Doing gender im Schulalltag Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland Universität Hamburg Vortrag auf der 27. Jahrestagung Kinder- und Jugendpsychiatrie am 1.6.2016
Geschlechterdifferente Bildungsangebote Historische Epochen Geschlechtergetrennte Schulen und unterschiedliche Curricula Bildungsreformen der 1970er Jahre: gemeinsame und gleiche Bildung Kritik der neuen Frauenbewegung an Koedukation PISA: Schlechtere Leseleistungen von Jungen
„Lösungen“ Erneute Geschlechtertrennung Ruf nach mehr männlichen Lehrkräften Basis beider Forderungen: Annahme natürlicher Geschlechterdifferenzen Dramatisierung von Geschlecht
Gliederung Was ist überhaupt Geschlecht? Beitrag von Lehrkräften an der sozialen Konstruktion von Geschlecht in der Schule Geschlechterdifferente Wahrnehmungen Produktion von Differenzen im geschlechtshomogen Unterricht Herstellung von Problemkindern Gendersensibilität entwickeln
1. Was ist überhaupt Geschlecht?
Lena
Desiree
Tobias
Fanny
Andreas
Zuordnung zum Geschlecht Primäre Geschlechtsmerkmale „Erkennungsmerkmale“ im Alltag Auch „sex“ ist nicht eindeutig „gender“ – „geschlechtsspezifische“ Sozialisation Dichotomie von sex wie gender ist Problem Mittelwertunterschiede existieren – Überlappung sind aber groß Erlernen des „geschlechtsadäquaten“ Verhaltens
2. Beitrag von Lehrkräften an der sozialen Konstruktion von Geschlecht
Sozialisation im Feld Schule Klassen als Organisationsprinzip fragend-entwickelnder Unterricht Beteiligungsnotwendigkeit und -chance Zusammenhang zwischen „gut sein“ und Verhalten ist nicht eindeutig Blick der Lehrkräfte auf Mädchen und Jungen wird auch von stereotypen geschlechtlichen Zuschreibungen geleitet
Charakterisierung der Schüler/innen durch Lehrkräfte
Beispiel: Werkunterricht Alle Kinder erhalten Werken Textil und Werken Technik Halbjährlicher Wechsel Trennung der Klassen in zwei gleich große Gruppen Trennung nach Geschlecht = Dramatisierung von Geschlecht
Sicht der Lehrerin auf die Geschlechter Jungen maschineninteres-siert Technikinteressiert Liebe zum Komplizierten lebhafter Mädchen langsamer wunderschön gestaltete Hefter Liebe zum Detail zurückhaltender
Ablauf des Unterrichts Mädchengruppe Werkstück – einfache Lösungen, viel Zeit Werkraum – Verbandsmaterial, Geräte Werkordnung – akzentuierte Wiederholung aller Begriffe Werkzeuge Werkstück – immer wieder Verweis auf einfache Lösungen Koedukative Gruppe Werkraum – Bandsäge Werkzeuge Werkordnung Werkstück – Ausprobieren des Schubers, einfache Lösungen, aber Hilfestellungen für die Ideen der Kinder Zeitbegrenzung bis Weihnachten
Fallbeispiel Pavel Sehr gute Noten in Grundschule Klassenlehrerin: als „Problemkind“ schon am Kennenlernabend aufgefallen Beitrag an der Herstellung von Pavels Sonderrolle – keine positive Chance einer Bühne Werklehrer: Spaß ja, aber nicht so – unklar, wie denn?
3. Gendersensibilität entwickeln „fremder Blick“, um Praktiken des Alltag zu erkennen Gendersensibilität: nicht nach Differenzen suchen Stattdessen: Herstellungsmodi der Differenzen erkennen
Perspektive Anteil am doing gender Orientierung an Heterogenität der Kinder = Individuen und nicht allein Repräsentanten des Geschlechts – Entdramatisierung von Geschlecht Guter Unterricht als Grundlage für Geschlechtergerechtigkeit Reflexion über eigene Geschlechterbilder
Literatur Mehr Informationen zum Forschungsprojekt: Budde, Jürgen/ Scholand, Barbara/ Faulstich-Wieland, Hannelore (2008): Geschlechtergerechtigkeit in der Schule. Weinheim