Kapitel 7: Marxismus und kommunistische Bewegung

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Marxismus. Inhalt ● 1. Karl Marx ● 2. Friedrich Engels ● 3.Marxismus als Ideologie.
 Präsentation transkript:

Kapitel 7: Marxismus und kommunistische Bewegung Begriffliches Marxismus als Ideologie Etappen der kommunistischen Bewegung Die kommunistische und postkommunistische Bewegung in der Schweiz

7.1 Begriffliches

Begriffliches: Unter dem Begriff Marxismus werden mindestens drei Dinge verstanden: das theoretische Gebäude, das Karl Marx (1818 bis 1883) zusammen mit Friedrich Engels (1820 bis 1895) errichtet hat, eine Methode der gesellschaftlichen Analyse, die als "kritische Methode" mit den Worten historisch-dialektisch-materialistisch bezeichnet werden kann, sowie Analysen, die sich in ihrem Selbstverständnis auf den einen oder anderen Aspekt der Lehre von Marx und Engels stützen und den Marxismus im Rahmen veränderter historisch-gesellschaftlicher Bedingungen weiterentwickeln.

7.2 Marxismus als Ideologie

Karl Marx (1818 – 1883) „History is economics in action“

Karl Marx' Lehren sind beeinflusst von: der englischen Nationalökonomie des 18./19. Jahrhunderts (u.a. David Ricardo, Adam Smith) der Philosophie Hegels, vor allem der Methode der Dialektik vom Materialismus Feuerbachs den zeitgeschichtlich/politischen Ereignissen in Frankreich: die Revolutionen und Aufstände von 1789, 1830 und 1847/8 sowie die Pariser Kommune von 1871.

In Werk und Wirkungsgeschichte sind zwei Bereiche zu unterscheiden: der junge, "humanistische" Marx der reife, "wissenschaftliche" Marx

Der junge humanistische Marx Zentrale Frage: Entfremdung (nicht als psychische Erfahrung, sondern als "objektive Entmenschlichung") und ihre Aufhebung in dreifacher Hinsicht: - Religion - (Schöpferische) Arbeit - Politische und gesellschaftliche Gleichheit

Religion Nur eine Projektion der Menschen (welchen es schlecht geht): "Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes" (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, 1843). Somit muss nicht die Religion abgeschafft werden, sondern die Verhältnisse, "in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" - dann verschwindet die Religion von selbst.

(Schöpferische) Arbeit Wichtigste Tätigkeit des Menschen ist die Arbeit. Dadurch, dass im Kapitalismus die Produktionsmittel (und damit auch die Produkte) dem Kapitalisten gehören, entfremdet sich der Lohnarbeiter von seiner ursprünglichen Tätigkeit; er wird gerade durch diese (Lohn-)arbeit unterdrückt (Pariser Manuskripte).

Politische und gesellschaftliche Gleichheit Die politische Revolution in Frankreich (1789) mit der Erklärung der Menschenrechte stellte die Menschen nur politisch gleich, während wirtschaftlich/soziale Ungleichheit von der bürgerlichen Revolution nicht beseitigt oder gar verschärft wird. Marx fordert daher, dass die politische Gleichstellung (als citoyens) weitergeführt werde zur menschlichen Gleichstellung (citoyens und bourgeois).

Der reife, "wissenschaftliche" Marx mit zwei zentralen Fragen: - gesellschaftliche Gesetzmässigkeiten (geschichtsphilosophische Reflexionen, Kritik der politischen Ökonomie), - soziale Revolution.

Analyse des Kapitalismus Der "homo oeconomicus", der Profit maximierende, kalkulierende anthropologische Grundpfeiler der von Adam Smith abgeleiteten Wirtschaftslehre, ist für Marx nicht das Modell des Menschen, wie er ist, sondern Beschreibung der Deformation, die durch ein auf Privatbesitz und Tausch aufgebautes Wirtschaftssystem hervorgebracht wird (Shell 1972: 240).

