5. und 6. Oktober 2009, Bonn-Bad Godesberg Hand in Hand?! Ältere zugewanderte Menschen in Familie und Gesellschaft 2. Fach- und Vernetzungstagung des Forums für eine kultursensible Altenhilfe 5. und 6. Oktober 2009, Bonn-Bad Godesberg Migration und Familie: Intergenerationale Beziehungen in vergleichender Perspektive Dr. Helen Baykara-Krumme Institut für Soziologie, Technische Universität Chemnitz Kontakt: helen.baykara@phil.tu-chemnitz.de
Gliederung 1. Einführung und zentrale Fragestellung 2. Diskurse und Befunde * Generationenbeziehungen in der einheimischen Bevölkerung * Generationenbeziehungen im Migrationskontext 3. Vergleichende Daten zu Generationenbeziehungen 4. Zusammenfassung und Ausblick
Migration und Familie: Intergenerationale Beziehungen in vergleichender Perspektive
Migration und Familie – Generationenbeziehungen in vergleichender Perspektive Widersprüchliche Bilder von Generationenbeziehungen in Migrantenfamilien * harmonisch, solidarisch = großes Familienpotenzial * intergenerationale Konflikte, Isolation = geringes Familienpotenzial Bröckeln in der Migration die Familienbezüge oder haben sich Zugewanderte etwas bewahrt, wovon Einheimische nur träumen können? Wie steht es um die Familienpotenziale der in Deutschland lebenden Zugewanderten im mittleren und höheren Alter im Vergleich zu den Einheimischen?
Quelle: Stat. Jahrbuch 2008
Modell der „Intergenerationalen Solidarität“ Migration und Familie – Generationenbeziehungen in vergleichender Perspektive Modell der „Intergenerationalen Solidarität“ (vgl. Bengtson & Roberts 1991) Wohnentfernung (Strukturelle Dimension) Kontakthäufigkeit (Assoziative Dimension) Emotionale Verbundenheit (Affektive Dimension) Austausch von Unterstützungsleistungen (Funktionale Dimension) Konflikthäufigkeit (Konflikt-Dimension)
Generationenbeziehungen in einheimischen Familien Demographischer Wandel: Steigende Lebenserwartung, Rückgang der Geburtenzahlen = Kleinere Unterstützungsnetzwerke für ältere Menschen; zugleich Potenzial für Unterstützung „von oben nach unten“ Lange Zeit Annahme eines Zerfalls des erweiterten Familienverbandes; Teil der Diskussion um die „Krise der Familie“ Heute: „Multilokale Mehrgenerationenfamilie“ mit intensiven (Unterstützungs-)Beziehungen „Die Netzwerke zwischen Familiengenerationen leisten somit einen bedeutenden Beitrag zur sozialen Wohlfahrt. Sie wirken als „Versicherung“ für die sog. Lebenslaufrisiken von Kindern, als Unterstützung der elterlichen Erziehungsleistungen und als Quelle für Pflegeleistungen. Ebenso bedeutend ist ihr Beitrag zur gesellschaftlichen Integration der Altersgruppen und Generationen“ (Kohli 2009, 94).
Generationenbeziehungen im Migrationskontext Kultureller Herkunftskontext * Oft ausgeprägte Familienorientierung („starke Familien“ in südeuropäischen Ländern) * Einfluss der sozialen Sicherungssysteme: Fehlende Alternativen zu familialer Hilfe * Aber familiale Unterstützung auch in Ländern mit gut ausgebauten sozialen Sicherungssystemen = keine Verdrängung, sondern Ergänzung * Forschung: Verschiedene Hilfearten und -intensität
Generationenbeziehungen im Migrationskontext Migrationserfahrung * „De-Solidarisierung“ = Schwächung des Familienzusammenhangs, Entfremdung - Räumliche Trennung, Generationenkonflikte * „Solidarisierung“ = Stärkung des Familienzusammenhangs, Rückzug in die Familie - Fehlende alternative soziale Netzwerke, Transmission kultureller Werte besonders wichtig Wie gestalten sich die Generationenbeziehungen in der zweiten Lebenshälfte?
Generationenbeziehungen der 40 bis 85-jährigen Zugewanderten in Deutschland ELTERN Finanzieller Transfer Z Instrumentelle Hilfe Erw. KIND
ELTERN ELTERN Erw. KIND Erw. KIND Vergleich mit den 40 bis 85-jährigen Einheimischen in Deutschland ELTERN ELTERN Finanzieller Transfer Z E Instrumentelle Hilfe Erw. KIND Erw. KIND
ELTERN ELTERN Erw. KIND Erw. KIND Vergleich mit den 40 bis 85-jährigen Einheimischen in Deutschland ELTERN ELTERN Finanzieller Transfer Z E Alterssurvey 2002 (DZA) mit N= 752 Zugewanderte und N= 2904 Einheimische Instrumentelle Hilfe Erw. KIND Erw. KIND
Wohnentfernung zu den Eltern Wie weit wohnen Ihre Eltern zur Zeit von Ihnen entfernt? 1 Koresidenz = im gleichen Haushalt oder Haus 2 Am gleichen Ort 3 Weiter weg in Deutschland 4 Im Ausland
Wohnentfernung zu den Eltern Quelle: Alterssurvey
Wohnentfernung zu den Eltern Quelle: Alterssurvey
Emotionale Verbundenheit mit den Eltern Wie eng fühlen Sie sich mit Ihren Eltern heute verbunden? ► (sehr) eng, % Quelle: Alterssurvey
Emotionale Verbundenheit mit den Eltern Wie eng fühlen Sie sich mit Ihren Eltern heute verbunden? ► (sehr) eng, % Quelle: Alterssurvey
Wohnentfernung zu erwachsenen Kindern Wie weit entfernt lebt das nächstwohnende erwachsene Kind? 1 Koresidenz = im gleichen Haushalt oder Haus 2 Im gleichen Ort
Gemeinsames Wohnen mit mind. einem erwachsenen Kind im selben Haus, % Quelle: Alterssurvey
Gemeinsames Wohnen mit mind. einem erwachsenen Kind im selben Haus, % Quelle: Alterssurvey
Wohnentfernung zu nächstem erwachsenen Kind: Im selben Haus bzw Wohnentfernung zu nächstem erwachsenen Kind: Im selben Haus bzw. im selben Ort, % Quelle: Deutscher Alterssurvey 2002. Quelle: Alterssurvey
Kontakthäufigkeit mit erwachsenen Kindern Wie oft haben Sie Kontakt zu Ihrem erwachsenen Kind (z.B. Besuche, Briefe,Telefonate)? ► mind. einmal in der Woche, % Quelle: Alterssurvey
Emotionale Verbundenheit mit erwachsenen Kindern Wie eng fühlen Sie sich mit Ihrem erw. Kind verbunden? ► (sehr) eng, % Quelle: Alterssurvey
Konflikte mit erwachsenen Kindern Konflikte mit erwachsenen Kindern werden von Eltern kaum berichtet In Studien zu Jugendlichen: Bei einzelnen Themen häufiger Konflikt in Migrantenfamilien, insgesamt aber wenig Unterstützung für die „Konfliktthese“, vielmehr „übliche Auseinandersetzungen“
Konflikte mit erwachsenen Kindern und Einstellung zur Rolle der Familie Konflikte mit erwachsenen Kindern werden von Eltern kaum berichtet In Studien zu Jugendlichen: Bei einzelnen Themen häufiger Konflikt in Migrantenfamilien, insgesamt aber wenig Unterstützung für die „Konfliktthese“, vielmehr „übliche Auseinandersetzungen“ Zustimmung Aussage „In erster Linie sollte die Familie für ihre älteren Angehörigen verantwortlich sein“ (%) Einheim. Migranten …Türkei …Ex-JU …Italien …Ex-SU „Stimme voll zu“ 13 26 35 24 23 33
Konflikte mit erwachsenen Kindern und Einstellung zur Rolle der Familie Konflikte mit erwachsenen Kindern werden von Eltern kaum berichtet In Studien zu Jugendlichen: Bei einzelnen Themen häufiger Konflikt in Migrantenfamilien, insgesamt aber wenig Unterstützung für die „Konfliktthese“, vielmehr „übliche Auseinandersetzungen“ Zustimmung Aussage „In erster Linie sollte die Familie für ihre älteren Angehörigen verantwortlich sein“ (%) Einheim. Migranten …Türkei …Ex-JU …Italien …Ex-SU „Stimme voll zu“ 13 26 35 24 23 33
