Dr. med. Carola Mönch Oberärztin der Abteilung interdisziplinäre Schmerztherapie FÄ für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie.

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 Präsentation transkript:

Dr. med. Carola Mönch Oberärztin der Abteilung interdisziplinäre Schmerztherapie FÄ für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie

Chronischer Schmerz diagnostische und therapeutische Optionen unter Rehabedingungen sowie Beurteilung in der sozialmedizinischen Leistungseinschätzung

Was macht chronischen Schmerz so gefährlich? Akutschmerz: Alarmglocke des Körpers oder bellender Wachhund der Gesundheit Dauerschmerz: Folterknecht des Körpers und der Seele Ausbreitungstendenz von ursprünglich einer begrenzten schmerzenden Region über den ganzen Körper und Senkung der Schmerzschwelle. Entwicklung zu einem eigenständigen Krankheitsbild – der chronischen Schmerzerkrankung. Die hohe Komorbidität zwischen chronischen Schmerz und psychischen Erkrankungen potenziert nicht nur die schlechte Lebensqualität hohe Krankheitskosten erhöhte Mortalität.

Der Werdegang eines chronisch Schmerzkranken Arbeit unter Schmerzen – sinkende Arbeitsleistung Häufige Arbeitsausfälle – Ärger mit Vorgesetzten und Kollegen Angst vor Arbeitsplatzverlust- Neigung zur Überforderung Schmerzverstärkung Aktivitätseinschränkung oder Aktivitätsverlust Sozialer Rückzug bis Isolation Verminderung des Selbstwertgefühls Ängste und Depression

Der Werdegang eines chronisch Schmerzkranken Schlafstörungen und Potenzstörungen Affektlabilität, Reizbarkeit Schränkt den Aktionsradius ein, gefährdet die Fahrtauglichkeit Bestimmt komplett das Leben und den Alltag Arbeits- und Einkommensverlust Aussteuerung aus der Krankenkasse Eingeschränkte oder dauerhafte Erwerbsunfähigkeit Rente oder Fall durchs soziale Netz

Ständige schwere Schmerzen, Änderungen der Stimmung und des Verhaltens enden im algogenen Psychosyndrom – Persönlichkeitsänderung durch anhaltenden Schmerz (F 62.8) Symptome des algogenen Psychosyndroms der primären Depression Schlaflosigkeit affektile Labilität missmutig, traurige Verstimmung Interesseneinengung fakultativ Suizidalität Anhedonie= Unfähigkeit zu Freude und Trauer versteinerte Mimik Morgentief mit Früherwachen, Nachmittagsloch Antriebshemmung quälend erlebte Leistungsminderung fakultativ psychotische Züge

Chronischer Schmerz - Begriffsdefinition Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit aktuellen oder potenziellen Gewebeschädigungen verknüpft ist oder mit Begriffen solcher Schädigungen beschrieben wird. Schmerzen länger als 6 Monate Chronifizierungsprozesse beginnen in den ersten 14 Tagen Das schmerzverarbeitende System hat die Fähigkeit, sich strukturell zu verändern (neuronale Plastizität). Es bildet sich ein „Schmerzgedächnis“ aus.

Grundsätze der Behandlung Schmerz ist zu respektieren. Trennung zwischen Psyche und Soma nicht sinnvoll Therapie chronischer Schmerzen multimodal und individuell Ganzheitlich heißt, körperlich, seelisch und mental behandeln Eigenaktivitäten des Patienten - unverzichtbarer Bestandteil eines Therapiekonzeptes.

