Peter Weichhart Institut für Geographie und Regionalforschung

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 Präsentation transkript:

Konzeption einer international vergleichen-den Forschung zu „Planungskulturen“ Peter Weichhart Institut für Geographie und Regionalforschung Universität Wien Planungskulturen – eine Herausforderung für die empirische Planungsforschung? Internationaler Expertenworkshop – ILS NRW, 23. – 24. 3. 2007 P249PlKultILS07/01

Der Ausgangspunkt: Warum „funktioniert“ die Raumplanung nicht besser? Warum ist die aktuelle Realität der raumstrukturellen Entwicklung so weit von den Zielsetzungen der Pläne entfernt? FALUDI über die Niederlande: „Das Land sieht unge- fähr so aus, wie die Planer es sich vorgestellt hatten.“ Große Teile Österreichs sehen ganz und gar nicht so aus, wie sie nach den Vorstellungen der Planer, die in den Landesentwicklungsprogrammen dokumentiert sind, aus- sehen sollten. Evaluative, nicht normative Problemstellung! P249PlKultILS07/02

Zentrale Fragestellungen Wie lassen sich die Raumplanungssysteme unter- schiedlicher Staaten/Länder/Perioden miteinander vergleichen? Wie kann das Gesamtgefüge aller Aktivitäten der öffentlichen Hand zur Produktion und Sicherung einer als „erwünscht“ angesehenen Bodennutzung und räumlichen Ordnung charakterisiert werden? Was sind die Strukturprinzipien und „Funktions- mechanismen“ des Raumplanungssystems? Wie lässt sich die „Tiefenstruktur“ dieses Systems beschreiben? P249PlKultILS07/03

„Planungskultur“ Wir verwenden „Planungskultur“ vorläufig als Über- begriff zur Kennzeichnung des Gesamtgefüges aller Determinanten eines Raumplanungssystems. Im Vordergrund steht dabei die organisations-, gruppen- oder länderspezifische Konfiguration der Werte, Normen, Orientierungen, Kommunikations- und Handlungsstile des raumplanerischen Han- delns . Wir sehen „Planungskultur“ vor allem als heuristisches Konzept! P249PlKultILS07/04

Analogie zu „Alltagskultur“ Ergebnis eines Projekts zur „Alltagskultur“ in Salzburg: „,Alltagskultur‘ kennzeichnet die Art und Weise, wie man mit anderen Menschen und den Dingen der Lebenswelt ,umgeht‘“. „Kultur“ soll vor allem die Spezifika der Prozess- und Verfahrensabläufe, der Interaktionsstile und der gängigen Standards der Handlungskoordina- tion, Konfliktbewältigung und des Interessens- abgleichs innerhalb des Planungssystems charak- terisieren. P249PlKultILS07/05

Wie beschreibt man Planungssysteme? Ein wichtiges Anliegen ist uns die Entwicklung und Begründung eines „Analyserasters“, der alle entscheidenden Kategorien und Elemente enthält, welche für eine umfassende Beschreibung von Raumplanungssystemen erforderlich sind. Das eigentliche Ziel besteht darin, mithilfe der vor- gegebenen Beschreibungskategorien, Attribut- dimensionen und Ausprägungsvarianten die Funk- tionsweise und Effizienz des Planungssystems sichtbar zu machen und damit eine umfassende Charakterisierung des jeweiligen Planungssystems vorlegen zu können. P249PlKultILS07/06

Gängige Modelle der Beschreibung von Raumordnungssystemen Das Raumordnungssystem wird in der Regel als organisatorische und institutionelle Struktur darge- stellt. Als Beschreibungsdimensionen werden vor allem folgende Bereiche herangezogen: nominelles und funktionales Raumordnungsrecht administrative Strukturen und Hierarchien, Kompe- tenzen und Instanzen Verfahren und Prozesse Instrumente (Programme, Pläne, REK, FLWPL, Bebauungsplan etc.) P249PlKultILS07/07

Es fehlt … … eine ausdrückliche Berücksichtigung des Faktums, dass die motorischen Elemente und Akteure des Planungssystems menschliche Subjekte sind, die als intentionale Wesen die Fähigkeit besitzen, insti- tutionelle Regeln und Normen zu interpretieren, um- zudeuten, zu schaffen und im Sinne eigener Moti- vationen auszulegen. Sie können damit als „Quellen von Kontingenz“ wirksam werden. … eine ausdrückliche Berücksichtigung der Inter- aktionsstile und der gängigen Standards der Hand- lungskoordination, Konfliktbewältigung und des Inter- essensabgleichs, also der Planungskultur. P249PlKultILS07/08

Gefragt ist daher … … eine theoretische Orientierung, die sowohl institutionelle und organisatorische Strukturen als auch subjektive Handlungssysteme und die Wechselwirkungen zwischen Mikro- und Makro- ebene sowie die Einbettung in übergeordnete kulturelle Strukturen erfassen und darstellen kann. Strukturationstheorie Neo-Institutionalismus akteurszentrierter Institutionalismus Neue Politische Ökonomie Handlungstheorien Kulturtheorien ? P249PlKultILS07/09

Themenfelder und Einzelprobleme Wer sind die Akteure des Raumordnungssystems, wer nimmt Einfluss auf Standort- und Allokations- entscheidungen? Wie sieht die primäre Intentionalität der Akteure aus? Politische Ökonomie der Standortproduktion und „politi- scher Opportunismus“ - Wie lässt sich der politische Nutzen der Raumordnung darstellen? Wie funktionieren Leitbilder? Welchen Einfluss haben Planerbiographien auf Inhalte und Abläufe von Planungsprozessen? Wie lassen sich Planungssysteme typisieren? … P249PlKultILS07/10

Akteure des Raumordnungssystems und ihre „primären Intentionalitäten“ Das Raumordnungssystem wird in der Literatur meist als institutionelle Struktur beschrieben, die als professionelles und zweckrational organisiertes Handlungssystem dazu dient, im Konsens der gesellschaftlichen Kräfte optimale Standortstrukturen für bestimmte Territorien zu produzieren. Als relevante Akteure gelten dabei die Vertreter der Pla- nungsbehörden, die ressortzuständigen Politiker sowie die beteiligten Ziviltechniker-Planer (Österreich). In Wahrheit sind am System der Standortproduktion we- sentlich mehr Akteure beteiligt, deren primäre Intentionali- täten in der Regel an verschiedenen anderen Motiven und Zwecksetzungen orientiert sind. P249PlKultILS07/11

Akteure des Raumordnungsprozesses (Österreich) Anwälte Ziviltechniker- Raumplaner Gutachter Institute DIENSTLEISTER PRIVATWIRTSCHAFT POLITIK Parteipolitik Kommunalpolitik Landespolitik MEDIEN Journalisten Herausgeber INTERESSENVER- TRETUNGEN Sozialpartner Kammern Standesver- tretungen Amtsleiter, Ge- meindebedienstete Bezirkshauptmann, Beamte BH Fachbeamte Planungsämter Geschäftsführer Regionalverbände DIENSTLEISTER VERWALTUNG GRUNDBESITZER, VER- FÜGUNGSBERECHTIGTE Bauern, Private Betriebe, Konzerne Kapitalgesellschaften Bauträger Projektanten Kirche etc. „BETROFFENE“ Bürgerinitiativen NGOs Anrainer P249PlKultILS07/12

Primäre Intentionalität der Akteure POLITIK DIENSTLEISTER PRIVATWIRTSCHAFT Wahlerfolg, Macht, Budget Aufträge, Wert- schöpfung MEDIEN Auflage, Erfolg INTERESSENVER- TRETUNGEN Lobbying, Gruppen- interessen DIENSTLEISTER VERWALTUNG GRUNDBESITZER, VER- FÜGUNGSBERECHTIGTE Verwal- tungs- vollzug, Karriere Kompetenz- abgrenzung „BETROFFENE“ Lebens- qualität, Interessen Wert- schöpfung, Verwertung P249PlKultILS07/13

Politische Ökonomie der Standortproduktion Die Frage der politischen Ökonomie der Standortproduktion wird in der planungstheoretischen Literatur geradezu als Tabuthema gehandhabt, gelegentlich ist verschämt von „po- litischem Opportunismus“ (J. GENOSKO, 2002) die Rede. In Wahrheit ist der Prozess der Raumordnung in sehr er- heblichem Maße durch den politischen Nutzen der Standort- produktion geprägt. Es erscheint absurd, „…dass die überlieferte ökonomische Standort- und Landschaftsstrukturtheorie die Regierenden als verantwortliche Aktoren im Siedlungsprozess überhaupt nicht wahrgenommen hat.“ D. BÖKEMANN, 1982, S. 11 P249PlKultILS07/14

Ökonomische Theorie der Demokratie „In Demokratien nutzen die Regierenden … den ihnen durch Wahlen anvertrauten Staatsapparat (Bürokratie) auf analoge Weise wie private Wirtschaftssubjekte ihr Eigentum: nach der ökonomischen Rationalität des Eigennutzes zur Erhal- tung und Vermehrung ihrer Verfügungsrechte über bestimmte Mittel.“ D. BÖKEMANN, 1982, S. 19 Standorte lassen sich als vom Staat bzw. Gebietskörper- schaften produzierte Güter betrachten. Neben den Grund- stückseigenern ist auch die öffentliche Hand „Verfügungs- berechtigte“ von Standorten, denn sie ist am Nutzenertrag (etwa in Form von erwirtschafteten Steuern) beteiligt. In Anlehnung an J. SCHUMPETER, 1942, A. DOWNS, 1968 oder J. M. BUCHANAN, 1968 P249PlKultILS07/15

Ökonomische Theorie der Demokratie Flächenwidmungspläne, Regionalpläne, Sachprogramme, Stadt- oder Landesentwicklungsprogramme „produzieren“ Standorte und damit Nutzungspotenziale. Die Regierenden bedienen sich dabei institutionell abge- grenzter Bereiche der Verwaltung als „Produktionsapparate“. Ihre „Ertragserwartungen“ sind primär daran orientiert, sich politische Entscheidungsspielräume zu erhalten und mög- lichst zu vergrößern. Ihre „Produktionsziele“ sind deshalb nicht standortfunktional (im Sinne einer Optimierung der „Ordnung des Raumes“), sondern durch politische Nutzen- kategorien oder „politische Güter“ definiert, die der Siche- rung und/oder Vergrößerung politischer Handlungsspiel- räume dienen. P249PlKultILS07/16

Ökonomische Theorie der Demokratie „Politische Güter zweiter Ordnung“: Disposition über Budgetmittel (Steuereinnahmen) Wählerloyalität (Wählerstimmen) Erhöhung des Standortnutzens (bzw. Minimierung der Standortbenachteiligung) für jene privaten Standorteig- ner (oder Anrainer), die dem eigenen politischen Klientel angehören. Ökonomische Abwägungen über politische Güter können auch dazu führen, dass auf die Produktion standörtlicher Nutzungspotenziale verzichtet wird, wenn die Regierenden befürchten, dass Wähler (z. B. betroffene Anrainer) ihnen deshalb ihre Gunst entziehen könnten. P249PlKultILS07/17

Politische Ökonomie der Standortproduktion Analyse konkreter empirischer Beispiele: Position der Regierung Schausberger (ÖVP) gegen- über den Ausbauplänen des Salzburger Airport-Centers (Bestandsschutz des innerstädtischen Einzelhandels) Position der Regierung Burgstaller (SPÖ/ÖVP) zur gleichen Frage (Einkaufszentren sind gute Arbeit- geber, beschäftigen Behinderte, stellen Lehrlinge ein, Arbeitnehmer sind gewerkschaftlich organisiert) Im Kontext der politischen Ökonomie ist auch die Möglich- keit zu berücksichtigen, dass die Standortproduktion als Me- dium für die Erzielung eines „Ego-“ oder Imagegewinns für einzelne Akteure eingesetzt werden kann. P249PlKultILS07/18