Kognitive Unterstützungspotenziale Wenn Sie wichtige persönliche Entscheidungen zu treffen haben: Haben Sie jemanden, den Sie um Rat fragen können? (%) Ein- heimische Migranten … Türkei … Ex-JU … Italien … Ex-SU Eltern 22 12 2 20 27 Erw. Kinder 39 38 49 36 44 Geschwister 19 16 6 14 Andere Verwandte 8 7 9 Andere Personen 30 24 11 33 23 Quelle: Alterssurvey
Kognitive Unterstützungspotenziale Wenn Sie wichtige persönliche Entscheidungen zu treffen haben: Haben Sie jemanden, den Sie um Rat fragen können? (%) Ein- heimische Migranten … Türkei … Ex-JU … Italien … Ex-SU Eltern 22 12 2 20 27 Erw. Kinder 39 38 49 36 44 Geschwister 19 16 6 14 Andere Verwandte 8 7 9 Andere Personen 30 24 11 33 23 Quelle: Alterssurvey
Kognitive Unterstützungspotenziale Wenn Sie wichtige persönliche Entscheidungen zu treffen haben: Haben Sie jemanden, den Sie um Rat fragen können? (%) Ein- heimische Migranten … Türkei … Ex-JU … Italien … Ex-SU Eltern 22 12 2 20 27 Erw. Kinder 39 38 49 36 44 Geschwister 19 16 6 14 Andere Verwandte 8 7 9 Andere Personen 30 24 11 33 23 Quelle: Alterssurvey
Kognitive Unterstützungspotenziale Wenn Sie wichtige persönliche Entscheidungen zu treffen haben: Haben Sie jemanden, den Sie um Rat fragen können? (%) Ein- heimische Migranten … Türkei … Ex-JU … Italien … Ex-SU Eltern 22 12 2 20 27 Erw. Kinder 39 38 49 36 44 Geschwister 19 16 6 14 Andere Verwandte 8 7 9 Andere Personen 30 24 11 33 23 Quelle: Alterssurvey
ELTERN ELTERN Erw. KIND Erw. KIND Faktische Unterstützung Geldtransfers (blau) und Hilfe im Haushalt, Garten, beim Einkauf (orange) im Jahr vor dem Interview, % ELTERN ELTERN Finanzieller Transfer Z E Instrumentelle Hilfe Erw. KIND Erw. KIND
Faktische Unterstützung Geldtransfers (blau) und Hilfe im Haushalt, Garten, beim Einkauf (orange) im Jahr vor dem Interview, % ELTERN ELTERN 3 8 16 Finanzieller Transfer 3 1 Z 4 E Instrumentelle Hilfe 6 24
Faktische Unterstützung Geldtransfers (blau) und Hilfe im Haushalt, Garten, beim Einkauf (orange) im Jahr vor dem Interview, % ELTERN ELTERN 3 8 16 Finanzieller Transfer 3 1 Z 4 E Instrumentelle Hilfe 6 24 ► Gewisse Unterschiede in den Generationenbeziehungen zu den eigenen Eltern; Hauptursachen: Geringere finanzielle Ressourcen der Eltern im Herkunftsland und größere Wohnentfernung
ELTERN ELTERN Erw. KIND Erw. KIND Faktische Unterstützung Geldtransfers (blau) und Hilfe im Haushalt, Garten, beim Einkauf (orange) im Jahr vor dem Interview, % ELTERN ELTERN Finanzieller Transfer Z E Instrumentelle Hilfe Erw. KIND Erw. KIND
ELTERN ELTERN Erw. KIND Erw. KIND Faktische Unterstützung Geldtransfers (blau) und Hilfe im Haushalt, Garten, beim Einkauf (orange) im Jahr vor dem Interview, % ELTERN ELTERN Finanzieller Transfer Z E Instrumentelle Hilfe 8 11 6 7 3 2 18 27 Erw. KIND Erw. KIND
Faktische Unterstützung Geldtransfers (blau) und Hilfe im Haushalt, Garten, beim Einkauf (orange) im Jahr vor dem Interview, % ► Gewisse Unterschiede in den Generationenbeziehungen zu den eigenen Kindern; aber bei Berücksichtigung von Zusammenleben UND Geldtransfers insgesamt ähnliche Unterstützungsmuster Finanzieller Transfer Z E Instrumentelle Hilfe 8 11 6 7 3 2 18 27 Erw. KIND Erw. KIND
