WuV-Kurs Sachenrecht II Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard)

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WuV-Kurs Sachenrecht II Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard)

Sachverhalt zu Fall 8 (Teil 1) Familienvater V ist schon lange daran interessiert, der Familie ein eigenes Motorboot zu kaufen. Dazu fehlen allerdings die notwendigen Mittel. Alsbald wird er sich aber mit dem Privatier P einig, der ihm ein jederzeit abrufbares Darlehen i.H.v € gewährt. Zur Sicherheit bestellt V dem P an einem der beiden Grundstücke der Familie eine Briefgrundschuld über €, welche im Grundbuch eingetragen wird. Auf Grund unerwarteter Probleme muss sich P bei der Bank B ebenfalls i.H.v € refinanzieren. Daher trat er dieser am formgerecht die Grundschuld ab. B war bekannt, dass es sich um eine Grundschuld zur Sicherung einer Forderung handelt; Einzelheiten waren ihr nicht bekannt. B wird im Grundbuch als Grundschuldinhaberin eingetragen. V hatte von dem Darlehen des P nur € in Anspruch genommen und € davon bereits im Dezember 2013 unter Hinweis der Zahlung auf die Grundschuld zurückgezahlt. Am zahlte V weitere € an P, wusste dabei von der Abtretung aber nichts. Am wird über das Vermögen des P das Insolvenzverfahren eröffnet. Als V nun alle Umstände erfährt, überweist er am weitere € unmittelbar an B. Hat B noch einen Anspruch gegen V?

Lösung zu Fall 8 A. Anspruch aus §§ 488 I 2, 398 BGB -Darlehensvertrag bestand zwischen P und V -der daraus resultierende Anspruch könnte nach § 398 BGB an B übertragen worden sein -aber: P und B haben sich nur über die Abtretung der Grundschuld geeinigt. Diese ist gerade nicht akzessorisch. Nach § 1192 BGB finden nur die Normen der Hypothek auf die Grundschuld Anwendung, die eine Akzessorietät gerade nicht voraussetzen. Folglich greift § 1153 II BGB für die Grundschuld nicht ein -kein Darlehensanspruch zwischen B und V B. Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 1192 I, 1147 BGB B könnte einen Duldungsanspruch aus einer Grundschuld haben. Dazu müsste B Inhaberin einer solchen sein; es dürfen zudem keine Einwendungen gegen die Inanspruchnahme bestehen.

Lösung zu Fall 8 I. B als Inhaberin einer Grundschuld -denkbar ist allenfalls ein Zweiterwerb von P an B -eine Grundschuld wird durch Abtretung derselben (§§ 398ff. BGB) übertragen 1. Einigung, §§ 413, 398 BGB - B und P haben sich bzgl. der Abtretung geeinigt 2. Formwirksamkeit der Abtretung, §§ 1192, 1154 BGB -laut Sachverhalt geschieht die Abtretung formgerecht (Schriftform und Briefübergabe)

Lösung zu Fall 8 3. Kein Abtretungsausschluss -V und B könnten allerdings einen Abtretungsausschluss vereinbart haben -ein expliziter Ausschluss ist nicht ersichtlich -allerdings ergibt sich ein solcher regelmäßig aus der Sicherungsabrede (§ 311 I BGB), auf der die Grundschuld basiert (vgl. auch Art. 247 § 9 I S. 2 EGBGB sowie § 309 Nr. 10 BGB) -aber: eine Ausschluss hat nur schuldrechtliche Wirkung, da § 137 BGB die dingliche Beschränkung einer Verfügungsbefugnis verbietet -selbst wenn eine dingliche Vinkulierung anerkannt würde, müsste sie im Grundbuch eingetragen werden, §§ 873, 877 BGB -ein dinglicher Abtretungsausschluss bestand mithin nicht 4. Berechtigung von P - P muss zur Abtretung seinerseits berechtigt gewesen sein. Dazu muss er Inhaber der Grundschuld gewesen sein (Ersterwerb)

Lösung zu Fall 8 a) Erwerb einer Grundschuld von V Es muss ein Ersterwerb stattgefunden haben aa) Einigung zwischen B und V, §§ 1191, 873 I BGB -liegt laut Sachverhalt vor bb) Eintragung, §§ 1192, 873 I, 1115 I Hs. 1 BGB -liegt ebenfalls vor cc) Briefübergabe, §§ 1192, 1117 BGB -der Grundschuldbrief wurde an P ebenfalls übergeben

Lösung zu Fall 8 dd) Berechtigung von V -V war als Eigentümer grds. auch zur Bestellung einer Grundschuld berechtigt, vgl. § 903 BGB. -Verfügungsbeschränkung nach § 1365 I BGB?: Die Norm findet nach heute herrschender und zutreffender Auffassung Anwendung (vgl. MüKo/Koch § 1365 Rn. 61 ff.) auf die Belastung mit Grundpfandrechten. Hier hat die Familie indes ein zweites Grundstück, weshalb es sich im Fall nicht um das Vermögen „im Ganzen“ handelt. -damit war V berechtigt ee) Ergebnis zu a) -P wurde Inhaber der Grundschuld

Lösung zu Fall 8 b) Verlust der Verfügungsberechtigung P könnte die Verfügungsberechtigung durch die Zahlung von V im Dezember 2013 wieder (teilweise) verloren haben: -die Zahlung folgte ausdrücklich auf die Grundschuld -im Ergebnis ist unstrittig, dass dabei eine Eigentümergrundschuld entsteht, nur der Weg ist strittig (analog §§ 1142, 1143 BGB/ analog § 1163 I 2/ analog §§ 1168, 1170, 1171). Letztlich kann dies aber wegen der Einigkeit im Ergebnis offenbleiben -i.H.v € ist also eine Eigentümergrundschuld entstanden cc) gutgläubiger Zweiterwerb -die Zahlung von V bzw. dessen Eigentümergrundschuld war aus dem Grundbuch jedoch nicht ersichtlich -Es könnte bzgl. dieser € daher ein gutgläubiger Zweiterwerb der B gem. §§ 1192 I, 1154, 1155, 892 BGB vorliegen

Lösung zu Fall 8 (1)Rechtsgeschäft i.S.e. Verkehrsgeschäfts, § 892 BGB: (+) (2) Unrichtigkeit des Grundschuldbriefes bzw. Grundbuchs -Grundbuch und Grundschuldbrief wiesen eine Grundschuld i.H.v € aus -i.H.v € entstand jedoch eine Eigentümergrundschuld (s.o.) -folglich war das Grundbuch unrichtig (3) Legimitation des P -somit erschien P legitimiert, eine Grundschuld i.H.v € zu übertragen (4) Kein Widerspruch -ein Widerspruch war weder im Grundbuch noch im Grundschuldbrief (§ 1140 S. 2 BGB) eingetragen

Lösung zu Fall 8 (5) Ergebnis zu cc) -i.H.v € lag somit ein gutgläubiger Zweiterwerb zugunsten der B vor 5. Ergebnis zu I. -B wurde damit Inhaberin einer Grundschuld i.H.v € II. Erlöschen der Grundschuld -diese könnte jedoch erloschen sein -dazu müsste eine Zahlung auf das dingliche Recht an den richtigen Gläubiger erfolgt sein 1. Zahlung vom V zahlte am in Unkenntnis der Abtretung € an P. Fraglich ist, ob dadurch die Grundschuld in derselben Höhe erloschen ist

Lösung zu Fall 8 a)§§ 1142, 1143 bzw I 2 BGB analog: greifen nicht, da V nicht an den Grundschuldgläubiger zahlte b) § 407 I BGB: greift ebenfalls nicht, da sie wegen §§ 1192 I, 1156 S. 1 BGB nicht gelten. c) §§ 893, 1155 BGB -der Anspruch aus der Grundschuld könnte aber nach §§ 893, 1155 BGB erloschen sein -allerdings war B bereits im Grundbuch als Inhaberin der Grundschuld eingetragen. Zudem war sie bereits im Besitz des Briefes (§ 1154 I 1 BGB) d) Ergebnis zu 1. -die Zahlung am führte demnach nicht zum Erlöschen des Anspruchs

Lösung zu Fall 8 2. Zahlung am jedenfalls die € am wurden an den korrekten Gläubiger gezahlt, sodass insofern eine Eigentümergrundschuld entstanden ist (s.o.). -somit reduzierte sich der dem Anspruch zugrunde liegende Betrag auf € III. Anspruch durchsetzbar -dem Anspruch aus §§ 1192 I, 1147 BGB könnten Einreden entgegenstehen

Lösung zu Fall 8 1. Nichtvalutierung i.H.v € a) Entstehen der Einrede als solcher gegen die Grundschuld -V hat € nie in Anspruch genommen -grds. handelt es sich dabei nur um eine Einrede aus dem Darlehensverhältnis -aber: trotz der Nichtakzessorietät kann diese auch im Hinblick auf die Grundschuld geltend gemacht werden. Die Einrede der Nichtvalutierung ist zugleich eine aus der Sicherungsabrede (§ 311 I BGB), sodass sich vereinbarte Sicherungszweck erledigt hat -demnach besteht für V eine Einrede, die i.S.v. § 1192 Ia S. 1 Hs. 1 Alt. 1 BGB bereits verwirklicht war und die er demnach auch B entgegenhalten kann

Lösung zu Fall 8 b) gutgläubig lastenfreier Erwerb -könnte die Grundschuld indes gutgläubig lastenfrei, also gerade ohne diese Einrede erworben haben -dies ist nach heutigem Recht wegen § 1192 Ia S. 1 Hs. 2 BGB nicht mehr möglich, da § 1157 S. 2 BGB insofern keine Anwendung mehr findet c) Ergebnis zu 1 -V kann B die Einrede der Nichtvalutierung entgegenhalten, § 1192 Ia I S. 1 Hs. 1 BGB 2. Erlöschen der Forderung i.H.v € -durch die Zahlung der € am ist jedenfalls die Darlehensforderung in dieser Höhe erloschen

Lösung zu Fall 8 -fraglich ist, ob V dies auch der B entgegenhalten kann -nach § 1192 Ia S. 1 Hs. 1 Alt. 2 BGB kann der Grundstückseigentümer nunmehr nicht nur Einreden aus dem Sicherungsvertrag entgegenhalten, deren Tatbestand im Zeitpunkt des Übergangs bereits erfüllt waren. Vielmehr sind alle Einreden beachtlich, die sich aus dem Sicherungsvertrag ergeben; d.h. es werden alle Einreden relevant, die im Zeitpunkt des Übergangs jedenfalls begründet waren -eine solche Einrede entsteht gerade, wenn die Forderung nach der Übertragung der Grundschuld (teilweise) getilgt wird, da die Tilgungswirkung i.S.v. § 362 I BGB unmittelbar eintritt. -demnach kann V sich auch i.H. dieser € auf ein Erlöschen berufen

Lösung zu Fall 8 3. Kündigung -B müsste zur Durchsetzung des Anspruchs die Grundschuld nach § 1193 BGB kündigen 4. Legitimationseinrede -V muss zudem nur gegen Vorlage des Grundschuldbriefes zahlen, §§ 1192, 1160 BGB IV. Ergebnis zu B. -B hat gegen V einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gem. §§ 1192 I, 1147 BGB i.H.v €, der allerdings nur in Höhe von € durchsetzbar ist (mit den Einschränkungen der §§ 1193, 1192, 1160 BGB)

