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Polyphrenie - ein systemisches Konzept psychischer Systeme - Ansätze zu einem systemischen Menschenbild - - Version April 2008 - Dr. Kurt Ludewig © Münster/Hamburg.

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1 Polyphrenie - ein systemisches Konzept psychischer Systeme - Ansätze zu einem systemischen Menschenbild - - Version April Dr. Kurt Ludewig © Münster/Hamburg

2 Vorwort Systemisch bezeichnet hier eine Option des Denkens, die auf folgenden zwei Voraussetzungen beruht: erkenntnistheoretisch auf der Behauptung, dass Objektivität schon aus neurobiologischen Gründen nicht erreichbar ist. Das dadurch hinfällig gewordene Kriterium der „Objetivität“ (Wahr-heit) wird hier durch das der „kommunikativen Brauchbarkeit“ (Nutzen) ersetzt, welches je nach Kontext und Zweck der Fragestellung verschiedene Formen annehmen kann; vom Gegenstand her auf der Ausrichtung, alles Erkannte auf Differenzen, also auf Relationen zurückzuführen; im Hinblick auf Menschliches, alles Individuelle auf Vergleiche (systemisches Prinzip: ICH entsteht erst im Bezug auf DU im WIR.) April 2008 Dr. K. Ludewig

3 Themen: 1. Psychische Systeme 2. Menschenbild - Menschenbilder
April 2008 Dr. K. Ludewig

4 - Aus der Gründerzeit der Psychologie -
Nachdenkenswerte Gedanken zum «Selbst» - Aus der Gründerzeit der Psychologie - Das Selbstbewusstsein setzt einen Bewusstseinsstrom voraus. In diesem erinnert sich jeder Teil als „Ich“ an die Teile, die vorausgingen,… Dieses Mich ist ein empirisches Aggregat von objektiv erfassten Dingen. Das Ich, welches erfasst. Kann nicht selbst ein Aggregat sein; aber es braucht für psychologische Zwecke auch nicht eine unveränderliche metaphysische Wesenheit wie die Seele, oder ein der Zeit entrücktes Prinzip, wie das transzendentale Ich zu sein. Es ist ein Bewusstseinsvorgang, in jedem Augenblick verschieden von dem, der im vorhergegangenen Augenblick war, aber diesen letzteren zu sich in Zugehörigkeitsbeziehung bringend, samt alledem, was dieser selbst als zu ihm gehörig erfasste. Aus: William James, Psychology, New York 1892, dtsch. Psychologie, Leipzig 1909!!! April 2008 Dr. K. Ludewig

5 Nachdenkenswerte Gedanken zum «Ich»
Die Kognitionswissenschaftler Francisco Varela und Evan Thompson berichteten 1991: „Wir traten also mitten ins Auge des Wirbelsturms der Erfahrung ein, konnten dort aber kein Selbst, kein «Ich» entdecken“ (S.117) „Die Kognitionswissenschaft belehrt uns, dass wir kein wirkendes oder freies SELBST besitzen“ (S. 183) „… die Kognition (kann) als emergentes Phänomen selbst-organisierter, verteilter Netzwerke untersucht werden“ (S. 175) Fazit: Der menschliche Geist ist nicht als einheitliche, homogene Entität aufzufassen, sondern als uneinheitliche, heterogene Kollektion von Netzwerkprozessen. Aus: Varela, F.J., E. Thompson (1991), The Embodied Mind. Cambridge, Mass. (M.I.T. Press). Dtsch. (1992), Der mittlere Weg der Erkenntnis. Bern (Scherz). April 2008 Dr. K. Ludewig

6 Nachdenkenswerte Gedanken zum «Ich»
Der Hirnforsher u. Philosoph Gerhard Roth fasst 2001 zusammen: „… das Ich (stellt) ein Bündel unterschiedlicher Zustände dar. Diese sind u.a. das Körper-Ich, das Verortungs-Ich, das perspektivische Ich, das Ich als Erlebnis-Subjekt, das Autorenschafts- und Kontroll-Ich, das autobio-grafische Ich, das selbst-reflexive Ich und das ethische Ich oder Gewissen“. „Diese… Ich-Zustände lassen sich… unterschiedlichen, wenngleich über-lappenden Netzwerken corticaler und subcorticaler Zentren zuordnen“. „Wir erleben diese vielen „Iche“ in der Regel als ein einheitliches Ich“. „Diese … entstehenden verschiedenen Iche (binden) sich aktuell in ver-schiedener Weise zusammen und (konstituieren) den Strom der Ich-Empfindungen“. „Wie dieses Zusammenbinden zustande kommt, ist… rätselhaft“ In: G. Roth (2001), Fühlen, Denken, Handeln. Frankfurt (Suhrkamp), S. 325ff. April 2008 Dr. K. Ludewig

7 Nachdenkenswerte Gedanken zum «Ich»
Der Soziologe Peter Fuchs fügt 2005 hinzu: „... wurde die Psyche als „Unjekt“ augefasst... mithin als (eines der) Sinnsysteme, die keinen Raum besetzen, keine Wesenseigenheit haben, nicht Substanzen oder Substrate sind, sondern differentiell erzeugte und in Gang gehaltene Sinngehege... Das hieße aber auch, dass die Psyche nicht eine Realität... ist, sondern: System... nämlich als Differenz.“ „Psychologie und Soziologie... (haben) einen gemeinsamen transklassi-schen „Gegenstand“, nämlich die konditionierte Koproduktion von psy-chischen und sozialen Systemen.“ „... Psychisches und Soziales... als verschiedene Ausdrücke eines Beobachters für einen Ko-Fundierungsprozess“ Aus: P. Fuchs (2005), Die Psyche. Weilerswist (Velbrück), S. 141ff. April 2008 Dr. K. Ludewig

8 1. Psychische Systeme April 2008 Dr. K. Ludewig

9 Literaturhinweise Ludewig, K. (2005), Kap. 3 „Entwurf eines Menschenbilds“. In: ders., Einführung in die theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme) Ludewig, K. (im Druck, vorauss. 2009), Zum Menschenbild der Systemischen Therapie. Über polysystemische Biologie, Polyphrenie und vielfältige Mitglieder. In: Petzold, H. (Hrsg.), Die Menschenbilder in der Psychologie und Psychotherapie. Wien (Klammer). Weitere spezielle Arbeiten finden sich in den Literaturhinweisen beider genannter Aufsätze. April 2008 Dr. K. Ludewig

10 Auf dem Hintergrund systemischen Denkens lässt sich sagen:
Es gibt keine Notwendigkeit, irgendeine Sichtweise, ob sie sich als analytisch oder synthetisch, holistisch oder atomistisch, einheitlich oder vielfältig versteht, als allein gültige zu betrachten. Das Beobachten eines Sachverhaltes bringt unterschiedliche Phäno- mene hervor und nicht bloß unterschiedliche Erscheinungsweisen des gleichen Phänomens: Will ich dich verstehen, sag mir, wie Du siehst und nicht nur, was du siehst! Nicht nur die unbelebte Natur kann man aus verschiedener Perspek- tive betrachten und jeweils verschiedene Phänomene hervorbringen, sondern auch den Menschen. Eine nach objektiver Einheitlichkeit strebenden Wissenschaft vom Menschen, die u.a. im Sinne Gergens den Menschen als „Behälter für Eigenschaften“ betrachtet, erweist sich als Ergebnis einer ontolo- gisierenden, vereinheitlichenden und „einfrierenden“ Form der Betrachtung.  Eine solche Sichtweise kann durch Alternativen ersetzt werden. April 2008 Dr. K. Ludewig

