Diagnostik und Therapie der Drogenabhängigkeit (ICD-10: F1)

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 Präsentation transkript:

Diagnostik und Therapie der Drogenabhängigkeit (ICD-10: F1) Vorlesung, Seminar, UaK (G2, G3) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Diagnostik und Therapie der Drogenabhängigkeit (ICD-10: F1) Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zentrum für Psychosoziale Medizin Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE)

Vorlesung, Seminar, UaK (G2, G3) Erstellung des Inhalts: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Erstellung des Inhalts: Prof. Dr. Martin Lambert  Lehrbeauftragter Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Zentrum Psychosoziale Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) Martinistr. 52, 20246 Hamburg Gebäude W37 Tel.: +49-40-7410-24041 Fax: +49-40-7410-52229 E-Mail: lambert@uke.de

Überblick Übersicht zum Krankheitsbild Grundlagen Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Übersicht zum Krankheitsbild Grundlagen Epidemiologie Diagnostik: u.a. Symptomatik, Komorbidität, Risikofaktoren Klinisches Bild, Diagnostik, Therapie von: Störungen durch Opiate Störungen durch Kokain Störungen durch Cannabis Störungen durch Amphetamine und Ecstasy Störungen durch Halluzinogene

Übersicht zum Krankheitsbild Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Übersicht zum Krankheitsbild

Übersicht zum Krankheitsbild (I) Cannabisabhängigkeit Opiatabhängigkeit Kokainabhängigkeit Lebenszeitprävalenz 25.6% (Gebrauch) 1.9% (Gebrauch) 3.3% (Gebrauch) 0.4% (DSM-IV-Abhängigkeit) 12-Monats-Prävalenz 4.6% (Gebrauch) 0.3% (Gebrauch) 0.7% (Gebrauch) Geschlechtsverhältnis m : f 2 : 1 2.8 : 1 2.5 : 1 (adult users) Erkrankungsalter (Median) Ab dem 11. LJ, bes. häufig bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, am häufigsten zwischen 15. u. 16. LJ Ab dem 12. LJ, besonders häufig zwischen 15. u. 25. LJ Ab dem 11. LJ, besonders häufig zwischen 21. u. 25. LJ Wichtige Komorbiditäten Andere Abhängigkeiten Risiko für affektive Erkrankungen 2,9 OR 6-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko Schizophrenie Cannabis 47% Alkohol 24% Cannabis 40% Alkohol 37% bipolare Störungen 20% Persönlichkeits-störungen 47% Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Übersicht zum Krankheitsbild (II) Cannabisabhängigkeit Opiatabhängigkeit Kokainabhängigkeit Erbfaktor 58% Abhängigkeit, 76% (Missbrauch) 40–50% 71% Gebrauch, 79% Missbrauch Leitlinien DGPPN/DG-Sucht: S-II-Leitlinie Cannabis-bezogene Störungen DGPPN/DG-Sucht: S-II-Leitlinie Akutbehandlung opioidbezogener Störungen DGPPN/DG-Sucht: S-II-Leitlinie Postakutbehandlung bei Störungen durch Opioide DGPPN/DG-Sucht: S-II-Leitlinie Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain, Amphetamine, Ecstasy, und Halluzinogene APA: practice guideline for the treatment of patients with substance use disorders NICE: drug misuse: psychosocial interventions NICE: drug misuse: opioid detoxification Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Grundlagen: Epidemiologie Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Epidemiologie

1-Jahres-Prävalenz Drogenabhängigkeit in Europa (2005 / 2011) Opioidabhängigkeit: 2005 1-Jahres-Prävalenz von 0.5%; 2011 1-Jahres-Prävalenz von 0.3% Cannabisabhängigkeit: 2005 1-Jahres-Prävalenz von 0.5%; 2011 1-Jahres-Prävalenz von 1% Wittchen et al. European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655–679

Betroffene mit Drogenabhängigkeit in Europa (2005 / 2011) Opioidabhängigkeit: 2005 2 Millionen und 2011 1 Million Betroffene Cannabisabhängigkeit: 2005 2 Millionen und 2011 1.4 Millionen Betroffene Wittchen et al. European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655–679

Erkrankungen mit den meisten Lebensjahren mit Behinderung in Europa 2011 2011 rangierten die Drogen-assoziierten Erkrankungen unter allen psychischen und neurologischen Erkrankungen auf Platz 5! Wittchen et al. European Neuropsychopharmacology (2011) 21, 655–679

Diagnostik: u.a. Symptomatik, Komorbidität, Risikofaktoren Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Grundlagen: Diagnostik: u.a. Symptomatik, Komorbidität, Risikofaktoren

Substanzübergreifende Abhängigkeitskriterien nach ICD-10 Überbegriffe Diagnostische Kriterien 3 von 6 der Kriterien müssen in den letzten 12 Monaten gleichzeitig vorhanden gewesen sein 1. Starkes Verlangen Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren 2. Kontrollverlust Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums 3. Entzugssymptome Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums 4. Toleranzentwicklung Nachweis einer Toleranz, d.h., um die ursprünglich durch niedrige Dosen erreichte Wirkung hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich 5. Einengung Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Alkoholkonsums oder erhöhter Zeitaufwand, um diese zu beschaffen oder sich von den Folgen zu erholen 6. Fortgesetzter Konsum Anhaltender Alkoholkonsum trotz des Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen Quellenangaben: Weltgesundheitsorganisation (WHO): ICD-10. Hans Huber, 2010

Grundlagenwissen (I) Begriff Wissen Psychische Abhängigkeit Starkes, unwiderstehliches Verlangen nach einer Substanz (engl. Craving) Körperliche Abhängigkeit Toleranzentwicklung gegenüber einer Substanz, welche fortgesetzt und in steigenden Dosen zugeführt werden muss, um ein Entzugssyndrom zu verhindern Missbrauch oder schädlicher Gebrauch Konsumverhalten, welches zu körperlichen oder psychischen Gesundheitsschädigungen führt Quellenangaben: Frauenknecht, S., Lieb, K. Last minute Psychiatrie. Elsevier, 2011

Psychische Abhängigkeit Körperliche Abhängigkeit Grundlagenwissen (II) Ausmaß psychischer und körperlicher Abhängigkeit Substanz Psychische Abhängigkeit Körperliche Abhängigkeit Opioide +++ Alkohol, Barbiturate ++ Kokain (+) Stimulanzien (-) Cannabinoide Halluzinogene - Quellenangaben: Frauenknecht, S., Lieb, K. Last minute Psychiatrie. Elsevier, 2011

Störungen durch Opiate: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Störungen durch Opiate: Klinisches Bild, Diagnostik und Therapie

Opiatabhängigkeit Die Opiatabhängigkeit (ICD-10 F11.25) ist gekennzeichnet durch die suchtmittel-übergreifenden Symptome der Abhängigkeit wie: Heftiges Verlangen nach dem Suchtmittel (Craving) Auftreten von Entzugsbeschwerden Toleranzentwicklung mit Dosissteigerung und Fortsetzung des Konsums trotz negativer sozialer und gesundheitlicher Folgen Der Applikationsweg ist primär intravenös, erfolgt jedoch auch inhalativ, oral oder intranasal Insbesondere intravenös konsumierende Opiatabhängige leiden zudem an körperlichen Suchtfolgeerkrankungen wie Hepatitis C oder HIV-Infektion bzw. AIDS Die Zahl der Opiatabhängigen in Deutschland wird aktuell auf etwa 180.000 geschätzt In Deutschland ist Heroin das am häufigsten illegal konsumierte Opiat Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 ; Frauenknecht, S., Lieb, K. Last minute Psychiatrie. Elsevier, 2011

Therapie: Störungen durch Opiate Die Behandlung der Opiatabhängigkeit gliedert sich in: Abstinenzorientierte Behandlung (wichtigste Elemente: Entzugsbehandlung und Entwöhnungsbehandlung) sowie Substitutionsbehandlung (Kontrolle der Abhängigkeit durch Gabe eines μ-Rezeptor-Agonisten) Die Opiatabhängigkeit ist häufig eine chronisch-rezidivierend verlaufende Erkrankung Eine anhaltende Abstinenz erreicht nur eine Minderheit der Patienten Die Symptomkontrolle, d.h. insbesondere die Reduktion von Heroinkonsum und - verlangen, wird von der Mehrheit der Patienten in Substitutionsbehandlung erreicht Entscheidend für die Wahl der Therapie ist oft die Präferenz des Patienten Es ist verbreitete klinische Praxis, jungen Patienten (insbesondere < 18 Jahre), Patienten mit kurzer Dauer der Opiatabhängigkeit (< 2 Jahre) oder Patienten mit geringen sozialen oder gesundheitlichen Suchtfolgeschäden eher zu einer abstinenzorientierten Behandlung zu raten Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Abstinenzorientierte Behandlung (I) Voraussetzung für eine Entwöhnungstherapie ist die vollständige Entgiftung Zu Beginn zumeist stationär durchgeführten Entzugsbehandlung erfolgt i.d.R. die Einstellung auf ein Opioid wie Methadon oder Buprenorphin, welche dann schrittweise reduziert werden Die Medikation zur symptmatischen Linderung von Entzugsbeschwerden, erfolgt z.T. in Ergänzung zur Opioidgabe, z.T. als alleinige Medikation Entzugsbehandlung Substanz Indikation Evidenz Opioide Methadon Ia Buprenorphin Symptomorientierte Medikamente Clonidin Vegetative Überaktivität Sedierende Antidepressiva wie Doxepin oder Trimipramin Schlafstörungen, innere Unruhe Nichtsteroidales Antirheumatikum wie Diclofenac unter Magenschutz Muskel-, Knochenschmerzen Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Abstinenzorientierte Behandlung (II) Die Überlegenheit einer bestimmten medikamentösen Strategie ist nicht belegt Opiatgestützt und ergänzt mit symptomorientierter Medikation werden die Symptome des Opiatentzugs effektiv gelindert Die Wirksamkeit des phasenweise viel diskutierten sogenannten Kurzentzugs in Narkose mit der Gabe hoher Dosen von Opiatantagonisten ist umstritten, eine generelle Überlegenheit über das skizzierte Standardprozedere ist nicht belegt Die Entwöhnungsbehandlung, d.h. der Aufbau eines suchtmittelfreien Lebensstils, erfolgt in der Regel stationär, z.T. auch ambulant Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Abstinenzorientierte Behandlung (III) Stationäre Behandlung: V.a. psychotherapeutische Verfahren und psychosoziale Therapien (z.B. Arbeits- oder Ergotherapie) Abstinenzraten von 30–40% in mittelfristig angelegten Verlaufsuntersuchungen Ambulante Behandlung: Gabe des μ-Rezeptor-Antagonist Naltrexon (Nemexin®), nach vollständig gesicherter Opiatentgiftung (i.d.R. nach 7-10 Tagen) durch Urin-Drogenscreening Die Naltrexon-Behandlung erwies sich in Kombination mit einer Verhaltenstherapie bei hoch abstinenzmotivierten (meist auch sozial integrierten) Patienten in der Abstinenzerhaltung als wirksam (Evidenzgrad Ia) Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Substitutionsbehandlung (I) Die häufigste Therapie Opiatabhängiger ist die Substitutionsbehandlung: Gabe eines Substituts (Differenzialindikation noch nicht ableitbar) Psychosoziale Betreuung (obligatorisch) Die Dosierung des Substitutionsmittels erfolgt individuell mit dem Ziel der Unterdrückung von Heroinverlangen und Entzugsbeschwerden Substanz Dosierung (mg/d) Evidenzgrad Methadon-Razemat* 100-120 IV Levomethadon Buprenorphin z.B. jeden 2. Tag die doppelte Dosis Codein/Dihydrocodein (mit rechtlichen Einschränkungen) * Substitut mit der umfangreichsten, auch wissenschaftlich dokumentierten Erfahrung Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 Wird trotz ausreichender Dosis keine Reduktion des Heroinkonsums erzielt, ist ein Methadon Plasmaspiegel sinnvoll (Vorsicht bei Fast-Metabolizern und Medikamenten, die im Methadon-Stoffwechsel als Enzyminduktoren wirksam sind z.B. Phenytoin, Rifampicin; ggf. Dosisanpassung unter wiederholter EKG- und Plasmaspiegelkontrolle)

Substitutionsbehandlung (II) Ein genereller Vorteil der alternativen Substitute Levomethadon und Buprenorphin gegenüber Methadon-Razemat besteht nicht Ein Vorteil des Buprenorphin ist die Möglichkeit der „Alternate-Day-Dosis“ wegen der langen Wirkungsdauer von bis zu 72 Stunden: hierbei erhalten Patienten mit stabiler Buprenorphintagesdosis (z.B. 8 mg/d) jeden 2. Tag die doppelte Dosis (z.B. 16 mg) Es gibt Hinweise, dass Buprenorphin bei Patienten mit depressiver Symptomatik antidepressiv wirksam ist Die Einnahme erfolgt nach Richtlinien im Regelfall unter Aufsicht des behandelnden Arztes bzw. von stellvertretendem medizinischem Personal Bei Verschreibung einer sog. Take-home-Dosis (sog. Mitgabedosis) verfügt der Patient selbst über das Substitut, wobei hier die Gefahr eines Missbrauchs besteht Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Substitutionsbehandlung (III) Die Gabe des Substituts erfolgt im Rahmen eines multidimensionalen Behandlungsplans z.B.: Psychopharmaka Therapie, Psychotherapie und sozialpädagogische Unterstützung Ergänzende psychotherapeutische Interventionen, wie z.B. kognitive Verhaltenstherapie, Kontingenzmanagement oder Rückfallprophylaxetraining sind bei Substitutionspatienten meist indiziert und von erwiesener Wirksamkeit Die Überlegenheit einer ärztlichen Heroinverschreibung (in der Regel in Kombination mit der Gabe von Methadon) über die alleinige Methadon-Substitution ist insbesondere im Hinblick auf die Haltequote sowie auf die Reduktion des Konsums illegaler Drogen belegt Die ärztliche Heroinverschreibung ist in Deutschland zugelassen Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Störungen durch Kokain: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Störungen durch Kokain: Klinisches Bild, Diagnostik und Therapie

Störungen durch Kokain Symptomatik Kokainintoxikation Euphorie und Antriebssteigerung Übersteigerte Einschätzung eigener Kompetenzen Gesteigerte Libido und vermindertes Schlafbedürfnis Körperliche Symptome Sympathische Hyperaktivität wie Tachykardie, Blutdrucksteigerung und Dilatation der Pupillen Psychiatrische Komplikationen Halluzinationen und Wahnideen Psychotische Zustände (können auch nach Abklingen der akuten Intoxikation als kokaininduzierte Psychosen über Wochen persistieren) Neurologische Komplikationen Koordinationsstörungen, zerebrale Krampfanfälle und zerebrale Ischämie (als Folge der Vasokonstriktion) Entzugssymptome Dysphorie, Müdigkeit, Schlafstörungen (z.T. auch Hyper-somnie) und Antriebsmangel Suizidalität im Rahmen eines depressiven Syndroms Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Kokainabhängigkeit Bei der Kokainabhängigkeit sind hierbei Symptome der psychischen Abhängigkeit führend, wie: Heftiges Verlangen nach Suchtmittelkonsum (dominierend) Kontrollverlust mit Steigerung der Konsummenge in der Konsumepisode (Binging-Konsum) Vernachlässigung von sozialen Rollen und Verpflichtungen sowie Fortgesetzter Konsum trotz negativer Konsequenzen Die Applikation kann intravenös, inhalativ oder nasal erfolgen In Deutschland wird i.d.R. Kokainhydrochlorid konsumiert, in einigen Ballungszentren auch das rauchbare „Crack“ Zu unterscheiden sind polytoxikomane Konsumenten und selteneren „Kokainisten“, die nahezu ausschließlich Kokain konsumieren Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Kokain (I) Die Therapie von Störungen durch Kokain umfasst: Die Behandlung von Intoxikationspsychosen (Benzodiazepine, Empfehlungsklasse C) Kokainentzug Abstinenzorientierte Behandlung: Medikation Psychotherapeutische und soziotherapeutische Behandlungsverfahren Verfahren Beschreibung Kokainentzug Die Stationäre Entzugsbehandlung ist indiziert bei ausgeprägten Entzugs-beschwerden, insb. bei begleitender Suizidalität, oder bei gleichzeitigem Entzug von anderen Substanzen (vor allem Heroin, Alkohol und Benzodiazepine) Beim depressiven Syndrom im Entzug sind antriebssteigernde trizyklische Antidepressiva wirksam (Evidenzstufe Ia) Die Wirksamkeit von Dopaminagonisten im Kokainentzug ist umstritten Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Kokain (II) Verfahren Beschreibung Abstinenzorientierte Behandlung der Kokainabhängigkeit Medikation Bislang gibt es keine etablierte medikamentöse Behandlung der Kokainabhängigkeit Bislang erprobte Medikamente sind z.B. Antidepressiva, Dopaminagonisten, Disulfiram, GABAerge Agonisten wie Baclofen und Topiramat, Betablocker und Mood-Stabilizer Etwaige komorbide psychiatrische Störungen werden nach den üblichen Regeln medikamentös behandelt Psycho- und Soziotherapie Die abstinenzorientierte Behandlung der Kokainabhängigkeit wird nach analogen Prinzipien wie bei der Opiatabhängigkeit durchgeführt Ziele der Behandlung sind v.a. der Aufbau eines drogenfreien Lebensstils, die Rückfallprophylaxe und die Behandlung komorbider psychiatrischer Störungen In Studien wurde der Kokainkonsum durch psychotherapeutische Verfahren reduziert Eine Differenzialindikation zwischen verschiedenen Therapie-ansätzen und Settings ist aktuell nur auf dem Evidenzniveau des klinischen Expertenurteils möglich Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Störungen durch Cannabis: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Störungen durch Cannabis: Klinisches Bild, Diagnostik und Therapie

Störungen durch Cannabis (I) Symptomatik Psychische und körperliche Symptome Cannabis wirkt über einige Stunden und in erster Linie entspannend und leicht „bewusstseinserweiternd“ Psychiatrische Komplikationen Ausgeprägte Derealisation und halluzinogene Effekte (häufig bei höheren Dosen) Entzugssymptome Beginnen ca. 12 Stunden nach dem letzten Konsum und können bis zu drei Wochen andauern Unruhe, dysphorische Verstimmungen, Irritabilität, Suchtverlangen, Schlafstörung, Schwitzen, Appetitminderung und erhöhte Schmerzempfindlichkeit Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 Die meisten Cannabis-Konsumenten sind nicht süchtig, allerdings kommt bei einer Untergruppe von regelmäßigen Konsumenten sowohl eine psychische als auch eine körperliche Abhängigkeit vor Ein schädliches Konsummuster findet sich bei ca. 8–9%, eine Abhängigkeit bei ca. 4–7 % der Konsumenten Der Hauptwirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Δ-9-THC) hat agonistische Wirkungen an körpereigenen Cannabinoid-CB1-Rezeptoren im ZNS

Störungen durch Cannabis (II) Weitere psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Intoxikations-psychose (auch bei vereinzeltem Konsum möglich) F12.03/F12.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungs-störungen) Psychotischer Rauschverlauf mit Verlust der Ich-Kontrolle, evtl. mit Halluzinationen, Wahnbildungen, seltener Verwirrtheit und partielle Amnesie nach Abklingen des Rauschs (relevant: Dosis, Set, Setting) Symptomentwicklung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Einnahme; Dauer: Stunden bis 2 Tage Induzierte Psychose (zumeist bei chronischem Konsum) F12.50/F12.51/F12.52/F12.53 (psychotische Störung schizophreniform/ wahnhaft/halluzinatorisch/polymorph) Oft paranoid-halluzinatorisch Oft deutliche affektive Anteile (schizoaffektive Prägung), individuell hohe Vulnerabilität für Psychosen ursächlich vermutet Symptomentwicklung in engem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum: Beginn unmittelbar nach oder innerhalb von 2 Wochen nach letzter Einnahme; Dauer: Tage bis Wochen, selten bis 6 Monate Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Störungen durch Cannabis (III) Weitere psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Chronische Persönlichkeits-veränderung (Nach länger dauerndem regelmäßigem Konsum) F12.71 (Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung) „Amotivationales Syndrom“: Einengung von Interessen, fehlende Motivation für soziale und leistungsbezogene Aktivitäten, Passivität bis hin zur Lethargie, Affektverflachung Validität der diagnostischen Entität nicht gesichert: möglicherweise chronischer Intoxikationszustand Differenzialdiagnostisch zu erwägen: Negativsyndrom einer Schizophrenie, depressive und schwere Persönlichkeitsstörungen mit Suchtkomorbidität Chronisch bei starken Konsumenten, meistens Besserung nach mehrwöchiger Abstinenz Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Störungen durch Cannabis (IV) Weitere psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Kognitive Störungen (Meist bei chronischem Konsum) F12.74 (sonstige anhaltende kognitive Beeinträchtigung) Beeinträchtigungen von Konzentration, Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit über die akute Intoxikation hinaus, häufig in Verbindung mit amotivationalem Syndrom, möglicherweise auch Ausdruck eines chronischen Intoxikationszustands Chronisch bei starken Konsumenten bes. bei frühem Beginn des Konsums, in der Regel reversibel nach ca. 4-wöchiger Abstinenz Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 Abstinenz bzw. Therapiecompliance können mithilfe toxikologischer Screeningverfahren im Urin (Nachweis von Δ-9-THC und seiner Metaboliten) überprüft werden Hinsichtlich der Akutdiagnostik bei Verdacht auf Intoxikationspsychose oder induzierte Psychose ist jedoch der toxikologische Nachweis von THC insbesondere bei stärkeren Konsumenten nur bedingt hilfreich, da die Tests in Abhängigkeit vom Ausmaß des Konsums über mehrere Wochen positiv bleiben können

