05. Dezember 2012 Neue Verantwortungen für wissenschaftliche Autoren. Lizenzen, Zweitverwertung und Urheberrecht Future Publications in den Humanities Margo Bargheer (SUB Göttingen)
Ethnologische Perspektive auf das wissenschaftliche Publikationssystem Beobachtung kultureller Phänomene Reflexive Analyse kultureller Selbstverständlichkeiten Analyse innerhalb eines Theorierahmens Neomarxist. Wirtschaftsethnologie nach Maurice Godelier, wonach wirtschaftliche Aktivitäten stets ihrer eigenen Logik folgen, die sich aus den sozialen Strukturen der handelnden Subjekte ergibt (Glaubenssystemen, Politik).
Reiseverlauf „Dichte Beschreibung“ Neue Verantwortung für wissenschaftliche Autorinnen und Autoren –Das alte System, folkloristisch betrachtet –Funktionen des Publizierens –Disruptive Technologien „Ethnographie“ Urheberrecht, Lizenzen und Zweitverwertungen –Das Rahmenwerk –Die Möglichkeiten –Die Herausforderungen „Angewandte Ethnologie“ Ansatzpunkte für Veränderung –Autoren in der Klemme –Berufsethos und Integrität –Macht und Struktur
Akteure und Wertschöpfungskette im Publizieren Wissenschaftler Recherchieren und Lesen Wissenschaftler Zitieren und Schreiben Bibliotheken Erschließen und Bereitstellen Wissenschaftler für Verlage Bewerten und Auswählen Verlage Anreichern und Produzieren der Medien Verlage und Agenten Verbreiten und Verkaufen
Ziele der Autoren beim Publizieren Information von A nach B bringen, zuverlässig und ohne unnötigen Zeitverzug Erreichen von unbekannten Zielgruppen Erreichen der eigenen Peers / wissenschaftliche Gemeinschaft im engeren Sinne Reputationsmaximierung im Rahmen eines Expertensystems Kosten- und Aufwandsminimierung Professor Terri Attwood, Faculty of Life Sciences and School of Computer Science, University of Manchester, UK, Duncan Hull cc-by-sa 3.0
Funktionen des Publizierens (nach Rosendaal und Geurts 1998)
Funktionen des Publizierens Registrierung Anerkennung der Urheberschaft (Entdeckungspriorität) Zertifizierung Anerkennung als wissenschaftliche Information (Qualitätsprüfung, Selektion, dauerhafte Erreichbarkeit) Verbreitung / Sichtbarkeit (Dialog mit wissenschaftlicher Gemeinschaft) Archivierung (dauerhafte Bereitstellung, Bewahrung für die Nachwelt) Reputative Anerkennung – „impact not income“ Leichter Zugang und Zugriff -> access Verlag „vertritt“ Autor bei Ausübung des Urheberrechts Verlagsdienstleistung, indem Begutachtung sowie Kanalisierung des thematischen Diskurses durch Spezialisierung (Branding) organisiert werden Verlagsdienstleistung Vermarktung innerhalb der Community Vertrieb an Bibliotheken Bibliotheken erwerben von Verlagen Inhalte/Lizenzen und gewährleisten dauerhafte Erreichbarkeit Beitrag des privatwirtschaftlichen Sektors
Funktionen des Publizierens Registrierung Anerkennung der Urheberschaft (Entdeckungspriorität) Zertifizierung Anerkennung als wissenschaftliche Information (Qualitätsprüfung, Selektion, dauerhafte Erreichbarkeit) Verbreitung / Sichtbarkeit (Dialog mit wissenschaftlicher Gemeinschaft) Archivierung (dauerhafte Bereitstellung, Bewahrung für die Nachwelt) Reputative Anerkennung – „impact not income“ Leichter Zugang und Zugriff -> access Gesetzgeber regelt Ausgestaltung des Urheberrechts Institutionen erlassen Mandate/Policies Öffentliche Hand finanziert wissenschaftseigenes Zertifizierungssystem Institutionen stellen Infrastruktur bereit Bereitstellung von Infrastruktur Bereitstellung von Infrastruktur Bewahrung des kulturellen Erbes Ausgestaltung des Rahmens, in dem entlang von Reputation Ressourcen verteilt werden Bereitstellung von Infrastruktur Rolle des öffentlichen Sektors
