Patienten- und situationsgerechte Diagnostik und Therapie Was heißt dies angesichts der drei ethischen Prinzipien „nutzen“, „nicht schaden“, „Gerechtigkeit“?

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 Präsentation transkript:

Patienten- und situationsgerechte Diagnostik und Therapie Was heißt dies angesichts der drei ethischen Prinzipien „nutzen“, „nicht schaden“, „Gerechtigkeit“? Prof. Dr. med. Claudia Wiesemann Ethik und Geschichte der Medizin Universität Göttingen

Hippokratischer Eid Nutzen / Nicht schaden „Ärztliche Verordnungen werden ich treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.“ „In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat, besonders von jedem geschlechtlichen Missbrauch an Frauen und Männern, Freien und Sklaven.“

Prinzipien der Medizinethik  Fürsorge/Benefizienz („Salus aegroti suprema lex“)  Schadensvermeidung („Primum nil nocere“)  Verschwiegenheit  Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten  Wahrhaftigkeit  Gerechtigkeit

Störungen der Geschlechtsentwicklung / Intersexualität  Def.: Die angeborene fehlende Übereinstimmung von chromosomalem, gonadalem und phänotypischem Geschlecht beim Menschen

Optimal Gender Policy (OGP) (John Money)  frühzeitige chirurgische Korrektur  konsequente Erziehung im gewählten Geschlecht  keine Aufklärung des Kindes

Kritik an der OGP  Überbetonung von (äußerlicher) geschlechtlicher Eindeutigkeit  Überschätzung der sozialen Formbarkeit von Geschlechtsidentität  Vernachlässigung der Schäden durch traumatisierende Operationen, Untersuchungen etc.  Vertrauensverlust des Kindes durch Bündnis Arzt-Eltern und Atmosphäre der Geheimhaltung

Selbsthilfegruppen

Politik des antizipierten Konsenses (PAK) (Kenneth Kipnis/Milton Diamond)  Moratorium für alle geschlechtskorrigierenden Eingriffe, die nicht vital indiziert sind  systematische Sammlung von Informationen über bisher durchgeführte Therapien, um das Risiko von Eingriffen besser einschätzen zu können  Eingriffe nur mit Einwilligung der Betroffenen

Probleme der PAK  Sie überschätzt möglicherweise die Problematik der frühen chirurgischen Eingriffe  Sie vernachlässigt das Wohlergehen des Kindes zugunsten des zukünftigen Erwachsenen  Sie ignoriert die Eltern-Kind-Beziehung und ihre Bedeutung für das Wohl des Kindes

Nutzen-Schaden-Bilanz Intersexualität Anatomische Korrektur Individueller Nutzen verbleibende Uneindeutigkeit Nutzen? Traumatisierung durch Behandlung Schaden Vertrauens- verlust Schaden Individuelles oder soziales Problem? Gerechtigkeit Alternative: Selbstbestimmung?

Ob etwas als Nutzen oder Schaden angesehen wird, hängt ab von…  der Definition der Krankheit  der Wahrnehmung der damit verbundenen Probleme  den Aufgaben der Medizin in der Gesellschaft  der Kompensationsfähigkeit der Familie/Gesellschaft  der Lebensgeschichte von Betroffenen

 AG Ethik und Intersexualität l Prof. Dr. Claudia Wiesemann l Dr. Susanne Ude-Koeller l Luise Müller M.A. im Netzwerk Intersexualität (Leitung: U. Thyen, O. Hiort) Förderinitiative „Seltene Erkrankungen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung