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Grundfragen der Religionspädagogik

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Präsentation zum Thema: "Grundfragen der Religionspädagogik"—  Präsentation transkript:

1 Grundfragen der Religionspädagogik
Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Religionspädagogik Theologische Fakultät Kiel Wintersemester 2013/2014

2 Termine der Vorlesung:
Montag, Mittwoch, Montag, 4.11, 12-14 Montag, , Mittwoch, Montag, , 12-14 Montag, keine VL Montag, 2.12., Mittwoch, Montag, 9.12., 12-14 Montag, , Mittwoch, Mittwoch, Montag, Mittwoch, Montag, Montag, 27.1., Mittwoch, Montag,

3 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 1. Religionspädagogik als Disziplin 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 3. Religion in der Schule 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts

4 Religionspädagogik als Disziplin
1.1. Was ist eigentlich Religionspädagogik? Religionspädagogik Lehrbücher – eines davon bitte anschaffen! Christian Grethlein: Fachdidaktik Religion. Evangelischer Religionsunterricht in Studium und Praxis, Göttingen 2005 Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005 Bernd Schröder: Religionspädagogik (Neue Theologische Grundrisse), Tübingen 2012 Friedrich Schweitzer: Religionspädagogik (Lehrbuch Praktische Theologie Bd.1), Gütersloh 2006 1.2. Ein Blick in die Geschichte der christlichen Erziehung und Bildung Zur Vertiefung: Christian Grethlein: Religionspädagogik, Berlin 1998 1.3. Kann man Glauben denn lernen? Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 31-51 1.4. Religionspädagogik als Bildungstheorie Zum Nachlesen: Elisabeth Naurath: Was christliche Bildung bedeutet. Kinder und Jugendliche im Religionsunterricht heute, in: Nachrichten der Ev.-Luth. Kirche in Bayern 60 (2005), 43-49

5 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns
2.1. Religion in der gegenwärtigen Gesellschaft Zur Vertiefung: Berger, Peter L.: Der Zwang zur Häresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1980 Claussen, Johann Hinrich: Zurück zur Religion. Warum wir vom Christentum nicht loskommen, München 2006; Körtner, Ulrich H.J.: Wiederkehr der Religion? Das Christentum zwischen neuer Spiritualität und Gottvergessenheit, Gütersloh 2006 Ziebertz, Hans-Georg: Religion, Christentum und Moderne. Veränderte Religionspräsenz als Herausforderung, Stuttgart-Berlin-Köln 1999 2.2. Kindheit und Jugend im 21. Jahrhundert Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 2.3. Entwicklungspsychologische Einsichten Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 76-95

6 3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts
3. Religion in der Schule 3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 3.2. Modelle des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Michael Meyer-Blanck: Modelle des Religionsunterrichts im Überblick, Lernort Gemeinde 21 (2003/4), 31-34 3.3. Philosophie und Ethik/Islamunterricht

7 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jh.
Zum Nachlesen aller Ansätze: Uta Pohl-Patalong: Religionspädagogik – Ansätze für die Praxis, Göttingen 2013, ??-?? Und ??-?? 4.1. Liberale Religionsdidaktik 4.2. Evangelische Unterweisung 4.3. Hermeneutischer Religionsunterricht 4.4. Thematisch-problemorientierter Religionsunterricht 4.5. Therapeutischer Religionsunterricht 4.6. Elementare Bibeldidaktik 4.7. Symboldidaktik 4.8. Konstruktiv-ideologiekritische Religionsdidaktik 4.9. Performative Religionsdidaktik Zur Vertiefung: Silke Leonhard/Thomas Klie (Hgg.): Schauplatz Religion. Grundzüge einer performativen Religionspädagogik, Leipzig 2003 Dies. (Hgg.): Performative Religionsdidaktik. Religionsästhetik – Lernorte – Unterrichtspraxis, Stuttgart 2008

8 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts
Zum Nachlesen: Religionspädagogik – Ansätze für die Praxis, Göttingen 2013, ??-?? 5.1. Kinder und Jugendtheologie Zur Vertiefung: Petra Freudenberger-Lötz: Theologische Gespräche mit Jugendlichen. Erfahrungen - Beispiele - Anleitungen. Ein Werkstattbuch für die Sekundarstufe, Stuttgart 2012; Thomas Schlag/Friedrich Schweitzer: Brauchen Jugendliche Theologie? Jugendtheologie als Herausforderung und didaktische Perspektive, Neukirchen-Vluyn 2011; Friedrich Schweitzer: Was ist und wozu Kindertheologie?, in: Anton A. Bucher u.a.(Hg.): „Im Himmelreich ist keiner sauer“. Kinder als Exegeten (JaBuKi Bd. 2), Stuttgart 2003, 9-18; Miriam Zimmermann: Kindertheologie als theologische Kompetenz von Kindern. Grundlagen, Methodik und Ziel kindertheologischer Forschung am Beispiel der Deutung des Todes Jesu, Neukirchen-Vluyn 2010 5.2. Kreative Bibeldidaktik Zur Vertiefung: Horst Klaus Berg: Grundriß der Bibeldidaktik. Konzepte – Modelle – Methoden, München/Stuttgart (1993) 2000 5.3. Bibliolog Zur Vertiefung: Uta Pohl-Patalong: Bibliolog. Impulse für Gottesdienst, Gemeinde und Schule. Band 1: Grundformen, Stuttgart 32013 5.4. Bibliodramatische Elemente Zur Vertiefung: Heiner Aldebert: Spielend Gott kennenlernen. Bibliodrama in religionspädagogischer Perspektive, Hamburg 2001, v.a. 259ff.; Ulrich Jung: Wunder – na und? Bibliodrama im Religionsunterricht einer Schule für Blinde und Sehbehinderte, in: Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong (Hgg.): Bibliodrama. Theorie – Praxis – Reflexion, Stuttgart 2002, ; Gudrun Lohkemper-Sobiech: Bibliodrama im Religionsunterricht (Bd.1 und 2), Mainz 1998

9 5.6. Genderbewusster Religionsunterricht
5.5. Kirchenpädagogik Zur Vertiefung: Thomas Klie: Der Religion Raum geben. Kirchenpädagogik und religiöses Lernen, Münster ; Birgit Neumann/Antje Rösener: Kirchenpädagogik. Kirchen öffnen, entdecken und verstehen. Ein Arbeitsbuch, Gütersloh 2003; Hartmut Rupp (Hg.): Handbuch der Kirchenpädagogik. Kirchenräume wahrnehmen, deuten und erschließen, Stuttgart 22008 5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Zur Vertiefung: Annebelle Pithan u.a. (Hg.): Gender – Religion – Bildung. Beiträge zu einer Religionspädagogik der Vielfalt, Gütersloh 2009; Andrea Qualbrink/Annebelle Pithan/Mariele Wischer (Hg.): Geschlechter bilden. Perspektiven für einen genderbewussten Religionsunterricht, Gütersloh 2011; Angela Volkmann: Eva, wo bist du? Die Geschlechterperspektive im Religionsunterricht am Beispiel einer Religionsbuchanalyse zu biblischen Themen, Würzburg 2004 5.7. Interreligiöses Lernen Zur Vertiefung: Stephan Leimgruber: Interreligiöses Lernen, München 2007; Peter Schreiner/Ursula Sieg/Volker Elsenbast: Handbuch interreligiöses Lernen (eine Veröffentlichung des Comenius-Instituts). Gütersloh 2005; Friedrich Schweitzer/Rudolf Englert/Ulrich Schwab/ Hans-Georg Ziebertz: Entwurf einer pluralitätsfähigen Religionspädagogik, Gütersloh/Freiburg 2002 5.8. Diakonisches Lernen Zur Vertiefung: Bärbel Husmann/Roland Biewald: Diakonie: Praktische und theoretische Impulse für sozial- diakonisches Lernen im Religionsunterricht, Leipzig 2010; Christoph Gramzow: Diakonie in der Schule. Theoretische Einordnung und praktische Konsequenzen auf der Grundlage einer Evaluationsstudie (Arbeiten zur Praktischen Theologie Bd.42), Leipzig 2010

10 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 1. Religionspädagogik als Disziplin 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 3. Religion in der Schule 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts

11 Religionspädagogik als Disziplin
1.1. Was ist eigentlich Religionspädagogik? Religionspädagogik Lehrbücher – eines davon bitte anschaffen! Christian Grethlein: Fachdidaktik Religion. Evangelischer Religionsunterricht in Studium und Praxis, Göttingen 2005 Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005 Bernd Schröder: Religionspädagogik (Neue Theologische Grundrisse), Tübingen 2012 Friedrich Schweitzer: Religionspädagogik (Lehrbuch Praktische Theologie Bd.1), Gütersloh 2006 1.2. Ein Blick in die Geschichte der christlichen Erziehung und Bildung Zur Vertiefung: Christian Grethlein: Religionspädagogik, Berlin 1998 1.3. Kann man Glauben denn lernen? Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 31-51 1.4. Religionspädagogik als Bildungstheorie Zum Nachlesen: Elisabeth Naurath: Was christliche Bildung bedeutet. Kinder und Jugendliche im Religionsunterricht heute, in: Nachrichten der Ev.-Luth. Kirche in Bayern 60 (2005), 43-49

12 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik Religionspädagogik als Disziplin 1.1. Was ist eigentlich Religionspädagogik? 1.2. Entstehung der Religionspädagogik 1.3. Kann man Glauben denn lernen? 1.4. Religionspädagogik als Bildungstheorie

13 Auf dem Elternabend der 5
Auf dem Elternabend der 5. Klasse stellen Sie sich als neue Religionslehrkraft vor und die Eltern reagieren: „Endlich lernen die Jugendlichen mal Werte!“ „Meine Tochter soll selbst entscheiden können und nicht indoktriniert werden!“ „Sie machen doch hoffentlich modernen Unterricht, nicht so was Altmodisches wie die Bibel und so.“ „Wollen Sie die Jugendlichen wirklich jetzt noch Glauben beibringen?“ „Wir sind aber Muslime, was macht meine Tochter dann?“ „Noch so ein Redefach, das nur etwas für Mädchen ist.“ „Das ist doch eine staatliche Schule, warum gibt es denn jetzt Religionsunterreicht, das ist doch wohl Sache der Kirchen!“ „Und das heute, wo es so viele Religionen gibt.“ „In Religion gibt es doch aber keine Fünfen, oder?“

14 Überlegen Sie bitte zu dritt,
welche religionspädagogischen Fragestellungen in den Äußerungen angesprochen werden welches Wissen Sie bereits dazu haben über welche Aspekte Sie gerne vertiefteres Wissen und gründlichere Reflexion hätten.

15 Religionspädagogik - ein mehrschichtiger Begriff eigenständiger Studiengang und Disziplin innerhalb des Theologiestudiums Es geht um die Vermittlung von Religion, konkret um den Zusammenhang von Theologie und Pädagogik pädagogische Aspekte von Religion Vermittlung religiöser Themen

16 1.1.2. Religionspädagogik zwischen Theologie und Pädagogik
Die Pädagogik stößt auf religionspädagogische Aufgaben z.B.: bei religiösen Erfahrungen von Menschen, angefangen von der Frage nach dem letzten Warum über Endlichkeitsfragen (Tod) bis zur Freude über das Leben als Geschenk bei der Frage nach der Begründung moralischen Verhaltens (warum soll ich gut und böse unterscheiden?) bei der Begegnung mit religiös orientierten Menschen, nicht zuletzt Schülerinnen und Schülern bei der Begegnung mit religiösen Institution (Moschee bis Papstreise)

17 Der Theologie stellen sich pädagogische Aufgaben, denn…
das Christentum ist auf Verstehen angelegt Christsein ist auch eine Bildungsangelegenheit: Zum Glauben gehören Kenntnisse Glauben an die nachfolgende Generation weiterzugeben ist ein religiöser Lernprozess Christentum und Kirche haben Wichtiges zu gesellschaftlichen Fragen zu kommunizieren Die Theologie braucht die pädagogischen Einsichten über Lernprozesse die Wahrnehmungskompetenzen der Pädagogik die Vermittlung der theologischen Inhalte mit diesen Wahrnehmungen

18 Braucht die Pädagogik die Theologie?
Kann, sollte sie durch Religionswissenschaft ersetzt werden? „Religion“ gibt es immer nur in konkreten Religionen. Religion ist positionell, weil sie auf die Auseinandersetzung des Subjekts mit ihr und nicht auf abstraktes Wissen zielt (mit offenem Ergebnis) Begegnung erfolgen daher mit konkreten Religionen Dies müsste (religions-)theoretisch nicht die christliche Religion sein, diese spielt in Deutschland jedoch eine deutlich wichtigere Rolle als andere Religionen. Dies hat Konsequenzen für den Religionsunterricht.