Sachverhalt zu Fall 8 (Teil 2) A und B sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, welche früher beide A gehörten. Auf der Grundstücksgrenze steht eine Garage, die zum Grundstück von A gehört und sich zum Teil auf dem Grundstück von B befindet. A errichtete diese, als er noch Eigentümer beider Grundstücke war. Auch die Zufahrt, die die Garage auf geradem Weg mit der unmittelbar an der Vorderseite des Grundstücks von A verlaufenden Straße verbindet, liegt teilweise auf dem Grundstück von B. Zugunsten des Grundstücks von A ist eine Grunddienstbarkeit eingetragen, wonach „der Überbau“ zu dulden sei. Die Bewilligung und Eintragung der Dienstbarkeit erfolgten, nachdem der dem B vorangegangene Eigentümer X das Eigentum an dem dienenden Grundstück erworben hatten. Anlässlich dieser Bewilligung wurde ein Lageplan angefertigt, auf dem lediglich die auf beiden Grundstücken liegende Garage eingezeichnet ist. Nicht zu erkennen ist auf dem Plan hingegen, dass ein Anfahren der Garage ebenfalls nur unter teilweiser Benutzung des Grundstücks von B möglich ist.

Sachverhalt Auf Grund eines neu verlegten Rasens verbot B dem A, die Garagenzufahrt wie bisher zu befahren. A solle das Grundstück von B überhaupt nicht mehr befahren, hilfsweise sollten sie eine möglichst lange Strecke auf ihrem Grundstück zurücklegen und erst auf den letzten Metern in einer engen Kurve über das Grundstück von B in die Garage fahren. Den Zugang zu Fuß gestatte B hingegen, worin A eine unzulässige Schikane zu erkennen meint. Hat A einen Anspruch auf Duldung der Nutzung des Teils der Zufahrt, die auf dem Grundstück von B liegt?

Lösung zu Fall 8 A. Anspruch auf Duldung gem. §§ 1027, 1004 BGB - A könnte einen Anspruch auf Duldung der Nutzung gem. §§ 1027, 1004 BGB haben I.B als Eigentümer - B ist Eigentümer des möglicherweise dienenden Grundstücks II. Grunddienstbarkeit -fraglich ist, ob an dem Grundstück des B zugunsten des Grundstücks von A eine Grunddienstbarkeit besteht - Abgrenzung: Es gibt drei Arten von Nutzungsrechten: Nießbrauch, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten und Grunddienstbarkeiten. Dienstbarkeiten können nur an Grundstücken, Nießbrauch hingegen an allen Sachen begründet werden. Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff.): Steht dem Berechtigten nicht als Person, sondern als (jeweiliger) Eigentümer des (Nachbar-)Grundstücks zu. Es ist ein subjektiv-dingliches Recht. Beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 ff.): Dies ist ein subjektiv-persönliches Recht, weil es der Person direkt zusteht.

Lösung zu Fall 8 1. Wirksame Bestellung einer Grunddienstbarkeit - die Grunddienstbarkeit müsste zunächst wirksam bestellt worden sein a) Einigung, §§ 873 I, 1018 BGB - A und X hatten sich einst auf die Bestellung einer Grunddienstbarkeit geeinigt b) Eintragung, § 873 I BGB - diese wurde im Grundbuch auch eingetragen - Anhaltspunkte für formelle Fehler sind nicht ersichtlich c) Berechtigung von X - X war als damaliger Eigentümer auch zur Bestellung berechtigt, § 903 BGB

Lösung zu Fall 8 2. Eigentumsübertragung am Grundstück - die Eigentumsübertragung von X auf B könnte an dem Bestehen der Grunddienstbarkeit jedoch etwas geändert haben - allerdings bezieht sich eine Grunddienstbarkeit immer auf das Grundstück, nicht auf dessen Eigentümer - folglich besteht die Dienstbarkeit auch nach dem Eigentümerwechsel fort 3. Inhalt der Grunddienstbarkeit - problematisch könnte indes sein, ob die Dienstbarkeit überhaupt die Zufahrt erfasst (§ 1018 Var. 1) - denkbar wäre es auch, dass allein die Duldung des Garagenüberbaus erfasst ist (§ 1018 Var. 3) - Inhalt und Umfang einer Grunddienstbarkeit bestimmen sich durch eine Auslegung der Eintragungsbewilligung bzw. der diesbezüglichen Urkunde, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt

Lösung zu Fall 8 - der Wortlaut der Eintragung bezieht sich indes allein auf die Duldung eines Überbaus - dies ist auch ausreichend für eine Grunddienstbarkeit: –die Duldung eines Überbaus kann nach § 1018 Var. 3 BGB Inhalt einer Dienstbarkeit sein –wenngleich die gesetzliche Pflicht zur Duldung eines Überaus iSv § 912 I BGB keine Einigung iSv § 873 BGB ist und daher nicht alleinige Grundlage für eine Dienstbarkeit sein kann, ergibt sich wie hier anderes, wenn nach einem Eigengrenzüberbau unklar ist, welches das Stammgrundstück und welches überbaute Grundstück ist. Somit kann sich die Grunddienstbarkeit hier allein auf die Duldung beziehen –anderes ergibt sich auch nicht aus dem Lageplan: Dieser sieht auch nur die Garage, nicht aber die Zufahrt vor –andere außerhalb der Eintragungsbewilligungsurkunde liegende Umstände können nur dann zur Auslegung herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind –solche Umstände sind hier nicht ersichtlich

Lösung zu Fall 8 - Somit stellt sich die Dienstbarkeit allein als solche zur Duldung des Überbaus dar II. Ergebnis zu - A hat aus §§ 1027, 1004 BGB keinen Anspruch auf Duldung der Zufahrt B. Anspruch aus § 912 I BGB - ein solcher Anspruch könnte sich aber aus § 912 I BGB ergeben I. Anwendbarkeit der Norm - dazu müsste die Norm neben einer per Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragenen Duldung eines Überbaus anwendbar bleiben - dies ist der Fall, da der mit § 912 I BGB teleologisch bezweckte Schutz des Stammgrundstücks schon grundsätzlich nicht deshalb verkürzt werden dürfen, weil zur Klarstellung und Vermeidung künftiger Streitigkeiten eine Grunddienstbarkeit bestellt wurde

Lösung zu Fall 8 - auch in Fällen, in denen ein Eigengrenzüberbau (hier durch A) stattgefunden hat, ergibt sich nichts anderes, da die ursprünglich ruhenden Duldungspflichten mit der Übertragung eines Grundstückanteils aufleben - § 912 I BGB ist daher grds. anwendbar II. Voraussetzungen von § 912 I BGB - die Zufahrt müsste sich selbst als Teil des Überbaus iSv § 912 I BGB oder jedenfalls als zweckentsprechende Nutzung des Garagenüberbaus darstellen 1. Zufahrt als Überbau - die Zufahrt könnte einen Teil des Überbaus ausmachen - indes ist die Zufahrt selbst kein Bauwerk - daher könnte sie nur dann einen Teil des Überbaus sein, wenn sie wesentlicher Bestandteil der Garage iSv §§ 93, 94 BGB ist

Lösung zu Fall 8 - allerdings ist die Zufahrt zu einem Gebäude regelmäßig nicht wesentlicher Bestandteil des Bauwerks, sondern des nicht bebauten Teils des Nachbargrundstücks - daher ist die Zufahrt selbst kein Teil des Überbaus 2. Zweckentsprechende Nutzung - die Zufahrt könnte aber eine zweckentsprechende Nutzung der Garage darstellen - streitig ist indes, ob sich die Duldungspflicht nach § 912 I BGB überhaupt auf solche Nutzungen bezieht - nach eA erfasst die gesetzliche Duldungspflicht auch sogenannte Funktionsflächen –andernfalls sei die Duldung des Überbaus funktions- und wertlos

