6. Das System der industriellen Beziehungen

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 Präsentation transkript:

6. Das System der industriellen Beziehungen 6.1 Grundlagen: Das deutsche System 6.2 Betriebliche Ebene 6.3 Überbetriebliche Ebene 6.4 Entwicklungstendenzen Lehrbuch, Kap. 6 (außer Exkurs) Als ein zentrales ökonomisches Koordinationsproblem wurde in den vorangehenden Kapiteln die Ausgestaltung der Austauschbeziehungen zwischen Kapital und Arbeit bzw. des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Management und Arbeitskraft heraus gearbeitet. Die Regelung dieses Koordinationsproblems vollzieht sich in unterschiedlichen Systemen und auf verschiedenen sozialen Ebenen: innerhalb von Unternehmen und im Rahmen bestimmter Arbeitssysteme wie aber auch auf der gesellschaftlichen Ebene durch bestimmte institutionelle Regelungen. Beide Ebenen stehen in enger Wechselbeziehung miteinander: die Art und Weise, wie das Beschäftigungsverhältnis innerbetrieblich ausgestaltet wird und werden kann, wird in hohem Masse von gesellschaftlich institutionellen Regelungen beeinflusst. Umgekehrt haben die Ergebnisse je konkreter Verhandlungsprozesse auf Unternehmensebene oft nicht zu unterschätzende Rückwirkungen auf das gesellschaftliche Institutionensystem. Insgesamt wird damit das System der industriellen Beziehungen angesprochen. Es handelt sich um ein gesellschaftliches Teilsystem, in dessen Rahmen die Austauschbeziehungen zwischen Kapital und Arbeit grundlegend geregelt werden. Folgt man dem deutschsprachigen Standardlehrbuch über industrielle Beziehungen von Walter Müller-Jentsch, so bezeichnet dieser Begriff die Gesamtheit der Beziehungen zwischen Arbeitern, Angestellten und Arbeitgebern in einem konkreten Betrieb, einer Industrie, einem Industriezweig, einem Land und in regulierten transnationalen Wirtschaftsräumen.

Struktur der Vorlesung Grundbegriffe Arbeit und Arbeitsorganisation Mikro- ebene Unternehmen, Netzwerke Management Meso- ebene Industrielle Beziehungen Arbeitsmarkt Makro- ebene

6.1 Grundlagen

Adolph Menzel: Der Besuch des Aufsichtsrates im Walzwerk, ca. 1875

Industrielle Beziehungen: grundlegender Konflikt zwischen Kapital und Arbeit Managementinteressen an Rentabilität und Gewinn Arbeitnehmerinteressen an hohem Ein-kommen, akzeptablen Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit Aber auch Interessenkonvergenz und Übereinstimmung

Historische Entwicklung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahr. „Institutionalisierung des Lohnkonfliktes“ (Ralf Dahrendorf) Zwei bzw. drei Ebenen der Interessenvertretung: betrieblich: Management und Betriebsräte (im Ausland: shop stewards, locals, Betriebsgewerkschaften) Überbetrieblich: Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände Politik: Parteien, Staat Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich im Zuge langer sozialer und politischer Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Unternehmen geregelte Formen zur Austragung des industriellen Konfliktes heraus. Dieser Prozess wird als Institutionalisierung des Lohnkonflikts (Ralf Dahrendorf) begriffen: es werden die verschiedenen Formen der Interessenvertretung geschaffen, ihre Gegenstände und die dabei zulässigen Mittel durch staatliche Gesetze oder freie Vereinbarung der Konfliktparteien festgelegt. Die verschiedenen Ebenen auf der Folie erklären…. Ergebnis dieses historischen Prozesses ist ein relativ stabiles institutionelles Arrangement des deutschen Systems der industriellen Beziehungen. Große nationalspezifische Divergenzen!!!!

