Martin Buber
Martin Buber ( ) * Wien 1881 der Trennung seiner Eltern – ab dem 4. Lebensjahr im galizischen Lemberg (Lviv, Ukraine) bei seinem Großvater Salomon Buber: Sammler der chassidischen Tradition des osteuropäischen Judentums Studium: Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte, Psychiatrie und Psychologie in Wien, Leipzig, Zürich und Berlin Zionist, Theodor Herzl 1901 Die Welt (zionistische Wochenschrift) 1916 Der Jude (Magazin) Dozent für Jüdische Religionslehre und Ethik Universität Frankfurt am Main Flucht aus Dtl nach Jerusalem 1951 Hebräische Universität: Anthropologie und Soziologie + Jerusalem
Werke Ich und Du (1923): Ich- Konstitution aus der Anrede Gottes Eigenständiger Religionsbegriff (Spontanität, Relativierung von Kult und Gesetz) Phil: Dialog als meta- ethisches Prinzip; das Du bestätigt das Ich in seinen Einsichten, in seiner Ethik Hebr. Humanismus Zwei Glaubensweisen (1949) Die enuma: Vertrauen Pistis durch Paulus: Glauben an die Göttlichkeit Christi „Jesus, mein Bruder“
Mystik und Gemeinschaft 1909 Ekstatische Konfessionen: Erlebnismystik: Wahrnehmung einer ursprünglichen Einheit mit allem. Aus dieser Einheitsmystik folgt eine Suche nach Gemeinschaft auf der Basis von Erlebnissen, nicht von Regeln, Erkenntnissen. Das Erkennen ist zu dieser Einheitsschau nicht in der Lage. Kulturzionismus Zeitschrift Der Jude Interesse für Chassidismus: unmittelbares religiöses Erlebnis. Die Geschichten des Rabbi Nachman Die Legenden des Baal Schem 1. Weltkrieg = ein Gemeinschaftserlebnis, Opferbereitschaf t der Deutschen, an der die Juden teilhaben, fördern. Überwindung von Vorurteilen gegen die Juden durch Kriegsteilnahme.
Engagement für das jüdische Leben Enttäuschung über den Krieg. Notwendigkeit einer neuen Gesellschaft, deren Grundlage = Ich und Du. Zusammentreffen mit Rosenzweig: Tätigkeit am Jüdischen Lehrhaus und an der Uni Frankfurt bis Verdeutschung der Hebr. Bibel Interrelig. Zeitschrift Kreatur Aufbau des Jüd. Leben noch bis 1938 Übersiedlung nach Palästina Goethe-Preis Hamburg 1953 Friedenspreis des dt. Buchhandels 1963 Erasmuspreis
Grundintuitionen Chassidismus und Einheit Einheit Gottes, der Welt. Selbstbeschränkung Gottes zugunsten der Schöpfung und Beziehung zu ihr. Schekina Unmittelbare, unableitbare, unbeweisbare Gotteserfahrungs als Ausgangspunkt. Ablehnung der „Religion“ und des „Rabbinismus“ als Regelwerk Erlösung durch Mitwirkung Gottes, auch als Erlösung Gottes. Erlösung = Schaffung der Einheit von allem mit allem. Offenbarung als immerwährende Präsenz Gottes Geschichte: Annäherung an das Reich Gottes als Beziehung von Ich und Du.
Ich und Du (1923) Vorgänger: Ludwig Feuerbach: Ich und Du sind Gott. Hermann Cohen: Korrelation Franz Rosenzweig: Sprechdenken; durch Ansprache zum Denken. Vor allem: Voraussetzungen im Werk Bubers selbst….
Lebensphilosophie Wilhelm Dilthey ( ): Einleitung in die Geisteswissenschaften (1883) Gegenüber Idealismus und Naturwissenschaften wird die Wirklichkeit als das Leben selbst verstanden. Das Leben wird hell im Erleben: von hier aus ist Geisteswissenschaft hermeneutisch zu betreiben.
Leben, erlebte Wirklichkeit Dissertation: Beiträge zur Geschichte des Individuationsprozesses, Thema der Einheit und Vielheit im Blick auf seine geschichtliche Gestalt: als Einheit des Lebens. Leben als das Diesseitige, Eine in Differenz, vor jeder Subjekt-Objekt-Trennung (vgl. frühe Hegel) Wirklichkeit als intensiver erlebte, als entfremdete. Die entfremdete Wirklichkeit ist die zwecks Orientierung in zeitlosen Gesetzen festgehaltene, es ist eine abstrakte Form der Wirklichkeit, die zu einem Toten werden kann. Abendländische Orientierung als Bescheidwissen durch Abstraktion, durch ein entwirklichendes Denken = griechisches Denken – im Gegensatz zum jüdischen „wirklichen“ Denken.