Urheberrecht als Konzept Urheber/Autor Verwerter/VerlageÖffentlichkeit/Leser §
Urheberrecht oder Copyright? Urheber/Autor Verwerter/Verlage Öffentlichkeit/Leser §
Avaricia // Deadly Sins, CC-BY 2.0 Jesus Solana, Madrid, Spain - [
Klassische Rollenverteilung im Publikationssystem LeserschaftAutorenVerlageBibliotheken produzieren Inhalte erwerben Rechte an Inhalten stellen Medien- produkte her, Anreicherung durch Qualitätsprüfung und Evaluierung erwerben Medienprodukte, weisen sie nach (Katalog) und stellen bereit rezipieren, konsumieren Buy-Out Klausel, Exklusives Recht der wirtschaftlichen Verwertung Prof. Marek Demiański, Warsaw University, Institute for Theoretical Physics, Boris Kozielski cc-by 4.0
? = Persönlichkeitsrechte des Urhebers schützenswertes Werk (§7-14) = Verwertungsrechte: Verbreiten, Veröffentlichen, Nutzungsrechte vergeben (§15-24) Inhaber von Nutzungsrechten (§31-37) kann Werk wirtschaftlich verwerten, „Vergütungsanspruch“ des Urhebers Veröffentlichung braucht Öffentlichkeit; geistige Schöpfung mit sozialer Rückbindung -> Schranken des Urheberrechts wie Schule, Wissenschaft, Zitat etc. (§38.4, §44-63) Urheber Werk Gut Verwerter Öffentlichkeit
Lizenzvereinbarung (Schutz je nach gewählter Lizenz) Kulturbedingte Schutz (wissenschaftliche Zitierpraxis) Werkform eines geistigen Eigentums Urheberrechtlicher Schutz (Entstellungsverbot, Persönlichkeitsrechte) Egal, ob im Druck oder im Internet veröffentlicht, gilt: Veröffentlichung bedeutet, dass andere am Werk teilhaben sollen. Totalen Schutz gibt es also nur bei Nicht-Veröffentlichung. Wissenschaftliche Werke erlangen durch Verwendung im Wissenschafts- system „kulturbedingten“ Schutz, die Integrität des Werks wird durch Standards wie die korrekte Zitierpraxis gewahrt und geschützt. Innerhalb und außerhalb der Wissen- schaft greift immer das Urheberrecht, wonach das unveräußerliche Persönlichkeitsrecht den Urheber vor Entstellung seines Werks (z.B. durch unerwünschte Kontextualisierung) schützt. In einer Lizenz wie Creative Commons werden weitere Vereinbarungen getroffen, die jedoch die anderen Rechte nicht außer Kraft setzen. Bestehende Schutzmechanismen
Herkömmliches Modell, das paralleles Open Access erlaubt Wiss. Autor Verlag Rechteinhaber exklusiv Unterlizen- sierung möglich Nur eingeschränkte Lizensierung möglich
Neue Möglichkeiten, neue Verantwortung Wiss. Autor Verlag Rechteinhaber exklusiv Unterlizen- sierung möglich Volle Lizensierung möglich
Open-Access-Lizenzen im Einsatz Jeder Urheber kann regeln, was Nutzer seines Werks dürfen sollen, also eine eigene Lizenz formulieren, und sein Werk unter dieser Lizenz weitergeben –aber: Lizenz im Eigenbau ist wenig praktikabel, deshalb empfohlene Verwendung eines etablierten Lizenzmodells, so auch bei Open-Access-Lizenzen Verbreitetes Modell Creative Commons Lizenz, funktioniert nach dem Baukastenprinzip by regelt, ob Urheber genannt werden muss (dann greift Urheber-Persönlichkeitsrecht) nc regelt, ob kommerzielle Nutzung erlaubt (kommerziell ≠ gewinnorientiert) nd regelt, ob Bearbeitungen zulässig sind (die aber genannt werden müssen) sa regelt, dass nach erlaubter Bearbeitung unter gleichen Bedingungen lizensiert werden muss (daher schließen sich nd und sa aus) Creative Commons Lizenz für den Universitätsverlag
