Ergotherapie im Arbeitsfeld der forensischen Psychiatrie Eine cross-national, explorative Studie aus deutsch-österreichischer Sicht Petra Marksteiner, MScOT
Ausgangssituation 1 Ausbildungssituation für Ergotherapeuten in Österreich und Deutschland im Umbruch Steigende Ausbildungsanforderungen aufgrund von Fortschritten bei Diagnose und Behandlung Die meisten Ausbildungsstätten in A und D sind erst in den letzten 30 Jahren entstanden Aber akademische Ausbildung noch nicht befriedigend entwickelt
Ausgangssituation 2 Umsetzung von Ausbildungsinhalten in der Praxis – in schwierigen Praxisfeldern? Beispiel forensische Psychiatrie – eine Herausforderung (auch) für Ergotherapeuten Spezifische Rahmenbedingungen (sicherheitsbedingte Restriktionen, Gefährdungspotenzial) Spezielle Rolle des Ergotherapeuten (nah am Klienten)
Fragestellungen In welchem Umfang werden ergotherapeutische Modelle / Methoden eingesetzt? Zusammenhang: Nutzung ergotherapeutischer Modelle / Methoden – Ausbildung? Oder Anwendungsprobleme im Kontext Forensik? Zufriedenheit mit Ausbildung? Chancen / Herausforderungen / Probleme des Arbeitsumfeldes?
Methode Fragebogen zu folgenden Punkten: Insgesamt 33 Fragen: Aspekte der Arbeitssituation und des Kontexts Ausbildungshintergrund, Pläne für die Weiterbildung Zufriedenheit mit der eigenen Ausbildung Struktur der Tätigkeit (Teamgröße, Arbeitsabläufe) Einsatz ergotherapeutischer Modelle und Methoden Stärken und Schwächen in der forensischen Praxis Insgesamt 33 Fragen: Geschlossene Fragen Checklisten, Rangordnungen, Prozentangaben, Likert-Skalen - Auswertung mit SPSS Offene Fragen Auswertung durch Kategorisierung der Äußerungen
Methode Zur Repräsentativität: Pilotierung (n = 16) Keine Registrierung von Ergotherapeuten in der Forensik Verschiedene Methoden (eMail, Telefon, …) Mehrfache Reminder Pilotierung (n = 16) Darlegung des Zwecks der Untersuchung Stichprobe 100 Fragebögen verteilt (30 A, 70 D) Rücklauf: 58 Fragebögen (23 A, 35 D)
Ergebnisse Zur Stichprobe 38% männlich, 62% weiblich (Ergotherapie als „Frauenberuf“, Anteil in der Forensik jedoch niedriger) Alter: A: 31,3 Jahre D: 41,6 Jahre Seit im Mittel 5,6 Jahren als Ergotherapeuten tätig 73% der Teilnehmer arbeiten in Vollzeit Akademische Ausbildung begonnen: A: 74% D: 17% Mit Abschluss (Master of Science): niemand
Ergebnisse Arbeitsumfeld 60% arbeiten in Akutkrankenhäusern Teamgröße (Personen): A: 2,4 D: 2,8 Berichtspflicht An Ärzte: 79% An Vertreter der Justiz: ca: 50% Patienten Schizophrene Störungen Drogenmissbrauch Borderline
Zu Frage 1: Nutzung ergoth. Modelle / Ergebnisse Zu Frage 1: Nutzung ergoth. Modelle / Methoden Nutzung von Modellen: Ca. 33%: ein Modell (häufigstes Modell: MOHO / Kielhofner) Ca. 43%: Kein Modell Mehr Modelle in A als in D Nutzung strukturierter Interviews und Diagnosen / Assessments: > 50% nutzen keine dieser Methoden Am häufigsten: COPM, LFP, MELBA, PRPP, Eigenentwicklungen Vorteile: Unterstützen Zielsetzung, Evaluation des Therapiefortschritts, Dokumentation
Ergebnisse Gründe für Nicht-Nutzung strukturierter Interviews und Diagnosen / Assessments: Verschrecken die Klienten Für forensische Praxis wenig geeignet Zu theoretisch Zu zeitraubend Bei geistiger Behinderung (Minderbegabung) wenig geeignet
Ergebnisse Zu Frage 2: Relation zwischen Ausbildung und Nutzung ergotherapeutischer Modelle und Methoden Ergotherapeuten mit akademischem Hintergrund nutzen Mehr Modelle Mehr strukturierte Interviews Mehr standardisierte Diagnostik/Assessments Aber kein Unterschied bei Behandlung - Nutzungskriterien: Vertrautheit Gute Erfahrungen
Zu Frage 3: Zufriedenheit mit der Ausbildung Ergebnisse Zu Frage 3: Zufriedenheit mit der Ausbildung 3/4 der Befragten sind mit ihrer ergotherapeutischen Ausbildung bezüglich diagnostischer Methoden im Lichte ihrer aktuellen Praxisanforderungen sehr unzufrieden. Gründe: Modelle, strukturierte Interviews und Diagnosen kamen nicht vor Keine Forensik-Inhalte / -Bezüge Bzgl. Treatments ist die Zufriedenheit größer Weiterbildungspläne Treatment, Diagnostik, rechtl. Rahmenbedingungen
Ergebnisse Zu Frage 4: Chancen, Herausforderungen und Probleme des Arbeitsumfeldes Insgesamt befriedigendes Arbeitsklima in den interdisziplinären Teams Restriktionen der forensischen Arbeitsumgebung werden eher positiv gesehen Positive Einstellung zu Klienten Ergotherapeutische Modelle / Methoden positiv bewertet Aber Vorurteile und Stigmatisierungen der Außenwelt
Diskussion Methodik Explorative Studie schien beim gegebenen Wissen sinnvoll Aber Ergänzung durch weitere Studien notwendig Repräsentativität nicht endgültig geklärt Grundgesamtheit nicht genau ermittelbar
Vergleich mit anderen Studien Diskussion Vergleich mit anderen Studien Ergebnisse ähnlich wie in anderen Studien: Craik et al. (1998): Befragung britischer Ergotherapeuten in psychiatrischen Settings Bartlow & Hartwig (1989): Befragung australischer Ergotherapeuten Wenig Nutzung ergotherapeutischer Modelle und Methoden Aber dort wurden keine Beziehungen zur Ausbildung untersucht
Diskussion Konsequenzen: Inwieweit wird ergotherapeutische Ausbildung den Herausforderungen der forensischen Psychiatrie gerecht Welche zusätzlichen Ausbildungen erforderlich - Anbieter? inwieweit werden ergotherapeutische Modelle und Methoden den Besonderheiten der forensischen Psychiatrie gerecht? Mehr Forschung (Modelle, Assessments usw.)– speziell im forensisch-psychiatrischen Setting