All-Einsamkeit und Freiheit Einheit als All-Einsamkeit: alles einschließend, grenzenlos, sich von nichts unterscheidend = Religiosität. In der Unbegrenztheit liegt Unabhängigkeit, daher Selbstbindung und höchste Freiheit – und deren Gefährdung durch Verzweiflung aufgrund von Haltlosigkeit.
Weltkonstitution Im unbegrenzten all-einsamen Selbst konstituiert sich die Welt mit ihren Möglichkeiten, ihrer Vielheit. Das Selbst entlässt die Welt aus, ist Wille, Richtung und Sinngebung als Gelichtetheit der Welt. Das Selbst konstituiert die Welt in ihrer Zeitlichkeit (nicht zuerst in ihrer Extension). Diese Weltkonstitution ist zugleich leer, sie lässt alles sein, um alles zu empfangen.
Das diesseitig Göttliche Die wirkliche Einheit der Welt wird durch die Tat konstituiert, nicht durch Denken oder stoische Indifferenz. In der Tat ist das Ich das Unbedingte: es rührt daher an das Göttliche. Wir schaffen Gott als je neue unbedingte Einheit der Kräfte, der Wirklichkeit. Gott und Religiosität werde dezidiert diesseitig gedacht (Feuerbach, Nietzsche: keine Hinterwelten). Im Mythos wird diese Göttlichkeit des Wirklichen dargestellt.
Spannung zwischen subjekttheoretischem Ansatz und betonter Gemeinschaftlichkeit Die Wirklichkeitskonstitution durch das Selbst ist gemeinschaftlich. Individuum = Metapher unseres Selbstbewusstseins. Entscheidend ist das Zwischenmenschliche, es ist die Wirklichkeit, die über den Einzelnen hinausgeht. Dennoch gibt Buber eine vom Selbst gedachte Wirklichkeitskonstitution nicht auf, die sich nicht mit der Idee des Zwischenmenschlichen vermitteln lässt.
Übergang zum Dialogischen Denken Offene Probleme: All-Einsamkeit und die Andersheit des Anderen Geschichtlichkeit – nicht nur als Abfolge von Gegenwärtigkeiten Das Wir des (auserwählten) Volkes Transzendenz Gottes
Ich-Du Bestreitung einer egologischen Anthropologie. Theol. Prämisse: Das menschliche Ich empfängt sich in der Ansprache durch das göttliche Du. Dialogische Philosophie: Ich – Du Ich – Es: Verobjektivierung des Anderen - geschieht aus Sachzwängen heraus; - Enthumanisierung Verdinglichung Gottes: „Spräche ich über Gott, wäre ich zum Atheist geworden, aber ich spreche mit ihm.“
„Die Welt ist dem Menschen…“ = Rahmenformel, in die Bubers dialogisches Werk einzutragen ist. Es gibt keine Welt an sich, unabhängig vom Menschen. Die Welt ist dem Mensch ein zweifacher Weise gegeben: in der Weise der Begegnung / Beziehung und in der Weise der Erfahrung
Ich-Du Begegnung / Beziehung Ich begegnet dem Du in der Unableitbarkeit der Freiheit, Du ist kein Naturwesen, sondern ein Selbst. Ich-Sagen schließt das Du mit ein. Wesens-Aussage Gefahr die Ich-Du-Relation zu versachlichen, zu einer Ich-Es- Beziehung herabzusetzen. Erfahrung Ich – Es Objekt Nicht-Wesentliches Sprechen
Hintergrund: Kant u. das Problem der Erfahrung Ich-Es-Welt – ihr wird der Terminus der Erfahrung zu geordnet. S. 9. Die Welt-Erfahrung liegt nur im Subjekt. Dennoch: Buber zielt auf den Gedanken, dass wir mit dem anderen Ding umgehen, es uns begegnet, ohne dass wir es begreifen können. Begegnung geht über Erfahrung im Kantschen Sinn hinaus: das Begegnende lässt sich nicht durch eigene Kategorien einordnet, erfassen, es bleibt transzendent.
Unmittelbarkeit und Gegenwart der Begegnung Keine Mittel zwischen Ich und Du (Begriffe, Gier, Zwecke….) Unterscheidung in aller Weltwahrnehmung ist die Differenz zwischen Gegenwart und Gegenstand (=Vergangenheit) Nur durch das Du entsteht Gegenwart. Das gegenständliche Es ist Gewesenes, Vergangenes. Gegenstand = Stillstand, Beziehungslosigkeit
Kein Drittes, aber ein Zwischen, Geschehen der All-Gegenseitigkeit Keine Ideenwelt Kein Sollen Keine Es-Menschheit Dennoch passiert etwas im Zwischen: ein Wirken am Gegenüber - Kunst: Gestalt wird zum Werk - Liebe, Verantwortung - Kreaturen, „Magie des Lebens“ - gegenseitiges Aufeinandereinwirken der Menschen (Lehrer – Schüler, Eltern – Kinder; Werke, Tiere…)
Vergegenständlichung des Menschen Jede Begegnung tendiert jedoch zur Vergegenständlichung, zur Einordnung des Anderen. Aus dieser Vergegenständlichung ist jedoch die Rückkehr in die Begegnungsebene möglich.
Am Anfang ist die Beziehung Hinweise zu Sprachen mit Beziehungsangaben Gelebte Beziehungen als ursprüngliche Formen der Wahrnehmung. Orendismus: unpersönliche Mächte bestimmen das Leben, werden religiös verehrt (Amulette, Symbole der Kraft: Krallen, Leopardenhaut…): diese Mächte wirken immer; alles Wirkliche ist Wirkung in Beziehung. Erst allmählich tritt in diesem Beziehungsgeflecht das Ich hervor: über den Leib, der sich von allen Beziehungen abhebt. Vgl. Kind (allwissend) ineiner Du-Welt: es spricht mit dem Teekessel = „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ Der Mensch lebt in der Duwelt, in der Eswelt; beide Welten sind unverzichtbar.
Zweiter Teil: Ich – Du - Zwischen Sein als Zwischen Ich und Du. Michael Theunissen: Ich und Du haben im Zwischen ihr Herkunft. Ich und Du bringt das Eine Wirkliche Leben zur Sprache, die reine unbegrenzte Gegenwart. Die Wirklichkeit ist nie für sich, sondern nur als Beziehungsgeschehen da. „Die Welt ist dem Menschen…“ in seiner Bezogenheit. Ich und Du wird als unableitbare Konstellation betrachtet, als reine Gegenwärtigkeit.
Ich-Identität durch Teilhabe Der Begegnungscharakter impliziert, dass das Sein nur durch Teilhabe an der Begegnung erlebt wird, als gewährte Teilnahme. Dadurch gewinnt sich erst das Ich.
Teilhabe u. Ontologie des Zwischen Participatio: Seinsteilhabe, Teilhabe am Guten Buber: Kein Ähnlichkeitsverhältnis; keine Zweiheit auf Eines hin. Bubers Teilhabeverständnis zielt auf ein Sein, das menschlich-geschichtlich gedacht wird.
Intentionalität und Zwischen Ich-Du wird zuerst vom Ich aus gedacht, nach dem Schema der Intentionalität. Dabei ergibt sich die Gefahr, Ich-Du und Ich-Es als bloße Alternative zu verstehen; beide Verhältnisse können ineinander übergehen. Vgl. Baumbeispiel. Das Zwischen wird negativ beschrieben: als Auflösung der strengen Intentionalität, da die Begegnung aktiv und passiv ist, ein Zugleich.
Dritter Teil: Ich – Du - Gott „Die verlängerten Linien der Beziehung schneiden sich im ewigen Du.“ Jedes Du als Durchblick zu Gott. Ich – Du – als Weg zu Gott, er ist absolute Person, nie verobjektivierbar. Gefahr der Theologie: Gott als Es, Gegenstand. „Spräche ich über Gott, so wäre ich Atheist geworden, aber ich spreche mit ihm.“ Offenbarung als Sendung, nicht Legitimation, sich mit Gott sachhaft zu beschäftigen „Rückbiegung“.
Ich – Du – Gott – Bibel, Religion Verdeutschung der Schrift: Festhalten des Erlebnisses, von Gott angesprochen zu werden. Der Einigung der Völker dient das Christentum; das Judentum gehört schon zu Gott, in dem es ihm sein Herz zu wendet. Vertrauensglaube - Emuna - und Dogmenbezogener Glaube – Pistis. Gott in Auschwitz? Eklipse: Es zwischen Mensch und Gott
Anfragen bzgl. der Inhaltlichkeit der Beziehungen, der geforderten Tat. Notwendigkeit der Instruktion, damit ein Gebet ein jüdisches Gebet sein kann. Ahistorisierung des Judentums durch die These von der Gegenwärtigkeit der Erlösung, die der Einzelne in Gestalt der Vereinigung realisiert. Suspension des Messianischen. Einseitigkeit des Ich-Du-Verhältnisses: Wir, Ihr? Vereinseitigende Gegenüberstellung von Emuna und Pistis.