19 1.1.3. Die Religionspädagogik im theologischen Studium
Teildisziplin der Praktischen Theologie gelegentlich aber auch eigenständige Disziplin Kontakt mit anderen Teildisziplinen der PT: Poimenik, Homiletik, Liturgik, Pastoraltheologie, Kybernetik, Diakonik Kontakt mit den anderen theologischen Fächern: AT, NT, KG, SY, (RMÖ)

20 1.1.4. Worum geht es in der Religionspädagogik?
Lehren und Lernen von Religion: Sachbezug der RP Lehren und Lernen von Religion: Subjektbezug der RP Religionspädagogik… verzahnt die beiden Themenbereiche, so dass Religion in der Perspektive des Lehrens und Lernens zur Sprache kommt reflektiert die Bedingungen und Voraussetzungen religiösen Lernens fragt nach den Zielen religiöses Lernens

21 1.1.5. Die Praxisfelder der Religionspädagogik
Religiöses Lernen findet an vielen gesellschaftlichen Orten statt, z.B. Familie, Kirche, Medien, Peergroups Religionspädagogik geht über den schulischen Bereich hinaus und widmet sich sämtlichen Aspekten religiöser Entwicklung, Sozialisation und Bildung Dafür muss sie interdisziplinär ausgerichtet sein: Kontakt mit Psychologie, Soziologie, Medientheorie, Sprachwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Philosophie…

22 Auf der einer großen gemeinsamen Basis religionspädagogischen Grundwissens teilt sich die RP in den konkreten Handlungsfeldern auf in Religionsdidaktik: Schule Hierzu gehört die Fachdidaktik, die sich mit der konkreten Gestaltung des RU beschäftigt Gemeindepädagogik: Kirche

23 1.1.6. Theorie und Praxis in der Religionspädagogik
Lehrt Religionspädagogik die Praxis des RU? Ist sie eine „Anwendungswissenschaft“, die die fachwissenschaft-lichen Inhalte umsetzt? Dies tut sie auch (als Fachdidaktik), aber sie ist mehr: Religionspädagogik ist die Theorie der Praxis Ein Wechselspiel von Theorie und Praxis ist nötig RP analysiert und erklärt die Praxis, begründet und verbessert sie, auch indem sie die Wahrnehmung mit theologischen Einsichten verknüpft.

24 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik Religionspädagogik als Disziplin 1.1. Was ist eigentlich Religionspädagogik? 1.2. Entstehung der Religionspädagogik 1.3. Kann man Glauben denn lernen? 1.4. Religionspädagogik als Bildungstheorie

25 Die Religionspädagogik ist die jüngste der theologischen Disziplinen: Das Wort wird 1889 erstmalig gebraucht. Die Sache ist aber so alt wie das Christentum selbst. „Katechein“: ursprünglich bedeutet das Wort allgemein „berichten, unterweisen, belehren“ (z.B. Lk 1,4) paulinische Briefe: Das Verb wird „theologisiert“ und meint jetzt eine „Unterweisung in Glaubensdingen“ (z.B. Röm 2,18 oder 1. Kor 14,19) Pastoralbriefe: „katechein wird zu einem Ausdruck für eine frühe Form „religionspädagogischer“ Praxis: die Unterweisung in der christlichen Lehre als Vorbereitung auf die Taufe

26 1.2.1. Alte Kirche: Katechumenen und Katechese
Taufbewerber = Katechumene die Unterweisenden = Katecheten oder Katechisten dreijährige Unterrichtung des Katechumenen, eigener Status in dieser Zeit Katechese = vereinfachte Lehre (das „Was“), z.B. Tertullians Schrift „Über die Taufe“ Unterweisung ist zunächst verbunden mit Predigt, keine eigene Unterrichtsform seit Augustin ( ) Ansätze zu einer „Lehre von der christlichen Verkündigung“ (=Katechetik), aber die Verbindung mit der Predigt blieb bis zur Reformation bestehen

27 1.2.2. Mittelalter: Imitationslernen im Alltag
mit Kindertaufe endet das Erwachsenenkatechumenat teilweise Lektionen für Erwachsene zum Lernen von Vaterunser, Glaubensbekenntnis und Ave Maria für die Kinder gab es kein eigenständiges Erziehungshandeln der Kirche, intentionale Erziehung war insgesamt nicht im Blick, keine didaktische Perspektive Imitationslernen der Kinder von den Tätigkeiten der Eltern wie im sonstigen Leben auch

28 Mittelalterliche Erziehung des „ganzen Hauses“ durch Imitationslernen

29 1.2.3. Reformation: Katechismen und Konfirmation
Interesse an mündigem Christsein und eigenständiger Urteilsbildung  religiöse Grundbildung erforderlich großer und kleiner Katechismus Martin Luthers (1529): Zusammenstellung grundlegender Inhalte des christlichen Glaubens (Vaterunser, Glaubensbekenntnis, Zehn Gebote, Taufe, Abendmahl) „Elementarisierungen“ des christlichen Glaubens mit Frage-Antwort-Schema allmähliche Entwicklung der Konfirmation als eigenständig verantwortetes Bekenntnis zum christlichen Glauben

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32 1.2.4. Pietismus (18. Jh.): Mündiges Subjekt als Ziel – Unterweisung als Weg
Ideal des persönlichen und mündigen Christseins Katechese zielt auf Kompetenzzuwachs in Glaubenssachen nicht die Kirche, sondern der Glaube des Subjekts ist für das Wohl und Heil des Menschen entscheidend negatives Menschenbild: Erbsünde Erziehung als Überwindung der Sündhaftigkeit des Menschen Unterweisung in Form des Frage- und Antwortschemas Aneignung von Vorgegebenem

33 1.2.5. Religionspädagogik als Überwindung der Katechetik
Ziel: das Subjekt in den Vordergrund des religiösen Lernprozesses zu rücken und seine Auseinandersetzung mit der Tradition zu fördern. doppelte Öffnung der Disziplin zugunsten des Subjekts: 1. Öffnung zur Pädagogik statt ausschließlicher Orientierung an der Theologie 2. Öffnung zur Schule statt überwiegender Orientierung an der Kirche und ihrer Verkündigung Theoretisches Interesse für die SuS, jedoch noch kaum didaktische Umsetzung

34 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik Religionspädagogik als Disziplin 1.1. Was ist eigentlich Religionspädagogik? 1.2. Entstehung der Religionspädagogik 1.3. Kann man Glauben denn lernen? 1.4. Religionspädagogik als Bildungstheorie

35 1.3. Kann man Glauben denn lernen?
Liberale Theologie: Glaube ist im Rahmen religiöser Erziehung lehr- und lernbar – wie jedes andere Gefühl und jede andere Einstellung auch. Dialektische Theologie: Glaube ist eine Gabe des Geistes, die der Mensch kann nur gehorsam bejahen kann. Welche Argumente sprechen für die eine, welche für die andere Position?

36 Lernprozesse bestimmen das menschliche Leben
Glaube ist ohne Lernprozesse kaum denkbar: Um an Inhalte zu glauben, muss ich sie kennen. Lernprozesse führen jedoch nicht automatisch zum Glauben. Glauben ist nicht „machbar“ göttliches Wirken verbindet sich mit Lern- und Entwicklungsprozessen Gott hat eigene Wege mit jedem Menschen, die von außen nicht beurteilt werden können und sollten.

37 Nehmen Sie sich bitte einige Minuten Zeit und skizzieren Sie Ihren Glaubensweg – so wie Sie ihn heute sehen und deuten. Sie können einen Zeitstrahl aufmalen und wichtige Stationen und Zeitspannen einzeichnen. Achten Sie dabei bitte darauf, inwieweit Lernprozesse dabei eine Rolle gespielt haben und ob es Momente plötzlichen Ergriffenwerdens, plötzlicher Erkenntnis oder Veränderung gab, die Sie dem direkten Wirken Gottes zuordnen.

38 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik Religionspädagogik als Disziplin 1.1. Was ist eigentlich Religionspädagogik? 1.2. Entstehung der Religionspädagogik 1.3. Kann man Glauben denn lernen? 1.4. Religionspädagogik als Bildungstheorie

39 Bildung – Sozialisation – Erziehung:
Bei „Sozialisation“ und „Erziehung“ sind vorrangig die äußeren Einflüsse im Blick („Objektivitäten“) „Sozialisation“ ist eher nichtintentional (= funktional), „Erziehung“ intentional Bildung ist wie Erziehung vorrangig intentional orientiert, denkt aber vom Subjekt aus: Bildung ist im Grunde immer Selbstbildung

40 Bildung: Bildung beschreibt den Prozess, in dem sich ein Mensch mit der Kultur, seiner Umwelt und früheren Generationen auseinandersetzt und diese für sich so strukturiert, dass es konstruktiv und selbstbestimmt mit ihnen umgehen kann. Ziel ist die Ermöglichung der selbstbewussten und selbstverantworteten Teilnahme am Gesellschaftsleben. “jemanden bilden”, den Menschen zum Subjektsein zu befähigen. Bildung ist sowohl ein Prozess als auch ein Resultat.

41 Bildungsmaßstäbe (nach Hartmut von Hentig)
Abwehr von Unmenschlichkeit Wahrnehmung von Glück Fähigkeit und Willen, sich zu verständigen Bewusstsein von Geschichtlichkeit der eigenen Existenz Wachheit für letzte Fragen Bereitschaft zu Selbstverantwortung und Verantwortung in der Öffentlichkeit

42 Religion als Wurzel und Bestandteil von Bildung
Meister Eckhart ( ) prägte das Wort „bildunga“: die Formung des Menschen durch Gott Bildung meint in diesem Sinne: die Aufforderung an den Menschen, seiner durch Gott gegebenen Bestimmung zu entsprechen und sich dem von ihm geschaffenen Bild sich zu nähern. Die Subjektwerdung des Menschen zielt auf die gottgegebene unantastbare Würde der Person. Bildung gehört daher nach christlichem Verständnis elementar zur Religion > KiTas, Schulen Umgekehrt sind im Bildungsbegriff religiöse Aspekte enthalten.

43 Welche Konsequenzen haben diese Überlegungen für den Religions- und Konfirmationsunterricht?
Wie sieht ein Unterricht aus, der diesem Bildungsverständnis nicht gerecht wird?

44 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 1. Religionspädagogik als Disziplin 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 3. Religion in der Schule 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts

45 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns
2.1. Religion in der gegenwärtigen Gesellschaft (religionssoz. Einsichten) Zur Vertiefung: Berger, Peter L.: Der Zwang zur Häresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1980 Claussen, Johann Hinrich: Zurück zur Religion. Warum wir vom Christentum nicht loskommen, München 2006; Körtner, Ulrich H.J.: Wiederkehr der Religion? Das Christentum zwischen neuer Spiritualität und Gottvergessenheit, Gütersloh 2006 Ziebertz, Hans-Georg: Religion, Christentum und Moderne. Veränderte Religionspräsenz als Herausforderung, Stuttgart-Berlin-Köln 1999 2.2. Kindheit und Jugend im 21. Jahrhundert (soziologische Einsichten) Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 2.3. Die Entwicklung von Religiosität/Glauben (entwicklungspsycholo- gische Einsichten Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 76-95

46 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 2.1. Religion in der gegenwärtigen Gesellschaft - religionssoziologische Einsichten 2.2. Kindheit und Jugend im 21. Jahrhundert - soziologische Einsichten 2.3. Die Entwicklung von Religiosität/Glauben - entwicklungspsychologische Einsichten

47 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
2.1. Religion in der gegenwärtigen Gesellschaft Was ist Religion? Religion ist kein angestammter Begriff des Christentums, wurde aber in der Antike benutzt etymologische Herkunft des Begriffs: - religere: sich rückbinden, rückbeziehen auf etwas - relegere: wieder zusammennehmen, verehren - reeligere: wiederentdecken, umkehren moderne Verwendung: Unterscheidung von Religion und Theologie seit dem 18. Jh. zwei Grundtypen des Religionsverständnisses: „substantielle“ Religionsdefinitionen, die inhaltlich einen Bezug auf Gott, Heiliges oder Transzendentes voraussetzen „funktionale“ Religionsdefinitionen, die nach der Leistung von Religion für Individuum, Gesellschaft oder Kultur fragen Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

48 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Charles Glock: Religion in ihren Ausdrucksformen Literatur: Glock, Charles Y./Stark, Rodney: Religion and Society in Tension, Chicago 1965 Glock, Charles: „Über die Dimensionen der Religiosität“, in: Matthes, Joachim (Hg.): Einführung in die Religionssoziologie. Bd. 2: Kirche und Gesellschaft. Reinbek 1969, Die Dimension des Intellekts Die Dimension der Ideologie Die rituelle Dimension Die Dimension religiöser Erfahrung Die Dimension der Konsequenzen im Alltag Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

49 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Wo fängt Religion an und wo hört sie auf? Mögliche Abgrenzung von Religion und Pseudoreligion: Bezug auf Transzendenz (vgl. z.B. Isolde Karle, Kirche im Reformstress, Gütersloh 2011, 35ff. aber: Abgrenzung im Einzelfall schwierig Was bedeutet das für den Faschismus und den religiös motivierten Terrorismus? und: Gefahr der Konzentration auf die Frage von „echt“ und „unecht“, ohne die Phänomene wahrgenommen zu haben. Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

50 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Einige Definitionen von Religion: Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ sowie „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ Friedrich Schleiermacher, Ergriffensein von dem, „was uns unbedingt angeht“ sowie das, „was über unser Sein oder Nichtsein entscheidet“ Paul Tillich, „Bewusstsein schlechthinniger Empfänglichkeit“ Ulrich Körtner, *1957 alles, bei dem es „um letzten, äußersten Sinn geht“ Karl-Fritz Daiber, *1931 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

