Podiumsdiskussion ver.di am 24. Februar 2016 in Berlin

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Podiumsdiskussion ver.di am 24. Februar 2016 in Berlin Prof. Dr. Stefan Greß Prof. Dr. Klaus Stegmüller Gesetzliche Personalbemessung in der stationären Altenpflege Podiumsdiskussion ver.di am 24. Februar 2016 in Berlin

Pflegebedürftigkeit und Pflegebedarf Dramatische Veränderungen im Pflegebedarf Absinken der Verweildauern als genereller Trend Zeitpunkt des Einzugs in stationäre Einrichtungen in höhere Lebensjahre verschoben Zunahme der Kurzzeitpflege mit hohem Betreuungs-bedarf (häufig direkt aus Akutversorgung und häufig ohne adäquate Vergütung, weil noch ohne Pflegestufe) Zunehmende Pflegebedürftigkeit in den letzten Lebensmonaten Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Personalausstattung Anstieg Beschäftigte in Vollzeitäquivalenten im Zeitraum von 2003 bis 2013: 24 Prozent Leichter Rückgang der Fachkraftquote Moderate Verschlechterung der Betreuungsrelation 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Betreuungsrelation 2,37 2,39 2,41 2,40 2,46 Quelle: Greß/Stegmüller 2016 Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Folgen für die Beschäftigten Aggregierte Daten deuten auf steigende Belastungen und Gefahren für die Pflegequalität hin Hohe Fluktuationsraten Hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen Gesättigte Empirie zum Zusammenhang von Arbeitsbedingungen und Burnout Hoher Anspruch an die eigene Tätigkeit nicht realisierbar Geringe gesellschaftliche Wertschätzung drückt sich auch durch schlechte Vergütung aus Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Gesetzliche Personalbemessung in den USA Charakter Relation Fachkraftquote USA Status Quo 1:2,1 39 % Hartford-Kommission Empfehlung 1:1,8 37 % Florida Standard 1:2,2 30 % Ohio 1:2,9 Kalifornien 1:2,5 18 % Quelle: Greß/Stegmüller 2016 Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Gesetzliche Personalbemessung USA Empfehlungen basieren auf Evidenz zum Zusammen-hang von Personalausstattung und Pflegequalität Standards in Bundesstaaten liegen unterhalb der Empfehlungen Erhöhung Personalausstattung – besonders bei Einrichtungen, die weit vom Standard entfernt waren Einstellung von Hilfskräften, wenn Personalausstattung nicht hinreichend finanzierbar Positive Effekte auf Pflegequalität setzen finanzielle Anreize und Monitoring voraus Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Rechtliche Rahmenbedingungen Deutschland Abschluss von gemeinsamen und einheitlichen Rahmenverträgen (§75 Abs. 3 SGB XI) zwischen Kostenträgern und Einrichtungen („sind zu vereinbaren“) Landesweite Verfahren zur Ermittlung des Pflegebedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten oder Landesweite Personalrichtwerte Sämtliche Rahmenverträge sehen Personalrichtwerte ohne ein Verfahren zur Personalbemessung vor Höchst unterschiedliche Personalschlüssel („Flickenteppich“ landesweiter Regelungen) Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Gesetzliche Personalbemessung: 113c SGB XI Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen bis 30. Juni 2020 Empirisch abgesichertes und valides Verfahren auf der Basis des durchschnittlichen Versorgungsaufwands für direkte und indirekte pflegerische Maßnahmen unter Berücksichtigung der fachlichen Ziele des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs Detaillierte Vorgaben für Zeitplan – einschließlich Androhung von Ersatzvornahme Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Bewertung Neuregelung im PSG II Schritt in die richtige Richtung Aber: Monitoring und Sanktionierung der Nichteinhaltung unklar – Verantwortung insbesondere der Bundesländer Aber: Finanzierung der Personalausstattung muss sichergestellt werden – ansonsten unerwünschte Effekte Aber: Einheitlichkeit der Umsetzung – Vermeidung eines Flickenteppichs länderspezifischer Regelungen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Umsetzungshindernis: Geld Ableitung eines erhöhten Personalbedarfs führt zu erhöhtem Finanzierungsbedarf In der Logik der Pflegeversicherung: Belastung Versicherte Weiter steigende Eigenleistungen für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen und Erhöhte Belastungen von Kommunen über die Sozialhilfe Interesse zum Ausbau der Personalausstattung bei (fast) allen Beteiligten gering Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Umsetzungshindernis: Personal Standardargument gegen Personalbemessungssysteme in der Kranken- und Altenpflege Personalbemessung ist nur ein notwendiger, aber keine hinreichender Baustein, um den Pflegeberuf wieder attraktiver zu machen Bezahlung Qualifikation Ohne substanzielle Verbesserungen bei der Personalausstattung wird sich die Situation massiv verschärfen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Einrichtung eines Pflegepersonalfonds Umwidmung des Pflegevorsorgefonds Wenig geeignet zur Vermeidung von Beitragssatzsteigerungen Anhaltendes Niedrigzinsniveau – bis hin zu Negativzinsen Investition in Personal nutzt vor allem zukünftigen Generationen Finanzierung von im Übergangszeitraum zusätzlich eingestelltem Personal Bei derzeitigem Gehaltsniveau und Fachkraftquote von 50 Prozent: 38.000 neue Stellen pro Jahr Spielraum für bessere Entlohnung der Pflegekräfte Teilfinanzierung des Personalausbaus nach 2020 Reduzierung der Eigenanteile Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Fazit Pflegebedarf steigt – Personalausstattung stagniert Belastungen für Pflegekräfte – Gefahr für Pflegequalität Derzeitige rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland völlig unzureichend Gesetzliche Personalbemessung im PSG II Schritt in die richtige Richtung Aber: Bundeseinheitliche Umsetzung unklar Aber: Finanzierung unklar Einrichtung eines Pflegepersonalfonds könnte klares gesellschaftliches Signal setzen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege