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Veröffentlicht von:Theresia Muser Geändert vor über 10 Jahren
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Karlinchen lief davon, denn Feuer fiel vom Himmel, und sie hatte Hunger, und niemand kümmerte sich um ein Kind, das allein war und voll Angst.
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Karlinchen lief und lief und blieb nicht stehen, bis sie in ein Dorf kam, da war es still und friedlich. Die Leute sassen in der warmen Sonne auf der Bank vorm Haus und redeten ein bisschen und waren zufrieden. Karlinchen fragte sie, ob sie hier wohnen dürfte. Und auch ein Stückchen Brot haben oder etwas anderes zu essen, vielleicht.
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«Ja, wo gibt’s denn so was
«Ja, wo gibt’s denn so was!» sagten die Leute, «ein Kind, das herumstreunt und bettelt! Da muss sich doch jemand kümmern! Das gehört in ein Heim!» Sie riefen nach der Polizei, die sollte das Karlinchen einfangen. Aber das lief fort. Karlinchen kam in einen Wald, da fand sie ein paar Beeren gegen den ärgsten Hunger. Und im Moos konnte sie weich und warm schlafen. Doch satt geworden war sie nicht, und die Geräusche im nächtlichen Wald machten ihr angst.
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Nein, für immer mochte sie nicht hier bleiben, so allein
Nein, für immer mochte sie nicht hier bleiben, so allein. Also wanderte Karlinchen weiter durch den Wald, immer der Nase nach bis an sein anderes Ende. Dort kam sie in das Land, in dem die Steinbeisser wohnten. Die waren sehr freundlich und gaben Karlinchen eine Handvoll Steine zu essen, doch die mochte es nicht. Darüber waren sie sehr böse. «Ist es dir hier bei uns nicht gut genug? Wenn du nicht essen willst, was wir dir geben, dann geh doch woanders hin!» Da dachte Karlinchen traurig: «Sie mögen mich nicht, weil ich fremd bin und anders als sie.» So war es. Die Steinbeisser liessen es einfach stehen. Da ging Karlinchen.
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Wieder kam sie durch einen grossen, dunklen Wald
Wieder kam sie durch einen grossen, dunklen Wald. Dahinter lag das Land der Seidenschwänze. Die riefen: «Willkommen! Willkommen!» und fragten, was es denn wollte. «Ach, nur ein Stückchen Brot und ein warmes Plätzchen zum Schlafen», sagte Karlinchen. «Das kannst du haben», zwitscherten die Seidenschwänze, «das kannst du haben!» Einer aber, der hinter dem Kind stand, sagte erschrocken: «Es hat gar keinen Schwanz.» Nun wollten alle Karlinchen von hinten betrachten, und als sie sahen, dass es tatsächlich keinen Schwanz hatte, sagten sie bekümmert: «Nein, dann kannst du nicht bei uns bleiben. Du hast ja keinen Seidenschwanz.» «Das macht doch nichts», tröstete sie Karlinchen. «Ich kann mir ja einen umhängen. Oder anstecken, mit einer Sicherheitsnadel.» «Nein, nein, das geht nicht», riefen die Seidenschwänze entsetzt, «das geht ganz und gar nicht. Denn in unserem Land dürfen nur Seidenschwänze wohnen.» Da half kein Bitten und kein Betteln, sie musste wieder gehen, obwohl es schon Abend war und dunkel und kalt. Karlinchen dachte traurig: «Sie helfen mir nicht, weil ich fremd bin und anders als sie.»
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Wieder kam sie durch einen grossen, dunklen Wald
Wieder kam sie durch einen grossen, dunklen Wald. Danach kam das Land der Nebelkrähen. Hier wurde Karlinchen freundlich aufgenommen. Man bot ihr ein weiches Nest an, hoch oben in einem kahlen Baum. Und eine tote Maus zum Essen, die roch schon etwas: Das machte sie besonders lecker. Auf den Baum konnte Karlinchen nicht steigen, der war viel zu hoch. «Du musst hinauffliegen», rieten die Krähen. Aber fliegen konnte Karlinchen nicht. Die Maus mochte sie nicht essen. Davor grauste ihr. «Etwas anderes gibt es hier nicht», sagten die Nebelkrähen traurig. Da dachte Karlinchen: «Sie verstehen mich nicht, weil ich fremd bin und anders als sie.» Aber da half nun nichts, sie musste weiterziehen.
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Wieder kam sie durch einen grossen, dunklen Wald
Wieder kam sie durch einen grossen, dunklen Wald. Wo er aufhörte, begann das Land der Schaffraffer. Die waren reich und wohnten in grossen gemütlichen Häusern und hatten immer genug zu essen. Was vom Essen übrig blieb, das warfen sie weg. Auch für ihre Streicheltiere war nur das Beste gut genug. Wenn sie die Leute auf der Strasse begegneten, umarmten sie sich und gaben einander zwei Küsschen, auf jede Backe eins. Aber Karlinchen, dem man den Hunger und die Einsamkeit schon an der Nasenspitze ansah, wurde von niemand in den Arm genommen. Schüchtern sprach sie die Leute an und bat um etwas zu essen und um ein warmes Plätzchen. Aber da kam sie schlecht an! «Scher dich weg! Wir haben selber nichts!» riefen die Schaffraffer.
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«Die reichen Leute wissen nicht, wie weh der Hunger tut», dachte Karlinchen. «Ich muss arme Leute suchen. Die wissen, wie bitter es ist, wenn einem keiner helfen will.» Sie ging hinaus an den Rand der Stadt, hinter die grossen Fabriken und den Müllberg. Da wohnten in kleinen Hütten die armen Leute. «Geh fort von hier!» riefen die, als sie das fremde Kind sahen. «Wir können dich hier nicht brauchen. Das Boot ist voll.» «Aber ich sehe kein Boot», sagte Karlinchen verwundert. «Wenn ein Boot überfüllt ist, geht es unter», sagten die armen Leute. «Wenn zu viele Arme hier wohnen, reicht das Essen nicht und der Platz nicht. Dann gehen wir alle unter.» Da musste Karlinchen einsehen, dass sie nicht bleiben konnte.
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Aber sie wusste nicht, wohin sie noch gehen sollte
Aber sie wusste nicht, wohin sie noch gehen sollte. Und zu allem Unglück fing es auch noch an zu regnen.
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Karlinchen ging hinaus aus der Stadt und über die Felder
Karlinchen ging hinaus aus der Stadt und über die Felder. Da sah sie einen grossen Baum. In dessen Zweigen hatte sich einer aus allerlei Gerümpel ein Haus gebaut. Hier sass er im Trockenen und schaute zum Fenster hinaus und ass ein dickes Käsebrot. «Komm her und beiss von meinem Käsebrot», rief er. «Du siehst hungrig aus und müde. Ruh dich aus, hier ist’s trocken und warm.» «Wer bist du?», fragte Karlinchen und betrachtete erstaunt den Mann, der genauso buntscheckig aussah wie sein merkwürdiges Haus. «Ein Narr», sagte der, «das siehst du doch.» «Ach», sagte Karlinchen, das nicht wusste, was ein Narr ist, «heissen so die Leute, die gut sind zu anderen? Ich habe dich lange, lange gesucht. Wenn du erlaubst, möchte ich auch gern ein Narr werden wie du.»
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