5.1. Theorien der Siedlungsstruktur

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Heidelberg, November 2009 Stadtteilrahmenplan Altstadt - Entwicklungskonzept und Maßnahmenvorschläge Erste Sitzung des Runden Tisches Pro Altstadt am 10.
Advertisements

DER WIRTSCHAFTSKREISLAUF UND SEINE TEILNEHMER
Workshop der funktionsteiligen Mittelzentren des Landes Brandenburg
- 1 - Kleinstädte in ländlichen Räumen Projektziele: Untersuchung von deutschen Kleinstädten (bis 7000 Einwohner) in unterschiedlichen Typen ländlicher.
Ekkehard Nuissl von Rein Erfahrungen aus dem deutschen Programm
Das Modell «Hotelling»
Raumwirtschaftslehre
1. Wir können es: Der gesellschaftliche Reichtum ist vorhanden
Qualitätsmanagement an Schulen
Zentralörtliches System in Kanada
Weber´sche Standorttheorie (Alfred Weber, 1868 – 1958)
Theoretische Grundlagen der Regionalökonomik, Prof. Dr. van Suntum
Internet facts 2006-II Graphiken zu dem Berichtsband AGOF e.V. November 2006.
Wohnortwahl im Thünen-Modell
Einzelwirtschaft Rohstoffgewinnungsbetriebe Sachleistungsbetriebe
Metropolregion Frankfurt/ Rhein-Main Heidi Diener
AktivRegionen und Regionale Nahversorgung in Schleswig-Holstein
Der europäische Wirtschaftsraum
Heute: Scherenzange zeichnen
Internet für Alle – zwischen Euphorie und Ignoranz
EuropaRAThaus Erklärung Für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger „Wir einigen keine Staaten, wir verbinden Menschen“ (Jean Monnet) Anlässlich.
Vortrag Interreligiöses Lernen BGL A.Riggert
DISPARITÄTEN Disparität = räumliche Ungleichheit innerhalb einer Volkswirtschaft, „unausgeglichene Raumstruktur“ Ebenen: ökonomisch, sozial, kulturell,
Stadt- & Kulturraumentwicklung
Idée de progrès Fortschrittsidee.
Europawahl 2020 Wahlprogramm. PEF Partei Europäischen Fortschritts.
Innovationskongress Berlin, 27. Nov 2012
2.2. Regressionstest hierarchischer Stadtstruktur (Christaller-System)
BiTS Berlin Wintersemester 2013/2014
Dokumentation der Umfrage
3. Theorie der Regionalökonomie 3. 1
Die Angebote des LandfrauenService Gütersloh-Bielefeld
Where Europe does business Lück, JDZB | Seite © GfW NRW 252 a.
Was ist das GATS ? Definition
Warum ist Vereinbarkeit ein Thema?
Soziale Infrastruktur (IFIP) Analyse von Organisation und Träger von Bildung, Gesundheit & Sozialem Land NÖ, Gemeinden, private Organisationen oder Vereine.
Landesentwicklungspolitik"
Bundesrepublik Deutschland
FAMILIENERNÄHRERINNEN AUF DEM ARBEITSMARKT:
Ausserparlamentarische Kommission für die Revision des Tourismusgesetzes Fernand Nanchen / Pressekonferenz Vorentwurfvorstellung GESETZ ÜBER DEN.
Wie Ihre Geschäftsidee Realität wird von Martin Schulte
Förderungsmaßnahmen der Europäischen Union für die Stadtgebiete
ein gesegnetes neues Jahr 2009!
Stadtmanagement.
Raumentwicklungskonzept Schweiz
Leitbilder für die Raumentwicklung in Deutschland
Von Unternehmen und Unternehmern
Kommunalverschuldung in der Bundesrepublik Deutschland - Unterschiede, Ursachen, Handlungsbedarf - Erfahrungsaustausch "Finanzpolitik" des Deutschen.
Wer zahlt den Preis für unsere Kleidung?