Zusammenfassung und Ausblick Familie für Einheimische und Zugewanderte in der zweiten Lebenshälfte von großer Bedeutung Generationenbeziehungen sind emotional ähnlich eng Einheimische und Zugewanderte unterstützen Eltern und Kinder; aber: Art der Hilfe unterschiedlich Einheimische und Zugewanderte geben häufiger Hilfe als sie erhalten; Kinder und Eltern sind jedoch ein wichtiges Unterstützungspotenzial für (fast) alle betrachteten Migrantengruppen und Einheimische
Zusammenfassung und Ausblick Vorteil vergleichender Daten, aber: heterogene Bevölkerungsgruppe, problematisches Design der Studie
Zusammenfassung und Ausblick Vorteil vergleichender Daten, aber: heterogene Bevölkerungsgruppe, problematisches Design der Studie Fragilität sozialer Ressourcen nicht unterschätzen – jenseits von sozialpolitischer Dramatisierung und ethnisierender Verklärung * Verpflichtungen gegenüber Verwandten im Herkunftsland * Geringere Unterstützungsressourcen und größerer Hilfebedarf * Größere Erwartungen an die Familie
Zusammenfassung und Ausblick Vorteil vergleichender Daten, aber: heterogene Bevölkerungsgruppe, problematisches Design der Studie Fragilität sozialer Ressourcen nicht unterschätzen – jenseits von sozialpolitischer Dramatisierung und ethnisierender Verklärung * Verpflichtungen gegenüber Verwandten im Herkunftsland * Geringere Unterstützungsressourcen und größerer Hilfebedarf * Größere Erwartungen an die Familie Belastbarkeit der Familie insgesamt umstritten; Problem der Überlastung für Zugewanderte und Einheimische virulent
Zusammenfassung und Ausblick Vorteil vergleichender Daten, aber: heterogene Bevölkerungsgruppe, problematisches Design der Studie Fragilität sozialer Ressourcen nicht unterschätzen – jenseits von sozialpolitischer Dramatisierung und ethnisierender Verklärung * Verpflichtungen gegenüber Verwandten im Herkunftsland * Geringere Unterstützungsressourcen und größerer Hilfebedarf * Größere Erwartungen an die Familie Belastbarkeit der Familie insgesamt umstritten; Problem der Überlastung für Migranten und Einheimische virulent Funktionierende Generationenbeziehungen auch aus Sicht der Jugendlichen (neue, bundesweite PAIRFAM-Studie) ► Politik für Hilfsbedürftige UND deren (innerfamiliale) UnterstützerInnen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
5. und 6. Oktober 2009, Bonn-Bad Godesberg Hand in Hand?! Ältere zugewanderte Menschen in Familie und Gesellschaft 2. Fach- und Vernetzungstagung des Forums für eine kultursensible Altenhilfe 5. und 6. Oktober 2009, Bonn-Bad Godesberg Migration und Familie: Intergenerationale Beziehungen in vergleichender Perspektive Dr. Helen Baykara-Krumme Institut für Soziologie, Technische Universität Chemnitz Kontakt: helen.baykara@phil.tu-chemnitz.de
Unterstützungspotenziale Trost und Aufmunterung bei Traurigkeit % Ein- heimische Migranten M aus der Türkei M aus Ex-JU M aus Italien M aus Ex-SU Eltern 18 11 2 12 26 Erw. Kinder 34 33 35 28 46 40 Geschwister 14 13 5 21 Andere Verwandte 6 3 8 9 Andere Personen 29 23 38 19 17