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Grundriss der evolutionären Psychiatrie

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Präsentation zum Thema: "Grundriss der evolutionären Psychiatrie"—  Präsentation transkript:

1 Grundriss der evolutionären Psychiatrie
von Dr. med. Thomas Knecht

2 Folgende drei Disziplinen leiten sich von Darwins Evolutionstheorie ab:
Darwinian Medicine (Evolutionary Medicine) Evolutionäre Psychologie Evolutionäre Psychiatrie (Darwinian Psychiatry)

3 Was ist revolutionär an diesen Fächern ? – Das Evolutionäre !
Die Medizin fokussierte – nach dem Vorbild der «hard sciences» - immer auf die unmittelbaren Ursachen («proximate causes»). Ähnliches gilt für die traditionellen psychologischen und psychiatrisch-psychotherapeutischen Schulen: Tabula-rasa-Modell (J. Locke). → Die evolutionäre Betrachtungsweise fragt jedoch nach den «ultimate causes», den evolutionär gewachsenen Grundlagen von Erleben und Verhalten.

4 Darwinian Medicine Pioniere:
Paul Ewald: «Evolutionary Biology and the Treatment of Signs and Symptoms of Infectious Disease» (1980) George C. Williams u. Randolph Nesse: «The Dawn of Darwinian Medicine» (1991) Online-Journal: «Evolution and Medicine Review» (ab 2008) → Erklärung auch solcher Phänomene wie Fieber, parainfektiöser Eisenmangel, Husten, Niesen, Diarrhoe, etc. Aber auch von Erbkrankheiten: Sichelzellanämie, zystische Fibrose (Monozygote resistent gegen Cholera)

5 Evolutionäre Psychologie (Evolutionspsychologie)
Definition: Die E. versucht, das Verhalten von Menschen über die Ergebnisse von Adaptationen zu verstehen, die verhaltensbezogene und kognitive Mechanismenformen, die sich im menschlichen Verhalten über alle Kulturen hinweg wiederfinden und die «menschliche Natur» ausmachen (Kenrick &Trost 2004). Grundlagenwerk: «Soziobiologie» von E.O. Wilson. Dieser erklärte jegliches tierische und menschliche Sozialverhalten anhand evolutionärer und biologischer Prinzipien. Weitere wichtige Namen: Jerome Barkow Leda Cosmides John Tooby

6 Und die evolutionäre Psychiatrie ?
Sie beschäftigt sich mit der Entstehung derjenigen Systeme, welche an der Genese von gestörtem Erleben und Verhalten beteiligt sind. Damit sind wieder die «ultimate causes» angesprochen: Phylogenese, adaptive Funktionen, Anpassungswert, etc.

7 Somit ergibt sich folgendes erweiterte Erklärungsmodell für (menschliches) Verhalten:
Aktualgenese: Proximate Level: Unmittelbare Auslöser Ontogenese: Intermediate Level: Lerngeschichte Phylogenese: Ultimate Level: Entstehung der verhaltens- generierenden Systeme (Variation und Selektion)

8 Wichtige evolutionstheoretische Konzeptionen I
«Fitness» (survival of the fittest) Gesamt-Fitness Reproductive Fitness Inclusive Fitness (früher: «Arterhaltung», «Überleben der Art») «Altruismus» (Sozialverhalten) Nepotistischer A. (Verwandte) Parochialer A. (Bezugsgruppe) Reziproker A. (Kooperative)

9 Evolutionstheoretische Konzeptionen II
Elterliches Investment und sexuelle Selektion (ursprünglich) asymmetrische → differentielle Partnerpräferenzen Vgl. D. Buss: Evolution des Begehrens Gemeinsam: Freundlichkeit, Intelligenz, Gesundheit Männer: Jugend, Schönheit, Treue Frauen: Reife, Status, Ressourcen Eltern-Nachkommen-Konflikte Paradigmatisch: Abstillen «Umwelt der evolutionären Angepasstheit» (EEA): Pleistozän vor 2 Mio J. Über 99% seiner Geschichte lebte der H. sapiens in Kleingruppen als Jäger und Sammler (Dunbar’s Number = 150)

10 Emotionen (Affekte = «signalisierte Emotionen»)
4 evolutonäre Axiome: E. wurden entwickelt zur raschen Erkennung biologisch wichtiger Ereignisse E. fördern die Selektion, Organisation und Priorisierung des Informationsstromes E. sind leicht interpretierbar E. beeinflussen Verhalten in adaptivem Sinne Entkoppelung (decoupling) von Gestimmtheit und Verhalten kann stattfinden, wenn die Kosten für stimmungskongruentes Verhalten zu hoch werden.

11 Angst Warnsystem, welches aktiviert wird, wenn hochprioritäre biologische Ziele gefährdet sind (Überleben, Integrität, soziale Integration, Status, Beziehungen, etc.) Typische Frauenängste: Vereinsamung, Misserfolg bei Reproduktion Typische Männerängste: Status- und Ressourcenverlust → Depressivität → Suizidalität

12 Aggression Steuerungszentren im Hypothlamus (medial und lateral)
Kampfbereites Aktivierungsmuster, welches gezeigt wird, wenn biologische Ziele gegen Widerstand erreicht werden sollen: Territoriale Aggression Rivalenkampf Rangordnungskampf Frustration bezüglich vitaler Bedürfnisse (Sex, Hunger) Verteidigung der Brut oder nahestehender Individuen Etc.

13 Periphere Serotoninspiegel und sozialer Status
Dominante Männchen haben 1.5 – 2-mal höheren ST-Spiegel. In Isolation oder wenn Weibchen entfernt werden, fällt dieser binnen 2 Wochen auf Subordinierten-Niveau ab. Hohe ST-Spiegel fördern Explorations- und Kontaktverhalten. Bei Vervet-Monkeys: Dominante Männchen zeigen ca. 30-mal täglich Imponiergehabe. Erhalten sie dann submissive Signale, so steigen ihre ST-Spiegel an und sie bleiben somatisch stabil. Subordinierte, die in Angst versetzt werden, zeigen ST-Mangel und sind physiologisch dys- reguliert.

14 Manipulativität, Machiavellische Intelligenz, Misstrauen
Nur bei höheren Lebensformen (Rabenvögel, Primaten): Reaktionsbereitschaft der Artgenossen wird durchschaut und beeinflusst, damit diese als «soziale Werkzeuge» instrumentalisiert werden können. → Vorteilsmaximierung → Gegenstrategien → «Detection of Deception»: Es wird verschärft auf Gesten, Stimmlage, Gesichtsausdruck, etc. geachtet (Leitaffekt: Misstrauen): Wo Auslöseschwelle liegt, musste im evolutiven Prozess immer wieder näherungsweise erprobt werden → Naivität oder Paranoia ? Eine Reihe von psychischen Störungen beruhen auf Täuschung: Pseudologia phantastica, Ganser-Syndrom, Münchhausen-Syndrom, Dissoziale und Histrionische Persönlichkeitsstörung, Pseudo-Psychose, Simulation, etc.

15 Fünf basale Verhaltenssysteme und dazugehörige Störungen (Mc Guire u
Fünf basale Verhaltenssysteme und dazugehörige Störungen (Mc Guire u. Troisi 1998) 1. Reproduction behavior system: z. B. Histrionische Persönlichkeitsstörung, sexuelle Dysfunktionen 2. Survival behavior system: z. B. Agoraphobie, Suizidalität 3. Kin investment behavior system: z. B. Kindesmisshandlung 4. Reciprocation behavior system: z. B. Dissoziale oder Narzisstische Persönlichkeitsstörung 5. Mixed behavior system: z. B. Schizophrenie

16 ADHS – Eine Pseudo-Pathologie ?
Hypothese: In einer Umwelt der evolutionären Angepasstheit könnten sich die Vigilanz, die impulsive Reaktionsfähigkeit und das ruhelose Explorationsverhalten (inkl. hohe Risikobereitschaft) als vorteilhaft erwiesen haben. Unter dem heutigen Anpassungsdruck erweist sich dieses Profil als nachteilbehaftet. Die Betroffenen werden nicht selten pharmakologisch «normalisiert». Charakterliche und biochemische Merkmale: Novelty Seeting: Tiefe basale dopaminerge Aktivität Harm Avoidance: Hohe serotoninerge Aktivität Reward Dependence: Tiefe basale noradrenerge Aktivität

17 Depressive Störungen: Erklärungsmodelle
Herbst-/Winterdepression: Winterschlaf Frühkindliche Deprivation: Sensitivierung, Dysfunktion der Stressachse Niederlage im Rangkampf: Rückzug/Konservierungsverhalten (social defeat) Erlernte Hilfslosigkeit: Dysthymie (früher: Neurot. Depression) 20-45-Jährige gehäuft geschieden/Vergewaltigungsopfer beruflich und private Anpassungsschwierigkeiten wenige Freundschaften, wenig Hilfsbereitschaft Idiosynkratische Aversion Wenig Lachen, Nicken, Augenbrauengruss, wenigerverbale Botschaften Keine neuen Strategien bei Misserfolg

