Kommunikation im Netz –

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 Präsentation transkript:

Kommunikation im Netz – zwischen „Virtualisierung des Lebens“ und neuen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung. Wirklichkeitsverhältnis & Verhalten von Chattern – Inwiefern nehmen Chatter chatten als Traumwelt wahr? Forschungsseminar Tanja Trojer Franz Muigg November 2005

Grundsätzliche Überlegungen Netzgemeinde vs. Gesamtbevölkerung Lurker vs. Poster Newbie vs. Oldbie Art des Forums: Vielfalt der „Theme Communities“: Esoterik-Chats, UFO-Sichtungen, Sport, Entertainment, Out of body experience,... Heavy User vs. Light User

Kommunikation im Internet Theoretische Ansätze

Kanalreduktionstheorie CMC ist wegen fehlender Sinneskanäle im Vergleich zur Face-to-Face- Kommunikation defizitär und unpersönlich

Herausfiltern sozialer Hinweisreize CMC führt wegen ihrer Anonymität zu Enthemmung und steigert sowohl prosoziales als auch antisoziales Verhalten

Normative Medienwahl CMC- Nutzung wird durch die sozialen Normen im Umfeld beeinflusst und ist deshalb oft irrational und dysfunktional

Soziale Informationsverarbeitung CMC ist genauso lebendig wie Face-to-Face- Kommunikation, denn nonverbale Botschaften lassen sich verbalisieren

Simulation CMC liefert Freiheitsgrade in der Selbstdarstellung und begünstigt damit Täuschung, Authentizität und Selbstreflexion

Imagination/Evokation CMC regt durch fehlende Sinneskanäle Projektionsprozesse an und evoziert sinnliche Phantasiebilder

Theorien stehen eher in einem Ergänzungs- als in einem Konkurrenzverhältnis  unterschiedliche Gültigkeitsbereiche

Studie 1: Tina Fix: Explorative Motivstudie zur jugendlichen Netzkommunikation München 2001 Internetnutzung/Frequenz: fast täglich 40%, 2-3mal/Woche 42% der Rest 1x/Woche und seltener. Nutzungsdauer: ca. ¼ bis 1h, ¼ bis 1,5h, ¼ bis 2,5h und ¼ mehr als 2,5 Verteilung beim Chat ähnlich Online-Fragebogen n=176 (13 bis 24a) Durchschnittsalter: 17,9 ♀:♂ 47,9 : 52,1 %

Explorative Variablen etc.: Sozidemographische Daten Mediale und nicht mediale Freizeitaktivitäten Internetnutzung Motive und Funktione der Internetnutzung Nutzunsverhalten im Chat Motive und Funktion der Chat-Kommunikation Selbstpräsentation und Konstruktion von Identitäten Entwicklung von Sozialen Beziehungen Chatspezifischen Kommunikationsmerkmale

Tendenzen hinsichtlich Selbstdarstellung

Leitfrage 1: Welche Motive und Funktionen liegen der Chat-Kommunikation zugrunde? Soziale Interaktion als wichtigste Funktion – „echte soziale Interaktion“ im Gegensatz zu anderen Massenmedien, d.h. synchrone Kommunikation Beseitigung von Langeweile, Eskapismus und Ablenkung oder Stimmungsregulation stehen nicht im Vordergrund der Mediennutzung, vielmehr ist es die soziale Funktion bzw. die interaktionsermöglichenden Potentiale

Leitfrage 2: Inwieweit spielen eskapistische Nutzungsmotive zur Befriedigung dysfunktionaler Bedürfnisse eine Rolle? Wird der Chat genutzt, um vor Problemen im Real-Life zu flüchten? Verwendung von Schein-Identitäten? Eskapistisches Motiv bei der CMC konnte nicht bestätigt werden (nur bei einer Minderheit) – negative Erwartungshaltung konnte nicht bestätigt werden. Bei dieser Minderheit: Idealisierung hinsichtlich der Selbstbeschreibung bzw. Verwendung von Schein-Identitäten Frage bleibt offen: Schein-Identitäten zum Abbau identitätsbedingter Kontaktbarrieren oder komplette Konstruktion fiktiver Identitäten.

Leitfrage 3: Inwieweit nutzen Jugendliche die Anonymität im Online-Chat, um mit ihrer persönlichen Identität zu experimentieren? Stellt das Spiel mit der eigenen Identität tatsächlich ein signifikantes Nutzungsmotiv dar? Theorie von Sherry Turkle: Chat-Rooms sind für Jugendliche virtuelle Spielplätze Keine Bestätigung – nur 10% wären diesem Nutzungsmotiv zuzuordnen Diese 10%: Spiel mit Identitäten, häufiger Nick-Wechsel Motiv: „Kommunikationsvorteile“ durch verzerrte Selbstdarstellung Pauschale Befürchtung des Identitätsverlustes (Deindividuation) durch CMC-Szenarien konnte nicht bestätigt werden.

Gebrauch von Nicknames

Grobe Interpretation der Ergebnisse Interaktive jugendliche (Jugendliche mit CMC-Aktivitäten) sind nicht die „vernachlässigten Computerkids“ Ein Großteil der Jugendlichen nützten CMC als Kommunikationsmedium zu „echten sozialen Interaktion“ und dies v.a. intentional, aktiv und selektiv, um neue Kontakte mit gleichaltrigen zu knüpfen Herausforderung für das Erzieherisch/Pädagogische Umfeld der selbstverantwortlichen und aktiven Auseinandersetzung mit den „neuen Medien“

Studie 2:Onlinestudie der Universität Bremen Thema: „Kommunikation und Identitätsbildung in Chats und Online-Rollenspielen“ 143 Onlinefragebögen Probanden: alle Altersklassen, verschiedene Schulabschlüsse, verschiedenes Nutzerverhalten

Befragte Gruppen

Altersverteilung

Glauben Sie, dass Viel-Chatter ihre Real-Life- Kontakte reduzieren Glauben Sie, dass Viel-Chatter ihre Real-Life- Kontakte reduzieren? (Wenig- Chatter)

Haben Sie Ihre Kontakte mit anderen Menschen im Real Life reduziert Haben Sie Ihre Kontakte mit anderen Menschen im Real Life reduziert? (Viel-Chatter)

Können Sie sich vorstellen, dass das Chatten eine Realitätsflucht ist Können Sie sich vorstellen, dass das Chatten eine Realitätsflucht ist? (Wenig- Chatter)

Empfinden Sie das Chatten manchmal als "Flucht in eine andere Realität"? (Viel- Chatter)

Glauben Sie, dass Sie sich verändert haben, seit Sie im Netz mit anderen Menschen kommunizieren?

Würden Sie sagen, dass Sie im Netz "Seiten" Ihrer Persönlichkeit ausprobieren können, die Sie bislang im RL noch nicht ausprobiert haben?

Haben Sie Möglichkeiten beim Chatten, die Sie im RL nicht haben?

Genannte Möglichkeiten Äußere Merkmale werden irrelevant „erst denken, dann tippen“ Immer jemand da „Offenheit“ durch Anonymität Themen, die die Personen emotional berühren Mehr Kontrolle über Gefühle Chatten fördert Toleranz

Neue Möglichkeiten für Menschen in außergewöhnlichen Situationen Körperlich behinderte Menschen Mütter von kleinen Kindern gehörlose und stumme Menschen Menschen mit Sozialphobie oder Kontaktschwierigkeiten

Nachteile, die im Chat erfahren werden Nonverbale Inhalte fehlen  kann zu Unsicherheit und Missverständnissen führen Kein Feedback auf Aussagen wird gegeben „Flaming“ wird durch Anonymität gefördert Rechtsradikalismus und sexuelle Belästigung werden erleichtert

Zusammenfassung Aus den von uns gesichteten Studien geht hervor: Chatten als Möglichkeit zur Erweiterung der sozialen Interaktion Eskapismus, emotionale Regulation etc. stehen nicht im Vordergrund Neue Möglichkeit für Personen in außergewöhnlichen Situationen Keine ausgeprägte Disharmonie zwischen VR & RL Dabei verzerren jedoch einige Variablen diese Aussagen: Alter und Geschlecht der Chatter Heavy User vs. Light User

Danke für die Aufmerksamkeit!

Bibliographie: Döring, Nicola (2000a). Kommunikation im Internet: Neun theoretische Ansätze (Kap. 12). In Bernad Batinic (Hrsg.), Internet für Psychologen (S. 509-548). Göttingen: Hogrefe. Döring, Nicola (2000a). Identitäten, Beziehungen und Gemeinschaften im Internet (Kap. 13). In Bernad Batinic (Hrsg.), Internet für Psychologen (S. 509-548). Göttingen: Hogrefe. Studie 1: Fix, T.: Generation @ im Chat München: KoPaed Verlag 2001 Studie 2: Junge Erwachsene im Netz  Kommunikation und Identitätsbildung in Chats und Online-Rollenspielen. Eine sozialpsychologische Untersuchung der Universität Bremen http://www.uni-bremen.de/~ipsnet/jein/html/berichthtml.htm Prommer, E. & Vowe, G.: Computervermittelte Kommunikation: Öffentlichkeit im Wandel Konstanz: UVK Medien 1998 Turkle, S.: Leben im Netz Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 1998