Lösung zu Fall 8 -nach aA bezieht sich die Duldungspflicht allein auf den Überbau als solchen –dafür spricht der Wortlaut von § 912 I BGB –auch teleologisch ergibt sich nichts anderes: § 912 BGB soll vor allem vor der Zerschlagung wirtschaftlicher Werte schützen. Der Erhalt des Garagengebäudes als solches wird aber auch dann erreicht, wenn allein der Überbau geduldet wird –eine tatsächliche sinnvolle Nutzungsmöglichkeit des Überbaus ist vom Telos des § 912 I BGB nicht gedeckt - Stellungnahme: –die besseren Argumente sprechen für die zweite Ansicht –insb. bleibt systematisch § 917 BGB zu erkennen. Der Eigentümer eines Grundstücks hat das Betreten desselben nur unter ganz engen Voraussetzungen zu dulden –dann kann allein der Umstand, dass über die Grenze gebaut wurde, den Eigentümer nicht schlechter stellen –daher erfasst § 912 I BGB nicht auch die zweckentsprechende Nutzung des Überbaus

Lösung zu Fall 8 III. Ergebnis zu B. - ein Anspruch auf Duldung aus § 912 I BGB besteht nicht C. Anspruch aus § 917 I 1 BGB - ein solcher könnte sich jedoch aus § 917 I 1 BGB ergeben - dazu muss die Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlen - allerdings grenzt das Grundstück von A an einer Seite gerade an die öffentliche Straße - damit ist das Grundstück von A erreichbar - ein weitergehender Anschluss hinsichtlich der Garage ist über § 917 I 1 BGB nicht zu dulden, da die Schwere des Eingriffs für B die Aspekte der „Bequemlichkeit und auch Zweckmäßigkeit“ für A überwiegt -ein Anspruch aus § 917 I 1 BGB besteht somit nicht

Lösung zu Fall 8 D. Anspruch aus § 242 BGB iVm den Grundsätzen über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis - ein Anspruch könnte sich jedoch aus § 242 BGB iVm den Grundsätzen über das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ergeben I. Bestehen des Gemeinschaftsverhältnisses - A und B sind Grundstücksnachbarn; zwischen ihnen besteht folglich ein nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis II. Resultierende Pflichten - daraus resultieren grds. Rücksichtnahmepflichten - indes unterliegt das Institut einer Subsidiarität und darf insb. nicht dazu führen, dass nachbarschaftliche gesetzliche Regelungen ins Gegenteil verkehrt werden

Lösung zu Fall 8 - so verhielte es sich aber hier, da andernfalls die oben genannten Wertung von § 917 I 1 BGB unterlaufen würde - insofern stellt § 917 I 1 BGB für gesetzliche Wegerechte eine abschließende Regelung dar III. Bisherige Nutzung - etwas anderes könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass A die Zufahrt gegenüber X nutzen durfte - allerdings hat dies keine Zukunftswirkungen, da jeder Eigentümer nach § 903 BGB selbst über die Nutzung seines Grundstücks entscheiden kann IV. Schikaneverbot - allenfalls könnte es gegen das Schikaneverbot (vgl. § 226 BGB) verstoßen, dass B den A zwar den Zugang zu Fuß, aber nicht die Zufahrt mit dem Auto gewährt

Lösung zu Fall 8 - allerdings bleibt zu sehen, dass B unter der Wertung von § 917 I 1 BGB sogar jede Fremdnutzung seines Grundstücks untersagen könnte - daher kann ihm Schikane kaum vorgeworfen werden V. Ergebnis zu D. -daher hat A auch aus § 242 BGB iVm den Grundsätzen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses keinen Anspruch auf Duldung E. Ergebnis zu Fall 9 -A hat keinerlei Anspruch auf Duldung der Zufahrt mit seinem PKW.

Lösung zu Fall 8 Weiterführende Hinweise: Der Fall entstammt „Neuner – Examinatorium Sachenrecht“. Diesem ist auch die Rechtslage vor der Kodifikation von § 1192 Ia BGB zu entnehmen. Siehe ferner Weller, JuS 2010, 447 ff. Die Abwandlung entstammt BGH NJW 2014, 311. Zum nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und insgesamt zur Anwendung schuldrechtlicher Regeln im Sachenrecht: Lieder JuS 2011, 874 ff.