„Inklusion in der beruflichen Bildung – geht das überhaupt?“

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 Präsentation transkript:

„Inklusion in der beruflichen Bildung – geht das überhaupt?“ Arnulf Bojanowski Vortrag auf der Pädagogischen Woche „Demokratische Pädagogik“, Workshop 10 am 17.4.2013 in Bremerhaven

Artikel 24 Bildung (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen… (5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderem Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.

Mit dem Artikel 24 Bildung greift das UNO-Übereinkommen einen wichtigen Strom bildungswissenschaftlichen Denkens und Handelns auf. Eingezwängt zwischen Vorstellungen moderner Subjektbildung einerseits und bildungspolitischen Imperativen andererseits erscheint Artikel 24 des UNO-Übereinkommens als neue pädagogische Perspektive: Nunmehr existiert eine neue Charta zur Gestaltung des deutschen Schulwesens, das ein integratives/ inklusives sein muss. Nicht geht es um Gleichmacherei, sondern darum, Sondereinrichtungen abzuschaffen und im Schulwesen Heterogenität zu erlauben, die dann in (unterrichtlicher) Differenzierung und Individualisierung bearbeitet werden muss

… die Reichweite der Konvention… „Unabhängig von unterschiedlichen theoretischen Defi-nitionsansätzen erfasst die Konvention auch Menschen mit Lernbehinderung. Diese haben von Maßnahmen für den Aufbau eines inklusiven Schulsystems ebenso zu profitieren wie Menschen, die auf andere Art und Weise behindert werden. Ein sachlich rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung von Lernbehinderungen ist im Lichte der Konvention nicht ersichtlich.“ Gutachten zur Wirkung der internationalen Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und ihres Fakultativprotokolls auf das deutsche Schulsystem Erstattet der Landesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam Leben" Nordrhein-Westfalen von Prof. Dr. Eibe Riedel (Universität Mannheim / HEID Genf)

Neben Bildung gehört Berufsbildung als strukturierte Vorbereitung auf das Erwerbsleben zu den elementaren Menschenrechten.

Zweifellos gehört das Recht auf Berufsbildung deshalb zu den Menschenrechten, weil in allen modernen Industrie- und Wissensgesellschaften berufliche Bildung und eine berufliche Berechtigung zu den zentralen „Eintrittskarten“ ins Erwerbsleben gehört. Ohne berufliche Berechtigungen können die Bürger nur als An- und Ungelernte in Erwerbsleben einsteigen, und wenn über-haupt, dann nur ins Segment sog. einfacher Arbeit.

Artikel 27 Arbeit und Beschäftigung (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zuverdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften…

Generell gilt: Berufsbildung meint ein systematisches Aneignen beruflicher Fertigkeiten (Fachkompetenzen), verbunden mit persönlichen Erfahrungen (Personal- oder Selbstkompetenzen) und sozialen Fähigkeiten (Sozialkompetenzen). Wenn die zuständige Wissenschaft, die Berufs- und Wirtschafts-pädagogik auch intensiv über Wege und Mittel streitet, einig ist sie sich darin, dass praktische Erfahrungen mit theoretisch-strukturierten Angeboten Hand in Hand gehen muss. Berufliche Umgangserfahrungen müssen in ein theoretisches Gefüge eingebettet werden, sonst bleiben sie für die Einübung in Erwerbsarbeit folgenlos.

Und es kommt hinzu: Alle aktuellen Studien zur Entwicklung der Arbeits- und Geschäftsprozesse in Industrie, Handwerk oder wissensbasierten Dienstleistungen unterstellen eine Tendenz zur Höherqualifizierung. Und wenn es um die berufspädagogische Forderung nach „voller beruflicher Handlungsfähigkeit“ geht, dann erst wird die Heraus-forderung überdeutlich: „Volle berufliche Handlungsfähigkeit“ meint, dass das gesamte Kompetenzspektrum angesprochen sein muss, und dass auch behinderte Menschen nicht nur berufliche Tüchtigkeit, sondern auch berufliche Autonomie erwerben müssten, gemäß den Wertvorstellungen einer reflexiv-kritischen Berufsbildungstheorie.