51 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Einige Definitionen von Religion II: Eine „produktive Suchbewegung“, die darauf zielt, „im Leben einen Platz offen zu halten mit dem ‚ganz Anderen’, mit dem Lebendigen, mit dem ‚wahren Leben’“ Hans-Günther Heimbrock, *1948 „Religiös sein heißt … nicht, Sinn für eine (die) andere Welt zu haben, sondern die Welt anders zu sehen, einen anderen Sinn für die Welt zu bekommen Henning Luther, „Nur wo das Leben und die Welt in ihrem Bezug zu Gott gesehen und interpretiert werden, haben wir es mit Religion… zu tun.“ Isolde Karle, * 1963 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

52 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Säkularisierung oder neue Religionsproduktivität? Säkularisierung = Verweltlichung Abnahme des gesellschaftlichen Einflusses der Kirche Rückgang religiöser Praktiken Mitgliederschwund ob die individuelle Religiosität abgenommen hat, ist unklar „Säkularisierungsthese“: Je moderner eine Gesellschaft, desto weniger religiös ist sie „Pluralisierungsthese“: Religion wird nicht weniger, sondern verändert ihre Formen „Religionsproduktive“ Tendenzen: Religion tritt in vielfältigen, teils ungewohnten Formen auf, die ihre Wahrnehmung erschweren, sie jedoch in vielfacher Weise lebendig sein lassen. Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

53 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Distanz und Nähe zur Kirche: Deinstitutionalisierte Religion Gesellschaft, Religion und Kirche stehen in einem unselbstverständlichen und flexiblen Verhältnis zueinander „Kirchenbindung“ und „Religion“ hängen zwar zusammen, wie sehr, ist aber umstritten Religiosität ist ohne Kirchenbindung möglich Das Individuum entscheidet über sein Verhältnis zur Institution Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

54 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Vielfalt und Heterogenität: Pluralisierte Religion Religion gibt es gesellschaftlich nur noch im Plural Vervielfältigung von Religionsgemeinschaften frei flottierende Religion Pluralisierung innerhalb der Religionsgemeinschaften Kirchen müssen mit Pluralität konstruktiv umgehen Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

55 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Souveräne Auswahl: Synkretistische Religion Kombination christlicher Elemente mit Elementen aus anderen Traditionen auch das Christentum übernahm in den ersten Jahrhunderten synkretistisch Elemente aus der hellenistischen Kultur „Glaube light“? Herausforderung der Kirchen zu verstärkter theologischer Arbeit mit ihren Mitgliedern Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

56 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Chance und Zwang zur Wahl: Individualisierte Religion Individualisierung = Lockerung vorgegebener Bindungen, Entscheidungsfreiheit und -zwang „Zwang zur Häresie“ (Peter L. Berger) Religion ist heute immer eine Frage von Entscheidung (auch in fundamentalistischen Formen!) aber: Entscheidungen sind faktisch oft nicht wirklich frei, werden jedoch der Verantwortung des Individuums zugeschrieben Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

57 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Prägungen und Vertrauen: Von Traditionen geleitete Religion Religiöse Prägungen wirken entscheidend auf Umgang mit Religion und Glauben ein Bedeutung religiöser Sozialisation Kirche genießt nach wie vor gesellschaftlichen Vertrauensvorschuss „Profilbildung“ der Kirchen stellt diesen immer auch in Frage und fördert die „Marktförmigkeit“ der Kirchen Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

58 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Das Individuum als entscheidende Instanz: Subjektivierte Religion die eigene Person hat enorm an Bedeutung gewonnen, auch im Blick auf Religion das Individuum wählt aus den Inhalten und Sprachformen aus und kombiniert diese Versatzstücke, so dass ein subjektives Glaubensgebilde entsteht. nicht mehr die Tradition bestimmt über die Gültigkeit von Religion, sondern das Subjekt und sein Bedarf Traditionen werden geprüft und einzeln entschieden  Kriterium der Brauchbarkeit: Lebensdienlichkeit der Religion Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

59 Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie
Religion in der Spätmoderne Erfahrung und Event: Religion als spirituelles Erlebnis Erwartung an ein inneres „Erleben“ Warnung vor einer „Eventisierung“ aber: gehört ein inneres Ergriffenwerden nicht zum christlichen Glauben hinzu? Konjunktur des Spiritualitätsbegriffs Distanzierung von Institutionen Nähe zur Mystik verwandt mit „Frömmigkeit“, jedoch stärker mit individueller Suchbewegung konnotiert Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong Grundfragen der Praktischen Theologie

60 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 2.1. Religion in der gegenwärtigen Gesellschaft - religionssoziologische Einsichten 2.2. Kindheit und Jugend im 21. Jahrhundert - soziologische Einsichten 2.3. Die Entwicklung von Religiosität/Glauben - entwicklungspsychologische Einsichten

61 2.2.1. Kindheit und Jugend heute als Problem?
Kindheit und Jugend werden gegenwärtig häufig negativ bewertet negativer als Kinder und Jugendliche dies selbst tun Vorsicht: Bilder und Kindheit und Jugend sind immer Konstruktionen und nie objektiv „Früher“ ist ein sehr ungenauer Zeitraum Romantisierungen sind unangebracht!

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63 2.2.2. Was meint „Kindheit“ und „Jugend“?
Unterschiedliche Definitionen Kindheit meist von 0 bis 11 oder 12 angesetzt Shell-Jugendstudie: Jugend als 12-25jährig definiert Abgrenzung zum Erwachsenenalter fließend

64 2.2.3 Kindheit und Jugend als Konstruktion
Philippe Ariès (1960): „Kindheit“ ist eine historisch kontingente Konstruktion „Kindheit“ entwickelte sich zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert Heute wird bereits wieder von einem „Verschwinden der Kindheit“ gesprochen (Neil Postman) „Jugend“ ist kein „psychosoziales Moratorium“ (Erik Erikson) mehr – aber dies galt auch nur für wenige „Jugendlichkeit“ gehört zum Erwachsenenhabitus weniger Abgrenzungsbedürfnis zwischen Erwachsenen und Jugendlichen

65 2.2.4. Lebensbedingungen Kinder und Jugendlicher heute
sind eine Minderheit sind von Individualisierung und Pluralisierung geprägt wachsen in Familien auf sind ihren Eltern nahe leben unter Gleichaltrigen haben ungleiche Zukunftschancen leben erschreckend häufig unterhalb der Armutsgrenze sind Konsumentinnen und Konsumenten haben eine ausgeprägte Freizeitwelt wachsen mit Medien auf

66 2.2.5. Deutungen von Jugend und Kindheit
Kindheit und Jugend sind von Ambivalenzen geprägt Kindheit und Jugend sind heute weder pauschal „besser“ oder „schlechter“ als früher, sondern anders insgesamt ist die spätmoderne Kindheit vermutlich besser als ihr Ruf in pädagogischen Bewertungen Kinder haben spezifische Kompetenzen Kinder haben mehr Mitspracherechte Es gibt keine „heile Welt“ der Kindheit Kindsein und Jugend muss gestaltet werden

67 2.2.6. Religiosität von Kindern und Jugendlichen
Aufwachsen in religiöser Pluralität unter Dominanz christlicher Perspektiven „Subjektrechte“ in Sachen Religion: Auch für Kinder und Jugendliche ist Religion Gegenstand der Wahl Kirche wird nicht abgelehnt, aber sie unterliegt dem Anspruch, sich als sinnvoll zu erweisen Traditionen werden nicht abgelehnt, sondern kritisch befragt In der Lebenswelt Jugendlicher tritt Religion in diversen Formen auf.

68 2.2.7 Didaktische Konsequenzen
Kinder und Jugendliche in ihrem Umgang mit Pluralität stärken - sowohl gegen Relativismus als auch gegen Fundamentalismus Kinder und Jugendliche in der Fähigkeit zum Wechsel zwischen Binnenperspektive und Distanzierung unterstützen Kinder und Jugendliche in Richtung „Unsicherheitstoleranz“ und zugleich Positionierung fördern

69 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 2.1. Religion in der gegenwärtigen Gesellschaft - religionssoziologische Einsichten 2.2. Kindheit und Jugend im 21. Jahrhundert - soziologische Einsichten 2.3. Die Entwicklung von Religiosität/Glauben - entwicklungspsychologische Einsichten

70 „Für mich ist Gott keine Person
„Für mich ist Gott keine Person. Früher dachte ich, Gott wäre so ein alter Herr mit Bart, grauhaarig mit einem weißen Gewand. Er war für mich sehr weise und gütig und hat eine in gewisser Weise feierliche und getragene Stimmung verbreitet. Als ich dann älter wurde, konnte ich, vor allem um meine Konfirmandenzeit herum, so gut wie gar nichts mit Gott anfangen. Die alte Vorstellung ist nicht mehr gültig, aber man hat auch noch keine neue. […] Man hat genug damit zu tun, mit sich und seiner Umwelt klar zu kommen und hat für Gott gar keinen Platz. Heute ist Gott für mich vielmehr ein Gefühl. Gott ist für mich in der Liebe, die ich anderen Menschen gegenüber empfinde und auch in der Liebe, die mir entgegengebracht wird. Das ist mir erst in letzter Zeit klar geworden. Ich habe gelernt, Liebe, wirkliche und starke Liebe zu empfinden. Ich habe gemerkt, dass alles, was man so für Verliebtsein hält, in Wirklichkeit etwas ganz anderes, ein viel ärmeres Gefühl ist. Zu lernen, wirkliche Liebe zu empfinden, war und ist für mich sehr, sehr wichtig geworden. In der Liebe ist für mich Gott.“ (Gymnasiastin aus Mannheim, 16 Jahre, zit. nach K.E. Nipkow 1993, 199f.)

71 Entwicklungspsychologische „Stufentheorien“ (Fritz Oser/Paul Gmünder - James W. Fowler)
Achtung: Die verschiedenen Stufenmodelle beschreiben keinen „Reifungsprozess“ von einer minderen zu einer höheren Stufe, sondern zeigen mögliche Zugänge zu Religion auf Die Altersangabe dient nur zur groben Orientierung, einzelne SuS können auf einer ganz anderen „Stufe“ sein – oder mehrere „Stufen“ miteinander verbinden. Die Stufentheorien sind kein religionspädagogisches Entwicklungsprogramm!

72 2.3.1. Stufentheorie nach Fritz Oser/Paul Gmünder
Fritz Oser/Paul Gmünder: Der Mensch – Stufen seiner religiösen Entwicklung. Ein strukturgenetischer Ansatz, Zürich/Köln 1984 Untersuchungsgegenstand: religiöse Urteilsbildung = Tiefenstruktur, die allem Denken und Urteilen über religiöse Fragen zugrunde liegt Voraussetzung: allgemein menschliche Religiosität. Menschen stellen die Sinnfrage und die Frage nach dem „unbedingt Gültigen“ Zentraler Gedanken: Autonomie des Menschen und die Autonomie des „Ultimaten“ zusammenzudenken. Methodik: Dilemma-Geschichten

73 Das „Paul-Dilemma“: Paul, ein junger Arzt, befindet sich in der lebensbedroh- lichen Situation eines Flugzeugabsturzes. Er betet zu Gott und verspricht, falls er überlebt, seine geplante Zukunft mit Heirat und gut bezahlter Klinikstelle aufzugeben und sein Leben für Menschen in einem Entwicklungsland einzusetzen. Nachdem er gerettet worden ist und zudem für eine aussichtsreiche Stelle ausgewählt wurde, steht er im Konflikt. Wie soll er sich entscheiden?

74 Stufe 1: Kleinkind- und Vorschulalter
Paul muss sein Versprechen auf jeden Fall einlösen, sonst wird er bestraft. Gott bzw. der „Ultimat“ ist eine Macht, die unbeeinflussbar alles tut und wirkt („deus es machina“). Die Interaktion ist einseitig, der Mensch hat keine Freiheit, sondern ist völlig abhängig vom Ultimaten. Knabe, 10 Jahre: „Er soll schon gehen. Weil er es versprochen hat. Wenn etwas geschieht, soll man an den lieben Gott denken. Der liebe Gott ist der Liebste, er hilft den Leuten, wenn man ein Versprechen gemacht hat, und dann muss man auch tun, was man versprochen hat.“ Wieso soll man ein Versprechen halten? „Weil man vielleicht sonst doch bestraft wird. Gott tut, dass man im Inneren weh hat – Bauchweh oder so etwas“ 144, zitiert nach Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh, 126.

75 Stufe 2: Grundschulalter bis frühes Jugendalter
Paul muss sein Versprechen halten, weil er sich Gott gegenüber anständig verhalten muss, sonst verhält Gott sich auch nicht anständig zu ihm. Gott ist beeinflussbar, man kann Handel auf Wechselseitigkeit treiben („do ut des“). Interaktion und Abhängigkeit sind gegenseitig, Rationalität und Autonomie haben zugenommen. Knabe, 9 Jahre: „Ja, das muss er, Gott hat ihn auch gerettet. Er hat den Paul vielleicht darum gerettet, weil er immer lieb zu ihm war. Er hat nicht so viel Böses gemacht. Wenn wir nämlich gut zu Gott sind, dann hilft uns vielleicht Gott auch wieder einmal.“ Warum hilft uns Gott? „Er will damit erreichen, dass wir überlegen können. Wenn er uns hilft, dann können wir manchmal auch etwas für ihn tun. Zuerst machen wir etwas, vielleicht hilft er uns dann.“ Wie hilft er uns? „Mit seinen Kräften, die er besitzt. Er kann Wunder machen. Aber er macht sie nicht immer. Es kommt ganz darauf an, wie man zu ihm ist“ . 148, zitiert nach Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh, 126f.

76 Stufe 3: Jugendalter (ab 11) bis Erwachsenenalter
Paul kann sich entscheiden, wie er will. Gott wird nicht darauf reagieren, weil er keinen Einfluss auf das Leben des Menschen und die Welt nimmt (latenter Deismus). Mensch und Gott (Ultimates) sind sozusagen voneinander unabhängig. Frau, 34 Jahre: „Der Fehler besteht schon darin, dass Paul mit dem lieben Gott einen Handel macht. Das finde ich kindisch in einer solchen Situation. Die Frage ist, was Paul noch von seinem Leben hat, wenn er alles aufgeben muss, das ihm Spaß bereitet. Ich hätte ein schlechtes Gewissen, diesen gut bezahlten Job anzunehmen, weil ich nämlich persönlich doch den Vorsatz gefasst habe, mein Leben für die armen Menschen einzusetzen. Dies muss ich dann tun, weil es mir ein inneres Bedürfnis ist und weil ich den Entschluss in einem wichtigen Moment meines Lebens gefasst habe, aber nicht, weil ich es dem lieben Gott versprochen habe.“ 155, zitiert nach Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh, 127.

77 Stufe 4: Erwachsenenalter
Paul kann sich in Beziehung zu Gott frei entscheiden Der Mensch hat eine neue Beziehung zu Gott aufgebaut. Darin ist seine Freiheit nicht unabhängig von Gott, sondern Gott ermöglicht und will die Freiheit des Menschen. Es wird nicht absolut geurteilt, sondern die konkrete Situation berücksichtigt – so wird z.B. die Frage gestellt, ob Versprechen in Extremsituationen Gültigkeit besitzen. Mann, 53 Jahre: „[…] dass er dieses Versprechen nicht aus freier Überzeugung gemacht hat, sondern aus Angst, dass es also ein unfreier Entschluss war. […] Ich würde sagen, dass die Freiheit für einen totalen Einsatz für Gott einfach Grundbedingung ist für eine echte religiöse Handlung. …] Aber nicht, dass er dies machen muss, denn er kann es anders machen, da ist der Mensch frei; nur geht es eben darum, frei heißt nicht, dass er machen kann, was er will, denn der Mensch ist von Natur aus und in seiner Erlösung doch an eine gewisse Linie gebunden.“ 161f., zitiert nach Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh, 128f.

78 Stufe 5: mittleres Erwachsenenalter (eher selten)
Die Freiheit von etwas aus Stufe 4 wird hier zu einer Freiheit zu. Höchste menschliche Autonomie befähigt den Menschen zur Intersubjektivität und Kommunikativität. Der Grund der Freiheit und der Impuls zu sozialem Engagement werden in Gott gesehen.  Interview mit einem Philosophen und Theologen: Was ist überhaupt für diese Welt bedeutsam: Der Mensch oder Gott? „Natürlich hat Paul durch das Eintreten in diese Lebensbeziehung Freiheit realisiert, die nicht aus der Gottesbeziehung herausgenommen werden darf, sondern auch hier die Auslegung des Willens Gottes ist, die Auslegung der Situation, d.h. hier der Liebe zu seiner Freundin und der Liebe zu seinem Beruf, denn, dass er der Beste ist von allen für diese chirurgische Klinik, ist für mich indirekt ein Anruf vom Willen Gottes… Ich kann meinem Gottesbezug nicht unabhängig von meinem Kommunikations- und Arbeitsbezug her denken, denn dann würde er inhaltsleer und damit eine Flucht. Der Gottesbezug realisiert sich nur innerhalb des Geschichtsbezuges…“ 171f., zitiert nach Friedrich Schweitzer: Lebensgeschichte und Religion. Religiöse Entwicklung und Erziehung im Kindes- und Jugendalter, Gütersloh, 129.

79 Anfragen und Kritik: Reduktion von Religiosität auf (kognitive Urteilsbildung) künstliche Gesprächssituation, die wenig darüber aussagt, wie die Befragten selbst handeln würden Ergebnis ist abhängig von der Textkonstruktion: die Formulierung der Fragestellung verändert die Reaktionen Theorie suggeriert eine Kontextlosigkeit von Religiosität – vermutlich heute schon andere Ergebnisse (Pluralität) Trennung der Stufen künstlich: Stufen existieren nebeneinander, Veränderungen geschehen langsam Reihenfolge der Stufen ist nicht zwingend Stufen implizieren letztlich doch eine Höherwertigkeit „erwachsener“ Religiosität gegenüber der von Kindern Theorie ist nicht religionsneutral: christliche Vorannahmen (paulinische Theologie) sind deutlich

80 2.3.2. Die Stufentheorie von James W. Fowler
James W. Fowler: Stufen des Glaubens. Die Psychologie der mensch- lichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh [1981] 1991 Untersuchungsgegenstand „faith“: Lebenseinstellung, die die ganze Person in ihrem Streben nach Sinn umfasst ebenfalls Annahme von Kultur- und Religionsunabhängigkeit Untersuchungsmethode: halboffene Interviews zu Beziehungen, Werten, religiösen Erfahrungen und Deutungen relativ große Ähnlichkeit des Modells mit Oser/Gmünder: auch hier Entwicklung von einem relativ fremd bestimmten Glauben zu einem autonomen Gottesbeziehung deutlicher als bei Oser/Gmünder ist die Chance jeder Stufe und ihr bleibender Charakter erkennbar

81 Stufe 0: „Primärer/undifferenzierter Glaube (Säuglingsalter)
Durch ein verlässliches Gegenüber bildet sich beim Baby die Fähigkeit des Vertrauens. Diese Vorerfahrung des Glaubens gleicht Trennungserfahrungen und erste Angst aus Bleibend wichtig: Ein Vertrauen darauf, dass es ein verlässliches Gegenüber gibt – Bezug zu Gott Biblische Texte zur Vorstufe: Gottes Hand hält (Jes 66,12b.13a) Stillung des Sturmes (Mk 4,35-41)

82 Stufe 1: Intuitiv-projektiver Glaube
(frühe Kindheit bis Vorschulalter) Bilder und Gegenstände werden „intuitiv“ aufgenommen. Kinder machen sich ein Bild von einer Sache und „übertragen“, „projizieren“ auf diese Sache eine fantastische Macht. Symbole erhalten die Kraft, Probleme zu lösen. Die Phantasie ist besonders ansprechbar Thema „Macht“ ist zentral: Gott als faszinosum und tremendum Kinder finden geheimnisvolle Antworten über das Göttliche Bleibend wichtig: Symbole beschreiben religiöse Erfahrungen Biblische Texte zur 1. Stufe: Regenbogen (Gen 9,8-17) Das verlorene Schaf (Lk 15,3-7)

83 Stufe 2: Mythisch-wörtlicher Glaube
(Grundschulalter bis frühe Jugendzeit): logisches Denken hilft beim Ordnen der Welt Geschichten werden zunächst wörtlich genommen, dann aber zunehmend auf ihren Realitätsgehalt überprüft Gott ist fürsorglich, streng und strafend. Er fühlt und handelt wie die Mitmenschen, ist ein ansprechbares Gegenüber. Welt wird nach mechanischer Reziprozität verstanden („Wie du mir, so ich dir“): Tun-Ergehen-Zusammenhang Bleibend wichtig: die Fähigkeit, in Geschichten zu leben und aus ihnen Kraft für das eigene Leben zu gewinnen. Biblische Texte zur 2. Stufe: Der Herr ist mein Hirte (Ps 23) Der verlorene Sohn (Lk 15,11-24)

84 Beispiel: Millie, 10 Jahre
Millie: Gott ist wie ein Heiliger. Er ist gut, er regiert die Welt, sozusagen, aber auf eine gute Weise. Interviewerin: Wie regiert er die Welt? Millie: Er – er regiert nicht wirklich die Welt, aber, hm – Warten Sie, er – er lebt oben auf der Welt, und er beobachtet immer jeden. Zumindest versucht er es. Und er tut das, was er für richtig hält […] und er versucht, das Beste zu tun, und – er lebt oben im Himmel… Interviewerin: Kann nun überhaupt jemand in den Himmel kommen? Millie: Wenn die Leute es wollen und an Gott glauben, dann können sie in den Himmel kommen […] Interviewerin: Kannst du sagen, was der Teufel ist? Millie: Der Teufel ist auch ein Heiliger, aber er glaubt an das Böse und macht die Sachen falsch. Gerade das Gegenteil von Gott. Und er tut immer Dinge, von denen Gott nicht will, dass die Leute sie tun. Interviewerin: Hat er Macht über die Welt? Millie: Der Teufel? Sozusagen, nein. Gott – nein. Ich glaube nicht ... Das ist eine schwierige Frage. Gott hat nicht wirklich Macht über die Welt. Er sieht hier nur so zu. Der Teufel ist so wie eine kleine Maus, die versucht, Käse zu bekommen. Irgendwie versucht er, reinzukommen, aber ich glaube, er kann es einfach nicht.

85 Stufe 3: Synthetisch-konventioneller Glaube
(Jugendzeit und darüber hinaus) Herausforderung Identitätsfindung (Pubertät) Orientierung an anderen, an Vorbildern („konventionell“) Inhalte und Überzeugungen werden zusammengefügt („synthetisch“) häufig Entfernung von Gott nach Verlust des Kinderglaubens wenn Glaube eine Rolle spielt, wird Gott als guter Freund benötigt, der einen in seiner Tiefe kennt, annimmt und bestätigt. Bleibend wichtig: Suche nach der eigenen Mitte mit Integration neuer Erfahrungen Biblische Texte zur dritten Stufe: Berufung des Levi (Mk 2,13-17) Kindersegnung (Mk 10,13-16)

86 Beispiel: Linda, 15 Jahre Interviewer: Linda, wenn du sagst, dass du weißt, woran du glaubst ... – kannst du dann zu beschreiben versuchen, wie du erfahren hast, woran du glaubst? Linda: Durch die Religion, glaube ich. Ich bin immer in die Kirche und so gegangen. Und meine Eltern, sie haben mir immer den Weg gezeigt ... Sie haben mir immer beigebracht, dass Gott immer da ist, und wissen Sie, er ist die einzige Art und Weise, in der man es wirklich schaffen kann ... Man hängt von ihm ab, und ich glaube wirklich an ihn, und Sie wissen, man sagt, dass Gott in vielen geheimnisvollen Weisen spricht? Ja, in gewisser Weise hat er oft zu mir gesprochen ... Ich denke wirklich, dass er mich dahin geführt hat, wo ich heute bin. Weil ich oft einfach gedacht habe, die Welt ist so, verstehen Sie, ich habe einfach gar nichts gefühlt. Aber dann eines Morgens habe ich einfach so ein Gefühl ... Ich denke, da ist jemand, verstehen Sie?

87 Stufe 4: Individuell-reflektierender Glaube (frühes Erwachsenenalter):
kritische Reflexion von Werten und Überzeugungen Fähigkeit zur Selbstreflexion und kritischer Distanznahme gegenüber bisherigen Autoritäten und Traditionen nicht mehr Definition durch Gruppenzugehörigkeit, sondern Bewusstsein von Subjektivität, Individualität und Autonomie oft religionskritische und symbolkritische Haltung Bleibend wichtig: eigenständige und kritische Reflexion von Glaubensinhalten, Selbstbewusstsein „mit meinem Gott bin ich, wie ich bin“ Biblischer Text zur vierten Stufe: Rangstreit der Jünger (Mk 9,33-37)

88 Beispiel: Junger Mann „Ja, was meine Religion angeht, wenn Sie es aus dem Blickwinkel der organisierten Religion betrachten, so habe ich im Grunde keine. Ich wurde katholisch erzogen, praktiziere aber im formalen Sinne keine Religion, kein Ritual oder so. Ich lebe mein Leben so, wie ich es für richtig halte – das hängt überhaupt nicht von den religiösen Aussagen einer Gruppe oder religiösen Organisationen ab, und meine Werte bestehen nur darin, was mir richtig erscheint. Ich lehne die Werte vieler organisierter Religionen ab und vertrete manche Werte, die nicht nur der organisierten Religion, sondern der Gesellschaft im Ganzen widerspricht.“

89 Stufe 5: Verbindender Glaube (mittleres Erwachsenenalter und später, Ausnahme)
Kommunikations- und Dialogfähigkeit sind weit entwickelt keine vorschnellen Bewertungen, sondern Frage nach Hintergründen und Bedingungen neue Würdigung von Symbolen, Mythen und Geschichten Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Glaubensinhalten, Relativierung der eigenen Wahrheit Bleibend wichtig: Toleranz und Dialogfähigkeit, Formulierung des eigenen Glauben ohne Angst und Abgrenzungsbedürfnis    Biblischer Text zur fünften Stufe: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde“ (Gen 12,3b)

90 Stufe 6: Universalisierender Glaube (theoretische Größe)
Konstruktion aus „Prototypen“ religiöser Hingabe (Martin Luther King, Mutter Theresa, Dietrich Bonhoeffer, Mahatma Gandhi, Dag Hammerskjöld oder Abraham Heschel) selbstlose, leidenschaftliche Orientierung an ihren Visionen verwurzelt in der Einheit des Seins, mit Gott jenseits der Paradoxien im Leben und seine Polaritäten    Biblischer Text zur sechsten Stufe: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“ (Gen 1,27)

91 Übersicht über die Stufen nach Fowler:
Stufe 0: „Primärer/undifferenzierter Glaube (Säuglingsalter) Stufe 1: Intuitiv-projektiver Glaube (frühe Kindheit bis Vorschule) Stufe 2: Mythisch-wörtlicher Glaube (Grundschulalter bis frühe Jugendzeit) Stufe 3: Synthetisch-konventioneller Glaube (Jugendzeit und später Stufe 4: Individuell-reflektierender Glaube (Erwachsene) Stufe 5: Verbindender Glaube (evtl. ab mittlerem Erwachsenenalter) Stufe 6: Universalisierender Glaube (Konstruktion) :

92 2.3.3. Heutige Rezeption der Stufentheorien
intensive religionspädagogische Diskussion zu der Sinnhaftigkeit dieser Stufentheorien Kritische Position: z.B. Langzeitstudie in Mecklenburg-Vorpommern Anna-Katharina Szagun, Dem Sprachlosen Sprache verleihen. Rostocker Langzeitstudie zu Gottesverständnis und Gottesbeziehung von Kindern, die in mehrheitlich konfessionslosem Kontext aufwachsen, Jena 2006 kindertheologische Forschung Verteidigende Position: z.B. Anton Bucher mit dem Vorwurf an die Studien, dass sie nach solchen Stufen gar nicht explizit gefragt haben und ihre Ergebnisse einseitig (und methodisch fragwürdig) sind.

93 Religionspädagogische Tendenz: Die Stufentheorien werden in einer „weicheren Lesart“ verstanden
Stufen werden nicht als irreversible, hierarchisch aufgebaute Folge von Entwicklungsschritten gesehen, sondern als typische religiöse Orientierungen, die in bestimmten Altersstufen erwartbarer sind als in anderen. Elemente von Stufen gleichzeitig vorhanden Wertschätzung der „kindlichen“ Entwicklungsstufen psychische Entwicklung verläuft „domänenspezifisch“ auch hinsichtlich differenzierter Gedankenoperationen Bedeutung der angebotenen und verarbeiteten Wissens und der Beschäftigung im Bereich Religion wird ernst genommen

94 2.3.4. Religionspädagogische Konsequenzen
bleibender Wert der Stufentheorien in „weicher Lesart“ erhellen die Beziehung zwischen Gott und Mensch und führen zu ihrer differenzierteren Wahrnehmung zentral: Kinder und Jugendliche nehmen religiöse Inhalte nicht in der gleichen Weise auf wie Erwachsene. Relevanz für Unterrichtsentwürfe : für jede religiöse Teilfrage ist zu überlegen, wie sich die Logik des Themas entwicklungspsychologisch darstellt. schwierige Balance zwischen einer pauschalen Kategorisierung und der Einsicht, dass ein gewisser Entwicklungsstand wahrscheinlicher als ein anderer besonders wichtig für Gleichnisse und Wundergeschichten  

95 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 1. Religionspädagogik als Disziplin 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 3. Religion in der Schule 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts

96 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 3. Religion in der Schule 3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 3.2. Modelle des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Michael Meyer-Blanck: Modelle des Religionsunterrichts im Überblick, Lernort Gemeinde 21 (2003/4), 31-34 3.3. Philosophie und Ethik/Islamunterricht

97 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 3. Religion in der Schule 3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 3.2. Modelle des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Michael Meyer-Blanck: Modelle des Religionsunterrichts im Überblick, Lernort Gemeinde 21 (2003/4), 31-34 3.3. Philosophie und Ethik/Islamunterricht

98 3.1.1. Historische Entwicklungen
auf dem Weg zum heutigen Religionsunterricht Religion bestimmte ursprünglich das gesamte Schulwesen und wurde erst spät zum eigenen Fach bis zur Weimarer Republik hatten die Geistlichen die Aufsicht über die Schule Voraussetzung für die heutige Konstruktion von Religionsunterricht ist die Ausdifferenzierung von Religion als eigenes Subsystem

99 3.1.2. Trennung von Staat und Kirche als Voraussetzung des heutigen Religionsunterrichts
Ende der Staatskirche in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg Rechtliche Grundlage: Weimarer Reichsverfassung Art der WRV werden 1948 in das Grundgesetz übernommen

100 Art. 137 WRV: Art WRV: Es besteht keine Staatskirche. Art WRV: Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Art WRV: Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.

101 positive und negative Religionsfreiheit
Staatlich garantierte Religionsfreiheit als Voraussetzung des heutigen Religionsunterrichts Art. 4 GG (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. 136.3 WRV (übernommen ins GG): Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden. positive und negative Religionsfreiheit

102 3.1.4. Die rechtlichen Grundlagen für den Religionsunterricht in Deutschland
Art. 7 GG (1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

103 Zu (1): Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.
Der Staat die Aufsicht auch über den Religionsunterricht. Der Staat hat die Pflicht, für die Ausbildung der Lehrkräfte zu sorgen.

104 Zu (2): Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. Ausdruck der negativen Religionsfreiheit (Art. 4 GG) gilt bis zum Alter von 14 Jahren, in dem man religionsmündig wird Abmeldemöglichkeit vom Religionsunterricht besteht seit der Weimarer Republik, wird allerdings erst seit Ende der 1960er Jahre verstärkt wahrgenommen verpflichtendes Ersatzfach wie Philosophie- oder Ethik erforderlich

105 Zu (3) 1. Satz: Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach verfassungsrechtliche Garantie des Religionsunterrichts Begründung durch allg. schulischen Bildungsauftrag Angemessenheit des Stundenplans Noten und Versetzungsrelevanz Übernahme der Personal- und Sachkosten durch den Schulträger

106 Zu (3) 2. Satz: Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Selbstbeschränkung des Staates in Bezug auf Religion Delegation der Aufgabe an die Religionsgemeinschaften = Grundlage des sog. konfessionellen Religionsunterricht Konsequenz: RU ist gemeinsame Aufgabe von Staat und Kirche (Lehrpläne, Schulbücher) Unterschiedliche Ausgestaltung der kirchlichen Mitwirkung in den Bundesländern „vocatio“ der Kirche – auch hier unterschiedliche Ausgestaltung Rechtlicher Klärungsbedarf: Welche Modelle sind durch die Formulierung noch gedeckt?

107 Zu (3) 3. Satz: Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. Konsequenz der negativen Religionsfreiheit Lehrkräfte dürfen nicht entlassen werden, wenn sie aus Gewissensgründen Religion nicht unterrichten wollen

108 1.1.5. Argumente für den Religionsunterricht
Der Religionsunterricht thematisiert die existentiellen Fragen des Menschseins. Zur Bildung gehört eine Dimension jenseits von Funktionalisierung und Leistung. Religion repräsentiert einen eigenständigen Modus der Welt- und Selbsterschließung. Religion ist ein prägender Bestandteil von Kultur und Geschichte in Deutschland und Europa. Die Gesellschaft benötigt religiös kompetente Menschen. Religionsunterricht dient als Grundlage moralischer Erziehung. Religionsunterricht erzieht zu religiöser Toleranz.

109 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 3. Religion in der Schule 3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 3.2. Modelle des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Michael Meyer-Blanck: Modelle des Religionsunterrichts im Überblick, Lernort Gemeinde 21 (2003/4), 31-34 3.3. Philosophie und Ethik/Islamunterricht

110 Grundlagen Art 7,3 GG („in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“) ist nicht zwingend für die Bundesländer, in denen am eine andere Regelung bestand („Bremer Klausel“) gilt für Bremen, Berlin und Brandenburg (letzteres ist rechtlich umstritten) damit gibt es drei Modelle des RU, die sich außerhalb von Art 7,3 GG bewegen, und drei Modelle auf der Grundlage von Art. 7,3

111 1. Kirchlicher RU in der Schule 2. Konfessioneller RU 3. Konfessionell-kooperativer RU (ev. – kath.) Berlin Alle Länder außer den eigens genannten Projekte in Baden-Württemb. u. Niedersachsen 4. „RU für alle unter evangelischer Verantwortung“ 5. RU auf allgemein christlicher Grundlage 6. Lebensgestaltung- Ethik- Religionskunde: („LER“) Hamburg Bremen Brandenburg

112 Zu 1.: Kirchlicher RU in der Schule (Berlin)
kein ordentliches schulisches Lehrfach „allein Sache der Religionsgemeinschaften” (Berliner Schulgesetz): Inhalt (Lehrpläne), Gestaltung und die Prüfung der Lehrenden werden allein von den Kirchen verantwortet. Schulen stellen für den Unterricht die Räume zur Verfügung, halten wöchentlich zwei Stunden in der Stundentafel frei und tragen einen Großteil der Kosten keine Noten freiwilliges Fach mit eigener Anmeldung in höheren Klassen geringe Akzeptanz

113 Zu 2.: Konfessioneller Religionsunterricht
Religion wird aus der Perspektive der jeweiligen Konfession unterrichtet andere Religionen und Konfessionen werden verbindlich thematisiert positioneller Ansatz, jedoch als offenes Angebot nach evangelischem Verständnis Zweierhomogenität, nach katholischem (theoretisch) Dreierhomogenität auch andere anerkannte Religionsgemeinschaften haben die Möglichkeit eines eigenen Religionsunterrichts, sofern eine Mindestzahl pro Jahrgang gegeben ist (in der Regel 12): Es existieren griechisch-orthodoxer sowie jüdischer Religionsunterricht, muslimischer wird in S.-H. angestrebt

114 Gründe für den konfessionellen RU:
rechtlich: entspricht fraglos Art. 4 GG Recht auf positive Religionsfreiheit benötigt die Fähigkeit, Religion ausüben zu können 2. inhaltlich: Religion ist immer eine konkrete Religion Ausübung von Religion beruht auf Erfahrungen mit Religion Eine reine Information über Religion wird dem Gegenstand Religion nicht gerecht Religionsunterricht dient der Stärkung religiöser Identität Religiöse Dialogfähigkeit wurzelt in religiöser Positionalität

115 Schwierigkeiten des konfessionellen RU:
Konfessioneller RU wird der multireligiösen Gesellschaft nicht gerecht, da er SuS ausgrenzt und bi-religiös aufwachsende Kinder nicht vorsieht Konfessioneller RU übt in der heutigen Gesellschaft notwendigen interreligiösen Dialog nicht ein Religiöse Identitätsbildung geschieht gerade dialogisch Didaktisch ist es problematisch, gerade bei der Bearbeitung existentieller Fragen die Klasse zu teilen Mit zunehmender religiöser Pluralität können Schulen den RU kaum noch organisieren; dies schadet seiner Akzeptanz

116 Zu 3.: Konfessionell-kooperativer RU
evangelischer und katholischer RU arbeiten zusammen unterschiedliche Modelle: gemeinsame Unterrichtsphasen, „team-teaching“ oder Unterricht für den gesamten Klassenverband durch nur eine, konfessionell gebundene Lehrkraft als Modell für christlich-islamische Kooperation in der Diskussion

117 Zu 4.: RU für alle unter evangelischer Verantwortung („Hamburger Modell“)
seit 1995 interreligiöser RU die in der Klasse vorhandenen religiösen Traditionen und Identitäten werden für ein gemeinsames Lernen genutzt verschiedene Religionsgem. verantworten die Inhalte bislang erteilt von evangelischen Lehrkräften spezifische Voraussetzungen: multireligiöse Stadt, konfessionell gebundene SuS in der Minderheit, viele bireligiös aufwachsende SuS, lange kein katholischer RU Annahme: religiöse Identität entwickelt sich im Dialog keine Religionskunde, sondern Stärkung der jeweiligen religiösen Identität der SuS. Die evangelische Position der Lehrkräfte dient nicht als inhaltliches Vorbild, sondern als Vorbild im Umgang mit der eigenen Religion.