3 Komponenten der Schmerzstörung Was heißt multimodal? 3 Komponenten der Schmerzstörung Pathologisch-biologisch Psychisch sozial Medikamente Psychotherapie Sozialberatung Betäubung nervaler Strukturen Tanz und Musik Reintegration Elektrotherapie Gestaltung Berufsfördernde Leistungen MTT Entspannung, KBT Arbeitserprobung balneophysikalische Maßnahmen Verhaltenstherapie Wiedereingliederungshilfen physiotherapeutische Maßnahmen Hilfsmittelversorgung Voraussetzungen: Kooperation, Kompetenz, Geduld, Zeit, Geld

Diagnostische Instrumentarien Anhören und Ausfragen: detaillierte Anamnese, standardisierte Fragebögen Ansehen und Anfassen: exakte klinische Untersuchung mit Schwerpunkt orthopädisch, neurologisch, manualdiagnostisch Abklären: Labor, Bildgebung, Knochendichte, internistische Funktionsdiagnostik, Vorbefunde einholen Auswählen: individuelles Therapiekonzept erstellen Aufklären: Patient ist „Vertragspartner“ bezüglich des Therapieplanes Ausprobieren: Funktionstest, Kraftmessung Beobachten: Verhalten, Hinweise für Aggravation oder Simulation?

Welchen Aussagewert haben Schmerzfragebögen? unverzichtbares Instrumentarium zur Diagnostik und Therapieplanung Verteilung der Schmerzregionen im Körperschema erlaubt Rückschlüsse auf die Schmerzursache Bsp. Zentraler Schmerz Radikulärer Schmerz Somatoformer Schmerz Informieren über Schmerzintensität und Schmerzakzeptanz Geben Auskunft über psychovegetative Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen Erfassen den Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen (I bis III)

Aussagewert von Schmerzfragebögen Selbst- und Fremdeinschätzung wichtiger Alltagsaktivitäten mit dem Pain Disability Index (PDI) Erfassen die Beeinträchtigung der globalen Lebensqualität (QLIP) Psychometrische Tests zur Erfassung von Depressivität z. B. allgemeine Depressivitätsskala (ADS), Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) Geben Hinweise auf affektive und sensorische Schmerzempfindung Vereinfachen die Differenzierung in nozizeptiven und neuropathischen Schmerz

Therapie chronischer Schmerzen Bedeutet Therapie der individuellen Schmerzen der individuellen Psyche des individuellen Körpers der Grunderkrankung der Begleiterscheinungen der Schmerzverarbeitung der Funktionsbeeinträchtigung der Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente des sozialen Umfeldes

Die häufigsten Schmerzerkrankungen in unserer Rehaklinik Orthopädie Psychosomatik Chronische Rückenschmerzen Somatoforme Schmerzstörungen Gelenkschmerzen Fibromyalgie Muskuloskeletale Schmerzen Kopfschmerzen Ossäre Schmerzen Gesichtsschmerzen Sympathisch unterhaltene Schmerzen Gelenkschmerzen Viszerale Schmerzen Depression und Schmerzen Unklare Schmerzzustände

Therapeutische Möglichkeiten Krankengymnastik und spezielles Funktionstraining Sport und Konditionierung Medizinische Trainingstherapie Balneophysikalische Maßnahmen Hydrotherapie Wärmetherapie Kryotherapie Elektrotherapie Ergotherapie Osteopathie und Manualtherapie Propriozeptoren- und Gleichgewichtstraining

Physikalische Maßnahmen in der Schmerztherapie Hydrogalvanische Anwendungen Wasser als Elektrode Thermische und analgetische Effekte des Stromes z.B. Stangerbäder, Zwei- oder Vierzellenbäder bei Muskelschmerzen Fibromyalgie

Wärmetherapie bei Muskelverspannungen Wirbelsäulensyndromen Arthrosen/ Arthritiden Prinzip - Durchblutungsförderung in Form von - Gewebedehnung Bäder, Packungen, Wickel - Mediatorenausschwemmung Peloide (Fango, Moor) Paraffinbad Ultraschall Kurzwelle (Hochfrequenztherapie)

Kältetherapie bei akuten Rheumaschüben posttraumatisch, Prellungen sympathischer Reflexdysthrophie Prinzip - Entzündungshemmung in Form von Kneipp-Anwendungen Kälteanwendungen Eistauchbad Kaltluft Kältekammer

Elektrotherapie - Gleichstrom in Form von Iontophorese mit Voltaren Gleichstromdurchflutung Stangerbäder Prinzip Ionenverschiebung Veränderung des Elektrolytmilieus Reizung von Schmerzrezeptoren afferente Stimulation

Gleichstromtherapie: Niederfrequente Reizströme (1 – 150 Hz) z. B. Ultrareizstrom nach Träbert zur Muskelstimulation nach Analgesie Mittelfrequente Ströme zur Muskelstimulation bei partieller Denervierung und Verspannungen Hochfrequenzströme zur Erzeugung von Tiefenwärme bei nicht aktiven Arthrosen

Ultraschalltherapie Analgetisch, hyperämisierend, muskelrelaxierend durch Erwärmung von Körpergewebe durch mechanische Wellen Verbesserung der Gewebetrophik Dämpfung der Sympathicusaktivität bei: Tendinosen und Myalgien Mb. Bechterew Arthrose und rheumatoide Arthritis Mb. Sudeck Stad. III und IV

Manuelle Maßnahmen in der Schmerztherapie Ziel: Wiederherstellung normaler Funktion in Gelenken und Muskelketten durch Manipulation, Mobilisation, Massage Chirotherapie: Handgrifftechniken an Gelenken Osteopathie: Kombination aus MT, Viszeraltherapie, Kraniosacraltherapie Chiropraktik: Handgrifftechniken an der Wirbelsäule Indikationen: reversibel gestörte Gelenkfunktionen Abgeschwächte und/ oder verkürzte Muskulatur

Krankengymnastische Maßnahmen in der Schmerztherapie Ziel: Erhaltung und Verbesserung der Selbständigkeit Methode: aktive und passive Techniken Therapeutische Wirkungen: Verbesserung der Muskelausdauer, Beweglichkeit, Koordination Steigerung der Muskeldurchblutung Auslösung von Stell- und Gleichgewichtsreaktion

Therapie chronischer Schmerzen Stimulationsverfahren Akupunktur: Wirkung der Schmerzakupunktur ist physiologisch und klinisch hinreichend belegt, insbesondere bei Muskelschmerz, chronisch nichtradikulären Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen. Durch Punktewahl zwischen Antischmerzpunkten Spasmolytischen Punkten Antientzündlichen Punkten ZNS-Gedächtnispunkten Psychovegetativ wirksamen Punkten Punkten des limbischen Systems und Grenzstranges sind fast alle Schmerzbilder damit zu erreichen.

Therapie chronischer Schmerzen Stimulationsverfahren TENS: transkutane elektrische Nervenstimulation Mit hochfrequenten Strömen (ca. 100 Hz) werden die kutanen ABeta-Fasern peripherer Nerven stimuliert. Aktivierung hemmender Mechanismen im Hinterhorn des Rückenmarks segmentale Unterdrückung bzw. Verringerung der über A- und C-Fasern einlaufenden Schmerzimpulse auf Rückenmarksebene Mit niederfrequenten Strömen (2-10 Hz) werden lumbale Afferenzen stimuliert und Endorphine freigesetzt. Indikationen: Lumbalgien und Lumboischialgien, Sehnenentzündungen, Nacken- und Schulterschmerzen, Gelenkschmerzen, Stumpf- und Phantomschmerzen, neuralgische Schmerzen, Ischämieschmerzen, CRPS (Mb. Sudeck) – hier auf der kontralateralen Seite.

Therapie chronischer Schmerzen Stimulationsverfahren Intrakutane Reiztherapie (Quaddelung) Indikation: Verfahren: muskuloskeletale Störungen streng intrakutante Applikation eines Lokalanästhetikums, CO2 oder Luft Wirkmechanismus: nach der Gate-control-Theorie, können irritierte Strukturen nicht oder nur vermindert über C-Fasern zu den Rückmarkshinterhörnern leiten mechanische oder chemische Reizung der Nozizeptoren heftiger brennender Schmerz auf der Hautoberfläche sofortige muskuläre Reizantwort in Form von Anspannen der regionalen oder segmentalen Muskulatur muskuläre Relaxation lokale Hyperämie als Ausdruck der reflektorischen Sympathicolyse Ziel: Sistieren der klinischen Symptomatik Schmerz, Verspannung

Therapie chronischer Schmerzen Triggerpunktinfiltration druckempfindliche Punkte in der Muskulatur, Bändern, Sehnenansätzen Erzeugen lokale und fortgeleitete Schmerzen entstehen durch wiederholte Belastungen verkürzter Muskeln und Sehnen oder bei Erhöhung des Muskeltonus in Folge psychischer Anspannung finden sich über den ganzen Körper verteilt Infiltration mit Lokalanästhetikum durchbricht den Circulus vitiosus aus Muskelverspannung und Schmerz Schmerzfreiheit zwischen 6 Stunden und mehreren Tagen parallel dazu Manualtherapie, Wärmeanwendung und Stretching

Therapie chronischer Schmerzen Edukationsprogramme fordern aktive Mitarbeit des Patienten, um Funktionskapazität wieder herzustellen. Beispiel: Göttinger Rückenintensivprogramm Dehnung und Aufwärmung, Funktionelles Kraft- und Ausdauertraining, Entspannungstechniken, Verhaltenstherapeutische Gruppentherapie, Training von Arbeits- und Gebrauchbewegungen (erweiterte Rückenschule)

Psychotherapeutische Möglichkeiten Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting Entspannungsverfahren Progressive Muskelrelaxation Qui Gong Tai Chi Schmerzbewältigungstraining Verhaltenstherapie Kreativtherapien Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) Yoga Tanztherapie

Psychotherapie chronischer Schmerzen Kognitive Verhaltenstherapie vermittelt kognitive Strategien im Umgang mit Schmerzen (Coping-Strategien) Entspannungsverfahren bewirken eine Schulung der Körperwahrnehmung und der Selbstwirksamkeit. Autogenes Training: Herstellen einer Sympathicus-Parasympathicus-Homöostase Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR) Qi Gong Yoga Meditation Hypnotherapie wirkt auf der imaginären Ebene positiv besetzter innerer Bilder. Im Trancezustand wird die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Körperwahrnehmung fokussiert und das Schmerzempfinden ausgeblendet.

Psychotherapie chronischer Schmerzen Körpertherapie Ziel: neue angenehme Erfahrungen mit dem Körper machen, um die negativen zu verdrängen adäquate und angstfreie Zuwendung zum eigenen Körper erlernen

Psychotherapie chronischer Schmerzen Konzentrative Bewegungstherapie sensibilisiert alle Sinne für die Selbst- und Fremdwahrnehmung, das Schmerzerleben Muskeltonus wird reguliert das vegetative Nervensystem positiv beeinflusst körperliche Funktionslust wird wieder entdeckt vertiefte Selbstwahrnehmung stärkt das Ich und aktiviert Selbstheilungspotentiale Bewusste Körperwahrnehmung löst innere Bewegung aus

Psychotherapie chronischer Schmerzen Biofeedback Gezielter Einsatz von Entspannung und Imagination über Visualisierung reproduzierbare Kontrolle über funktionelle Parameter Muskelspannung Gefäßtonus Atem- und Pulsfrequenz gute Wirkungen bei Kopf- und Rückenschmerzen Vasokonstriktionstraining bei Migräne Muskeltonussenkung bei Nacken- und Rückenschmerzen

Schmerz und Depression gehen komplexe Wechselwirkungen miteinander ein etwa 5% der chronischen Schmerzpatienten sind von schweren Depressionen betroffen Was ist die Ursache, was ist die Folge? – kontroverse Ergebnisse Mit zunehmender Beeinträchtigung im Alltag entwickeln sich depressive Syndrome Gemeinsamkeiten bei den serotonergen und noradrenergen Transmittersystemen erklären die Beeinflussung von chronischen Schmerzen durch Antidepressiva.

Somatoforme Störungen F 45.0 Es sind körperliche Störungen, die nicht oder nicht ausreichend durch einen organischen Befund erklärt sind. Es sind keinesfalls Einbildungen. Symptome werden nicht absichtlich erzeugt. Es kann jedes Organ und körperliche Funktion betroffen sein. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4) ist eine monosymptomatische Untergruppe.

Somatoforme Störungen F 45.0 körperliche Störungen ohne pathologisches körperliches Substrat inklusive ohne Myogelosen, ohne Triggerpunkte, ohne Tendinopathie und ohne Tenderpoints? Fazit: Ausschluss aller Schmerzerkrankungen mit muskulären Verspannungen d. h. jeder auf somatoforme Schmerzstörung verdächtige Patient muß einer eingehenden manualdiagnostischen Untersuchung unterzogen werden Aber: Wer hat die Zeit, das Fingerspitzengefühl und die Erfahrung, den ganzen Körper danach abzusuchen?

Somatoforme Störungen F 45.0 Wer kann solche Krankheitsbilder entwickeln? Personen mit biographisch starken Belastungen z. B. frühe Trennung von Bezugspersonen Gewalterleben sexueller Missbrauch langzeitige soziale Isolation Verdrängung von Angst oft liegen Jahrzehnte zwischen den life events und dem Ausbruch, da Verdrängung als Kompensationsmechanismus lange funktionierte Hypothese: Dauerstress führt über Einflüsse auf die Hormonachse zu Schmerz- Schwellenänderungen.

Somatoforme Störungen F 45.0 typische Verhaltensmuster, z.B. subjektive Krankheitstheorien, bestimmte Interaktionsmuster, bestimmtes soziales Verhalten. sind überzeugt, körperlich erkrankt zu sein lehnen die Möglichkeit einer psychischen Ursache ab, empfinden eine erhebliche Lebensbeinträchtigung (QLIP mit niedrigen Punktzahlen) Früher: psychogene, funktionelle, vegetative Störungen

Somatoforme Störungen F 45.0 Auswirkungen auf das Patienten-Arzt-Verhältnis Schmerz und die Beschwerden werden oft nicht geglaubt Patienten fühlen sich als Simulant, leiden unter dieser Einschätzung Sie suchen nach organischen Ursachen, betreiben Ärztetourismus, suchen Hilfe auf paramedizinischen Wegen Sie entwickeln eine misstrauisch-ablehnende Haltung oder idealisieren den neu gefundenen Therapeuten Beachte! – Schmerzmedikamente entfachen keine Wirkung

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4) Definition: andauernder, quälender, schwerer Schmerz durch körperliche Störung nicht vollständig erklärbar tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auf, diese müssen so schwerwiegend sein, dass sie als entscheidende ursächliche Einflüsse gelten können es folgert eine beträchtliche persönliche und medizinische Zuwendung, d. h. sie ist personen- und kostenintensiv vermutlich psychogene Schmerzen im Rahmen einer Depression oder Angststörung dürfen bei der Diagnosestellung nicht berücksichtigt werden Schmerzen aufgrund bekannter oder vermuteter psychophysiologischer Mechanismen, wie z.B. Migräne, Spannungskopfschmerz, Muskelspannungsschmerzen und unspezifische Rückenschmerzen zählen nicht dazu

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4) Diagnostische Merkmale Beginn der Symptomatik vor dem 35. Lebensjahr Schmerzqualität und –ausdehnung wird oft ungenau beschrieben Hohe Schmerzintensität ohne freie Intervalle Beschreibung mit affektiven Adjektiven überwiegt z.B. mörderisch, schrecklich, vernichtend Lokalisationen wechseln Die anatomischen Grenzen der sensiblen Versorgung werden nicht eingehalten Lokaler Beginn – diffuse Ausweitung (Parallelen zur Schmerzchronifizierung!) Vorhandensein psychosozialer Stressfaktoren und negativer Emotionen

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4) Prognostisch ungünstige Faktoren Arbeitslosigkeit Rentenanträge Entschädigungsverfahren Somatisierungstendenzen schon vor Eintritt der Schmerzen

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.4) Medikamentöse Therapie mit Antidepressiva Wirkmechanismus: beeinflussen die deszendierende zentrale Schmerz- hemmung Schmerz Aktivierung des eigenen Schmerzhemmsystems Ausschüttung von Neurotransmittern Noradrenalin, Serotonin Hemmung der schmerzverarbeitenden Hinterhornzellen im RM Trizyklinische Antidepressiva hemmen die Wiederaufnahme von NA und Serotonin erhöhen damit das Transmitterangebot verstärken den hemmenden Einfluss auf die Hinterhornneurone

Einflussgrößen auf das Schmerzempfinden körperlicher und psychischer Zustand Persönlichkeitsstruktur ethnische Herkunft und Erziehung soziales und familiäres Umfeld Arbeitsplatz- und ökonomische Situation

Sozialmedizinische Beurteilung diagnostische Zuordnung des Schmerzes ist nicht entscheidend entscheidend ist die Erheblichkeit der Symptomatik und resultierende konkrete Beeinträchtigung und die Auswirkungen auf die sozial kommunikativen Bezüge Quantitative Erfassung mittels Beeinträchtigungsschwere-Score

Sozialmedizinische Beurteilung „übliche Schmerzen“ – Begleitsymptome körperlicher Erkrankungen bereiten gutachterlich keine Probleme „außergewöhnliche Schmerzen“ – wie bei Neuralgie, Phantomschmerzen, CRPS sind schwieriger zu beurteilen körperlich nur zum Teil erklärbare Schmerzen – wie anhaltende somatoforme Schmerzstörungen – sind noch schwieriger zu beurteilen körperlich nicht erklärbarer Schmerz – wie bei psychiatrischen Erkrankungen – sind kaum zu beurteilen

Schmerzbeurteilung – Probleme der Objektivierung Simulation: bewusste Vortäuschung nicht vorhandener Krankheits- symptome Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderungen und Verhalten in Untersuchungssituation unpräzise Angaben zu Schmerzausdehnung und Krankheitsverlauf weitgehend intakte Alltagsbewältigung trotz schwerer subjektiver Beeinträchtigung demonstrative oder theatralische Beschwerdeschilderung erhebliche Diskrepanz zu fremdanamnestischen Informationen therapeutische Hilfsmittel oder überhaupt Therapieangebote werden nicht gern angenommen

Schmerzbeurteilung – Probleme der Objektivierung Aggravation: ist keine bewusste Falschaussage oder Vortäuschung ist die besondere Betonung subjektiv vorhandener Beschwerden und Beeinträchtigungen mit einer Zielstellung (Mitleid, Rente) Verstärkung Übertreibung ohne Zielstellung Verdeutlichungstendenz und Interesse des Untersuchers verhalten sich umgekehrt proportional

Schmerzbeurteilung – Probleme der Objektivierung Übertragungsprobleme des Gutachters: Die Beurteilung eines Probanden ist abhängig von: eigenen Wertvorstellungen und sozialpolitischem Denken eigener Körpererfahrung, Nachvollziehbarkeit durch selbsterlebte Erkrankungen Empathie, Sympathie, Antipathie eigene Tagesform Zeitdruck

Schmerzbeurteilung – Probleme der Objektivierung Lüge oder Wahrheit? Gutachter als Detektiv steht im Widerspruch zu seinem Auftrag als Arzt Er konvergiert zum Kriminalisten mit medizinischem Rüstzeug Was gehört zum medizinischen Rüstzeug? Umfangreiches Wissen auf dem aktuellsten wissenschaftlichen Stand der Schmerzforschung Interdisziplinäres Wissen einschließlich psychosomatischer Kenntnisse Ausgebildete Schmerztherapeuten werden meist erst in letzter Instanz zur Begutachtung herangezogen!