Der historische Materialismus Anknüpfung an Hegels Geschichtsphilosophie: Geschichte ist sinnvoll, zielgerichtet und gesetzmässig ("Dialektik" im Sinne einer Bewegung These-Antithese-Synthese). Marx beansprucht aber, Hegel vom Kopf auf die Füsse zu stellen: Das Bestimmende in der Geschichte ist nicht der Geist, sondern sind die ökonomischen Verhältnisse.

Die Gesellschaft ist bestimmt durch die ökonomische und soziale Struktur (Basis); diese umfasst: Produktivkräfte ( die Bodenschätze, Werkzeuge, Maschinen) sowie die Fähigkeiten der Menschen, sie zu gebrauchen und die Produktions- und Eigentumsverhältnisse (Art der Herrschaftsverhältnisse) einer Gesellschaft.

Abhängig von dieser Basis ist der "Überbau" (Kunst und Wissenschaft, politische Anschauungen und religiöse Überzeugungen sowie deren Institutionen wie Kirche, Staat, Parteien etc.).

Merkmale des Kapitalismus: Industrialisierung, Arbeitsteilung, Trennung von Kapital und (Lohn-)Arbeit. Produktion von Waren für den Markt Wert einer Ware = konstantes Kapital "c" (Maschinen, Rohstoffe etc.) + variables Kapital "v" (Löhne) + Mehrwert "m". Der Mehrwert geht an den Besitzer der Produktionsmittel.

Produktion und Aneignung von Mehrwert ist Grund und Bewegungsgesetz des Kapitalismus: Geld - Ware - Geld; Kapital ist der sich selbst verwertende Wert.

Zwei Grundbewegungen des Kapitalismus: Die Kapitalisten stechen sich im Konkurrenzkampf gegenseitig aus; Unterlegene werden zu Proletariern (Konzentration, Akkumulation des Kapitals). Verschlechterung der Lage der Arbeiterklasse: tendenzieller Fall der Profitrate: (m = c + v). Wenn c (konstantes Kapital) steigt, fällt v (Lohn). Die Lohnarbeiter verdienen (relativ) immer weniger (Verelendungstheorie), die Kapitalisten weichen auf die dritte Welt aus (Imperialismus).

Kritik des bürgerlichen Staates (Rechtsstaates) als Klassenstaat Nach Marx gehört der Staat zum Überbau; seine wirkliche Funktion muss daher von der Basis, den sozioökonomischen Verhältnissen her analysiert werden:

Kritik am bürgerlichen Staat: Nur als Warenbesitzer haben alle Menschen dasselbe Interesse - den Schutz ihrer Position als Warenbesitzer: Besitz der Produktionsmittel; Besitz der Arbeitskraft, Freiheit auf dem Markt (auch zum Kauf der Arbeitskraft, der ein Austausch und keine gewaltsame Aneignung sein soll). Das bürgerliche Recht und der bürgerliche Staat garantieren dies durch abstrakte Gleichheit und Freiheit der Warenbesitzer. 

Kritik am bürgerlichen Staat In der Praxis aber treten sich Menschen mit verschiedenen Interessen gegenüber (Kapitalisten, Lohnarbeiter). Die Parolen der Freiheit, Gleichheit und des freien Tausches von Gleichem sind inhaltsleer. Das formal-allgemeine Interesse der Warenbesitzer (Austausch von Lohnarbeit gegen Lohn) erweist sich als das inhaltlich besondere Interesse der Kapitalisten (Abschöpfung von unbezahlter Mehrarbeit).

Kritik am bürgerlichen Staat: Er hält "die allgemeinen äusseren Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise ... gegen Übergriffe sowohl der Arbeiter wie der einzelnen Kapitalisten" aufrecht; er stellt aber auch die allgemeinen materiellen Bedingungen (Infrastruktur) der gesellschaftlichen Produktion her. Er ist also "nur ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet." (Komm. Manifest), oder, in Worten Engels, "ideeller Gesamtkapitalist" (Anti-Dühring). Er ist als Klassenstaat auch zu gewissen Konzessionen an die Arbeiterklasse fähig (z.B. Sozialgesetzgebung); er wird jedoch immer den Kapitalismus verteidigen.

