaus unterschiedlicher Weise herausbilden können. D.h. Männlichkeit wird als soziale Konstruktion angesehen. Die Geschlechtsrollenstereotype und Normen sind dabei operational definiert und in sich inkonsistent und widersprüchlich.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Die Belastungen, denen Männer in der Auseinandersetzung mit ihrer Geschlechterrolle ausgesetzt sind und die negativen psychologischen Folgen, die aus dieser Auseinandersetzung resultiert, findet in der Psychotherapie bislang deutlich zu wenig Beachtung. Gewalterfahrungen von Männern wurde bislang kaum beachtet, daher kaum erforscht, obwohl statistische Erhebungen und auf nicht unerhebliche Zahlen von Gewalterfahrungen von Jungen und männlichen Heranwachsenden hindeuten. ( Hartkamp, Psychotherapie mit Männern, aus Ärztl. Psychotherapie 4/2012)
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Psychotherapie mit Männern, sollte sich auf typische Problemfelder einstellen: Thematisieren von Ambivalenzkonflikten (z.B. Autonomie/Abhängigkeit in Partnerschaften, Umgang mit Affekten vor dem Hintergrund weiterhin wirksamer, geschlechtsstereotyper Rollenerwartungen, Akzeptanz der konfliktträchtigen Rollenwartungen usw.) Die Haltung des Psychotherapeuten sollte aktiv erkundend und nicht- wertend sein. Dazu gehören auch Kenntnisse zur Depressivität von Männern.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Es gibt wenig Literatur zu speziellen entwicklungspsychologischen Aspekten der Entwicklung des Mannes. Es gibt kaum Ansätze zur Entwicklung einer männerspezifischen Psychotherapie
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Gewalterfahrung bei Männern Ergebnisse der Pilotstudie „Gewalt gegen Männer“ 2004 BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über körperliche und psychische Gewalt in der Kindheit und Jugend wird von der Mehrheit der befragten Männer berichtet (verhauen, geohrfeigt, getreten, geschlagen, schikaniert, gedemütigt, eingeschüchtert) und die Tendenz scheint zunehmend. Gewalterfahrungen im Erwachsenenalter findet deutlich seltener statt, mit Ausnahme der Wehr- und Zivildienstzeit.
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener Körperliche Gewalterlebnisse im Erwachsenenalter finden in der Öffentlichkeit statt (Bedrohungen, Angriffe, Verletzungen) - diese Art von Gewalt wird häufig als solche nicht wahrgenommen, d.h. es wird eher als „normal“ betrachtet. Psychische Gewalt wird häufig im Zusammenhang mit der Arbeitswelt berichtet (Schikanen, Blossstellen, Beleidigungen) Sexuelle Gewalt am Arbeitplatz scheint ein Problem von nicht geringem Ausmass zu sein, ist kaum bislang erforscht. Körperliche und psychische Gewalterfahrungen spielen in Lebensgemeinschaften eine grössere Rolle als bislang angenommen (Ohrfeigen, Verletzungen, Schubsen, Tritte, soziale Kontrolle, Demütigungen, Beleidigungen, Herabsetzungen)
Gender Aspekte in der Depressionsbehandlung Erwachsener PTBS Ein-Monatsprävalenz 1-3 % Frauen : Männer: 2-3:1 Neben der PTBS spielen auch Traumatisierungen als solche eine Rolle bei Depressionen Bipolaren Störungen Psychosen Suchterkrankungen Somatischen Erkrankungen Und hinterlassen neurobiologische Spuren z.B. Volumenminderung des Hippocampus, dauerhafte Absenkungen des Serotoninspiegels und auch epigenetische Veränderungen bis in die nachfolgende Generation. Frommberger, Angenendt, Berger 2014