Institutionalisierung des Lohnkonfliktes Historie, z.B.: Koalitions- und Streikrecht in Preußen 1869 Anerkennung der Gewerkschaften als Tarifvertragsparteien 1890, endgültig 1918 Betriebsrätegesetz 1920 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) 1952 Folgen: Legitimität der Arbeitnehmerinteressen Kanalisierung und Verrechtlichung der Konflikte Abnehmende Streikhäufigkeit Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildeten sich im Zuge langer sozialer und politischer Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Unternehmen geregelte Formen zur Austragung des industriellen Konfliktes heraus. Dieser Prozess wird als Institutionalisierung des Lohnkonflikts (Ralf Dahrendorf) begriffen: es werden die verschiedenen Formen der Interessenvertretung geschaffen, ihre Gegenstände und die dabei zulässigen Mittel durch staatliche Gesetze oder freie Vereinbarung der Konfliktparteien festgelegt. Die verschiedenen Ebenen auf der Folie erklären…. Ergebnis dieses historischen Prozesses ist ein relativ stabiles institutionelles Arrangement des deutschen Systems der industriellen Beziehungen. Große nationalspezifische Divergenzen!!!!

System der industriellen Beziehungen I: Gefüge substantieller und prozeduraler Regeln Einsatz- und Verkaufsbedingungen von Arbeitskraft Prozeduren zur Festlegung dieser Bedingungen Kern des Systems: Kollektivvertrag zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Logik des Systems: Bündelung der Ressourcen der Arbeitnehmer Gleichrangigkeit der Verhandlungspositionen Begriffe auf Folie erläutern… Wenn es heute auch üblich ist, dass Bewerber für höhere Positionen ihr Gehalt und ihre Arbeitsbedingungen individuell aushandeln, so gilt doch in Deutschland für die große Mehrheit der Beschäftigten, dass diese Bedingungen kollektiv durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen geregelt werden, die für größere Beschäftigtengruppen gelten Die Gründe für die Bedeutung kollektivvertraglicher Regelungen liegen auf der Hand: Arbeitskräfte sind, solange sie individuell agieren, ein sehr schwacher Akteur auf dem Arbeitsmarkt. Sie können in der Regel nicht warten, bis sie ein akzeptables Arbeitsangebot erhalten, sondern sie stehen unter dem Druck sich materiell zu reproduzieren; die „Ware“ Arbeitskraft hat marktstrategisch eine sehr ungünstige Position. Die Arbeitgeberseite verfügt demgegenüber in der Regel über ausreichende materielle Ressourcen, die ihr zu dem für Verhandlungsprozesse mit Arbeitssuchenden notwendigen „langen Atem“ verhilft. Erst kollektivvertragliche Regelungen verschaffen beiden Parteien eine annähernd gleichrangige Position, insofern als diese der Seite der Arbeitskräfte ein gewisses Maß an materieller und sozialer Absicherung garantieren und die Arbeitnehmerseite den Arbeitgebern damit glaubhaft mit Ressourcenentzug, d.h. Arbeitsniederlegung drohen kann. Vor allem dadurch ist es den Arbeitskräften möglich als autonomer und relativ gleichberechtigter Verhandlungspartner zu agieren

Das System der industriellen Beziehungen II: Institutionengefüge: Dualität, Intermediarität, Verrrechtlichung, Zentralisierung Kapital und Arbeit als kollektive Akteure: Verbände, Management, Betriebsrat Dritte Partei: Staat Rahmenbedingungen und Garantie der Tarifautonomie - Verrechtlichung Die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände gehören zu den wichtigsten Akteuren im System der industriellen Beziehungen. Sie können als kollektive Akteure begriffen werden, insofern sie ein Aggregat individueller Akteure darstellen, zugleich aber als ganze handlungsfähig sind Ergänzung zu Akteuren: Verrechtlichung ist dabei Resultat des Einflusses des Staates als dritte Partei im industriellen Konflikt, der damit einerseits den kollektiven Akteuren Rahmenbedingungen setzt, andererseits ihnen damit aber auch ein hohes Maß an Handlungsautonomie verschafft. Institutionengefüge wird mit insgesamnt vier Merkmalen beschrieben – in Deutschland!!!! Vgl. die folgenden Notizen

Zum Institutionengefüge: Dualität: überbetriebliche und betriebliche Ebene Intermediarität der Arbeitnehmerseite: Vermittlung zwischen Arbeitnehmerinteressen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten Verrechtlichung: Rechtsnormen für Verhandlungsthemen und Prozeduren Zentralisierung: Verhandlungspartner als kollektive Akteure mit hierarchischer Führung

Überbetriebliche Ebene Betriebliche Ebene „Duales“ System der Interessenvertretung in Deutschland: Überbetriebliche Ebene Gewerkschaften Arbeitgeberverbände Betriebliche Ebene Betriebsrat Management