Übung zur Regionalökonomie 24.Juni 2010
 Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 in britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszonen gegründet. Am 7. September 1949 verkündet.
noris inklusion gGmbH; Nürnberg
-lich Willkommen ProRegio.
Nachbar Deutschland Ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union © Werner Röhrig – Weilburg Comenius – Projekt „Lernwerkstatt zur europäischen Kultur“
Vorlesung Geschichtswissenschaft:
Demographische Entwicklungen und Herausforderungen in
Zentralität in der Geographie
Unternehmen, Betrieb und Firma
Die wirtschaftliche Dimension des Gesundheitssektors in der Region Basel Dr. Carlo Conti Referat vom 22. Februar 2008 Gesundheitsdepartement des Kantons.
Deutschland.
Engineering Region Darmstadt Rhein Main Neckar
Konfliktforschung I: Kriegsursachen im historischen Kontext
Schwerpunktbereich Einzel-handel
Engineering Region Darmstadt Rhein Main Neckar.
Wirtschaftliche Bedingungen und Stadtentwicklung I
Marketing Hans-Jürgen Bsirske.
Hessischer Nahversorgungstag am 4. November 2013, Frankfurt/M Dann kommt der Markt eben zum Kunden. Dr. Reinhard Steinkamp HEIKO rollende Lebensmittelmärkte,
Engineering Region Darmstadt Rhein Main Neckar.
Wirtschaftsförderung Konstanz Leitprojekt 7 Kompetenz- und Innovationszentrum II.
Tertiärisierung von Wirtschaft und Gesellschaft
 Präsentation transkript:

5.1. Theorien der Siedlungsstruktur Christaller/Lösch-Systeme Walter Christaller: Die zentralen Orte in Süddeutschland, Jena 1933 August Lösch: Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, Jena 1944 Ders.: The Nature of Economic Regions, Southern Economic Journal, Vol. 5 (1938), S. 71-78 U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Auszug aus dem Raumordnungsbericht 2000 (1) 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Auszug aus dem Raumordnungsbericht 2000 (1) Während in vielen europäischen Staaten nur ein bis zwei Metropolen die herausragenden internationalen Funktionen übernehmen, gibt es in Deutschland mehrere Zentren der internationalen Kommunikation mit einem hohen Grad der Bündelung und Vernetzung der großräumig bedeutsamen Verkehrsinfrastruktur, internationalen Messen und Ausstellungen, Headquarterfunktionen der Wirtschaft, von Handel, Banken, Versicherungen, hochrangigen Angeboten an Kultur- und Bildungsstätten, Produktionsstätten von Presse, Film und Fernsehen. U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Auszug aus dem Raumordnungsbericht 2000 (2) 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Auszug aus dem Raumordnungsbericht 2000 (2) Das System der Ober- und Mittelzentren prägt die Raumstruktur System zentraler Orte (von der Landesplanung ausgewiesen) ist grundlegend für das städtische Siedlungssystem in Deutschland System von Ober- und Mittelzentren soll - dezentral konzentriert - die Versorgung der Bevölkerung und Wirtschaft im Verflechtungsbereich der zentralen Orte mit infrastrukturellen Leistungen sichern Grundversorgung mit Arbeitsplätzen, öffentlichen und privaten Dienstleistungen in jeder Art von Zentrum realisiert Mittelzentren decken darüberhinaus den kurz- und mittelfristigen Versorgungsbedarf und Oberzentren den mittel- bis langfristigen Versorgungsbedarf U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Offizielle Definitionen 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Offizielle Definitionen Mittelzentrum: Versorgung der privaten HH mit Gütern und Diensten des gehobenen Bedarfs über die Gemeinde selbst hinaus Oberzentrum: dito für Deckung des spezialisierten höheren Bedarfs Festlegung jeweils durch Landespläne U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Zentrale Orte Es gibt 154 Ober- und 1086 Mittel-zentren in Deutschland. Ein Drittel der Bevölkerung lebt in den Oberzentren. Fast jeder (97 % der Bevölkerung) erreicht ein Oberzentrum innerhalb 60 Minuten PKW-Fahrzeit. Dies zeigt die ausgeprägte dezentrale städtische Siedlungsstruktur und die hohe Versorgungsqualität, auch wenn noch nicht alle Zentren in allen Teilräumen mit vergleichbaren Standards ausgestattet sind. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist damit über die ganze Bundesrepublik verteilt, mit vielfältigen regionalen und örtlichen Besonderheiten. U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Kammerbezirk Nord-Westfalen 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Kammerbezirk Nord-Westfalen 1 Oberzentrum (Münster) 31 Mittelzentren 46 Unterzentren U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Christallers Erklärung hierarchischer Orte 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Christallers Erklärung hierarchischer Orte (Ansatz ähnlich wie Launhardt/Hotelling) homogen verteilte Nachfrage räumlich konzentrierte Anbieter viele Anbieter mehrere Güterarten Berücksichtigung von Agglomerationsvorteilen ubiquitäre Produktionsfaktoren Transport- bzw. Anfahrtskosten (bei Dienstleistungen) Nachfrager kaufen bei nächstgelegenem Produzenten U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Christaller: vom Kreis zum Sechseck 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Christaller: vom Kreis zum Sechseck (sechs Berührungspunkte!) Vollständige Markterschließung Das Sechseck... ...ist das Polygon höchster Ordnung, mit dem eine Fläche vollständig ausgefüllt werden kann => d.h. es ist von allen flächenfüllenden Polygonen dem Kreis am ähnlichsten U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Tarifzonen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Tarifzonen des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Marktgebiete bei nur einem Gut 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Marktgebiete bei nur einem Gut Kurzfristig: Realisierung der Marktobergrenzen => jeder erzielt Gmax Marktobergrenze (Gmax) Marktuntergrenze (G = 0) Langfristig: Tendenz zur Marktuntergrenze (G = 0) Marktuntergrenze (G = 0) = Marktobergrenze (G = Gmax) U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Die drei kleinsten Marktgrößen bei nur einem Gut 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Die drei kleinsten Marktgrößen bei nur einem Gut (Punkte = Wohnorte der Nachfrager) Nr. 2 Nr. 1 Nr. 3 1/3 1 1/2 Nr. 1 2 3 Anzahl 3=1+6/3 4=1+6/2 7=1+6 U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Hinzutritt weiterer Güter 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Hinzutritt weiterer Güter Güter nach abnehmender Reichweite: Gut 1 (Nullgewinn) A Güter 2 und 3 (Übergewinne) B Gut 4 (Nullgewinn) C Güter 5 bis 8 (Übergewinne) Gut 9 (Nullgewinn) usw. A-Gebiet ist 3 mal so groß wie B-Gebiet, dieses 3 mal so groß wie C-Gebiet Orte mit höherer Zentralität bieten auch alle Güter niedrigerer Zentralität an Marktuntergrenzen hierarchischer Grenzgüter stoßen direkt aneinander Marktuntergrenzen von Gütern mit Übergewinnen < Waben Keine Spezialisierung zwischen Orten gleicher Zentralität U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Christaller-System Zentraler Orte 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Christaller-System Zentraler Orte U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Die Größe des Marktgebietes (Sechseck) steigt mit... 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Die Größe des Marktgebietes (Sechseck) steigt mit... zunehmender Bedeutung von economies of scale („interne Effekte“) zunehmenden Urbanisierungsvorteilen (externe Effekte) abnehmender Bedeutung der Transportkosten*) Abnehmender Nachfrage pro Flächeneinheit *)=> Alterung der Gesellschaft kann zu Verkleinerung der Marktgebiete führen => Renaissance von Tante Emma U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Altersstruktur verschlechtert sich (Beispiel Deutschland) © Ulrich van Suntum U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Integrierte Regionalprognose ROR Deutschland (2005) Münster MW Stdabw. Gesamtrang 10 49 - Erwerbstätigen- zuwachs 1999-2020 +6,8% 0,4% 7,0% Bevölkerungs- +7,5% -0,5% 6,6% Bev.Anteil 20-60jähr. Im Jahr 2020 73,6% 70,1% 3,2% 35 © Ulrich van Suntum U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Langfristige Trends im Einzelhandel I: „Laden um die Ecke“ < 300 qm (Casino, Carrefour, 7 Eleven) Rewe-Konzern testet Laden nach Tante-Emma-Konzept in Köln Mittwoch, 25. November, 15:12 Uhr Mit einer modernen Interpretation des Tante-Emma-Ladens will der Handelskonzern Rewe umweltbewusste und genussorientierte Kunden locken. Die Rewe-Tochter Biokonzept eröffnete am Mittwoch in Köln das erste sogenannte Temma-Geschäft, eine Mischung aus Bio-Supermarkt und Gastronomie. Temma verbinde "bewussten Konsum, Nachhaltigkeit und Gesundheit", erklärte Christiane Speck, Geschäftsführerin von Biokonzept, aus Anlass der Eröffnung des Marktes im Stadtteil Bayenthal. Die Testphase für den Bio-Markt soll für ein Jahr laufen, erst danach will Rewe über die Eröffnung von Filialen in anderen Städten entscheiden. © Ulrich van Suntum U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch Langfristige Trends im Einzelhandel II: Standorte, Handelsformen, Sortiment Großkaufhäuser => Shopping Center Symbiosen setzen sich fort (Cafe im Buchladen, Frisör im Baumarkt, Spielzeug im Autohaus) Ruhezonen, Sitzgelegenheiten © Ulrich van Suntum U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Siedlungsstruktur nach Christaller 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Siedlungsstruktur nach Christaller Versorgungsprinzip: hierarchisches System zentraler Orte allein aus privatwirtschaftlichem Kalkül (siehe Modell) Verkehrsprinzip: Berücksichtigung existierender Verkehrsachsen Verwaltungsprinzip: Berücksichtigung öffentlicher Güter => streng abgegrenzte Verwaltungsgebiete ohne Überlappungen Ergebnis: streng hierarchisches System zentraler Orte jeder zentrale Ort bietet alle Güter niedrigerer Zentralität auch selbst an keine Spezialisierung zwischen Orten gleicher Zentralität U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Räumliche Ordnung nach Lösch 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Räumliche Ordnung nach Lösch Grundsätzlich wie Christaller aber: keine Übergewinne möglich Grund: vollständige Nischenbesetzung wg. weniger bedeutsamer Agglomerationsvorteile Grundprinzip: gemeinsamer Mittelpunkt (= Kern) und größtmögliche Zahl gemeinsamer Unterzentren für verschiedene Produkte => sechseckige Marktgebiete unterschiedlicher Größe aber: teilweise Spezialisierung zwischen Orten gleicher Zentralität Ausnahme: Kernstadt bietet alle Güter an asymmetrische Siedlungsstrukturen möglich U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

System der Marktnetze nach Lösch 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme System der Marktnetze nach Lösch U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch

Zusammenfassung und Kritik 3.1 Theorien der Siedlungsstruktur: Christaller/Lösch-Systeme Zusammenfassung und Kritik Christaller Lösch Marktnetze Streng hierarchisch Teilweise überlappend Übergewinne Möglich Nicht möglich Spezialisierung Nicht zwischen Orten gleicher Zentralität Auch zwischen Orten gleicher Zentralität gleiche Nachfrageverteilung im Raum => Widerspruch zur Bildung zentraler Orte Arbeitsplatzkonzentration ausgeblendet, Bodenkosten und Agglomerationsnachteile dito historische Faktoren fehlen, politische und geografische Faktoren unzureichend berücksichtigt U. van Suntum, Regionalökonomik, Christaller-Lösch