18 Suizidalität Eine humanspezifische Weiterentwicklung des psychogenen Todes? Analoge Auslösersituation: Subjektive Hoffnungslosigkeit Präsuizidales Syndrom gleicht dem psychogenen Mortalitätssyndrom Es gibt morbusunabhängiges präsuizidales Syndrom und morbusunabhängigen Erbgang. Mehr Konkordanz bei MZ als bei DZ Historisch: - Ritualisierte Suizide der Alten in Stammesgemeinschaften - Kollektive Suizide in geschlossenen Gruppen Aktuell: Unverheiratete und kinderlose Frauen haben höhere Suizidraten

19 Anorexia nervosa Geschätzte Prävalenzen zwischen 0.5 und 3.7% (auch in Drittweltländern, jedoch mit anderer Pathoplastik) MZ sind häufiger konkordant als DZ Wenn Gewicht unter «Trigger Point» fällt, werden reproduktive Funktionen unterdrückt. → Sexuelle Unreife wird signalisiert → Fortpflanzung wird aufgeschoben Mütterlichkeit und «Kin altruism» bleiben → Eignung als «Helferinnen am Nest» Pendant dazu in der älteren Generation: Menopause → «Grossmutter-Hypothese»

20 Schizophrenie – eine schlecht verstandene Störung
Keine Vorläufer im Tierreich (ausser mot. Stereotypien und anderen katatonen Symptomen) T. Crow: Relativ später evolutionärer Ursprung Weltweite Verbreitung: Auftreten also vor der Zeit der letzten grossen Migrationsphase des H. sapiens (100’00 – 150’000 J) Vermutet Zusammenhang mit Sprach- und Bewusstseinsentwicklung Grosse Entwicklungsaufgaben während Hominisation: Verhalten von Affen stärker durch Gruppe determiniert und kontrolliert → H. Sapiens musste mehr Eigeninitiative bei der Verfolgung seiner Ziele entwickeln. Dabei musste er sich vermehrt auf Informationen aus Self- Monitoring abstützen.

21 Somatoforme Störungen
Sehr vielgestaltig: Über 30 Symptome damit assoziiert Bei Frauen doppelt so häufig (Prävalenz 0.2-2%) 10-20% der Verwandten ersten Grade zeigen ähnliche Symptome Männliche Verwandte haben gehäuft antisoziale Persönlichkeitsstörungen und Substanzmissbrauch Störung ist negativ mit Sozialstatus korreliert Konkordanz bei MZ höher als bei DZ. Kann «care taking behavior» bei Anderen auslösen. «Low-Risk-Strategie» für den Überlebenskampf?

22 Persönlichkeitsstörungen
Sind Ausdruck grundlegender Lebensstrategien, welche aber aufgrund ihrer Rigidität maladaptiv werden: Cluster A: Feindgewärtigung, Vermeidung sozialer Risiken → Wahn Cluster B: Täuschung, Manipulation, Ausbeutung → Sucht Cluster C: Rückzug, Vermeidung, Unterwerfung, Ritualisierung → Angst/Zwang

23 Angeboren oder erworben? Geschlossene oder offene Programme?
Einerseits: Der menschliche Geist hat sich nach denselben biologischen Gesetzmässigkeiten entwickelt wie die morphologischen Merkmale aller Lebewesen. Andererseits: Die meisten humanpsychologischen Mechanismen sind sog. «offene Programme», welche hochgradig von Umweltstimulation abhängig sind, um sich richtig zu entwickeln. → Dysfunktion auch aus Mangel an Stimulation

24 Die Frage aller Fragen Wenn psychische Störungen Handicaps im Lebensvollzug sind, warum wurden die pathogenen Gene nicht durch die natürliche Selektion ausgemerzt? Eine mögliche Antwort: Psychische Störungen werden gewöhnlich von zahlreichen und weitverbreiteten Genen additiv verursacht, wobei das einzelne Gen nur wenig beiträgt und so nicht durch Selektion eliminiert wird. Vorteile der (gesunden) Anlageträger? (Bsp.: Bipolare zeugen mehr Nachwuchs in Hochphasen)

25 E N D E


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