Was ist Sozialpsychologie? Und was nicht? Henrik Singmann
Organisatorisches Meine Sprechzeiten: nach Vereinbarung/einfach vorbeischauen Teilnahme & Schein Hausarbeit: deutsch oder englisch Fehler bei Literatur hinweisen letztes Seminar in diesem Jahr??? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 22
Worum geht es in diesem Seminar Was ist Sozialpsychologie? -Die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben von Menschen in sozialen Situationen. -Die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben von Menschen die sich sozialem Einfluss ausgesetzt fühlen. Grundfrage: Wie interpretiert/ konstruiert das Individuum seine Umwelt und was folgt daraus? -Beispiel: Suizid, Alkoholkonsum bei Jugendlichen, Heiraten Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 23 Soziologie Beschäftigt sich mir generellen Gesetzmäßigkeiten und Theorien die für Gesellschaften gelten und nicht für das Individuum Sozialpsychologie Untersucht die psychischen Prozesse, die Menschen gemeinsam sind und die sie für sozialen Einfluss empfänglich machen Persönlichkeitspsychologie/ Differentielle Psychologie Untersucht die Charakteristiken, die den Einzelnen von anderen unterscheiden und ihn einzigartig machen
Was will empirische Wissenschaft? Empirie - von griechisch empeiria: Erfahrung, Erfahrungswissen Ziel: "Dass ich erkenne, was die Welt - Im Innersten zusammenhält." - Faust I, Vers 382 f. / Faust, Goethe Regularien oder kausale Zusammenhänge zwischen Objekten und Sachverhalten der Welt entdecken. Wichtigste Bausteine: Erhebung von Daten im Feld (z.B. Beobachtung) oder Labor (z.B. Experiment) Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 24
Purity Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 25
Was ist Wissenschaft I: Gemeinsame Werte Akkuratheit – sorgfältiges, präzises sammeln von Informationen/Daten Objektivität – so neutral und unvoreingenommen wie möglich gesammelte Informationen bewerten Skeptizismus – nur replizierten Ergebnissen trauen Open-Mindedness – durch überzeugende Evidenz seine Einstellung/Sichtweise ändern lassen Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 26
Was ist Wissenschaft I: Gemeinsame Werte Akkuratheit – sorgfältiges, präzises sammeln von Informationen/Daten Objektivität – so neutral und unvoreingenommen wie möglich gesammelte Informationen bewerten Skeptizismus – nur replizierten Ergebnissen trauen Open-Mindedness – durch überzeugende Evidenz seine Einstellung/Sichtweise ändern lassen Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 27 Max Planck, "Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, daß ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, daß ihre Gegner allmählich aussterben und daß die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist."
Was ist Wissenschaft II: Wissenschaftliche Methode – Das Problem Induktionsproblem: Aus einer Reihe Einzelbeobachtungen ein allgemeines Gesetz machen ist unmöglich. Beispiele: Geht die Sonne morgen auf? Sind alle Schwäne weiß? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 28 Karl Popper, „ Man kann nicht mehr wissen, als man weiß.“
Was ist Wissenschaft II: Wissenschaftliche Methode – Eine Lösung: Falsifikationsismus Wissenschaftliche Theorien müssen nicht belegbar, sondern widerlegbar (falsifizierbar) sein können, d.h. wissenschaftliche Theorien müssen an der Empirie scheitern können. Vorgehen: Aus Theorie folgt eine empirische Vorhersage. Es wird überprüft ob diese Eintritt. Wenn nicht, ist die Theorie gescheitert. Aber: Theorien können nicht bewiesen werden. Beispiel: Situation ist entscheidend Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 29 Schema: Theorie → Vorhersage Vorhersage ist falsch Theorie ist falsch
Duhem-Quine-These Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 210 Willard Van Orman Quine Idealisiertes Schema: Theorie → Vorhersage Vorhersage ist falsch Theorie ist falsch Tatsächliches Schema: (Theorie + Operationalisierungen + Hilfsannahmen) → Vorhersage Vorhersage ist falsch (Theorie oder Operationalisierungen oder Hilfsannahmen) ist falsch
Die sozialpsychologische Sicht I.d.R. gilt: Die (soziale) Situation ist der entscheidende Faktor der Erleben und Verhalten beeinflusst. Nicht die Persönlichkeit, nicht die Gesellschaft. Beispiel: Situation versus Persönlichkeit 48 ausgewählte Studierende (besonders kooperativ oder kompetitiv) Prisoner‘s Dilemma Game „Wall-Street-Game“ versus „Community- Game“ Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 111
Situation versus Persönlichkeit Liberman, V., Samuels, S., & Ross, L., (2004). The name of the game: Predictive power of reputation vs. situational labels in determining prisoner’s dilemma game moves. Personality and Social Psychology Bulletin, 30: Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 112
Kurze Verschnaufpause Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 213
Sozialpsychologie versus „gesunder Menschenverstand“ I Wissenschaftliche (empirische) Psychologie kann zwischen konkurrierendem „Wissen“ entscheiden: -Gegensätze ziehen sich an? -Gleich und gleich gesellt sich gern? -Vier Augen sehen mehr als zwei? -Viele Köche verderben den Brei? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 214
Beispiele für psychologisches Wissen Wenn Personen eine Lüge für eine Belohnung erzählen, wann glauben sie eher an die Lüge, bei einer kleinen oder bei einer großen Belohnung? -Bei einer kleinen. Dissonanzreduktion: Theorie der kognitiven Dissonanz, Festinger. Personen für das Ausführen einer spannenden und angenehmen Aufgabe zu Belohnen führt dazu, dass Sie diese Aufgabe langfristig lieber machen. -Falsch. Einfluss externer Belohnung auf intrinsische Motivation, z.B. Deci & Ryan Personen die einen große Bitte ausgeschlagen haben, sind dann eher geneigt einer kleinen Bitte nachzukommen. -Korrekt. Door-in-the-face Taktik, Cialdini Personen die einer kleinen Bitte nachkommen, sind Sie dann eher geneigt einer großen Bitte nachzukommen. -Korrekt. Foot-in-the-door Taktik, Cialdini Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 215
Sozialpsychologie versus „gesunder Menschenverstand“ II Der Rückschaufehler (hindsight bias): Wenn wir einmal etwas bestimmtes Wissen, glauben wir, dass wir eh so gedacht hätten. Retrospektiv wirken die meisten Erkenntnisse nicht überraschend. „I-knew-it-all-along“ Phänomen Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 216
Betrachtungsebenen i.d. Sozialpsychologie Verhalten & Eigenschaften anderer Personen -Schöne Menschen (z.B. sehr symmetrische Menschen) werden positiver wahrgenommen und es wird auch positiver auf sie zugegangen. (Langlois, et al. 2000) Kognitive Prozesse Umweltvariablen -Bei Sonne sind Menschen zufriedener mit Ihrem Leben als bei Regen, außer Sie können Stimmung mit dem Wetter erklären. (Schwarz & Clore, 1983) Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 217
FAE Allerdings neigen Menschen dazu diesen Einfluss der Situation zu ignorieren Beispiel (Jones & Harris, 1967): -Sie lesen einen Aufsatz eines anderen Studierenden über Fidel Castro. -Der Aufsatz ist entweder pro oder contra Fidel Castro. -Ihnen wird mitgeteilt, dass der Autor entweder freiwillig eine bestimmte Position gewählt hat oder dass ihm aufgetragen wurde eine bestimmte Position zu beziehen. -Was ist die wahre Meinung des Aufsatzsatzschreibenden? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 118
Jones & Harris (1967), Experiment 1 Skala reicht von 10 (extrem anti-Castro) bis 70 (extrem pro-Castro) Paradoxer Effekt: Obwohl bekannt ist, dass der Text unter situationalem Einfluss entstanden ist, wird trotzdem eine entsprechende Persönlichkeit vermutet. Fundamentaler Attributionsfehler: FAE Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 119
Jones & Harris (1967), Experiment 2 Zusätzliche Bedingungen: Zuerst selbst einen Aufsatz schreiben (ohne Wahl) und anschließend Einstellung bewerten. Zusätzlicher Aufsatz mit ambivalenter Richtung Präsentationstitel20
Betrachtungsebenen i.d. Sozialpsychologie Kultureller Kontext -Kulturelle Überzeugungen und Werte verändern sich mit der Zeit. z.B. die Einstellung gegenüber Scheidungen -Kulturelle Unterschiede zwischen Kulturen. Wenig Kontakt zu seinen Eltern zu haben ist akzeptierter in westlichen Kulturen Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 221
Biologische Faktoren Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 222
Wodurch zeichnet sich (wissenschaftliche) Sozialpsychologie aus? Durch die wissenschaftliche Herangehensweise: Benutzen bestimmter empirischer Methoden (Daten!) Durch die Themen: Verhalten und Erleben von Menschen unter dem Einfluss anderer Menschen (anwesend oder nicht) Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 223
Was ist (wissenschaftliche) Psychologie NICHT? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 224 Intuitive Psychologie
Kognitionen & Verhalten Herbst, et al. (2003): actual versus ideal self 1.Sich selbst bewerten auf 30 Dimensionen (z.B.: gesprächig – zurückhaltend) bewerten: Selbstbild und gewünschtes Selbstbild 2.1 Woche später: Schlüsseldimension pro VP gewählt. Anschließend Interaktionspartner vorgestellt der auf dieser Dimension variiert. „Wie gerne mögen Sie diese Person?“ (Skala von 1 bis 13) Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 225 MW Anziehung:
Social Neuroscience Ist Klassifizierung nach Hautfarbe oder Geschlecht schneller? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 226 Hautfarbe Geschlecht Ito & Urland, 2003
Implizite (unbewusste) Prozesse Später… Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 227
Für nächste Woche Lesen TB1: Kapitel Versuchen zu verstehen: Was macht ein Experiment aus Ein Experiment überlegen zur Beantwortung einer (trivialen) sozialpsychologischen Frage (schriftlich, max. 1 Seite, Stichpunkte erlaubt). -Was ist die Forschungsfrage? -Was sind meine Hypothesen? -Wie ist meine Operationalisierung? -Was sind die abhängigen, was die unabhängigen Variablen? Sozialpsychologie – Henrik Singmann – WiSe 2010/2011 – Session 228