118 Zu 5.: RU auf allgemein christlicher Grundlage (Bremen)
„bekenntnismäßig nicht gebundener Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage“ problemorientierter Ansatz, ethische Ausrichtung Bibel aus kulturgeschichtlichen und ästhetischen Gründen hervorgehoben außerkirchlich und undogmatisch, keine Mitwirkung der Kirchen obligatorisch für alle zusätzlich Unterricht durch die Kirchen auf freiwilliger Basis nachmittags außerhalb der Schulzeit, schwach besucht

119 Zu 6.: Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde (Brandenburg)
seit 1992/93 neues Unterrichtsfach Unterricht im Klassenverband Verzicht auf das Konfessionalitätsprinzip religionskundlicher Unterricht, „neutrale“ Information über Religionen und Lebenshaltungen jahrelanger Rechtsstreit (u.a. über „Bremer Klausel“ ohne verbindliches Urteil Kompromiss zwischen Staat und Kirche: ab 12 SuS ist ein kirchlicher RU einzurichten, dazu Befreiung von LER, Anrechnung bis zu 8 Stunden RU auf das Lehrdeputat staatlicher Lehrkräfte

120 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 3. Religion in der Schule 3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Godwin Lämmermann/Elisabeth Naurath/Uta Pohl-Patalong: Arbeitsbuch Religionspädagogik, Gütersloh 2005, 3.2. Modelle des Religionsunterrichts Zum Nachlesen: Michael Meyer-Blanck: Modelle des Religionsunterrichts im Überblick, Lernort Gemeinde 21 (2003/4), 31-34 3.3. Philosophie und Ethik/Islamunterricht

121 3. 1. Bezeichnungen für das Ersatzfach bzw
3.1. Bezeichnungen für das Ersatzfach bzw. Wahlpflichtfach in den Bundesländern Allgemeine Ethik: Saarland Ethik: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen Ethikunterricht: Sachsen-Anhalt Philosophie: Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein Philosophieren mit Kindern / Philosophie: Mecklenburg-Vorpommern Praktische Philosophie / Philosophie: Nordrhein-Westfalen Werte und Normen: Niedersachsen Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER): Brandenburg

122 3.2. Islamischer Religionsunterricht?
von den meisten islamischen Verbänden gewünscht (außer in HH) überwiegend von den Kirchen unterstützt Grundlage: auch die ca muslimischen SuS haben ein Recht auf religiöse Bildung! Problem konkreter Ansprechpartner islamischer RU muss sich in die Bildungsziele der öffentlichen Schule einfügt und den didaktischen und methodischen Anforderungen genügen historisch-kritischer Zugang zum Koran? Modellversuche in verschiedenen Bundesländern, auch in Schleswig-Holstein (Grundschulbereich), meist Islamkunde Professuren für islamische RP in Münster und Osnabrück

123 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 1. Religionspädagogik als Disziplin 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 3. Religion in der Schule 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts

124 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jh.
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jh. 4.1. Liberale Religionsdidaktik 4.2. Evangelische Unterweisung 4.3. Hermeneutischer Religionsunterricht 4.4. Thematisch-problemorientierter Religionsunterricht 4.5. Therapeutischer Religionsunterricht 4.6. Elementare Bibeldidaktik 4.7. Symboldidaktik 4.8. Konstruktiv-ideologiekritische Religionsdidaktik 4.9. Performative Religionsdidaktik

125 4.1. Liberale Religionsdidaktik
ca ca. 1920 Abwendung von Katechetik Aufnahme zeitgenössischer Psychologie und Pädagogik nimmt die gegenwärtige Religiosität in den Blick Ziel: Bildung einer sittlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit auf der Grundlage des Christentums Wichtige Namen: Richard Kabisch ( ): Konflikt zwischen Abhängigkeits- und Erhebungsgefühl Friedrich Niebergall ( ): Bildung auf dem Grundgedanken der Rechtfertigung aufbauend bleibend wichtig: Interesse an den Subjekten des Lernens, Pädagogik und Psychologie , „Persönlichkeitslernen“

126 4.2. Evangelische Unterweisung
Erster Weltkrieg bis 1950er Jahre Kontext: Dialektische Theologie, Kriegserfahrung Ablehnung des Begriffs „Religionsunterricht“ (Christen-tum ist nicht Religion)  Unterweisung im Glauben aber: Glaube kann nicht didaktisch erzeugt werden, sondern ist als Geschenk Gottes unverfügbar Religionsunterricht als „Vorarbeit“ des Eigentlichen Bitte um den Heiligen Geist statt Didaktik religionspädagogisches Handeln wird zur Verkündigung des Wortes Gottes „Kirche in der Schule“ (Martin Rang) wichtige Namen: Gerhard Bohne, Oskar Hammelsbeck, Helmuth Kittel Bleibend wichtig: „Begegnung mit objektiver Religion“

127 4.3. Hermeneutischer Religionsunterricht
1950er und 1960er Jahre antwortet auf Krise des RU, die durch historisch- hermeneutisches Denken gelöst werden sollte entwickelt von den Bultmann-Schülern Martin Stallmann, Hans Stock, Gert Otto und Klaus Wegenast Leitdisziplin: Exegese Gegenstand des RU: Verstehen des Glaubens Bibel im Mittelpunkt: Gegenstand der hermeneutischer Auslegung „Entmythologisierung“, um die Bibel heute zu verstehen existenziale Auslegung biblischer Texte bleibend wichtig: Bibel als historisches Dokument mit existenzieller Bedeutung für die Gegenwart

128 4.4. Thematisch-problemorientierter RU
ab Ende der 1960er Jahre bis 1990er Hintergrund 68er Bewegung Hintergrund: lerntheoretische Didaktik, Curriculumstheorie, Lernziele und Methoden Zukunftsorientierung Norm- und Wertfragen Orientierung an Sachthemen aus der gegenwärtigen Lebenswelt statt an der biblischen Tradition RU soll Lösungen für Probleme der SuS bieten biblische Texte werden zur Unterstützung herangezogen und z.T. funktionalisiert emanzipatorische und gesellschaftskritische Impulse bleibend wichtig: lebensweltliche Relevanz der RU

129 4.5. Therapeutischer Religionsunterricht
ab Ende der 1960er Jahre seelsorgliche Orientierung wesentlich entwickelt von Dieter Stoodt Ausgangspunkt: Annahme einer falschen und schädlichen religiösen Sozialisation Ziel des RU: Aufarbeitung der Sozialisation und Eröffnung neuer Einsichten Intention einer therapeutischen Wirkung bei den Schülerinnen und Schülern bleibend wichtig: Aufmerksamkeit für die individuellen Religiositäten und Einstellungen der Kinder und Jugendlichen, seelsorgliche Haltung

130 wesentlich entwickelt von Ingo Baldermann
 4.6. Elementare Bibeldidaktik 1980er und 1990er Jahre wesentlich entwickelt von Ingo Baldermann Bibel wird wieder in den Mittelpunkt gestellt, aber weder als Lehrgegenstand noch als Lösungspool folgt der impliziten Didaktik der Bibel selbst Bibel enthält elementare Grunderfahrungen des Lebens (z.B. Angst und Hoffnung), die mit der Bibel entdeckt und bearbeitet werden können biblische Sprache muss erlernt werden v.a. Arbeit mit Psalmen und Reich-Gottes- Gleichnissen bleibend wichtig: Zutrauen in die Begegnung mit biblischen Texten

131 4.7. Symboldidaktik 1980er und 1990er Jahre
Symbole als didaktischer Zugang zur religiösen Dimension SD nach Hubertus Halbfas: Annahme einer universalen Religiosität des Menschen Symbolsinn soll eingeübt und vermittelt werden, keine rationale Erklärung RU als Schulung des „Dritten Auges“ SD nach Peter Biehl: Symbole als kulturell bedingte und damit veränderbare menschliche Ausdrucksformen Vorrangig christliche Symbole kritische Symbolkunde: Symbole sollen erkannt und beurteilt werden können, anschließend auch vermittelt bleibend wichtig: Religion wird im RU nicht nur reflektiert, sondern Erfahrungen ermöglicht, religiöse Kommunikation

132 4.8. Konstruktiv-ideologiekritische Religionsdidaktik
1980er und 1990er Jahre entwickelt von Karl-Ernst Nipkow und Godwin Lämmermann Bildungs- und Subjektbegriff im Zentrum Aufgabe des RU: Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sich konstruktiv und kritisch mit Gesellschaft, Kirche und eigener Lebensgeschichte auseinanderzusetzen didaktisches Ziel: Entwicklung von Subjektivität der Schülerinnen und Schüler als Fähigkeit zu einer eigenständigen Urteilsbildung und zu begründetem Handeln kritisch-reflexiver Umgang mit den Inhalten des Glaubens Konzentration auf „Schlüsselprobleme“ bleibend wichtig: Förderung eigenständigen Denkens und kritischer Urteilsfähigkeit als Aufgabe des RU

133 4.9. Performative Religionsdidaktik
4.9. Performative Religionsdidaktik ab Ende der 1990er Jahre, gegenwärtig viel diskutiert Ausgangspunkt: religionspädagogische Arbeit kann in der religiös pluralen Gesellschaft nicht mehr eine religiöse Sozialisation der Kinder und Jugendlichen voraussetzen SuS müssen Religion erst einmal kennen lernen spezifischer Religionsbegriff: Religion ist vorrangig religiöse Praxis und wird über Handlungsformen gelernt Religion wird im religionspädagogischen Zusammenhang konkret inszeniert religiöse Lernprozess verliefen „von außen nach innen“ Ermöglichung eines religiösen „Probehandelns“ Kritik: Gefahr der Missionierung und der Profanisierung?

134 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 1. Religionspädagogik als Disziplin 2. Rahmenbedingungen religionspädagogischen Denkens und Handelns 3. Religion in der Schule 4. Religionspädagogische Konzeptionen des 20. Jahrhunderts 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jahrhunderts

135 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik
Theologische Fakultät Kiel Prof. Dr. Uta Pohl-Patalong WS 2013/2014 Vorlesung: Grundfragen der Religionspädagogik 5. Religionspädagogische Ansätze des 21. Jh. 5.1. Kinder und Jugendtheologie 5.2. Kreative Bibeldidaktik 5.3. Bibliolog 5.4. Bibliodramatische Elemente 5.5. Kirchenpädagogik 5.6. Genderbewusster Religionsunterricht 5.7. Interreligiöses Lernen 5.8. Diakonisches Lernen

136 5.1 Kinder- und Jugendtheologie Inhalt und Anliegen
Kinder und Jugendliche sind zu Reflexionen über religiöse Themen fähig Ziel: theologische Gedanken und Ideen von Kindern und Jugendlichen wahr- und ernst zu nehmen

137 (Definition von Friedrich Schweitzer)
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Kindertheologie (Definition von Friedrich Schweitzer) 1. Die Theologie von Kindern (als eigene theologische Reflexion der Kinder) 2. Theologie mit Kindern (als religionspädagogische Praxis gemeinsam mit Kindern) 3. Theologie für Kinder (als Vermittlung theologischer Inhalte in elementarisierter Form) Das eigentlich Neue ist dabei die Theologie von Kindern

138 Jugendtheologie bzw. Theologisieren mit Jugendlichen:
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Jugendtheologie bzw. Theologisieren mit Jugendlichen: Jugendliche äußern ihre Vorstellungen oft weniger spontan und unmittelbar Jugendliche benötigen in der Regel stärker strukturierte didaktische Impulse, die zur Auseinandersetzung anregen Jugendliche interessieren sich für andere Themen als Kinder Häufig ist eine Auseinandersetzung mit der theologischen Tradition von Interesse

139 Gestalt und Methodik Unterrichtsgespräch (sokratisches Gespräch)
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Gestalt und Methodik Unterrichtsgespräch (sokratisches Gespräch) unterschiedliche methodische Varianten, z.B.  Cluster  Brücke  Dilemmageschichten  Metaphern

140 Entstehung und Entwicklung
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Entstehung und Entwicklung Jean Jaques Rousseau ( ) Jean Piaget: Entwicklungspsychologie (1980er Jahre)

141 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Theologischer und theoretischer Hintergrund Das Subjekt theologisch betrachtet: Gottebenbildlichkeit des Menschen Priestertum aller Gläubigen Können Kinder und Jugendliche Theologie betreiben? Unterscheidung von wissenschaftlicher Theologie und einer Gemeinde- oder Laientheologie

142 Rolle und Aufgabe der Lehrkraft
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Rolle und Aufgabe der Lehrkraft moderierende und mäeutische Aufgabe

143 5.1 Kinder- und Jugendtheologie
Sicht der Lerngruppe Respekt, Wertschätzung und Wahrnehmung ihrer Kompetenzen

144 Didaktische Konsequenzen
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Didaktische Konsequenzen Die Gedanken und Ideen der Kinder und Jugendlichen sowie ihre Förderung rücken ins Zentrum des religionspädagogischen Handelns

145 Schwierigkeiten und Grenzen
5.1 Kinder- und Jugendtheologie Schwierigkeiten und Grenzen Ergänzung durch eine „Theologie für Kinder“  Domänenspezifische Entwicklung von Wissen/Kenntnissen und „Reflexionsvermögen“ Kinder- und Jugendtheologie in religiöser Pluralität? Verhältnis von Wahrnehmung und Weiterentwicklung muss geklärt werden

146 5.2. Kreative Bibeldidaktik Inhalt und Anliegen
Biblische Texte werden erfahrungsbezogen erschlossen „Ganzheit“ „Prozess“ „Dialog“ „Leben“ „Erfahrung“ Ziel: 1. den biblischen Text besser zu verstehen 2. sich selbst über die Beschäftigung mit der Bibel besser zu verstehen  Die Bibel wird vom Lesetext zum Lebenstext

147 Gestalt und Methodik diverse Methoden
5.2. Kreative Bibeldidaktik Gestalt und Methodik diverse Methoden meist Abfolge verschiedener methodischer Schritte, z.B. Västeras-Gespräch Dyadengespräch Schauendes Erzählen

148 Entstehung und Entwicklung
5.2. Kreative Bibeldidaktik Entstehung und Entwicklung 1970er Jahre Erfahrungsbezug gegen die Dominanz des historisch-kritischen Zugangs zu biblischen Texten Sigrid und Horst Klaus Berg

149 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.2. Kreative Bibeldidaktik Theologischer und theoretischer Hintergrund Subjekt und Tradition sowohl die lebensgeschichtliche Situation der Kinder und Jugendlichen als auch die christliche Tradition ist gleichursprünglich zu berücksichtigen Bedeutung der biblischen Texte für ihr Leben heute soll Jugendliche zur Beschäftigung mit der biblischen Tradition motivieren Subjektstatus der Jugendlichen wird hervorgehoben Kinder und Jugendliche als Auslegerinnen und Ausleger der Bibel knüpft an das „Priestertum aller Gläubigen“ an Selbsttätigkeit der Lernenden

