Meta-Studien zur Effektivität von Gesprächspsychotherapie „Personenzentrierte Beratung und Erfahrungstherapie“ Seminarleiter: Prof. Dr. Tscheulin WS 02/03 Meta-Studien zur Effektivität von Gesprächspsychotherapie Grawe, K., Donati, R. & Bernauer, F. (1994). Psychotherapie im Wandel – Von der Konfession zur Profession Elliott, R. (1996). Sind klientenzentrierte Erfahrungstherapien effektiv? Eine Meta-Analyse zur Effektforschung Referentinnen: Eva Schnabel, Heidi Grattenthaler, Diana Beck
Gesprächspsychotherapie Von Carl Rogers begründet Bezeichnung auch als klientenzentrierte, personenzentrierte oder nicht-direktive Therapie Patienten können sich von sich aus verändern, wenn bestimmte Art von therapeutischer Beziehung vorliegt: Annahme/Wertschätzung Empathie Echtheit Selbstexploration Das Entscheidende für die therapeutische Wirksamkeit ist das Erfüllen dieser Bedingungen, nicht der Einsatz bestimmter Techniken
Meta-Studie von Grawe, Donati & Bernauer (1994) Ziel: Einschätzen der Effektivität von GT - generell - im Vergleich zu anderen Psychotherapien Methode: 35 kontrollierte Wirksamkeitsstudien zur GT - hauptsächlich Betrachtung von Patienten mit verschiedenen neurotischen Störungen - Behandlungen überwiegend in ambulanter Einzeltherapie und von eher kurzer Dauer
Ergebnisse (Prä-Post-Vergleich) Wirkungsbereich von Gesprächspsychotherapie (GT), Prä-Post-Vergleich in 8 Veränderungsbereichen 4 - 0/2 2/4 1/1 2/2 Alkoholiker 10 4/5 6/7 andere 22 0/1 7/11 12/15 9/9 11/12 2/3 GT rein 17 6/8 9/10 7/7 ambulant 1/3 3/6 stationär o. teilstationär 13 5/7 6/6 Neurotiker 5 4/4 GT in Kombination mit... 1 Einzel und Gruppe 12 3/4 3/5 3/3 Gruppe 14 4/7 9/11 7/8 Einzel 27 12/16 15/16 Total Anzahl Bedin-gungen Sexua-lität Freizeit Zwischen-mensch-licher Bereich Persönlich-keits- oder Fähigkeits-bereich Sonstige Befind-lichkeits-maße Hauptsymptomatik indivi- für alle duell Patienten definiert gleich Globale Erfolgs-beur-teilung Veränderungs- bereiche Bedingungen
Ergebnisse (KG-Vergleich) Wirksamkeit von GT in 8 Veränderungsbereichen. Kontrollgruppenvergleich 7 - 5/6 2/6 1/4 1/2 1/1 Psychiatriepatienten und Schizophrene 10 3/5 3/3 4/4 sonstige 26 0/1 12/15 12/17 -1/17 14/17 10/12 5/5 2/5 GT rein 19 7/10 9/12 -1/12 12/13 9/10 0/3 ambulant 13 3/7 2/2 stationär 15 6/8 7/8 -1/8 10/11 Neurotiker 6 0/2 GT in Kombination mit... 17 8/9 4/8 6/9 Gruppe 4/7 8/11 -1/11 Einzel 32 12/16 12/19 -1/19 14/18 14/16 Total Anzahl Bedin-gungen Sexua-lität Freizeit Zwischen-mensch-licher Bereich Persönlich-keits- oder Fähigkeits-bereich Sonstige Befind-lichkeits-maße Hauptsymptomatik indivi- für alle duell Patienten definiert gleich Globale Erfolgs-beur-teilung Veränderungs- bereiche Bedingungen
Ergebnisse (Therapievergleich) Tab. 4.3.4.4. Wirkungsvergleiche zwischen Gesprächspsychotherapie (GT) und Therapien anderer Richtungen in 10 Veränderungsbereichen Ergebnisse (Therapievergleich) Wirkungsvergleiche zwischen Gesprächspsychotherapie (GT) und Therapien anderer Richtungen in 9 Veränderungsbereichen 1 - 0/1 GT vs. Auto-genes Training GT vs. nicht spezifizierte Th. -1/1 +1/1 GT vs. Milieu-therapie 3 +1/2 0/2 GT vs. Psycho-dynamische Th. 20 0/7 +1/17 -10/17 -4/6 +1/11 -3/11 +1/19 -11/19 -1/2 GT vs. Ver-haltenstherapie Anzahl Ver-gleiche Sexua-lität Arbeit Freizeit Zwischen-mensch-licher Bereich Persönlich-keits- oder Fähigkeits-bereich Sonstige Befind-lichkeits-maße Hauptsymptomatik indivi- für alle duell Patienten definiert gleich Globale Erfolgs-beur-teilung Veränderungs- bereiche Vergleiche Die Zahl hinter dem Strich (Nenner) gibt die Anzahl der berechneten Vergleiche an. Die Zahl vor dem Strich (Zähler) zeigt das Ergebnis des Vergleichs; + bedeutet signifikante Überlegenheit, - signifikante Unterlegenheit der erstgenannten Bedingung, 0 bedeutet keine signifikanten Unterschiede.
Weitere Ergebnisse GT ist signifikant wirksamer bei: - extravertierten Patienten - Patienten mit gutem zwischenmenschlichen Verhaltensrepertoire und geringen sozialen Ängsten - autonomen und selbstbestimmten Patienten Zusammenhang zwischen Therapieerfolg und Art der therapeutischen Beziehung: Ja Nein - Empathie - Wertschätzung - Echtheit - Selbstexploration
Fazit Behandlung durch GT ist eindeutig wirksam Stärkere Therapieeffekte jedoch bei Behandlung mit VT
Gründe für die Studie 1. Entkräftung der Behauptung, dass klientenzentrierte Erfahrungstherapien weniger effektiv sind als kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungen (siehe Grawe, Donati & Bernauer,1994) 2. Verhinderung der Etablierung einer „Monokultur“ kognitiv- verhaltenstherapeutischer Therapien
Wie war die Meta-Analyse aufgebaut? Datenmenge der Meta-Analyse: Meta-Analyse von + 26 andere Effektivitäts- Greenberg et al. Untersuchungen Meta-Analyse Greenberg, Rice & Elliott (1994): alle neueren Ergebnissstudien über erfahrungszentrierte oder humanistische Therapien seit 1978 26 andere Effektivitätsstudien: Forschungsarbeiten aus den 50ziger, 60ziger und 70ziger Jahren insgesamt 63 Effektivitätsuntersuchungen
Wie war die Meta-Analyse aufgebaut? -Prä-Post-Vergleiche: Berechnet aufgrund von 234 Veränderungsmaßen aus 66 Studien -Kontrollgruppenvergleiche: 27 kontrollierte Studien mit Wartelisten oder unbehandelten Kontrollgruppen -Vergleiche mit anderen Therapieformen: insgesamt 38 Behandlungsvergleiche
Beurteilte Merkmale Art der Therapie: Klassische klientenzentrierte Therapie Klientenzentrierte Therapie mit zusätzlichen geringfügigen nondirektiven Interventionen prozeßorientierte Erfahrungstherapie Gestalttherapien Andere Erfahrungstherapien ( auf der Grundlage von Focusing, Katharsis oder vermischte Ansätze )
Beurteilte Merkmale Vergleichsbedingungen: Kontrollgruppenvergleich: keine Behandlung; Wartelistenkontrolle Nicht-Erfahrungstherapien: kognitiv-behaviorale; psychodynamische; psychoedukative und andere Behandlungen
Beurteilte Merkmale Sonstige Kriterien: Störung oder Problem Behandlungsart Setting Behandlungsdauer Therapeutenerfahrung Forscherloyalität Untersuchungszeitraum
Meta-Analyse der Prä-post-Veränderungen ES = [m(prä) - m(post)] : s(prä) Die Effektstärken wurden berechnet, indem die mittlere Differenzwerte zwischen Prä-Therapie, Post-Therapie und Nachuntersuchung ermittelt und dann durch die Standardabweichung der Prä-Werte dividiert wurden.
Äquivalenzanalyse Elliott, Shapiro & Stiles: -Kriterium: 0.4 durchschnittliche Effektstärke der VT sollte um min. 0.4 größer sein als die der GT, damit man mit klinischer Relevanz behaupten kann, dass die VT „besser“ sei -dazu Differenzen zwischen Paaren von Effektstärkewerten in den untersuchten Vergleichen gebildet und mit zwei t-Tests überprüft ein t-Test prüft, ob der Betrag der ermittelten Differenz signifikantverschieden von Null ist der andere t-Test überprüft, ob der Betrag signifikant kleiner als 0.4 ist
Äquivalenzanalyse t-Tests: Wird keiner der beiden Tests signifikant, dann ist der Vergleich uneindeutig Wenn die Differenz signifikant verschieden von Null und signifikant kleiner als 0.4 ist, dann sind GT und VT als äquivalent in ihrer Wirkung einzustufen Wenn die Differenz verschieden von Null, aber nicht signifikant kleiner als 0.4 ist, dann führen GT und VT nur zu unterschiedlich starken Effekten
Ergebnisse klientenzentrierte Erfahrungstherapien sind wirksam Gesamteffekte (globale Effektstärken ES) klientenzentrierte Erfahrungstherapien sind wirksam
Varianzaufklärung durch Untersuchungmerkmale (Eta2-Werte) Behandlungsart nicht signifikant, keine Wirkungsunterschiede zwischen den beiden Therapiearten
Effektstärken unterschiedlicher Arten von Erfahrungstherapie Beim Vergleich der Art der Erfahrungstherapien scheint prozess-erfahrungszentrierter Ansatz effektiver zu sein
Prädiktoranalyse: Korrelationskoeffizienten Forscherloyalität ebenfalls bedeutsam, je nach Zugehörigkeit größere Wirksamkeit der jeweligen Therapieart
Konkreter Vergleich zwischen GT und VT Versuch der Replikation der Ergebnisse der Meta-Studie von Grawe et al.: mittlere Effektstärkendifferenz von ES= -0.23 (Ergebnis bei Grawe et al.: ES= -0.26) aber: Vergleich fällt uneindeutig aus (es ergibt sich weder eine signifikante Gleichwertigkeit noch Unterschiedlichkeit) Effektstärke beträgt bei Kontrollieren der Forscherloyalität nur noch ES= –0,01 bzw. ES= –0,03, was für ÄQUIVALENZ beider Verfahren spricht
Vergleiche von Therapieformen sind vorsichtiger zu interpretieren! Fazit: erfahrungszentrierte Therapien sind wirksam erfahrungszentrierte und nicht-erfahrungszentrierte Therapien sind gleich wirksam GT hat VT gegenüber keine Nachteile, ist äquivalent Vergleiche von Therapieformen sind vorsichtiger zu interpretieren!