Neue Steuerungsmechanismen in der Forstpolitik

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 Präsentation transkript:

Neue Steuerungsmechanismen in der Forstpolitik (Kurzfassung des Beitrags „Change in Governance of Forest Resources“ zum Buch „World Forests, Society and Environment“ für den XXII. IUFRO-Weltkongress, 8.-13. August 2005, in Brisbane) Peter Glück (BOKU, Wien) Jeremy Rayner (Malaspina University-College, Nanaimo) Benjamin Cashore (Yale University, New Haven) 37. Forstpolitikertreffen vom 6.-8. April 2005 in Hamburg

Inhalt Von traditionellen zu neuen Formen der forstpolitischen Steuerung Merkmale des Governance-Konzepts Erwartungen an Netzwerk-Kooperation Neue Steuerungsmechanismen in der Forstpolitik Ursachen für neue forstpolitische Steuerungsmechanismen Legitimität der neuen forstpolitischen Steuerungsmechanismen Neue Rolle des Staats Es gibt keine Einheitslösung Schlussfolgerung

Von traditionellen zu neuen Formen der forstpolitischen Steuerung Scheitern traditioneller forstpolitischer Steuerungsmechanismen (regulative und ökonomische Instrumente) wegen: erhöhter Komplexität der Probleme Auftreten mächtiger NGOs Querschnittsprobleme (horizontale Verflechtungsbeziehungen) Zusätzliche Ebenen durch Europäisierung und Globalisierung (vertikale Verflechtungsbeziehungen) Problemlösung durch Verhandeln in Ergänzung zu Hierarchie und Markt Herausbildung neuer Formen der forstpolitischen Steuerung: Governance

Merkmale des Governance-Konzepts Staat verliert politische Steuerungsfähigkeit und übernimmt vermehrt Koordinierungsaufgaben („Management von Interdependenz“) Steuerung und Koordinierung beruhen auf institutionalisierten Regel-systemen (z.B. Schatten der Hierarchie, Markt, interne Steuerungsinstrumente) Zusammenarbeit von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren in politischen Netzwerken Entscheidungen werden nicht oktroyiert, sondern in direkter Interaktion der Beteiligten vereinbart Quelle: Benz, A. (Hrsg.) 2004: Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.

Netzwerk-Kooperation Regelung unterschiedlicher Koordinierungsprobleme („Management von Interdependenz“): Staat und Gesellschaft: öffentliche Bürgerbeteiligung unterschiedliche Sektoren: intersektorale Koordinierung unterschiedliche Ebenen der Entscheidungsbildung: Mehrebenensteuerung, Dezentralisierung unterschiedliche Zeithorizonte: schrittweise, adaptive Planung Wirkungen: Höheres Informationsniveau Reduktion der Transaktionskosten selbst-organisierend Fördert „policy learning“ (Voraussetzung: Vertrauen)

Neue Steuerungsmechanismen in der Forstpolitik Internationale Ebene Internationaler Walddialog Waldzertifizierung Nationale Ebene Nationales Waldprogramm Dezentralisierung Abtretung von öffentlichen Rechten Lokale Ebene Selbstorganisation

Internationaler Walddialog Problem: Gefangenendilemma-Situationen als Folge nationaler Waldpolitiken Regelung: freiwillige Zusammenarbeit der Staaten („internationales Waldregime“) UNCED 1992: Waldgrundsatzerklärung (nachhaltige Waldbewirt- schaftung) über 270 IPF/IFF-Aktionsvorschläge Umsetzung durch freiwilliges Monitoring- und Berichtswesen der Teilnehmer-Staaten Globale Kriterien nachhaltiger Waldbewirtschaftung UNFF 5: „institutional status of the future international arrangement on forests“ Empfehlung: Unterstützung der internationalen Verhandlungen durch wissenschaftlichen Beratungsausschuss

Zertifizierung nachhaltiger Waldbewirtschaftung Ziel: Nachhaltige Waldbewirtschaftung Regelung: Zertifizierung von nachhaltiger Waldbewirtschaftung bzw. von Holz aus nachhaltiger Nutzung Konsumenten müssen auf Idee nachhaltiger Waldbewirtschaftung aufmerksam gemacht werden Konsumenten müssen überzeugt werden, zertifizierte Holzprodukte zu kaufen Holzhandel muss vom kommerziellen Vorteil überzeugt werden, zertifizierte Holzprodukte zu finden und auf Lager zu halten Forstbetriebe müssen von den Vorteilen überzeugt werden, sich an die Standards zu halten Empfehlung: Unterstützung der internationalen Verhandlungen durch wissenschaftlichen Beratungsausschuss

Nationales Waldprogramm Ziel: Nachhaltige Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung von Wäldern in Übereinstimmung mit den lokalen, nationalen und globalen Bedürfnissen gegenwärtiger und künftiger Generationen Regelung: Anwendung grundlegender Prinzipien und Elemente (Partizipation, intersektorale Koordinierung, Dezentralisierung, Mehrebenensteuerung, schrittweise Planung) offener Prozess Nationales Waldprogramm wäre Herzstück einer globalen Waldkonvention Gefahr symbolischer Politik Empfehlung: Internationale Evaluierung der Input- und Output- Legitimität von NWP-Prozessen durch Monitoring- und Berichtswesen

Dezentralisierung Problem: Korruption und illegale Praktiken in Holznutzung und –handel, insbesondere in Entwicklungsländern, verhindern nachhaltige Waldbe- wirtschaftung Regelung: Dezentralisierung viel versprechend, wenn: korrupter oder durchsetzungsschwacher Zentralstaat entmachtet wird neue lokale Netzwerke und Verwaltungsstrukturen entstehen, die die lokalen Bedürfnisse besser kennen lokale Autoritäten ausreichend mit Macht ausgestattet sind lokale Autoritäten zur Verantwortung gezogen werden können Empfehlung: Druck durch intern. Entwicklungshilfe-Organisationen, lokale Regierungen mit Macht auszustatten, ihre Kapazitäten zu stärken und sie gegenüber der lokalen Bevölkerung verantwortlich zu machen

Abtretung von öffentlichen Rechten Problem: Mangelnde Effektivität und Effizienz der öffentlichen Verwaltung Regelung: Public-Private Partnership (PPP) in Forstwirtschaft als Alternative zu vollständiger Privatisierung: Partnerschaften zwischen Regierung und Unternehmungen (z.B. langfristige Waldnutzungs-Konzessionen) Partnerschaften zwischen Regierung und lokalen Gemeinschaften (z.B. gemeinsame Waldbewirtschaftungsverträge) Partnerschaften zwischen Regierung und Nicht-Regierungs-organisationen oder privaten Unternehmungen zum Zweck der Bereitstellung von Dienstleistungen (z.B. Beratung, Forschung, Datensammlung und –verarbeitung) Empfehlung: Forschung über Vor- und Nachteile verschiedener Formen von PPP

Selbstorganisation Problem: Schlechte Erfahrungen mit Verstaatlichung ehemaliger gemeinschaftlicher Waldnutzungsformen Regelung: Errichtung von Gemeinschaftswald: Ostroms acht Grundsätze robuster Gemeinschaftswälder Ostroms acht Gefahren robuster Gemeinschaftswälder Informationen über Ist-Zustand des Waldes anpassungsfähige Verhandlungs- und Steuerungsstrukturen Empfehlung: Umsichtige Beratung und Förderung von Gemeinschaftswäldern, ohne dass sie von fremder Hilfe abhängig werden

Ursachen für neue forstpolitische Steuerungsmechanismen Globalisierung und Internationalisierung Wert des Welt-Holzhandels und der -Holzhandelsbeziehungen sowie Bedeutung multi-nationaler Unternehmungen nehmen zu („Globaliserung“) Transnationale Akteure und internationale Institutionen verstärken ihre Aktivitäten, um Kontrolle über Handel von Forstprodukten zu behalten („Internationalisierung“) Zunehmende Forderungen der Zivilgesellschaft Transnationale ökonomische Strukturen führen zu transnationalen Abhängigkeiten und Externalitäten Globale Informationstechnologien Beschränkte Rollen von Regierungen in Umwelt- und Sozialpolitik Empfehlung: Bewusstseinsbildung für die spezifischen Heraus- forderungen von Industriestaaten und Entwicklungsländern mit hoher oder geringer Waldausstattung, um diesen Herausforderungen mit geeigneten Strategien zu begegnen

Legitimität der neuen forstpolitischen Steuerungsmechanismen Input-Legitimität (bezieht sich auf Spielregeln): Im Allgemeinen durch neue forstpolitische Steuerungsmechanismen erhöht Output-Legitimität (bezieht sich auf Output des politischen Systems: Wird in dem Maße verbessert, in dem die neuen forstpolitischen Steuerungsmechanismen erfolgreich sind, die Probleme von Komplexität und rascher Änderung der Ziele, Rahmenbedingungen und Maßnahmen zu bewältigen. Empfehlung: Bewusstseinsbildung für die Vereinbarkeit von alten und neuen forstpolitischen Steuerungsmechanismen im Sinne von Selbst- regulierung im Schatten der Hierarchie und dem Potenzial innovativer Policy-Mixes

Neue Rolle des Staats Problem: Programm- und Vollzugsdefizite traditioneller Waldpolitik in Industrie- und Entwicklungsländern; private und internationale Steuerungskapazitäten haben an Bedeutung gewonnen Regelung: Staat teilt Macht mit Zivilgesellschaft und übernimmt folgende Funktionen: Zusammenrufer und Förderer Expertise Bereitstellung von Geld und anderen Ressourcen Sicherstellung von Verantwortlichkeit und Transparenz Empfehlung: Staat muss Kompetenzen zur Ausübung der neuen Funktionen erwerben

Es gibt keine Einheitslösung Problem: Vorhersage der Reaktion der Nationalstaaten auf Heraus- forderungen neuer forstpolitischer Steuerungsmechanismen Regelung: Netzwerke fördern „policy learning“: In Staaten mit ähnlicher Industrialisierung und Waldausstattung gibt es Gemeinsamkeiten hinsichtlich policy learning Reiche Holzimportländer werden auch in Zukunft den Inhalt nachhaltiger Waldbewirtschaftung bestimmen Empfehlung: Ländervergleiche über ähnliche Steuerungsherausforderungen, Förderung von policy learning ähnlicher Staatengruppen

Neue Steuerungsmechanismen in der Forstpolitik sind kein Nullsummen-spiel zwischen Staat und politischen Akteuren