Open Access: wer gibt wem welche Rechte? Urheber Verlag 2 im Besitz aller Verwertungsrechte 1-fache Nutzungsrechte für digital Verlag 1 druckt exklusiv, räumt Nachdruckrechte ein und stellt digital bereit Leserschaft Verlag 4 Verlag 3 Leserschaft
Lizenzvereinbarung (Schutz je nach gewählter Lizenz) Kulturbedingte Schutz (wissenschaftliche Zitierpraxis) Werkform eines geistigen Eigentums Urheberrechtlicher Schutz (Entstellungsverbot, Persönlichkeitsrechte)
Werkform eines geistigen Eigentums Missbrauch Lizenzvereinbarung (Schutz je nach gewählter Lizenz) Kulturbedingte Schutz (wissenschaftliche Zitierpraxis) Urheberrechtlicher Schutz (Entstellungsverbot, Persönlichkeitsrechte) Bei Verstoß gegen Creative Commons Lizenz liegt sanktionierbare Urheberrechtsverletzung vor erging in NL erstmals ein Urteil, das klarstellte, dass die Grenzen einer CCL für Nutzer verbindlich sind (also Open Access nicht „up for graps“ bedeutet). Ein Urteil des LG Köln vom bestätigte die Belastbarkeit einer CC-Lizenz, äußerte allerdings eine zweifelhafte Auffassung von „kommerziell“ (Deutschlandradio war für das LG kommerziell, da es aus Rundfunkbeiträgen finanziert wurde).
Einfachste Form der Lizenz: Deposit Licence Open Access: Überblick und Finanzierung: 15. Januar 2013
Open Access: How open is it? 22
Ansatzpunkte für Veränderung Autoren in der Klemme –Anerkennung des erheblichen Publikationsdrucks, vor allem im STM-Bereich –Publizieren komplexer denn je –Karma vs Karriere ist lösbar, aber nur für die Wissenden Berufsethos und Integrität –Publikationskulturen verstehen und nutzen –Neue Formen des Publizierens zielen auf Partizipation, Transparenz und Nachvollziehbarkeit ab –Prinzipien der Guten Wissenschaftlichen Praxis mit Publizieren verknüpfen
Gute wissenschaftliche Praxis a. Ehrlichkeit bei Methoden, Prozessen und Ergebnissen kritisch gegenüber den eigenen Ergebnissen und Methoden b. Verlässlichkeit und Sorgfalt in der Forschung und der Kommunikation (ohne Bias) Versprechungen im Antrag halten, Flüchtigkeitsfehler vermeiden c. Objektivität und Nachvollziehbarkeit Dateninterpretion kontextualisieren, kein Weglassen von Daten d. Unabhängigkeit der Forschung e. Offene Kommunikation (inkl. Datenspeicherung) z.B. Forschungsdatenmanagement und Datenpublikation f. Sorgfaltspflicht z.B. Patienteneinwilligung, Datenschutz, Umweltschutz, Ethik g. Fairness sachliche Begutachtung, die den Wissenschaftsprozess fördert h. Verantwortung für die nachfolgende Wissenschaftlergeneration
Mögliche Abhilfen a. Klare Regelungen für den Publikationsprozess bei allen Akteuren b. Infrastrukturen und Training für Forschungsdatenmanagement c. Gute wissenschaftliche Praxis als obligatorisch in Aus- und Fortbildung d. Entschleunigungsstrategien e. Hinterfragen des “positive bias” f. Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen g. Alternative Anreiz- und Belohnungssysteme
Ansatzpunkte für Veränderung Autoren in der Klemme –Anerkennung des erheblichen Publikationsdrucks, vor allem im STM-Bereich –Publizieren komplexer denn je –Karma vs Karriere ist lösbar, aber nur für die Wissenden Berufsethos und Integrität –Publikationskulturen verstehen und nutzen –Neue Formen des Publizierens zielen auf Partizipation, Transparenz und Nachvollziehbarkeit ab –Prinzipien der Guten Wissenschaftlichen Praxis mit Publizieren verknüpfen Macht und Struktur –Ausbildung reformieren –Belohnungs- und Bewertungssysteme reflektieren und verändern –Oligopole hinterfragen
"Sal plage" by Fanny Schertzer. Licensed under CC BY 2.0 via Wikimedia Commons -