Das politische Programm von Marx: Kommunistisches Manifest Bourgeoisie und Proletariat als einzig übrigbleibende Klassen; Notwendigkeit der proletarischen Revolution Kommunistische Bewegung als Anführerin des Proletariats

Etappen der Revolution: Nach der Klassenherrschaft des Bürgertums: Diktatur des Proletariats. Sozialismus als Herrschaft des Proletariats (politische Macht durch Volksmehrheit, Absterben von gesellschaftlicher Klassenspaltung und Staat); Später: Kommunismus als Utopie klassenloser Gesellschaft (Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist)

Voraussetzungen der Revolution Objektiv: ein verschärfter Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Subjektiv: das proletarische Bewusstsein.

Im "Kommunistischen Manifest" glauben Marx/Engels noch, dass eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft (Abschaffung des Kapitalismus) auf "demokratischem Wege", d.h. mittels Übernahme der politischen Macht durch Wahlen möglich sei. Nach den Erfahrungen der gescheiterten 48er Revolutionen und vor allem der "Pariser Kommune" korrigiert Marx diese Meinung: Der Sozialismus kann nicht durch Übernahme des bürgerlichen Staates erreicht werden; vielmehr muss die bürgerliche Staatsmaschine zerschlagen und ein völlig neuer staatlicher Machtapparat errichtet werden.

N.B.: An der Vorstellung der Diktatur des Proletariats schieden sich die Geister der Arbeiterbewegung schon bald. Die Anarchisten, vor allem Bakunin, bekämpfen Staat (und Kirche) als grösste gesellschaftliche Unterdrückungsinstrumente. Sie lehnen daher auch die Diktatur des Proletariats ab. Sozialdemokraten (Lassalle, Bebel) glauben an Veränderungen der Gesellschaft innerhalb der bürgerlichen Staatsstrukturen.

Weiterentwicklung des Marxismus Leninismus Der "real existierende" Sozialismus Revisionisten Austromarxisten Hegelmarxisten Frankfurter Schule und ihre Nachfolger

7.3 Etappen der kommunistischen Bewegung

Etappen Die Erste Internationale (Internationale Arbeiter-Assoziation: IAA): 1864-1872 Die Zweite Internationale: 1889-1914 Die Dritte Internationale (kommunistische Internationale: Komintern): 1919-1943 Auseinanderdriften der weltkommunistischen Bewegung Der Eurokommunismus

Seyfried und der Inter-nationa-lismus

7.4 Die kommunistische und postkommunistische Bewegung in der Schweiz

KPS - PdA KPS wurde 1921 gegründet. Ihre Entstehung verdankt sie dem Wunsch einer sozialistischen Minderheit, der dritten Internationalen beizutreten. Sie verknüpft ihre Geschicke aufs engste mit der KPdSU. Die Partei der Arbeit (PdA) ist die Nachfolgeorganisation der 1940 durch den Bundesrat verbotenen Kommunistischen Partei der Schweiz. Die PdA wurde 1943 unter dem Namen "Arbeiterpartei/Parti ouvrier" in Genf gegründet und ein Jahr später in PdA umbenannt.

Auch ein Besuch auf der Homepage der PdA lohnt sich

Postkommunistische Parteien Die Entwicklung der Parteien links von der SP ist von einigen Turbulenzen gezeichnet. Die in den späteren 1960er und 1970er Jahren erfolgte Ausdifferenzierung der linken Opposition (chinaorientierte Gruppen, SAP, POCH) wurde Mitte der 1980er Jahre praktisch vollständig von den grünen Gruppierungen und der SP aufgenommen. Einzig die PdA (vgl. dazu auch Fischer 1988) konnte ihre Eigenständigkeit bewahren.