11 Ein Modell für die klinische Theorie
Interaktionssysteme nach K. Ludewig 1992 Ein Modell für die klinische Theorie Problem: Bestimmung der Elemente, Relationen und der Grenze Lösungen: Elemente = Mitglieder <Soziale Operatoren bzw. Funktionseinheiten> Relationen = Anschlüsse <durch Kommunikationen> Grenze = Sinngrenze <Sinnkontinuität in der Zeitdimension> April 2008 Dr. K. Ludewig

12 Das Mitglied-Konzept: Vorteile für die klinische Theorie
Das Mitglied-Konzept erlaubt gegenüber dem Luhmannschen Kommunika-tionsbegriff: einen systemisch korrekten Rückbezug der Kommunikationen auf die an einer Interaktion Beteiligten Unterscheidung von Mensch (bio-psycho-soziale Einheit), Rolle (Pro-gramm zur Ausführung von Mitgliedschaften) und Mitglied (aktuell interagierender sozialer Operator) Konzeptualisierung des Therapieziels als „Ersetzen problemerhaltender psychischer Systeme“ (Einzel-Th.) bzw. „Auflösung der Mitgliedschaft im Problemsystem“ (System-Th.). Orientiert die Praxis durch eine allgemeine, im voraus bestimmbare Definition der „Therapeutenrolle“ (z.B Leitsätze bzw. -fragen) wobei: Mensch ≠ Therapeut als Rolle ≠ Therapeut als Mitglied April 2008 Dr. K. Ludewig

13 Psychische Systeme Systemtheoretische Definitionen
Systeme sind durch ihre Elemente, Relationen und Grenze definiert. Psychische Systeme stellen temporalisierte Prozesse dar, die körperliche Aktivitäten/Veränderungen (Kognitionen, Emotionen, Handlungen) zu Bewusstsein verarbeiten. Sie entstehen im Zusammenhang mit tatsächlicher sozialer Interaktion oder als Reaktion auf innere Aktivitäten. Für psychische Systeme gilt: Elemente := kognitiv-affektive Einheiten des Bewusstseins Relationen := Anschlussbildung Grenze := Sinngrenze April 2008 Dr. K. Ludewig

14 Psychische Systeme I – Thesen I
sind unbeständige, nicht beobachtbare kognitiv-emotionale Kohärenzen und nur in Selbstreflexion oder Kommunikation rekonstruierbar, verweisen im- oder explizit auf eine Relation zu einem speziellen oder generalisierten Anderen (= relationale Kohärenzen, relationale Identitäten, Selbste oder psychische Systeme), werden als temporalisierte Prozesse immer neu als Reaktion auf innere oder äußere Ansprüche produziert und reproduziert und stellen das psychische Gegenstück zu den sozialen Mitglied- schaften eines Menschen dar. April 2008 Dr. K. Ludewig

15 Psychische Systeme I – Thesen II
Psychische Systeme stellen keine beständigen, beobachtbaren Kohärenzen dar, sondern in Kommunikation rekonstruierte und strukturierte Prozesse. Reproduzierte kognitiv-emotionalen Kohärenzen werden als Identitätsaspekte erlebt. Sie resultieren aus einer selektiven Rekonstruktion von Mitgliedschaften im biografischen Ablauf. Schlussfolgerung: Jeder Mensch verkörpert vielfältige psychische Systeme, ist also im Normalzustand polyphren. Polyphrenie ist Normalität. April 2008 Dr. K. Ludewig

16 Entwicklungsmodelle psychischer Systeme
Einzigartiges erwachsenes SELBST Vielfältige Selbste eines Individuums April 2008 Dr. K. Ludewig

17 Psychische Systeme II: ICH-Formen I
Jeder Mensch verkörpert zu jedem bewussten Moment ein psychisches System und zu jeder Interaktion eine Mitglied- schaft. Jeder dieser Operationalitäten kann ein ICH zuge- ordnet werden (aktuelles oder operatives ICH). Die hierbei beteiligten Operationalitäten treffen in der kör- perlichen Struktur eines Menschen zusammen. An dieser Struktur sind Menschen identifizierbar. ICH als Bezeichnung für einen Menschen (personales ICH) resultiert aus einer jeweils aktuellen, entweder im Bewusst- sein (psychisches System) oder in Kommunikation (Mitglied- schaft) erbrachten Synthese der betreffenden Operationa- litäten (als Narrative). April 2008 Dr. K. Ludewig

18 Psychische Systeme II: ICH-Formen II
Zeitlich überdauernde, „standardisierte“ ICH-Beschreibungen konstituieren die sog. Persönlichkeit eines Menschen. Ob ein aktuelles, ein personales oder ein standardisiertes ICH thematisiert wird, hängt vom Kontext der Kommunikation ab. Auf die Frage: wer bist Du? wird jeweils in Abhängigkeit von der Wahrnehmung und/oder Einschätzung des Interaktionskontextes durch den Antwor-tenden reagiert. Dabei kann auf aktuelle oder personale Aspekte bzw. auf standardisierte Vorlagen zurückgegriffen werden. April 2008 Dr. K. Ludewig

19 Entwicklung relationaler Kohärenzen
Psychische Systeme (Selbste – Iche – Identitäten) ⇆ KINDMUTTER ⇆ MUTTERKIND KINDMUTTER RELATIONALE MITGLIED MITGLIED IDENTITÄTEN INTERAKTIONSSYSTEM ⇆ MUTTERKIND ⇆ KINDMUTTER MUTTERKIND April 2008 Dr. K. Ludewig

20 Der Mensch beginnt mindestens zu zweit !
Zusammenfassung: Als ein personales ICH entstehen zu können, bedarf es einer faktischen oder abstrahierten Relation zu einem anderen ICH, also einem DU, um überhaupt im WIR emergieren zu können. Der Mensch beginnt mindestens zu zweit ! ∆ ICH/DU ⇆ WIR ⇆ ICHDU ⇆ DUICH April 2008 Dr. K. Ludewig

21 Praxisrelevanz April 2008 Dr. K. Ludewig

22 Konzepte systemischer Therapie: Thesen zur Problementstehung und -veränderung
Menschliche Probleme folgen der „Logik“ einer konservativen emotionalen Dynamik: Angesichts von Ungewissheit gilt es, lieber auszuhalten als eine Veränderung zu riskieren, die alles noch verschlimmern könnte (…Taube auf´m Dach!). Als riskant erlebte, notwendige Veränderungen erfordern daher ein Wagnis. Also: Psychotherapie soll Bedingungen schaffen, die ein Wagnis begünstigen und so auch einen Wechsel der Präferenzen ( mehr-vom-anderen). April 2008 Dr. K. Ludewig

23 Psychische Systeme III – Praxisrelevanz I
Thesen: Die Produktion/Reproduktion individueller menschlicher Probleme bedarf eines darauf eingestellten psychischen Systems; die Produktion/Reproduktion interaktioneller Problemsysteme bedarf entsprechender Mitglieder. Solche Probleme hören am ehesten auf, wenn alternative Operatoren aktiviert werden und die bisherigen Problemerzeuger an Bedeutung und Wirksamkeit verlieren. Das heisst: Durch Aktivierung von Alternativen aus den polyphrenen Möglichkeiten werden andere Denk-Fühlmustern und so auch andere Interaktionsweisen aktiv, wobei das Problem-Ich bzw. das Problem-Mitglied in den Hintergrund treten und weitgehend unwirksam werden. Aber: Das heisst aber nicht, dass solche Problemerzeuger nicht reaktiviert werden könnten (= die Amygdala vergisst nie!) April 2008 Dr. K. Ludewig

24 Psychische Systeme III – Praxisrelevanz II
Anwendungen Meines Wissens gibt es noch keine direkt vom hier erörterten Verständnis temporalisierter psychischer Systeme abgeleiteten Anwendungsformen. Bisherige Techniken wie Familientherapie mit der inneren Famiie (Schwartz 2000) Debatten im inneren Parlament (Schmidt 1997) das Innere Team o.ä. gründen eher auf Konzepten einer Anteilspsychologie (z.B. Stierlin 1994), die von aufteilbaren Selbsten - Subselbsten, Teilselbsten, Anteilen usw. - ausgeht. Dennoch dürften diese Techniken in der Praxis hilfreich sein, zumal sie den Hilfe Suchenden eine attraktive Möglichkeit anbieten, sich zu externalisieren, dabei gedanklich zu vervielfältigen und aus mehreren Perspektiven zu betrachten. April 2008 Dr. K. Ludewig

25 2. Menschenbild – Menschenbilder? April 2008 Dr. K. Ludewig

26 Die Ausgangslage Die Frage nach dem Menschen – das „Menschenbild“ – gehört zwar genuinerweise in den Bereich der Philosophie, sie bildet aber in der Praxis gewissermaßen den Hintergrund, auf dem die Begründungen für den Umgang mit Menschen entstehen und verwendet werden. Psychotherapeuten wenden permanent ein implizites oder explizites Verständnis des Menschen in ihrem professionellen Denken und Handeln an. Das kann, es muss aber nicht ausdrücklich reflektiert werden. Die traditionellen Psychotherapien mussten es nicht. Geschützt unter dem Schirm „normaler Wissenschaft“(im Sinne Kuhns) entsprachen sie ohnehin den gültigen Selbstverständlichkeiten (im Sinne Hofstätters). Dem gegenüber hat Systemische Therapie mit ihren neuartigen theoretischen Begründungen diesen Schutzraum verlassen und ist meines Erachtens daher aufgefordert, ihren Reflexionshorizont mit Blick auf den Menschen zu verdeutlichen. April 2008 Dr. K. Ludewig

27 Zum Menschenbild der systemischen Therapie I
Das Definitionsproblem Ausgangslage: Den Menschen verdinglichen und als feste räumliche Größe auffassen, oder ihn abstrakt und so auch wenig nachvollziehbar beschreiben. Dilemma: Der Verständigung zuliebe fortdauernde Prozesse zu einem konkretisierten Bild des Menschen “einzufrieren” oder eine “bodenlose” Beschreibung anzufertigen, die unter Umstän-den dem common sense widerspricht. Um diesen Balanceakt kommt man nicht umhin! April 2008 Dr. K. Ludewig

28 Zum Menschenbild der systemischen Therapie II
Relationale Kohärenzen Helfer und Hilfe Suchende gibt es - um es so auszudrücken - nur im Bezug aufeinander. Es gibt also den Therapeuten TK nur im Bezug auf den Klienten K, und den Klienten KT nur im Bezug auf den Therapeuten T. T und K bedingen sich wechselseitig: TK ⇆ KT TK und KT emergieren, entfalten sich und vergehen zusammen mit dem gemeinsam konstituierten System. Sie stellen die Mitglieder dieses Interaktionssystems TK dar: TK ⇆ {TK ⇆ KT} April 2008 Dr. K. Ludewig

29 Zum Menschenbild der systemischen Therapie III
Fazit: Not one, not two, but one and two (Francisco Varela) Menschen verkörpern zu jeder Zeit verschiedene, temporalisierte, sich fortwährend verändernde, mehr oder minder strukturell gekoppelte biologische, psychische und soziale Prozesse, und sind zugleich als zeitüberdauernde, für den Beobachter als konstant wirkende Entitäten erkennbar. April 2008 Dr. K. Ludewig

30 Zum Menschenbild der systemischen Therapie IV
Die Realität des Irrealen Ohne über ein substanzielles Substrat zu verfügen, erweist sich das ICH aus rationaler Perspektive als immer neu entstehender Prozess. In der Unmittelbarkeit des Erlebens ist hingegen alles, was als real erlebt wird, für alle praktischen Zwecke unanzweifelbar real. Dabei gibt es kaum Realeres als das Erleben des Selbst. Im Erleben und in der darauf bezogenen Narrative antwortet das Selbstkonzept auf emotionale Bedürfnisse nach Konstanz und Gewissheit. In diesem Sinne erlebe ich es als unanzweifelbar real, dass es MICH als zeitlich überdauerndes homogenes ICH gibt. Im rationalen Diskurs hingegen erweist sich diese vereinfachte Beschrei-bung als kaum haltbar, zumal sie nicht einmal der anspruchslosen Refle-xion standhält, ob ich heute derselbe bin, der ich vor 10 Jahren war. April 2008 Dr. K. Ludewig

31 Zum Menschenbild der systemischen Therapie V
Intersystemisches Wechselspiel Die biologischen Systeme stellen eine unerlässliche Bedingung für das Entstehen einer ICH/DU Matrix dar. Aus dem Reservoir “Mensch“ bedienen sich die von ihm verkörperten Mitglieder, um in kohärenter Weise auf andere bezogen handeln und kommunizieren zu können. Die sozialen Operationen eines Mitgliedes erfordern wiederum die Einbeziehung psychischer Funktionen; dabei entstehen Kohärenzen - psychische Systeme –, welche auf die Notwendigkeiten der Mitglied-schaft reagieren. Durch Binennvernetzung stellen sie Kontinuität her und so die Möglichkeit für das Erleben von Identität. Das zu jeder Zeit aktive Wechselspiel polysystemischer Körperlichkeit, psychischer Polyphrenie und sozialer Mitgliedschaft konstituiert die je aktuelle Seinsweise eines Menschen. April 2008 Dr. K. Ludewig

32 Zum Menschenbild der systemischen Therapie VI
Schlussfolgerung: Unterschiedliche Phänomene Je nachdem, ob biologische, psychische oder soziale Prozesse fokussiert und diese als einfache oder komplexe Einheiten betrachtet werden, entstehen unterschiedliche Phänomene. Man kann den Menschen betrachten: - in biologischer Hinsicht als Individuum mit spezifischen Eigenschaften oder als polysystemisch konstituiertes Lebewesen (Nervensystem, Immunsysteme, endokrine Systeme usw.); - in psychischer Hinsicht als ganzheitliche Person bzw. Persönlichkeit oder als unbeständiges polyphrenes Netzwerk der Produktion und Reproduktion miteinander verkoppelter kognitiv-emotionaler Prozesse, die zu einem gegebenen Zeitpunkt als Kohärenzen (“Selbste”) abrufbar oder rekonstruierbar sind; - in sozialer Hinsicht als Persona oder als unterscheidbaren sozialen Operator bzw. Mitglied eines sozialen Systems. April 2008 Dr. K. Ludewig

33 Zum Schluss Aus der systemischen, prozessbezogenen Betrachtung des Menschen als variables, gemeinschaftlich konstituiertes Wesen lässt sich für einen einzelnen Menschen ableiten, dass er das je aktuelle Ergebnis vielfältiger und gleichzeitig wirksamer Systeme darstellt. Neben dieser differenzierenden Betrachtungsweise ist aus systemischer Sicht ebenfalls möglich, den Menschen aus einer synthetisierenden Perspektive zu betrachten und die einzelnen Systemtypen (Körper, Psyche, Interaktion) bzw. den Menschen überhaupt als Ganzheit zu fokussieren. Systemisches Denken erlaubt es, den Betrachtungsfokus je nach Bedarf variabel einzustellen, um so aus verschiedenen Perspek-tiven ebenso verschiedene wie gültige Phänomene hervorzu-bringen – sofern sie nützlich und vertretbar sind. April 2008 Dr. K. Ludewig

34 Ende April 2008 Dr. K. Ludewig


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