150 Theoriemodell Rezeptionsästhetik
5.2. Kreative Bibeldidaktik Theoriemodell Rezeptionsästhetik entwickelt in den 1960er und 1970er Jahren in der Literaturwissenschaft (Wolfgang Iser/Umberto Eco seit den 1980er Jahren theologisch rezipiert die Bedeutung eines Texte liegt nicht in ihm selbst, sondern entsteht im Rezeptionsprozess unter aktiver Mitwirkung der Beteiligten Leerstellen als Chance, Erfahrungen in den Text einzutragen „Grenzen der Interpretation“ werden durch den Text selbst gesetzt

151 Und die Exegese? neues Interesse an der Endgestalt des Textes
5.2. Kreative Bibeldidaktik Und die Exegese? neues Interesse an der Endgestalt des Textes Text wird als Dialog- und Interpretationsgeschehen gesehen Mehrdeutigkeit der Texte

152 Rolle und Aufgabe der Lehrkraft
5.2. Kreative Bibeldidaktik Rolle und Aufgabe der Lehrkraft regt einen offenen Erkenntnisprozess an fundierte methodische Kompetenz erforderlich höhere Form von Professionalität: den Lernenden ermöglichen, sich selbsttätig einen Text anzueignen Vertrauen in die Fähigkeiten der Lernenden, aber auch in die didaktische Kraft biblischer Texte Wahrnehmungs- und Dialogkompetenz

153 Sicht der Lerngruppe Subjekte der Auslegung
5.2. Kreative Bibeldidaktik Sicht der Lerngruppe Subjekte der Auslegung Veränderung der entwicklungs-psychologischen Sichtweise wird hier wichtig Ziel: Kinder und Jugendliche als aktive Rezipientinnen und Rezipienten wahrzunehmen

154 Didaktische Konsequenzen
5.2. Kreative Bibeldidaktik Didaktische Konsequenzen Abschied von inhaltlich feststehenden Lernzielen Lernziele auf mittlerer Abstraktionsebene, z.B. als Auseinandersetzung mit Inhalt Bibel als Gegenstand der Auseinandersetzung

155 Schwierigkeiten und Grenzen
5.2. Kreative Bibeldidaktik Schwierigkeiten und Grenzen die Unterrichtenden müssen mit Äußerungen von Kindern und Jugendlichen umgehen, die nicht ihren Ansichten entsprechen abweichende Deutungen sind von historisch unzutreffenden Aussagen oder theologisch fragwürdige Meinungen zu unterscheiden

156 5.3. Bibliolog Inhalt und Anliegen
Bibliolog ist ein Weg, mit einer Gruppe oder Klasse einen biblischen Text gemeinsam zu entdecken und so auszulegen, dass seine Bedeutung für das eigene Leben unmittelbar erlebbar wird Teilnehmende identifizieren sich mit biblischen Gestalten und erkunden den Text „von innen“ „Zwischenräume“ oder „Leerstellen“ zwischen den Worten des Textes werden mit der Phantasie der Teilnehmenden gefüllt vertieftes Verstehen des Textes wird möglich

157 Gestalt und Methodik Prolog Hinführung
5.3. Bibliolog Gestalt und Methodik Prolog Hinführung Identifikation mit Rollen (echoing, interviewing) Abschluss

158 Entstehung und Entwicklung
5.3. Bibliolog Entstehung und Entwicklung Erfinder: Peter Pitzele (nordamerikanischer Jude, kein Theologe) moderne Form des „Midrasch“ seit 2004 Bibliolog-Kurse in Deutschland rasche Verbreitung

159 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.3. Bibliolog Theologischer und theoretischer Hintergrund Hermeneutik des Zutrauens Bibliolog traut den Texten zu, dass sie sich als bedeutungsvoll und heilvoll erweisen, wenn man sich mit ihnen beschäftigt Mehrdeutigkeit biblischer Texte Abkehr von bestimmten christlich-theologischen Traditionssträngen und Wiederentdeckung anderer konstruktiver Umgang mit Pluralität Bibliolog ermutigt dazu, unterschiedliche Deutungen eines Textes zu entdecken, ohne sie zu harmonisieren oder zu hierarchisieren

160 Rolle und Aufgabe der Lehrkraft
5.3. Bibliolog Rolle und Aufgabe der Lehrkraft Leitung akzeptiert unterschiedliche und von den eigenen Zugängen abweichende Erkenntnisse und behandelt sie mit gleicher Wertschätzung sie setzt das Setting des Bibliologs und ist dafür verantwortlich, dass dieses durchgehalten wird sie führt in die biblische Geschichte ein und eröffnet den Raum für die Identifikation sie entscheidet in ihrer Vorbereitung, wohin die Wahrnehmung der Teilnehmenden gelenkt wird  „Reiseleitung“

161 Sicht der Lerngruppe Teilnehmende als Subjekte der Auslegung
5.3. Bibliolog Sicht der Lerngruppe Teilnehmende als Subjekte der Auslegung geeignet für heterogene Lerngruppen

162 Didaktische Konsequenzen
5.3. Bibliolog Didaktische Konsequenzen keine inhaltlich feststehende Lernziele Schülerinnen und Schüler dürfen unterschiedliche Aspekte des Textes als wichtig erachten und mitnehmen geht nicht um die Kategorie richtig – falsch nicht selten verändert sich die Atmosphäre in der Lerngruppe

163 Schwierigkeiten und Grenzen
5.3. Bibliolog Schwierigkeiten und Grenzen komplexer Vorgang, der bestimmte Fähigkeiten über eine sonstige bibeldidaktische Kompetenz hinaus erfordert  Ausbildung notwendig

164 5.4. Bibliodramatische Elemente Inhalt und Anliegen
kreativer und spielerischer Zugang zu biblischen Texten, der sowohl eine vertiefte Erkenntnis des Textes als auch eine vertiefte Selbsterkenntnis zum Ziel hat biblischer Text wird mit dem eigenen Körper erlebt Bezug zur Gegenwart und dem persönlichen Leben der Teilnehmenden wird deutlich längerer Prozess einer Gruppe von ca Teilnehmenden

165 Gestalt und Methodik breites Spektrum kreativer Methoden
5.4. Bibliodramatische Elemente Gestalt und Methodik breites Spektrum kreativer Methoden zumeist in Phasen unterteilbar: 1. Phase der Annäherung und des Aufwärmens 2. Erkundungsphase 3. Reflexionsphase

166 Entstehung und Entwicklung
5.4. Bibliodramatische Elemente Entstehung und Entwicklung entstanden im deutschsprachigen Kontext in den 1970er Jahren unterschiedliche Kontexte der Entstehung (Psychodrama, theaterpädagogischen Arbeit)

167 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.4. Bibliodramatische Elemente Theologischer und theoretischer Hintergrund Offenheit des biblischen Textes „Hermeneutik des Zutrauens“ Mehrdeutigkeit biblischer Texte Offenheit für heutige Erfahrungen Religiöse Erfahrungen im Spiel „Transzendenzerfahrungen“

168 Rolle und Aufgabe der Leitung bzw. Lehrkraft
5.4. Bibliodramatische Elemente Rolle und Aufgabe der Leitung bzw. Lehrkraft keine inhaltliche Vermittlungsaufgabe verantwortlich für den Rahmen; vermittelt Sicherheit Leitung im Prozess tritt noch stärker zurück als im Bibliolog und ist weniger direktiv orientiert sich in ihrem Vorgehen stärker am Gruppenprozess Offenheit für überraschende Begegnungen und Erfahrungen Qualifikation erforderlich Anwältin des Textes, der Gruppe und der Einzelnen

169 Sicht der Lerngruppe Subjekte der Auslegung
5.4. Bibliodramatische Elemente Sicht der Lerngruppe Subjekte der Auslegung

170 Didaktische Konsequenzen
5.4. Bibliodramatische Elemente Didaktische Konsequenzen Verzicht auf inhaltlich bestimmte Lernziele Verzicht auf Bewertung und Notengebung Selbsterfahrung individuelle Lebenserfahrungen bekommen Raum

171 Schwierigkeiten und Grenzen
5.4. Bibliodramatische Elemente Schwierigkeiten und Grenzen Bibliodramaausbildung (zwei bis drei Jahre) Rahmenbedingungen: Zeit und Gruppenklima müssen stimmen

172 5.5. Kirchenpädagogik Inhalt und Anliegen
Kirchenraum als Chance religiösen Lernens aktive, erfahrungsbezogene und ganzheitliche Erschließung eines Kirchenraumes Entdeckung des Raumes auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen

173 5.5. Kirchenpädagogik Präambel der Satzung des Bundesverbandes für Kirchenpädagogik von 2005: „Kirchenpädagogik will Kirchenräume für Menschen öffnen und den Sinngehalt christlicher Kirchen mit Kopf, Herz und Hand erschließen und vermitteln, um so die Inhalte der christlichen Religion bekannt zu machen und einen Zugang zu spirituellen Dimensionen zu ermöglichen. Kirchenpädagogik bedeutet raum- und erfahrungsbezogenes Arbeiten in methodischer Vielfalt. Kirchenpädagogik bringt den heutigen Menschen mit seinem existentiellen Horizont in Beziehung zum Kirchenraum in seiner gewachsenen Gestalt.“

174 Typen von Kirchenpädagogik:
Baukunde-Typ Katechetischer Typ Symboldidaktischer Typ „Neues gestaltender“ Typ Zielrichtungen von Kirchenpädagogik: Alphabetisierung ganzheitliche Kirchenerschließung spirituelle Übung Beheimatung liturgische Erfahrung

175 5.5. Kirchenpädagogik Gestalt und Methodik Methodisch vielfältig, zumeist jedoch vier Phasen: sich sammeln und annähern sich einlassen und entdecken vertiefen ablösen und beenden

176 Beispiel einer Kirchenerkundung:
5.5. Kirchenpädagogik Beispiel einer Kirchenerkundung: die Kirche von außen betrachten, mit anderen Gebäuden vergleichen, ein Detail zeichnen jeweils allein bewusst über die Schwelle treten; Wahrnehmungen äußern einige Minuten Zeit, um die Kirche jeweils für sich zu erkunden, den Raum tasten, riechen, erschreiten den eigenen Lieblingsplatz suchen und die Lieblingsplätze der anderen wahrnehmen den Lieblingsplatz in einen Grundriss einzeichnen sich mit einem Detail beschäftigen, z.B. zeichnen, modellieren (ein Fenster, Altar, Orgel, Glocke) als Gruppe die Kirche darstellen abschließende Reflexion

177 Entstehung und Entwicklung
5.5. Kirchenpädagogik Entstehung und Entwicklung 1980erJahre im deutschen evangelischen Bereich Bundesverband Kirchenpädagogik e.V

178 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.5. Kirchenpädagogik Theologischer und theoretischer Hintergrund Heilige Räume? Reformation: göttliche Präsenz ist nicht mit der Kirche zu identifizieren „Wo Gott redet, da wohnt er. Wo das Wort klingt, da ist Gott, da ist sein Haus, und wenn er aufhört zu reden, so ist auch nimmer sein Haus da.“ (Martin Luther: Predigten über das erste Buch Mose, gehalten 1523 und 1524, WA 14, , 386) gottesdienstlicher Gebrauch des Raumes steht im Vordergrund Heiligkeit als „Beziehungsgeschehen“ Räume sind „nicht heilsnotwendig, aber heilsam“

179 5.5. Kirchenpädagogik Zeichen lesen Verbindung zwischen Zeichen (Signifikat) und seiner Bedeutung (Signifikant) ist nicht ontologisch festgelegt, sondern Konsequenz eines kulturellen Prozesses Subjekte benötigen Kenntnisse und Unterstützung bei der Wahrnehmung der Zeichen, um sie angemessene zu deuten gleichzeitig sind unterschiedliche Deutungen möglich (persönliche Auseinandersetzung)  Aufgabe der Kirchenpädagogik

180 Rolle und Aufgabe der Lehrkraft
5.5. Kirchenpädagogik Rolle und Aufgabe der Lehrkraft „Fremdenführerin“ solides Fachwissen gute methodische Kenntnisse und Ideen Sensibilität für den Raum und die Lerngruppe eigener persönlicher Zugang zum Kirchenraum

181 5.5. Kirchenpädagogik Sicht der Lerngruppe SuS werden als potenziell wenig vertraut mit Kirchenräumen, jedoch neugierig und als offen für sie wahrgenommen Subjektstatus

182 Didaktische Konsequenzen
5.5. Kirchenpädagogik Didaktische Konsequenzen neue Beziehung zwischen Kirche und Schule entzieht sich der schulischen Bewertung

183 Schwierigkeiten und Grenzen
5.5. Kirchenpädagogik Schwierigkeiten und Grenzen organisatorischer Aufwand Herausforderung in religiös heterogenen Lerngruppen

184 5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Inhalt und Anliegen
durchgehender Aspekt aller Ansätze und eigener Ansatz zugleich Grundlage: Geschlecht als wichtige Kategorie des Menschseins differenzierte Wahrnehmung der Inhalte und Überprüfung auf androzentrische Muster Beitrag zu einem annehmenden und befreienden Gottesbild, einer eigenständigen und urteilskräftigen religiösen Position, einer selbstständigen Persönlichkeit und zu Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern differenziertes Konzept von Verschiedenheit („Diversität“ bzw. „diversity“)

185 Gestalt und Methodik keine konkrete Gestalt
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Gestalt und Methodik keine konkrete Gestalt bevorzugt Zugänge, die das Subjekt und seine Erfahrung ernst nehmen

186 Entstehung und Entwicklung
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Entstehung und Entwicklung zweite Frauenbewegung 1970er Jahre Feministische Religionspädagogik wollte Benachteiligungen ausgleichen mit der erreichten formalen Gleichberechtigung hat sich die Situation verändert, die Probleme sind subtiler geworden gefordert ist heute eine Pädagogik, die beide Geschlechter differenziert wahrnimmt und ihnen gerecht wird

187 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Theologischer und theoretischer Hintergrund „Geschlecht“ im 21. Jahrhundert Geschlechterverhältnisse der Gegenwart sind ambivalent: formale Gleichberechtigung bei bleibenden Ungerechtigkeiten (Gehalt, Kommunikationsverhalten, Familienarbeit…) Mädchen schneiden im Schulsystem durchschnittlich besser ab, Jungen bekommen jedoch nach wie vor im schulischen Unterricht durchschnittlich mehr Aufmerksamkeit jüngere Erwachsenengeneration heute häufig Unverständnis und Abwehr gegenüber der Genderthematik

188 5.6. Genderbewusster Religionsunterricht
biologisches Geschlecht (engl. „sex“) ist nicht identisch mit dem „sozialen“ oder „sozialkulturellen“ Geschlecht (engl. „gender“) Geschlecht“ nicht selbstverständlich gegeben, sondern auch Ergebnis eines kulturellen Prozesses soziale Prägung der Umwelt Geschlecht als kulturelle Konstruktion „doing gender“: Wir haben nicht einfach ein Geschlecht, sondern wir stellen es permanent aktiv her

189 Feministische Theologie
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Feministische Theologie entwickelt im Kontext der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er Jahren androzentrische und patriarchale Prägung der Theologie wurde entdeckt „weibliche Perspektive“ als Korrektiv und Ergänzung emanzipatorischer, befreiungstheologischer Ansatz

190  5.6. Genderbewusster Religionsunterricht
Rolle und Aufgabe der Lehrkraft Geschlecht der Lehrenden wichtig Aufgabe, beiden Geschlechtern gerecht zu werden und auch gegengeschlechtlich ein sinnvolles Rollenmodell abzubilden Bedeutung der Geschlechterkategorie wahrnehmen und bewusst mit ihr umgehen Sensibilität für geschlechtertypisches Verhalten Kenntnis der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Geschlechterrollen

191 Sicht der Lerngruppe wird geschlechterbewusst wahrgenommen
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Sicht der Lerngruppe wird geschlechterbewusst wahrgenommen Gender-Kategorie nur einer unter vielen Aspekten

192 Didaktische Konsequenzen
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Didaktische Konsequenzen Wahrnehmung genderbedingter Dynamiken geschlechtsspezifisches Rollenverhalten als wichtiger Faktor in Bildungsprozessen „undoing gender“: Überschreitung der Grenzen der Geschlechterrollen Geschlechtsspezifische Gottesbilder hängen eng mit Geschlechtsrollenbildern zusammen und stärken diese Gottesbilder von Kindern und Jugendlichen tragen nach wie vor deutlich stärker männliche als weibliche Züge

193 Genderbewusste Religionspädagogik
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Lehrbücher und Medien relevant für sämtliche Lehr-Lern-Prozesse alle Medien werden sorgfältig auf ihre Genderkonstruktionen und deren Wirkungen überprüft Genderbewusste Religionspädagogik spricht androzentrische Tendenzen in Lehrmaterialien an und zeigt die damit verbundenen Probleme auf achtet darauf, dass weibliche und männliche Figuren gleichermaßen und in unterschiedlichen Rollenkonstruktionen vorkommen

194 Geschlechtsspezifische Sprache im Religionsunterricht
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Geschlechtsspezifische Sprache im Religionsunterricht Sprache benennt und schafft Realität, ordnet dadurch Wirklichkeit und etabliert Wertvorstellungen exklusive Sprache bestätigt hierarchisches Geschlechterverhältnis, in dem Mädchen nur „mitgemeint“ sind inklusive Sprache ist keine Frage subjektiver Befindlichkeit, sondern pädagogischer Reflexion

195 Schwierigkeiten und Grenzen
5.6. Genderbewusster Religionsunterricht Schwierigkeiten und Grenzen Balance zwischen Identifikation real vorhandener Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen sowie dem Bemühen, Rollenklischees zu überwinden Retraditionalisierungstendenzen

196 5.7. Interreligiöses Lernen Inhalt und Anliegen
Begegnung mit Angehörigen anderer Religionen und offener, respektvoller Dialog mit ihnen Abgrenzung zu Religionskunde und Weltreligionendidaktik: „learning from religion“ statt learning about religion“

197 5.7. Interreligiöses Lernen
Ziele 1. authentische religiöse Sinnsysteme und religiöse Praxen kennenlernen 2. Sensibilität für die verschiedenen religiösen Wirklichkeiten entwickeln 3. zu Respekt und Toleranz sowie zu einem friedlichen Miteinander unterschiedlicher Religionen beitragen Wahrnehmung von Fremdheit und Andersartigkeit wird als didaktisch produktiv verstanden konstruktiver Umgang mit Pluralität

198 Gestalt und Methodik keine klar umrissene Methodik Ästhetischer Aspekt
5.7. Interreligiöses Lernen Gestalt und Methodik keine klar umrissene Methodik Ästhetischer Aspekt Dialogischer Aspekt Emotionaler Aspekt Inhaltlicher Aspekt Handlungsbezogener Aspekt

199 Entstehung und Entwicklung
 5.7. Interreligiöses Lernen Entstehung und Entwicklung seit Ende der 1980er Jahre wichtige Namen: Stephan Leimgruber, Johannes Lähnemann „Religionsunterricht für alle“ in Hamburg

200 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.7. Interreligiöses Lernen Theologischer und theoretischer Hintergrund Die Frage nach der Wahrheit exklusivistisches Modell – Heil nur in einer Religion inklusivistisches Modell – keine Alleingeltung des Christentums, jedoch qualitative Überlegenheit auch dies ist eine problematische Voraussetzung für das interreligiöse Lernen pluralistisches Modell (z.B. John Hick): Gott offenbart sich in unterschiedlichen Religionen. Diese sind wahrheitshaltige Erscheinungsformen, die den gleichen Erlösungsimpuls vermitteln und strukturelle Gemeinsamkeiten besitzen. Alle konkreten Religionen bleiben menschliche und damit relative Antworten, denen Gott uneinholbar vorausliegt. aber: Gefahr der Abstraktion, keine neutrale Position relationales Wahrheitsverständnis

201 Die Frage nach der Bildung von Identität
5.7. Interreligiöses Lernen Die Frage nach der Bildung von Identität Abgrenzung von einem Identitätsmodell, dass erst das „Eigene“ stärkt und sich dann in die Auseinandersetzung begibt stattdessen: Identität bildet sich von Anfang an in Auseinandersetzung mit der Umwelt

202 Rolle und Aufgabe der Lehrkraft
5.7. Interreligiöses Lernen Rolle und Aufgabe der Lehrkraft plant, inszeniert und moderiert in der Regel die interreligiöse Begegnung vertritt eine eigene religiöse Position bietet ein Modell an, wie man mit Offenheit, Toleranz und Lernbereitschaft Vertreterinnen anderer Religionen und deren Inhalten begegnen kann, ohne die eigene Position aufzugeben

203 5.7. Interreligiöses Lernen
Sicht der Lerngruppe sieht die Kinder und Jugendlichen besonders als in einer Gesellschaft religiöser Pluralität lebend traut ihnen zu, mit religiöser Vielfalt konstruktiv umzugehen SuS werden potenziell zu Expertinnen und Experten ihrer Religion

204 Didaktische Konsequenzen
5.7. Interreligiöses Lernen Didaktische Konsequenzen überschreitet die in Deutschland nach wie vor dominante konfessionelle Orientierung Schülerinnen und Schüler nehmen sich stärker als Angehörige ihrer eigenen Religion wahr

205 Schwierigkeiten und Grenzen
5.7. Interreligiöses Lernen Schwierigkeiten und Grenzen Organisatorischer Aufwand Dialogpartnerinnen und -partner müssen gefunden werden Begegnung muss geplant und vorbereitet werden Problematische Voraussetzungen ist „religiöse Authentizität“ in der Schule gegeben? sind die für den Dialog notwendigen eigenen religiösen Positionen wirklich vorhanden?

206 5.8. Diakonisches Lernen Inhalt und Anliegen
bahnt Erfahrungen im Umgang mit Menschen an, die auf Unterstützung angewiesen sind, indem Jugendliche sich in diakonische Einrichtungen begeben und die dortige Arbeit kennen lernen Persönlichkeitslernen Ziel ist, Vorurteile abzubauen, sich neu und mit neuen Fähigkeiten zu erleben, aber auch die eigenen Grenzen zu erfahren. Fähigkeit zu einem solidarischen Verhalten soll entwickelt werden, die zu einer veränderten sozialen Einstellung führt

207 Gestalt und Methodik Praktikum in einer diakonischen Einrichtung
5.8. Diakonisches Lernen Gestalt und Methodik Praktikum in einer diakonischen Einrichtung sorgfältige Vorbereitung vermittelt die nötigen Informationen und erarbeitet auch theoretisch Grundlagenwissen zum Bereich Diakonie bereitet auf die ungewohnten Erfahrungen und die „fremde Welt“ vor Begleitung während des Praktikums Auswertung und Reflexion

208 Entstehung und Entwicklung
5.8. Diakonisches Lernen Entstehung und Entwicklung Anfang der 1990er Jahre v.a. in der katholischen Religionspädagogik „Compassion-Projekt“ als eines der am besten ausgearbeiteten Projekte profilgebender Bestandteil evangelischer Schulen

209 Theologischer und theoretischer Hintergrund
5.8. Diakonisches Lernen Theologischer und theoretischer Hintergrund Soziales Lernen heute solidarisches Handeln wird nicht mehr als selbstverständlich erlebt Lernarrangements müssen geschaffen werden, um soziale Kompetenzen zu entwickeln Gefühl von Bedeutungslosigkeit und Randständigkeit der eigenen Person Helfen muss „Spaß” machen

210 5.8. Diakonisches Lernen Biblische Begründung Eintreten für die, die am Rand der Gesellschaft stehen, als grundlegendes Element der jüdisch- christlichen Tradition AT: Aufforderung, sich den Schwachen und Bedürftigen Gerechtigkeit zu verschaffen NT: Hinwendung zu Menschen am Rande der Gesellschaft als zentrales Element des Wirkens Jesu

211 Systematisch-theologische Begründung
5.8. Diakonisches Lernen Systematisch-theologische Begründung Glaube äußert sich im Alltag der Welt in konkreter Nächstenliebe Diakonisches Lernen führt zu Wertschätzung jenseits gesellschaftlichen Erfolgs und kann damit die Prioritäten des Lebens verändern

212 Rolle und Aufgabe der Lehrkraft
5.8. Diakonisches Lernen Rolle und Aufgabe der Lehrkraft Initiatorin und Organisatorin des Praktikums Expertin Ansprechpartnerin Begleitung

213 5.8. Diakonisches Lernen Sicht der Lerngruppe Die Schülerinnen und Schüler werden von ihren Fähigkeiten und Ressourcen her betrachtet, die möglicherweise schlummern, aber entwickelbar sind Geschlechterdifferenz: Mädchen gehen häufiger positiv auf das diakonische Lernen zu als Jungen

214 Aus einem Tagebuch zum Diakonischen Lernen:
“Als ich verkündet bekam, dass ich in die (Werkstätten für Behinderte) kam, war ich nicht so begeistert. ‚Behinderte, na toll’, habe ich gedacht und außerdem habe ich befürchtet, dass ich meine Arbeit nicht bewältigen kann, weil ich es dort psychisch nicht aushalte. Jetzt aber bin ich sehr froh, dass ich in (diesen Werkstätten) war. Ich habe gelernt, mit Behinderten umzugehen, ohne ein sentimentales Gefühl zu haben. Sie sind glücklich mit ihrem Leben und brauchen es nicht. Sie brauchen Hilfe und Unterstützung, ein offenes Ohr, Verständnis, aber kein sentimentales Gefühl. Ich glaube, ich habe jetzt auch etwas mehr Geduld. Wenn man hundertmal ein und dasselbe erzählt bekommt, ist man nahe am Ausrasten; aber ich habe gemerkt, wie gut das Zuhören tut. Und die Behinderten sind auch nicht blöd. Sie sind langsam, haben eine schlechte Konzentration oder sind unflexibel, aber sie haben Gefühle. Mehr vielleicht als jeder ‚normale’ Mensch. Dass die Martina aus meiner Gruppe geweint hat, weil ich nach zwei Wochen nicht mehr da bin. Wo passiert einem das sonst noch? Wo fragt einen jemand, ob man Schmerzen oder Angst hat, nur weil man gerade mal etwas müde ist? Der Michi hat’s getan.”

215 Didaktische Konsequenzen
5.8. Diakonisches Lernen Didaktische Konsequenzen Inhalte des RU werden praktisch erfahrbar zentrale religionspädagogische Themen werden interessant und aktuell der Religionsunterricht kann ein stärkeres Profil entwickeln sowie erhöhte Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren stärkt den Bezug zwischen Kirche und Schule

216 Schwierigkeiten und Grenzen
5.8. Diakonisches Lernen Schwierigkeiten und Grenzen hoher organisatorischer Aufwand für die Unterrichtenden häufig Werbung um Akzeptanz nötig


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