….und nun kommt das Problem:

Im Blick auf Berufsbildung ist das UNO- Übereinkommen schwach Im Blick auf Berufsbildung ist das UNO- Übereinkommen schwach. Artikel 24 (5) erwähnt zwar die Berufsbildung, definiert aber nicht ihre Funktion für den Bürger einer moderne Industrie- und Wissensgesellschaft, die auf Berufausbildung und die dabei erhaltenen Berechtigungen angewiesen sind. Denn erst die deutschlandweit (und absehbar: europaweit) anerkannten Bildungszertifikate sichern einen gemeinsamen Standard in der Erwerbswirtschaft, etwa bei Bewerbungen oder bei betrieblichen Rollenzuweisungen. Mit seiner randständigen Befassung unterschlägt das UNO-Übereinkommen einen wichtigen Teil des Lebens behinderter Menschen.

Das im Lichte der Berufsbildung interpretierte UNO-Überkommen erfordert eine wissenschaftlich überzeugende und bildungspolitisch verantwortbare Gesamtkonzeption für die berufliche Eingliederung aller behinderter und benachteiligter Menschen. Eine Herkulesaufgabe!

Angesichts der derzeitigen Strukturen des beruflichen Bildungs-systems wächst die Verantwortung aller Einrichtungen, die für Menschen mit Behinderungen berufliche Bildung, Berufsaus-bildung oder Fort- und Weiterbildung anbieten. Statt die Berufsausbildung durch Angebote auszuhöhlen, die nicht zu anerkannten Abschlüssen und einer Akzeptanz in Wirtschaft und Gesellschaft führen, müssen die verschiedenen berufsbildenden Leistungen der Anbieter aufeinander abgestimmt, so weit wie möglich miteinander verbunden und inhaltlich aufgewertet werden.

Einen Weg weisen einige Formulierungen des UNO-Überein-kommens, demzufolge die „Vertragsstaaten umfassende Habilitations- und Rehabilitationsdienste und -programme, insbesondere auf dem Gebiet … der Beschäftigung“ „organisie-ren, stärken und erweitern“ sollten (Artikel 26 (1)). Um die extreme Separierung verschiedenster Berufsbildungs-gänge und -prozesse und spezialisierter Einrichtungen auf-zuheben und allen Menschen Übergange in Beschäftigung und Erwerbsarbeit zu ermöglichen, bedarf es einer wissenschaftlich überzeugenden und bildungspolitisch verantwortbaren Gesamt-konzeption:

Berufsbildungs‑ und Berufsförderungswerke, berufsvorberei-tende Maßnahmen, Aktivitäten der kommunalen Jugend-berufshilfe, Berufsvorbereitungsjahre, Jugendwerkstätten, Werkstätten für behinderte Menschen oder Rehabilitations-einrichtungen müssten zu einem einheitlichen Berufsbildungs-angebot zusammengeführt werden.

Eine so verstandene inklusive Berufsbildung verlangen eine hohe Professionalität des Fachpersonals.

Z. B mit diesem Workshop; vier Ebenen: Erörterung der „Haltungen“ / der Ich-Erfahrungen Was braucht man im Unterricht? Was muss sich in der Institution Schule ändern? System: Gesetze, Verordnungen, Finanzen, Politik

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Arnulf Bojanowski Leibniz Universität Hannover Institut für Berufspädagogik und Erwachsenenbildung Schloßwender Straße 1 30159 Hannover Raum: 213 Tel.: 0511 / 762-5605 Tel.: 0511 / 762-17601 (Sekr.) arnulf.bojanowski@ifbe.uni-hannover.de http://www.ifbe.uni-hannover.de