6.2 Betriebliche Ebene

Merkmale der betrieblichen Ebene: Verhandlungsgegenstand: Einsatz-bedingungen von Arbeitskraft Handlungsspielraum des Betriebsrats bestimmt Betriebsverfassungsgesetz Betriebsrat vertritt die gesamte Belegschaft (Ausnahme: „Leitende“) Gesamte Belegschaft wählt den Betriebsrat - - nicht nur Gewerkschaftsmitglieder Auf der betrieblichen Ebene der Konfliktaustragung werden die konkreten Einsatzbedingungen der Arbeitskraft im Arbeitsprozess geregelt, z.B. die tatsächliche Einkommenshöhe und Arbeitszeiten, organisatorische Arbeitsbedingungen und Formen des Personaleinsatzes. Die Konfliktparteien sind das Management und der Betriebsrat, der die eigenständige und repräsentative Interessenvertretung der Belegschaft eines Betriebes ist. Er wird von der gesamten Belegschaft - nicht nur von den Gewerkschaftsmitgliedern – gewählt, ausgenommen hiervon sind die leitenden Angestellten.

Betriebsverfassungsgesetz (1952/72/99) regelt die Rechte des Betriebsrats: 1. Erzwingbare Mitbestimmungsrechte insbesondere in „sozialen“ Angelegenheiten, z.B.: - Entlohnungsmethoden, Arbeitszeiten - menschengerechte Arbeitsgestaltung - personelle Angelegenheiten: Auswahlkriterien für Personalentscheidungen - Sozialplan bei Betriebsschließungen Management muss mit BR verhandeln!

Betriebsverfassungsgesetz (1952/72/99) regelt die Rechte des Betriebsrats: 2. Widerspruchs- bzw. Vetorechte insbesondere in „personellen“ Angelegenheiten - Einstellungen, Versetzungen, Kündigung Zustimmung des BR erforderlich 3. Informationsrechte vor allem in „wirtschaftlichen“ Angelegenheiten Informationspflicht des Managements

Betriebsverfassungsgesetz (1952/72/99) regelt die Pflichten des Betriebsrats: BR ist zur „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit dem Management verpflichtet Zusammenarbeit mit Management „zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes“ „Friedenspflicht“ des BR, kein Streikrecht BR als Vermittlungs-, Beschwerde- und Schlichtungsinstanz Intermediarität des BR, d.h. nicht nur Interessenvertreter

Die Rolle von Betriebsräten Organ des Interessenausgleichs zwischen Management und Belegschaft Konflikte werden kooperativ verarbeitet Betriebsrat ist in der Regel nicht Vertreter von Gewerkschaftsinteressen Betriebsrat orientiert sich an der Situation seines Unternehmens Einfluss abhängig von der Betriebsgröße Politik des „Co-Managements“ ist weit verbreitet

Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften Paritätisch: Montanindustrie, Kapital-gesellschaften ab 1000 Besch., 1951/56 Unterparitätisch: Kapitalgesellschaften ab 2000 Besch., 1976 Drittelparitätisch: Kapitalgesellschaften 500 bis 1000 Besch., 1952/72 Besonderheit des deutschen Systems

Unternehmensmitbestimmung – Regeln im Einzelnen Paritätisch Unterparitätisch Drittelparitätisch Aufsichtsrat 5 Anteilseigner 50% Anteilseigner 2/3 Anteilseigner 5 Arbeitnehmer 50% Arbeitnehmer 1/3 Arbeitnehmer 1 Neutraler 1 Leitender Angest. Vorsitzender i.d.R. Anteilseigner Vorsitzender, Anteilseigner mit doppeltem Stimmrecht Vorstand Arbeitsdirektor bestimmt von AN-Seite Arbeitsdirektor bestimmt durch Mehrheit im AR

6.3 Überbetriebliche Ebene

Überbetriebliche Ebene: Reguliert werden die Verkaufsbedingungen von Arbeitskraft Rechtliche Basis: Koalitions- und Streikrecht (GG Art. 9) Arbeitgeberverbände vs. Gewerkschaften Tarifverträge haben Rechtsgeltung Genereller Rahmen ist Arbeitsrecht Tarifautonomie als besonderes gesellschaftliches Teilsystem

Politische Funktion von Tarifverträgen Schutz der Arbeitnehmer vor wirtschaft-licher Macht Wahrung des Arbeitsfriedens während der Laufzeit Festlegung von Mindeststandards der Arbeit Verteilung von Einkommen und Anteil am Sozialprodukt Entscheidend ist die bargaining power der Verhandlungspartner

Verhandlungsprozess Drei Stufen: Verhandlung, Schlichtung, Streik In der Regel Einigung durch Verhandlungen Streik als „ultima ratio“ Aussperrung als Reaktion der Arbeitgeber Schlichtung: Beilegung von Konflikten vor Streik durch Beteiligung eines neutralen Dritten Streik und Aussperrung: wechselseitiger Ressourcenentzug Streik als „Preiskampf auf dem Arbeitsmarkt“ Unter Schlichtung ist ein Verfahren zur Beilegung von Regelungsstreitigkeiten oft durch die Intervention eines am Konflikt nicht beteiligten, neutralen Dritten zu verstehen

Der Streik, Robert Koehler 1893 (Ruhrbergarbeiterstreik von 1889)

Durchschnittliche Streikdauer in Tagen in Deutschland 32,2 Streik lässt sich definieren als „Preiskampf am Arbeitsmarkt“. Zu unterscheiden ist dabei zwischen offiziellen bzw. gewerkschaftlich organisierten Streiks und spontanen bzw. inoffiziellen Streiks. Letztere sind ein Indiz für das nicht immer reibungslose Verhältnis zwischen Arbeitnehmerschaft und gewerkschaftlicher Politik. Die Arbeitgeberseite hat die Möglichkeit, auf Streiks mit dem Instrument der Aussperrung, d.h. eine befristete Nichtbeschäftigung zu reagieren. Generell folgen Arbeitskämpfe der Logik des wechselseitigen Entzugs von Ressourcen, wobei allerdings Streik in der Regel von allen Beteiligten als ultima ratio der Tarifauseinandersetzungen angesehen wird. Historisch gingen die Streikaktivitäten mit der wachsenden Anerkennung der Gewerkschaften und des Tarifvertragswesens deutlich zurück. 14,6 4,9 3,0 1 2 3 4 Quelle 1-3: Müller-Jentsch 1997: S. 169 Quelle 4 : Wirtschaftskammern Österreich, 2007

Historische Phasen der Gewerkschaften in Deutschland Ab 1848/1850: Organisierung der qualifizierten Handarbeiter („Handwerkerelite“) in Berufsverbänden Richtungs-gewerkschaften Ab 1890: Organisierung der Fabrikarbeiter („Industrieproletariat“) in Industriegewerkschaften Ab 1900: Organisierung der Angestellten und Beamten in Angestellten-/Beamten Verbänden 1933 – 1945: Verbot der Gewerkschaften, Zwangsorganisierung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) Ab 1949: Organisierung von Arbeitern, Angestellten und Beamten; Wiedergründung in einheitlichen Industriegewerkschaften Einheitsge-werkschaften Ab 1990: Organisierung von Arbeitern, Angestellten und Beamten in einheitlichen Multibranchengewerkschaften (Gewerkschaftsfusionen) sowie Aufkommen von Stände-/Berufsgewerkschaften In Deutschland wurden zunächst hauptsächlich berufsorientierte Gewerkschaften gegründet, z.B. 1840 die Leipziger Buchdrucker, 1865 der Zentralverband für Tabakarbeiter; 1867 der Verein Deutscher Lokomotivführer, dessen Hauptziel es war, durch die Einrichtung einer Hilfskasse die Versorgung der auf Grund der hohen Arbeitsbelastung und damit einhergehenden Krankheiten oft sehr frühzeitig aus dem Beruf ausscheidenden Lokführer zu sichern. Daneben konstituierten sich übergreifende Interessenverbände wie im August 1848 die „Allgemeine deutsche Arbeiterverbrüderung“ und 1863 der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) mit dem Vorsitzenden Ferdinand Lassalle. Ausgesprochene Industriegewerkschaften entstanden ab 1890; zunächst wurden Gewerkschaften der Hilfsarbeiter, 1891 wurde der deutsche Metallarbeiterverband, 1893 der deutsche Holzarbeiterverband gegründet. Eine Dachorganisation wurde erstmals 1919 geschaffen, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB). Bis zum Ende der Weimarer Republik fand sich ein breites Spektrum verschiedener Gewerkschaften, die vor allem in politischer und beruflicher Hinsicht sehr fragmentiert waren. Die Ausnahme von Prinzip der Industriegewerkschaft bilden einige kleinere, recht unbedeutende Organisationen. Zu nennen sind hier der Christliche Gewerkschaftsbund (CGB), der Deutsche Beamtenbund (DBB) oder kleinere berufsständisch orientierte Verbände wie die Pilotenvereinigung Cockpit und die Gewerkschaft der Lokführer (GdL), Marburger Bund. nach Müller-Jentsch 2007

Anteil der Gewerkschaftsmitglieder im DGB an den abhängig Erwerbstätigen in % Ende 2006 sind im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) acht Einzelgewerkschaften zusammengefasst, die insgesamt rd. 6,6 Mio. Mitglieder hatten. Gemessen an der Zahl der Mitglieder ist die IG Metall mit mehr als 2,3 Mio. Mitgliedern die größte und die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (verdi) mit knapp 2,3 Mio. Mitgliedern die zweit größte Gewerkschaft. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist mit rd. 171.000 Mitgliedern die kleinste Gewerkschaft. Der durchschnittliche Organisationsgrad, nämlich der Anteil der in Gewerkschaften organisierten Arbeitnehmer an den abhängigen Erwerbstätigen insgesamt, ist seit längerem von einem deutlichen Rückgang gekennzeichnet. Er betrug 1995 25,5% und 2005 17,7% 1 2 3 4 5 6 7 Quelle 1-3: IWD 2004 Quelle 4: Deutschland in Zahlen, Ausgabe 2005 Quelle 5: Deutschland in Zahlen, Ausgabe 2006 Quelle 6: Deutschland in Zahlen, Ausgabe 2007 Quelle 7: Deutschland in Zahlen, Ausgabe 2009

Akteure: Organisationsprinzipien deutscher Gewerkschaften Einheitsgewerkschaft: keine politische Richtungsgewerkschaft Industrieverband: Keine Sparten-/Berufsgewerkschaft, sondern Organisierung nach Branchen Alleinvertretung/Tarifeinheit: In der Regel: ein Unternehmen – eine Gewerkschaft Freiwilligkeit: Mitgliedschaft, Massenorganisation

Akteure: Arbeitgeberverbände Arbeitgeberverbände: sozial- und tarifpolitischer Interessen (BDA) Wirtschafts- und Industrieverbände: wirtschaftspolitische Interessen (BDI) Öffentlich-rechtliche Industrie- und Handelskammern: regionale Interessen (DIHT) Generell: regionale Organisierung, fragmentiert und wenig zentralisiert Organisationsproblem: Konkurrenz und Strukturdivergenzen

Überbetriebliche Branchenebene Betriebliche Ebene Überbetriebliche Branchenebene Kontrahenten Management - Betriebsrat Arbeitgeberverbände - Gewerkschaften Normierung durch BetrVerfG, Verordnungen, TarifVe, Betriebsvereinbarung TarifVG; Freie Vereinbarungen z.B. Schlichtungsabkommen Gegenstände „Einsatzbedingungen der Arbeitskraft“ Arbeitsbedingungen, Entloh-nungsformen , Arbeitszeiten, Personalpolitik, Regelungen bei Umsetzungen und Entlassungen „Verkaufsbedingungen der Arbeitskraft“ Lohn und Gehalt, Regel-arbeitszeit, Urlaub, generelle Arbeitsbedingungen, Grundlohn-differenzierung Instrumente „Mitbestimmung“ Verhandlung, Information und Beartung; bei Nichteinigung: Einigungsstelle und Arbeitsgericht „Tarifautonomie“ Kollektivverhandlungen, Streik und Aussperrung Praxis „kooperative Konfliktverarbeitung“ „Sozialpartnerschaft – antagonistische Kooperation“ Das „duale System“ Die Institutionen des Systems der industriellen Beziehungen können insgesamt als ein Regelungssystem begriffen werden, das Ergebnis eines durch staatliche Vermittlung hergestellten Interessenkompromisses ist. Unmittelbar greifbar wird dieser Zusammenhang an der ausgeprägten Verrechtlichung des Verhandlungssystems und seiner damit zusammenhängenden dualen Struktur. Seine grundlegenden Regelungen und Praktiken lassen sich wie folgt zusammenfassen Hinweis auf Grundlogik/Tradition der Konfliktlösungspraxis in Deutschl.

Industrielle Beziehungen als korporatistisches System Politisches System: Staat Das System der industriellen Beziehungen ist auf einer gesellschaftlichen Mesoebene zwischen der übergreifenden Makroebene der Gesellschaft einerseits und der Mikroebene sozialen Handelns andererseits angesiedelt. Bezeichnet wird damit ein spezifisches Muster der Abstimmung und Integration konfligierender Interessen und Strategien kollektiver Akteure im Rahmen eines vergleichsweise stabilen sozialen Teilsystems. Dieses System übernimmt grundlegende gesellschaftliche Koordinationsfunktionen in einem zentralen Funktionsbereich wirtschaftlichen Handelns, nämlich die Abstimmung der divergierenden Interessen zwischen den beiden Parteien Kapital und Arbeit. Stabilisiert wird dieses System dabei allerdings stets durch rechtliche Regelungen des Staates, der daher die mehr oder weniger sichtbare „dritte Partei“ im deutschen System der industriellen Beziehungen anzusehen ist. Kategorial kann dieser Systemzusammenhang als Korporatismus bezeichnet werden. Verstanden wird darunter die institutionalisierte Verschränkung divergierender Interessen, vor allem Verbände und Parteien, im Rahmen politischer Entscheidungen. Ihre grundlegende Funktion ist die der Integration und Konsensbildung mit einer offensichtlich hohen Elastizität der eingespielten Strukturen. Zusammengeführt werden in diesem System divergierende Interessen kollektiver Akteure mit spezifischen Interdependenzen. Entscheidend dafür, dass dieser Ausgleich wirksam wird, sind allerdings die je gegebenen institutionellen Regelungen, die wie im Fall des deutschen Systems der industriellen Beziehungen in hohem Masse konfliktregulierend wirken können. Es handelt sich mithin um ein soziales System, dass in hohem Masse integrative Funktionen hat, insofern als divergierende Interessen miteinander verschränkt werden und interessen- und positionsbedingte Konfliktlinien entschärft. Neben diesen Effekten des Konfliktausgleichs weist dieses System allerdings ausgesprochene Schließungstendenzen auf. Jene, die diesem System nicht angehören, finden kein Gehör. Ein Beispiel hierfür ist die in diesem Rahmen einflusslose Position von Arbeitslosen, da sich die Verhandlungsprozesse im System der industriellen Beziehungen weithin nur auf die Interessen der Arbeitsplatzbesitzer beziehen. Verbände: „eigene“ Handlungsbereiche, Institutionalisierte Konfliktregelung Gesellschaftliche Handlungsfelder und Regelungsbedärfe Institutionalisierte Integration divergierender Interessen Zugleich Schließung und Exklusion von „Randinteressen“

6.4 Entwicklungstendenzen

Entwicklungstrends Nachlassende Bindungsfähigkeit der Verbände – Mitgliedererosion Neue Unternehmen: oft niedrige Organisationsgrade, kein Mitglied im AG-Verband Wachsende Bedeutung von Berufsgewerkschaften Lufthansa: VCockpit, UFO (Unabhängige Flubegleiter Organsiation, Vereinigung Boden (in FRA), DBahn: GDL, EVG - Krankenhäuser: Marburger Bund Tendenz zur Erosion des Flächentarifs, Fragmentierung und der Verbetrieblichung