Entwurf eines Analyserasters Wir wollen Raumplanungssysteme verschiedener Staaten vergleichen. Dazu erscheint eine umfassende Systematik aller relevanten Bezugseinheiten, Akteure, Instrumente und Regelsysteme erforderlich, welche die Dimensionen des Gesamtsystems darstellen. Zu diesen Kategorien der Be- schreibung zählen auch jene Realitätselemente, welche den Bezugskontext der Raumplanung darstellen. Welche „Minimalausstattung“ sollte ein derartiges Analyse- instrument aufweisen? P249PlKultILS07/19

Entwurf eines Analyserasters I Bodennutzungs- und Allokationsprozess Alle Entscheidungsprozesse, auf deren Grundlage die konkrete Nutzung von Grundstücken (land use) vorge- nommen wird. Entscheidungsträger sind in unserem Rechtssystem primär die Grundstückseigner. Derartige Nutzungsentscheidungen werden durch das Raumpla- nungssystem in bestimmter Weise ermöglicht und ein- geschränkt. Durch die vom Raumplanungssystem vor- gegebenen Nutzungsmöglichkeiten wird der Wert von Grundstücken bestimmt. Akteure des Bodennutzungsprozesses P249PlKultILS07/20

Entwurf eines Analyserasters II Raumplanungssystem Damit sollen all jene Aktivitäten und Akteure zusammen- gefasst werden, welche letztlich in Form hoheitlicher Ge- staltungsakte der öffentlichen Hand die Nutzungsmöglich- keiten von Grundstücksparzellen definieren und ein- schränken. Die Legitimation für das Eingreifen der öffent- lichen Hand stellt der Rekurs auf das „Gemeinwohl“ und die Besonderheiten des Gutes „Boden“ dar. Planungsebenen Planungsdoktrin Planungsgebiet Jenes Gebiet (qua Ausschnitt der Erdoberfläche), das als „Programm- region“ (Gültigkeitsbereich von Normen) von einem bestimmten Pla- nungsprogramm betroffen ist. P249PlKultILS07/21

Entwurf eines Analyserasters III Planungssubjekt Jene individuellen und kollektiven Akteure, die legitimiert und (über das nominelle Planungsrecht) beauftragt sind, räumliche Planung aktiv und eigenverantwortlich durchzuführen. Planungssubjekte kön- nen auch als die „Agenten“ des Planungssystems bezeichnet werden. Prinzipal Jene Organisationen und Akteure, welche die Definitionsmacht über Planungssubjekte, Planungsobjekte und Planungsagenden haben und die Konstituierung (Einsetzung) dieser Planungskategorien vor- nehmen. Der Prinzipal nimmt die Letztbegründung des Planungs- systems vor, initiiert, begleitet und kontrolliert den Planungsprozess. Er ist damit auch für die politische Legitimierung der Planungsdoktrin zuständig. Wie in der Wirtschaft kommt es auch im Planungsprozess immer wieder zu Prinzipal-Agenten-Konflikten. P249PlKultILS07/22

Entwurf eines Analyserasters IV Nominelles und funktionales Planungsrecht Planungsprogramme Kontroll-, Aufsichts- und Genehmigungsinstanzen Planungsziele Planungsinstrumente Planungsverfahren Planungsprojekte Aktuelle Konfliktbereiche P249PlKultILS07/23

„Planungsdoktrin“ Der Begriff „Planungsdoktrin“ wurde von A. FALUDI (1989 und 1999, A. FALUDI und A. J. van der VALK, 1994) ein- geführt und am Beispiel des niederländischen Planungs- systems erläutert. Wir glauben, dass sich dieses Konzept zu einem hervor- ragenden analytischen Modell zur detaillierten Darstellung der Tiefenstruktur und zur Typisierung von Raumordnungs- systemen weiterentwickeln lässt. Planungsdoktrin: ein konzeptuelles Schema, das von einem Planungssubjekt verwendet wird „… to integrate and express its ideas about the planning and development of a spatially defined area“ (E. R. ALEXANDER und A. FALUDI, 1996, S. 13). P249PlKultILS07/24

Planungsdoktrin Wir verstehen unter „Planungsdoktrin“ die Gesamtheit aller mit dem Planungsprozess verknüpften Denkkonzepte, Ziele Raummodelle, Bilder, Metaphern, Verfahren, Methoden, Regeln und Normen, die für ein bestimmtes Raumord- nungssystem charakteristisch und konsensbildend sind. Dazu zählen auch alle Vorstellungen und Postulate über Kompetenzen und deren Hierarchie, die Definition des Pla- nungssubjekts und die Abgrenzung des Planungsobjekts. Planungsdoktrinen sind in keinem Dokument oder Gesetz expressis verbis ausformuliert, lassen sich aber aus den Planungsdokumenten sowie der sozialen und administra- tiven Praxis erschließen. P249PlKultILS07/25

Die aktuelle Planungsdoktrin der österreichischen Bundesländer I Raumordnung hat weit überwiegend ordnungspolitische Aufgaben und Zielsetzungen. Raumordnung ist Sache der Länder und Gemeinden. Nur sie kommen als Planungssubjekte infrage. Raumplanung ist ausschließlich eine Angelegenheit der dafür eingesetzten amtlichen Institutionen (Planungsabt.). Planungsregionen sind durch Verwaltungsgrenzen defi- niert; Gemeinde-, Länder- und Staatsgrenzen sind als unüberschreitbare Kompetenzbarrieren zu akzeptieren. P249PlKultILS07/26

Die aktuelle Planungsdoktrin der österreichischen Bundesländer II Raumplanung darf sich nur auf raumwirksame Maß- nahmen beziehen; Wirtschafts- und Sozialpolitik sind eigenständige Bereiche, die von der Raumordnungs- politik strikt zu trennen sind. Raumplanung darf nur solche Verfahren und Instrumente einsetzen, die in den einschlägigen Gesetzen definiert sind. Raumordnung ist Verwaltungshandeln; die Rationalität des Planungsprozesses ist primär durch juristische Argu- mentation gekennzeichnet. … P249PlKultILS07/27

Eine Planungsdoktrin, die mit den aktuellen Erfordernissen kompatibel wäre I Raumordnung hat weit überwiegend entwicklungspoliti- sche Aufgaben und Zielsetzungen. Raumordnung ist Sache aller gesellschaftlichen Kräfte einer Region. Als Planungssubjekte sind primär Funktio- nalregionen bedeutsam. Raumplanung ist nicht nur eine Angelegenheit der dafür eingesetzten amtlichen Institutionen (Planungsabt.), son- dern soll alle regionalen Akteure aktiv einbeziehen. Planungsregionen sind durch die sozioökonomische Praxis definiert; Gemeinde-, Länder- und Staatsgrenzen dürfen dabei keine entscheidende Rolle spielen. P249PlKultILS07/28

Eine Planungsdoktrin, die mit den aktuellen Erfordernissen kompatibel wäre II Raumplanung darf sich nicht nur auf raumwirksame Maß- nahmen beschränken; Wirtschafts-, Umwelt- und Sozial- politik sind mit der Raumordnungspolitik eng zu ver- netzen. Raumplanung muss alle Verfahren und Instrumente ein- setzen, die für zeitgemäße Management- und Marketing- prozesse erforderlich und geboten sind; Steuerungsmaß- nahmen sind besonders über privatrechtliche Verträge abzusichern. Raumordnung ist als Governance-Prozess zu organisie- ren; die Rationalität des Planungsprozesses ist primär durch Sachargumente gekennzeichnet. … P249PlKultILS07/29

Zwischenbilanz: Wir sollten es riskieren! „wolkig“, „unscharf“, „diffus“ oder was auch immer: Das Projektkonzept scheint Interesse zu er- wecken und einige Defizite des bisher gängigen Problematisierungsstils der Forschung aufzu- zeigen. Wir sollten es riskieren! P249PlKultILS07/30