Europäische Landwirtschaft im Klimawandel 28.03.2017 Europäische Landwirtschaft im Klimawandel Dr . sc. agr. Dietrich Schulzke Forstingenieur, Diplomlandwirt ,Landschaftsökologe Eberswalde 2010
28.03.2017 Fragestellung 1. Wie kann die Landwirtschaft sich auf den Klimawandel einstellen? 2. Welche Möglichkeiten und Instrumente sind vorhanden? 3. Wie kann der Landwirt sie nutzen?
Offene Fragen Welche Art der Landnutzung hat die besseren Chancen 28.03.2017 Offene Fragen Welche Art der Landnutzung hat die besseren Chancen unter veränderten Wachstumsbedingungen: - die Ökologische oder - die Konventionelle ? Ist das die entscheidende Frage oder geht es nicht darum, wie Landnutzung überhaupt möglich bleibt? Haben die Kulturpflanzen ein ausreichendes genetisches Anpassungspotential um sich Klimaveränderungen anzupassen? Schulzke 2010
Wann ist Landwirtschaft „ökologisch“ ? 28.03.2017 Wann ist Landwirtschaft „ökologisch“ ? - Wenn die Energiebilanz ausgeglichen ist. - Wenn der Humusspiegel etwas über dem klimatisch bedingten Grenzwert liegt. - Wenn der Fruchtwechsel die Bodenfruchtbarkeit erhält oder verbessert. - Wenn die Fruchtarten den Witterungsbedingungen angepasst sind. Schulzke 2010
Man kann die Grenzen der Anpassungsfähigkeit an 28.03.2017 Man kann die Grenzen der Anpassungsfähigkeit an die Klimaänderung und veränderter Witterung mit Hilfe eines Modells EBOS ( SCHULZKE, 1986) simulieren und Witterungsszenarien konstruieren. Aus der Modellstruktur ist erkennbar, dass die verschiedenen Module des Modells variabel sind. Das gründet sich auf langjährige Datenreihen der Witterung (DWD) und der Ertragsentwicklung der drei Wintergetreidearten (Bundessortenamt). Schulzke 2010
EBOS Modellstruktur 28.03.2017 Schulzke 2010
Modellkomponenten - Qualität der Vegetationsperiode 28.03.2017 Modellkomponenten - Qualität der Vegetationsperiode * Witterung in den Compartments (c) Herbst, Winter, Frühjahr * Niederschlagsregime mit Korrekturfaktor „a“ * Temperaturregime - Der „Komplexe Witterungswert“ (WWK) - Bodenformenleistungsfaktor (Bf) - Regionaler, kulturspezifischer Klimafaktor (Rg) Die vier Faktoren münden in einem Modell mit der Formel Ökologischer Ertrag = (wwc2*a + wwc3 + wwc4*a) x Bf x Rg x Vi Der Vi-Wert kennzeichnet den Intensivierungsgrad des Anbauverfahrens. Er ist Maßstab für die Abweichung vom „Ökologischen Basisertrag“ als Ausdruck der Energiebilanz und Abweichung vom ökologischen Zielwert. (Vi-Säulendiagram) Schulzke 2010
Der Bodenformenleistungsfaktor (Bf) ist ein getreideartspezifischer Der „Komplexe Witterungswert“ (WWK) schwankt jahrsspezifisch um das Anderthalb- bis Zweifache. Damit wird die Amplitude der Anpassungsfähigkeit deutlich, die sich in unterschiedlichen Erträgen widerspiegelt. Mit dem WWK können Witterungsabläufe simuliert werden. 28.03.2017 Der Witterungswert (ww) ist die Kombination aus Temperatur, ,Niederschlag und Sonnenscheindauer. Er bezieht sich auf einen definierten Zeitabschnitt der Vegetationsperiode (Compartment „c“, Herbst, Winter, Frühjahr) Der Bodenformenleistungsfaktor (Bf) ist ein getreideartspezifischer Leistungswert der Standortqualität. Zum Beispiel ist er für Lehmplatten(D4) : W.Weizen 0,20, W.Gerste 0,17, W.Roggen 0,23. Der Regionalfaktor (FRg) ist ein getreideartspezifischer Klimawert, der den Klimaeinfluss für eine Region über alle Standortqualitäten hinweg ausweist. Zum Beispiel für die Boden-Klima-Region IIa/5 – siehe Karte – ist er für W.Weizen 0,23, W.Gerste 0,26 , W.Roggen 0,22. Schulzke 2010
Die daraus abgeleiteten Ertragstafeln für die möglichen Anbaustandorte und jährlichen unterschiedlichen Witterungskonstellationen eröffnen die Möglichkeit, die Anpassungsfähigkeit der drei Wintergetreidearten regional darzustellen. Auf der Grundlage des Modells können die Grenzen sichtbar gemacht werden, in denen die Getreidearten auf veränderte Witterungs- und Klimaänderungen mit unterschiedlicher Biomassebildung reagieren. 28.03.2017 Schulzke 2010
28.03.2017 Schulzke 2010
28.03.2017 Was leistet das Modell ? Es können die Ertragsbildungsbedingungen für die drei Wintergetreidearten abgebildet werden. Mit Hilfe der Modellmodule können die verschiedenen Komplexe der Ertragsbildung variabel simuliert werden. Ein zentraler Komplex ist der Witterungsverlauf in der Periode vom Aufgang der Saat bis zum Schosstermin des Getreides. Auf der Grundlage des Witterungswertes (WW) in den drei Entwicklungsabschnitten – Herbst, Winter, Frühjahr – kann die Quantität des Biomasseaufwuchses berechnet werden. Die Kombination des Witterungswertes mit der Bodenqualität und dem regionalen Klimafaktor ergibt die Biomasseleistung eines Standortes. Es können also verschiedene Klima- und Witterungskonstellationen simuliert werden. Schulzke 2010
Wie kann man die Landwirtschaft auf den Klimawandel vorbereiten? 28.03.2017 Wie kann man die Landwirtschaft auf den Klimawandel vorbereiten? 1. Es muss die Ausgangssituation vor Ort definiert werden: Standort, Witterung, Anbauverfahren. 2. Welche Klimaelemente können sich ändern? 3. Wie kann sich der Witterungsverlauf in der Vegetationsperiode verändern? Schulzke 2010
- Die Landnutzung an die veränderten Bedingungen anpassen. 28.03.2017 4. Die Konfliktbereiche zwischen Nutzungsanspruch und Ressourcenschutz definieren: - Die Landnutzung an die veränderten Bedingungen anpassen. - Ändern sich dadurch unsere Ernährungsgrundlagen? - Werden andere Kulturpflanzen notwendig? - Müssen neue Anbauverfahren entwickelt werden? Schulzke 2010
Es ist andererseits belegt, dass die Intensivierung unter 28.03.2017 Die „ökologische“ Landwirtschaft entspricht etwa den Anbauverfahren von 1965 und kann den Anforderungen des 21ten Jahrhunderts nicht gerecht werden. 30% bis 50% geringere Getreideerträge - gemessen am heutigen Ertragsniveau - sind nicht vertretbar. Es ist andererseits belegt, dass die Intensivierung unter veränderten Wachstumsbedingungen ihren Effekt ebenfalls verändern kann. Vor diesem Hintergrund sind neue Anbauverfahren und andere Kulturpflanzen zwingend notwendig. Schulzke 2010
1.Kenntnis des Klimastatus 28.03.2017 Welche Instrumente der Anpassung stehen der Landwirtschaft zur Verfügung? 1.Kenntnis des Klimastatus - Kenntnis des Witterungsverlaufes im Jahr und in der Vegetationsperiode. 2.Landschaftsanalyse nach - geographischen Merkmalen - geologischer Ausstattung - Wald- Feldverteilung - Nutzungsmosaik (Feld, Wiese, Fruchtarten) Schulzke 2010
28.03.2017 Die Klimaanalyse Westeuropas hat unter Berücksichtigung der Getreideerträge und der Intensivierung die Abgrenzung von Agrar- und Boden-Klimaregionen ermöglicht (EU-Projekt AIR3 CT94-1296). In der Tabelle ( Deutschland und Brandenburg) sind die realen Klima- und Witterungsdaten (Zeitraum 1950-1990) berücksichtigt und Grundlage für die getroffene Abgrenzung. . Schulzke 2010
28.03.2017 Schulzke 2010
Was kann mit den Instrumenten erreicht werden? 28.03.2017 Was kann mit den Instrumenten erreicht werden? 1. In einem EU-Projekt (AIR 3 CT94-1296) sind auf der Grundlage von Parametern der Landschaftsanalyse ökologische Gebietseinheiten abgeleitet und kartiert worden (Karten, Tabellen) 2. Grosse Teile Westeuropas, einschließlich Deutschlands sind in * Agrar-Klima-Regionen * Boden-Klima-Regionen und * Landschaftstypen gegliedert worden. Die drei Ebenen sind hierarchisch miteinander verbunden und charakterisieren unterschiedliche Gebietsgrößen. Schulzke 2010
28.03.2017 Schulzke 2010
Schulzke 2010 Verwendetes Gliederungsprinzip für Naturräume. 28.03.2017 Verwendetes Gliederungsprinzip für Naturräume. KLIMAZONEN (WALTER,1990) AGRAR-KLIMA-REGIONEN ( SCHULZKE.D ,1998) (atlantisch ,kontinental, Meereshöhe, Jahresniederschläge, Jahresdurchschnittstemperaturen ,Jahressonnenstunden, Vegetationszeiten, Regionale Biomasseerträge ) BODEN-KLIMA-REGIONEN (SCHULZKE.D 1988) (Bodenregionen, Bodenlandschaften, Klima, Witterung in der Vegetationszeit regionale Getreide-Biomasseerträge, Nettoprimärproduktion im Wald ) LANDSCHAFTSTYP und LEBENSRÄUME (Makrochoren, Mesochoren) (SCHULZKE.D 1998) Auf dieser Ebene wird gewirtschaftet, entwickelt, geschützt, zerstört Umweltqualitätsziele Umweltqualitätsziele Geotopische Chorische Biotop, und Biotopkomplexe Strukturen Strukturen Substrate, Bodentypen, Relief, Vegetationstypen Faunistische Wasserhaushalt, Gefüge, Strukturen Artenausstattung Schulzke 2010
Landschafts-typen (LT) in Brandenburg ( AKR, BKR, LT) 28.03.2017 Landschafts-typen (LT) in Brandenburg ( AKR, BKR, LT) Schulzke 2010
Die errechneten Biomassen in Wald und Feld sind identisch! 28.03.2017 Mit Hilfe des Ertragsbildungsmodell ist es erstmals möglich einen biologischen Indikator, den Getreideertrag, als Gradmesser für veränderte Witterungsverläufe und ihre Wirkung auf die Biomassebildung sichtbar zu machen. Der Modellertrag spiegelt eine definierte Intensivierungsstufe im Anbauverfahren wider. In den Getreidesortenversuchen der Bundessortenanstalt (für Ostdeutschland ist das Nossen) werden jährlich solche Versuche angelegt und ausgewertet. Sie sind der Eichstrich für die Modellkontrolle bei der Übertragung der Modellrechnung in die Fläche. Für den Wald hat G. HOFMANN (1985) in Eberswalde ein ähnliches Modell entwickelt. Die errechneten Biomassen in Wald und Feld sind identisch! Schulzke 2010
Kann der klassische Konflikt zwischen Landnutzung und 28.03.2017 Kann der klassische Konflikt zwischen Landnutzung und Ressourcenschutz auf der konkreten Fläche bzw. für die ökologische Gebietseinheit benannt und bewertet werden? Ja er kann! Mit Hilfe eines Bewertungsschlüssels kann jede Gebietseinheit, auch der Schlag, eingestuft werden. Welche Schritte sind notwendig? Jede Fläche wird nach abiotischen und biotischen Sensibilitäten und den Nutzungsansprüchen, nach Kenntnisstand bewertet, jeweils mit 1 = hohe Sensibilität 2 = mittlere Sensibilität 3 = keine Sensibilität. Die jeweils höchste Zahl gibt den Hinweis auf Nutzungs- oder Schutzmaßnahmen. Schulzke 2010
Konfliktpotentiale in Brandenburgs Landschaften 28.03.2017 Schulzke 2010
28.03.2017 Schulzke 2010
28.03.2017 Schlussfolgerungen Die Kombination der klassischen Merkmale für Gebietsgliederungen sind hier mit einem ökologisch definierten Wachstumsmodell verbunden worden. Die daraus abgeleiteten Gebietseinheiten unterscheiden sich in den Ertragsbildungsbedingungen. Die Ertragsbildungsbedingungen haben aber auch Einfluss auf die Intensivierungswirkung. Es ist darum sowohl eine regionale Anpassung der Anbauverfahren als auch der Intensivierungsstrategien geboten. Schulzke 2010
28.03.2017 Das jährliche Ertragsniveau wird natürlich in seiner absoluten Höhe durch die verschiedenen Intensivierungsfaktoren bestimmt. Aber jeder weiß, dass bei gleicher Intensivierung die Erträge jährlich anders ausfallen. Diese jährlichen Unterschiede sind auf die unterschiedlichen Witterungskonstellationen zurück zu führen (Siehe Ertragsbildungsmodell – EBOS). Die angestrebten Höchstertragsjahre kommen aber nur relativ selten vor. Etwa alle 5 – 7 Jahre. Vor diesem Hintergrund ist es sowohl ökonomisch als auch ökologisch sehr problematisch in jedem Jahr auf Höchsterträge zu spekulieren. Es macht keinen Sinn, die Intensivierung auf 90 – 100 dt/ha beim Getreide auszurichten, wenn nur 60- 70 dt/ha, witterungsabhängig, realisiert werden können. Schulzke 2010
28.03.2017 Auf der Grundlage der ökologischen Gebietsgliederung besteht die Möglichkeit für den Landwirt die Energiebilanz (Aufwand – Nutzen) zu optimieren. Für Brandenburg ist die Gebietsgliederung exemplarisch durchgeführt und kartiert. Damit besteht die Möglichkeit regionale Szenarien der Klima- und Witterungsentwicklung zu erproben und Schlussfolgerungen vorzubereiten Ohne eine gezielte Beratung und Förderung sind die notwendigen Anpassungen an zukünftige Entwicklungen aber nicht möglich. Schulzke 2010
Intensivierungseffekte 28.03.2017 Intensivierungseffekte Schulzke 2010
Die definierten Gebietseinheiten sind mit stabilen Standort- 28.03.2017 Die definierten Gebietseinheiten sind mit stabilen Standort- Merkmalen in unterschiedlichen Kombinationen ausgestattet. Sie reflektieren die Witterungs- bzw. Klimaelemente in einer spezifischen Form über die Biomassebildung, einem biologischen Indikator. Damit besteht die Möglichkeit vorausschauend die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen. Schulzke 2010
28.03.2017 Häufigkeitsverteilung von Höchstertragsjahren im Zeitraum 1950 bis 1998 S Schulzke 2010