Therapie: Störungen durch Cannabis (I) Verfahren Beschreibung Evidenzgrad Pharmako-therapie Insgesamt liegt den Empfehlungen zur Pharmakotherapie ein schwaches Evidenzniveau zugrunde Bupropion, Nefazodon, Mirtazapin, Valproinsäure, Lofexidin und Dronabinol sind sowohl für das Entzugssyndrom als auch für die Abhängigkeit nur begrenzt wirksam und/oder mit deutlichen Nebenwirkungen verbunden Klasse III Psychotherapie Ambulante psychotherapeutische Kurzinterventionen mit motivationsfördernden, kognitiv- verhaltenstherapeutischen und supportiven Elementen Klasse I Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Cannabis (II) (ICD-Code) Pharmakotherapie Psychotherapie und weitere therapeutische Maßnahmen Cannabis-abhängigkeit (F12.2) Keine spezifische Pharmakotherapie etabliert Keine spezifischen stationären Behandlungsprogramme In internationalen Studien Effektivität ambulanter Kurzinterventionen mit motivationsfördernden, kognitiv verhaltens- und familientherapeutischen Elementen In Deutschland Erprobung mehrerer ambulanter und internetbasierter Programme mit motivationsfördernden, verhaltens- und familientherapeutischen Elementen, erste randomisierte Studie mit manualisiertem Programm mit guten Ergebnissen Cannabis- entzugssyndrom (F12.3) Bei ausgeprägter Symptomatik: niedrig potente Neuroleptika (NL), Benzodiazepine (BDZ); Cave: Suchtpotenzial bei BDZ! I.d.R. ambulante, supportive Maßnahmen Stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung nur bei schwerem Entzugssyndrom und psychiatrischer Komorbidität sinnvoll Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Cannabis (ICD-Code) Pharmakotherapie Psychotherapie und weitere therapeutische Maßnahmen Intoxikations-psychose (F12.03/F12.04) Evtl. BDZ Beruhigendes Gespräch (talking down), Abschirmende Umgebung Induzierte Psychose (F12.50/F12.51/F12.52/F12.53) Atypische NL (allerdings oft unzureichende Wirksamkeit) Zeitlich limitiert BDZ Supportive Maßnahmen Psychoedukation Amotivationales Syndrom (F12.71) Keine spezifische Pharmako- therapie Je nach Symptomlage aktivierende Antidepressiva oder atypische NL Supportive und soziotherapeutische Maßnahmen mit dem Ziel der Reintegration Kognitive Störungen (F12.74) Keine Maßnahmen außer Abstinenz Bei Abstinenz Besserung abwarten Keine spezifischen Maßnahmen erforderlich Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Amphetamine und Ecstasy: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Störungen durch Amphetamine und Ecstasy: Klinisches Bild, Diagnostik und Therapie

Amphetamine und Ecstasy (I) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (I) Übersicht zum Krankheitsbild Erfahrungen mit Ecstasy 2,4% der Erwachsenen sowie ca. 6,2% der 18- bis 29-Jährigen Erfahrungen mit Amphetamin und Methamphetamin 3,4% der Erwachsenen und ca. 6% der 18- bis 29-Jährigen (in Deutschland) Applikationsweg Oral (insb. Ecstasy), nasal, intravenös Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Amphetamine und Ecstasy (II) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (II) Symptomatik Entzugssymptome von Amphetaminstimulanzien Ängstlich-depressive Verstimmungen und Erschöpfung, die eine bis zwei Wochen andauern und als Komplikation Suizidalität mit sich bringen können Symptome nach Abklingen der Akutwirkungen von Ecstasy Häufig Abgeschlagenheit, ängstlich-depressive Verstimmung, Kopfschmerzen, Appetitminderung und Frösteln (können über wenige Tage andauern) Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 Die Amphetaminstimulanzien wirken im ZNS über indirekte dopaminerge Mechanismen und die Wirkdauer beträgt mehrere Stunden Das Abhängigkeitspotenzial ist mindestens mittelstark und bei i.v. Konsum als stark anzugeben, wobei i.v. Konsumenten eine ausgeprägte Toleranz mit extremer Dosissteigerung entwickeln Als Ecstasy wird die Gruppe der Methylendioxyamphetamine bezeichnet, welche stimulierend, entspannend-angstlösend und wahrnehmungsverändernd/halluzinogen wirken Ecstasy wirkt über indirekte serotonerge und dopaminerge Mechanismen und die Wirkdauer beträgt 3 bis 5 Stunden Der bekannteste Repräsentant ist das MDMA (Methylendioxymethamphetamin) Weitere Derivate mit ähnlichen Effekten sind MDA, MDE und MBDB Das Suchtpotenzial ist i.d.R. relativ gering (ca. 10–20 % weisen Missbrauch oder Abhängigkeit auf)

Amphetamine und Ecstasy (III) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (III) Amphetamine: psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Intoxikations-psychose (Auch bei vereinzeltem Konsum möglich) F15.03/F15.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungs-störungen) Psychotischer Rauschverlauf mit Wahn und Halluzinationen Typisch: „Amphetamin-Paranoia“ (Verfolgungs-wahn) Symptomentwicklung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Konsum; Dauer: mehrere Stunden Induzierte Psychose (Zumeist bei chronischem Konsum) F15.50/F15.51/F15.52/F15.53/F15.55 (psychotische Störung schizo-phreniform/ wahnhaft/hallu-zinatorisch/poly-morph/manisch) Amentiell-delirante oder paranoid-halluzinatorische Symptomatik (optische, akustische und Körperhalluzinationen) Symptomentwicklung in engem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum: Beginn unmittelbar nach oder innerhalb von 2 Wochen nach letzter Einnahme; meist Abklingen in Abstinenz nach Tagen bis Wochen (seltener Monate) Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Amphetamine und Ecstasy (IV) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (IV) Ecstasy: psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Atypischer Rauschverlauf mit Unruhe-/Panikzustand (Auch bei vereinzeltem Konsum möglich) F16.8 (sonstige psychische und Verhaltensstörung) Agitiertheit, Ängstlichkeit, motorische und innere Unruhe Symptomentwicklung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum; Dauer: wenige Stunden (pharmako-logische Wirkdauer der Substanz) Intoxikations-psychose (Auch bei vereinzeltem Konsum möglich F16.03/F16.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungs-störungen) Psychotischer Rauschverlauf mit Verlust der Ich-Kontrolle, evtl. mit Halluzinationen und Wahn Symptomentwicklung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum; Dauer: wenige Stunden (pharmakologische Wirkdauer der Substanz) Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Amphetamine und Ecstasy (V) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (V) Ecstasy: psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Postintoxikations-syndrom (Auch bei vereinzeltem Konsum möglich) F16.8 (sonstige psychische und Verhaltensstörung) (Einordnung als Entzugssyndrom unsicher) Angstzustände, Schlafstörungen, Irritabilität, Kopfschmerzen, Frösteln, Depressivität Symptomentwicklung innerhalb weniger Stunden nach Abklingen der akuten Substanz-wirkung; Dauer: 1–7 Tage Induzierte depressive und Angststörung (Zumeist nach wiederholtem Konsum) F16.54 (psychotische Störung, vorwiegend depressive Symptome) Depressive Auslenkung, Antriebsarmut, Angstzustände, Schlafstörung, Irritabilität Cave: Suizidalität Symptomentwicklung in engem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum: Beginn zumeist innerhalb weniger Tagen nach letzter Einnahme; Dauer: Wochen bis Monate, schwer behandelbar Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Amphetamine und Ecstasy (VI) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (VI) Ecstasy: psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Induzierte Psychose (Zumeist nach wiederholtem Konsum) F16.50/F16.51/F16.52/F16.53 (psychotische Störung schizo-phreniform/wahnhaft/halluzinatorisch polymorph) Oft schizoaffektive Prägung Symptomentwicklung in engem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum: Beginn unmittelbar nach oder innerhalb von 2 Wochen nach letzter Einnahme; meist Abklingen in Abstinenz nach Tagen bis Wochen (fraglich selten auch Monate) Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 Die Substanzgruppe Ecstasy wird in ICD-10 nicht gesondert aufgeführt, die Kodierung als halluzinogeninduzierte Störungen ist möglich Beide Substanzgruppen führen im Tierexperiment bei wiederholter Verabreichung zu einer toxischen Degeneration der Axone dopaminerger und/oder serotonerger Neurone im Gehirn Neuere Studien zeigen subtile residuale kognitive Einschränkungen bei Amphetamin-Konsumenten Bildgebenden Verfahren zeigen subtile hirnstrukturelle und -funktionelle Veränderungen und leichte kognitive Einschränkungen, die mit dem Ausmaß des Ecstasy-Konsums korrelieren

Amphetamine und Ecstasy (VII) Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (VII) Störungen des Alltagsgedächtnisses sind die konsistentesten Forschungsbefunde, die mit der Neurotoxizität von MDMA in Zusammenhang gebracht werden Diese kognitiven Defizite könnten einen Risikofaktor hinsichtlich späterer altersassoziierter kognitiver Einschränkungen darstellen In toxikologischen Screeningverfahren im Urin sind Amphetamine und Ecstasy (Methylendioxyamphetamine) über ca. 24 bis 72 Stunden nach dem letzten Konsum nachweisbar, sodass diese Verfahren zur differenzialdiagnostischen Klärung bei Verdacht auf Intoxikationspsychose oder atypischen Rauschverlauf beitragen können Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (I) Verfahren Beschreibung Evidenzgrad Pharmako-therapie Bislang gibt es keine etablierte medikamentöse Behandlung der Amphetaminabhängigkeit Im Amphetaminentzug werden trizyklische Antidepressiva empfohlen Bei psychotischen Rauschverläufen und induzierten psychotischen Störungen können vorübergehend Benzodiazepine und Neuroleptika eingesetzt werden Bupropion, Modafinil und Naltrexon* zur Behandlung der Amphetamin-abhängigkeit ergaben nur kleine Effekte Bei schwerer Abhängigkeit von Methamphetamin könnte eine Substitu-tionstherapie mit D-Amphetamin oder Methylphenidat erfolgreich sein Klasse III Bei ecstasybezogenen ängstlich-agitierten und/oder psychotischen Rauschverläufen sowie bei ausgeprägten Postintoxikationssyndromen können vorübergehend Benzodiazepine eingesetzt werden Typische Neuroleptika sollten möglichst vermieden werden Antidepressiva, v.a. SSRI, bei akuter Ecstasy-Intoxikation kontraindiziert Bei protrahierten ecstasyinduzierten Angst- oder depressiven Störungen sind am ehesten Antidepressiva (SRI) und ggf. vorübergehend zusätzlich sedierende Neuroleptika indiziert Bei Therapieresistenz limitiert auch Einsatz von Benzodiazepinen * Ein neueres RCT mit Naltrexon ergab vielversprechende Ergebnisse bei Patienten mit kombinierter Amphetamin- und Heroinabhängigkeit Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Amphetamine und Ecstasy (II) Verfahren Beschreibung Evidenzgrad Psychotherapie Nach Studienlage sind psychotherapeutische Verfahren (kognitiv-behaviorale Therapie, Kontingenz- management) wirksam hinsichtlich des Amphetamin- Konsums Es zeigen sich, ähnlich wie bei der Kokainabhängigkeit, mittelgroße Effektstärken hinsichtlich der Konsummerkmale und z.T. auch hinsichtlich der begleitenden psychischen Symptomatik Klasse I Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Störungen durch Halluzinogene: Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Störungen durch Halluzinogene: Klinisches Bild, Diagnostik und Therapie

Störungen durch Halluzinogene (I) Psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Intoxikations-psychose (auch bei vereinzeltem oder gar einmaligem Halluzinogen-konsum möglich) F16.03/F16.04 (akute Intoxikation mit Delir/mit Wahrnehmungs-störungen) Psychotischer Rauschverlauf mit Halluzinationen und Wahn (entscheidend: Dosis, Set, Setting) Unterform: Horror- oder Bad-Trip Symptomentwicklung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit Einnahme, Dauer: sehr unterschiedlich (Psilocybinpilze: 3–4 h, LSD bis zu 24 h) Induzierte Psychose (in der Regel bei chronischem Konsum) F16.50/F16.51/F16.52/F16.53 (psychotische Störung schizophreniform/ wahnhaft/halluzina-torisch/polymorph) Oft paranoid-halluzinatorisch, oft deutliche affektive Anteile (schizoaffektive Prägung) Vulnerabilität ursächlich vermutet Symptomentwicklung in engem zeitlichem Zusammenhang mit Konsum: Beginn unmittelbar nach oder innerhalb von 2 Wochen nach letzter Einnahme; Dauer: Tage bis wenige Wochen, fraglich selten auch Monate Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Störungen durch Halluzinogene (II) Psychiatrische Komplikationen Komplikation ICD-10 Code Phänomenologie Zeitachse Flashback = Echopsychose (Häufig, auch bei vereinzeltem Halluzinogen-konsum möglich) F16.70 (Nachhallzustände) Phänomene wie im Halluzinogenrausch (komplett oder partiell) Auftreten nach einem freien Intervall von Wochen bis Monaten nach letztem Konsum ohne erneute Substanzeinnahme Wiederholtes Auftreten über jeweils Sekunden bis Minuten, seltener länger Dauer: Wochen bis Monate Bei längerfristigem Konsum selten auch schwere, therapieresistente Form mit chronischer psychosenaher Symptomatik Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013

Therapie: Störungen durch Halluzinogene Therapie von Störungen durch Halluzinogene Störung (ICD-Code) Pharmakotherapie Intoxikationspsychose (F16.03/F16.04) Keine Neuroleptika (NL), nicht effektiv, bzw. Verstärkung unangenehmer und angsterregender Erlebnisse durch die Nebenwirkungen Evtl. Benzodiazepine (BZD) Induzierte Psychose (F16.50/F16.51/F16.52/F16.53) NL vorsichtig einsetzen, Mitteilungen über Effektivität widersprüchlich, wahrscheinlich durch biologische Inhomogenität bedingt; NL oft unwirksam BZD zeitlich limitiert erwägen Lithium und Elektrokrampftherapie erwägen (gute Erfolge in der älteren Literatur beschrieben) Flashback = Echopsychose (F16.70) Drogenabstinenz Keine NL, Exazerbation der Symptomatik bei typischen und atypischen NL wiederholt beschrieben BZD oft wirksam Einzelne Case Reports über Erfolge mit SSRI (z. B. Sertralin), Clonidin und Opiat-Antagonisten (Naltrexon) – Wirkungsmechanismus unklar Quellenangaben: Voderholzer, U., Hohagen, F. Therapie psychischer Erkrankungen. Elsevier, 2013 Das Evidenzniveau ist insgesamt als schwach anzusehen

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bei Fragen bitte unter: http://www.uke.de/kliniken/psychiatrie/index_2512.php