Verbetrieblichung I Tarifliche Öffnungsklauseln für ökonomische Sondersituationen einzelner Betriebe „Betriebliche Beschäftigungspakte“: Reduktion von Personalkosten und Flexibilisierung der Arbeitszeit gegen Sicherung von Beschäftigung Mehrere Gewerkschaften und Tarifverträge in einem Unternehmen Generelle Tendenz zur Erosion der Tarifeinheit Hinzu kommt, dass die eingespielten überbetrieblichen Austauschbeziehungen zwischen Kapital und Arbeit seit längerem weit deutlicher als jene auf der betrieblichen Ebene einem Wandlungsprozess unterliegen. Sowohl die Arbeitgeberseite - in der industriesoziologischen Debatte weitgehend ausgeblendet - als auch die Gewerkschaften haben ganz offensichtlich an Regulationsstärke und Bindungskraft verloren. Die in den letzten Jahren in beiden Fällen doch deutlich abnehmenden Organisationsgrade sind hierfür hinreichende Indizien (s.o.). Wachsende Bedeutung von Spartengew. im öffentl. Dienst; z.B.: Lufthansa: VCockpit, UFO (Unabhängige Flubegleiter Organsiation, Vereinigung Boden (in FRA), DBAG: GDL, Transnet, GdBA, Krankenhäuser: Marburger Bund. Teilweise heftige Konkurrenz zu VERDI; Gründe: Strategie der Unternehmensdifferenzierung mit divergenten Gehaltsstrukturen Teilweise professionelle Orientierung, Tradition und Schlüsselstellungen der Beschäftigtengruppen (Lokführer!) Gescheiterte Integrationspolitik des Großverbandes VERDI Begleitet sind diese Entwicklungstendenzen allerdings von einer generellen Verlagerung von Regelungskompetenzen von der tariflichen auf die betriebliche Ebene - die Rede ist hier von Verbetrieblichung. Diese umfasst einmal Fragen der betriebsspezifischen Nutzung bestehender Handlungsspielräume etwa in Hinblick auf eine verstärkte betriebsorientierte Arbeitszeitgestaltung, zum anderen die Entscheidung darüber, ob tarifliche Spielräume, etwa sog. tarifliche Öffnungsklauseln, für die Reduktion der Tarifentgelte genutzt werden sollen.

Verbetrieblichung II Widersprüchliche Konsequenzen der Verbetrieblichung für Betriebräte: einerseits vermehrt Rolle des „Co-Managers“ andererseits „concession bargaining“ Auf betrieblicher Ebene neue Vertretungsmuster durch dezentrale Arbeitsformen/integrative Systeme Generell: Kontinuität und Wandel des deutschen Systems Widersprüchliche Stabilität Co-Managern gedrängt Zum einen werden sie mit Problemen und Herausforderungen, beispielsweise die Gestaltung von Gruppenarbeit und die Entwicklung neuer Lohnsysteme, konfrontiert, die nicht nur weit über ihre bisherigen Kompetenzen und Handlungsfelder hinaus gehen, sondern durchaus auch originäre Managementfunktionen einschließen Mit dem ständigen Verweis auf die verschärfte Konkurrenzsituation vom Management zu einem concession bargaining genötigt werden.. Zum anderen werden ihnen unter dem Label „Beschäftigungssicherung“ weitreichende Zugeständnisse bei bislang gesicherten materiellen Regelungen wie etwa die Bezahlung von Überstunden und Schichtzulagen abverlangt Verantwortlich hierfür sind die skizzierten neuen Produktionskonzepte, flexibilisierte Arbeitsformen und dezentralisierte ausdifferenzierte Unternehmensstrukturen, die bisherige Verhandlungsthemen wie etwa standardisierte Arbeitszeitregelungen obsolet werden lassen und mit denen sich in vielen Fällen eine direktere Partizipation der Beschäftigten an bestimmten betrieblichen Entscheidungsprozessen verbindet. Die unmittelbaren Austauschbeziehungen zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten werden gestärkt und Beschäftigte avancieren „von Anweisungsempfängern zu Verhandlungspartnern“Damit steht das Verhältnis zwischen den repräsentativen Formen der betrieblichen Mitbestimmung und einer direkten Beteiligung der Beschäftigten am Arbeitsplatz zur Debatte bzw. aus der Sicht vieler Arbeitnehmer werden herkömmliche Formen der Interessenvertretung unwichtiger.

Ausgewählte Literatur Deutschmann, C. 2002: Postindustrielle Industriesoziologie. Weinheim/München, Kap. 4.3.3 Keller, B. 1997: Einführung in die Arbeitspolitik. München/Wien, Kap. 1-11 Müller-Jentsch, W. 1997: Soziologie der Industriellen Beziehungen. Eine Einführung. 2. erweiterte Aufl., Frankfurt/New York Schröder, W.; Weßels, B. (Hg.) 2003: Die Gewerkschaften in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden