Überlegungen zu Rom-II aus der Sicht des schweizerischen

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Überlegungen zu Rom-II aus der Sicht des schweizerischen Internationalen Privatrechts (IPR) Referat von Prof. Dr. Ivo Schwander 02.11.2007

Ablauf I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) Mögliche Konfliktfelder zwischen der Rom-II-Verordnung und schweizerischem IPRG III. Vor-/Nachteile der zwei behandelten Regelungen, Anpassungsbedarf des IPRG an Rom-II?

I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) Von Rom-II erfasste ausservertragliche Haftung wird in der Schweiz durch die Art. 132-142 des schweizerischen IPR-Gesetzes (IPRG), ergänzt durch die Art. 13-19 und 143-148 IPRG, geregelt.

I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) besondere Kollisionsregeln für: Produktehaftung Wettbewerbsrecht Umweltschädigung Verstösse gegen Immaterialgüterrecht Schäden aus Arbeitskampfmassnahmen ungerechtfertigte Bereicherung Geschäftsführung ohne Auftrag Verschulden bei Vertragsverhandlungen

I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) keine besonderen Kollisionsregeln für: Schäden aus Arbeitskampfmassnahmen Nuklearschäden Geschäftsführung ohne Auftrag Verschulden bei Vertragsverhandlungen dafür besondere Kollisionsregeln für: Persönlichkeitsverletzungen durch Medien und Datenbearbeitung übrige Persönlichkeitsverletzungen

I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) Strassenverkehrsunfälle: Rom-II: allgemeine Kollisionsregel Rechtswahl Schweiz: Haager Übereinkommen über das auf Strassenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4. Mai 1971 (Art. 134 IPRG beschränkt sich auf diesbezüglichen Verweis) keine Rechtswahlmöglichkeit

I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) Regelung des allgemeinen Deliktsstatuts: Rom-II (Art. 4): Anwendbar ist das Recht des Staates, in dem der Schaden eintritt. Ohne Bedeutung ist dabei, wo das schadensbegründende Ereignis oder die indirekten Schadensfolgen eintreten. Haben jedoch geschädigte Person und haftbar gemachte Person im Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so geht das gemeinsame Aufenthaltsrecht vor. Ausnahmsweise kann von diesen beiden Grundregeln abgewichen werden, wenn nach den gesamten Umständen zu einer anderen Rechtsordnung eine offensichtlich engere Verbindung besteht, insbesondere auf Grund eines zwischen den Parteien vorbestehenden Rechtsverhältnisses, wie einem Vertrag.

I. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) Regelung des allgemeinen Deliktsstatuts: IPRG: Im schweizerischen IPR werden ebenfalls das gemeinsame Aufenthaltsrecht oder die akzessorische Anknüpfung auf Grund eines vorbestehenden Rechtsverhältnisses vorrangig angewendet (Art. 133 Abs. 1 und 3 IPRG). Die Grundregel ist jedoch wesentlich anders formuliert: „ (...) so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die unerlaubte Handlung begangen worden ist. Tritt der Erfolg nicht in dem Staat ein, in dem die unerlaubte Handlung begangen worden ist, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Erfolg eintritt, wenn der Schädiger mit dem Eintritt des Erfolges in diesem Staat rechnen musste" (Art. 133 Abs. 2 IPRG).

II. Gegenüberstellung Rom-II und schweizerisches IPR-Gesetz (IPRG) Weitere Unterschiede: Gesetzlicher Forderungsübergang Mehrfache Haftung / Rückgriff Weitgehend identisch: Art. 16 Rom-II = Art. 18 IPRG Art. 17 Rom-II = Art. 142 Abs. 2 IPRG Art. 18 Rom-II = Art. 141 IPRG Art. 21 Rom-II = analog zu Art. 124 IPRG Art. 22 Rom-II = entspricht Praxis bzw. herrschender Lehre Art. 23 Rom-II = Art. 20 und 21 IPRG Art. 24 Rom-II = Art. 14 IPRG in der gerichtlichen Praxis Art. 25 Abs. 1 Rom-II = Art. 13 IPRG Art. 26 Rom-II = Art. 17 IPRG

II. Mögliche Konfliktfelder zwischen Rom-II und dem schweizerischen IPRG Vertrauen in den Bestand einer nach schweizerischem Recht unzulässigen Rechtswahlvereinbarung: Weitergehende Rechtswahl nach Rom-II kann schweizerisches Gericht nicht binden; aber möglicher Eintritt durch die Hintertüre gestützt auf Art. 133 Abs. 3 IPRG

II. Mögliche Konfliktfelder zwischen Rom-II und dem schweizerischen IPRG Objektiv bestimmtes Deliktsstatut für Strassenverkehrsunfälle: Französisches oder deutsches Gericht wendet Art. 4 Rom-II an. Schweizer Gericht wendet das Haager Strassenverkehrsunfall-Übereinkommen an.

II. Mögliche Konfliktfelder zwischen Rom-II und dem schweizerischen IPRG Objektiv bestimmtes übriges (allgemeines) Deliktsrecht: Wesentliche Unterschiede: Nach schweizerischem Recht kommt dem Recht am Handlungsort dann eine selbständige Bedeutung zu, wenn nach Art. 133 Abs. 2 Satz 2 IPRG nicht das Recht am Erfolgseintrittsort anwendbar ist. Nach Art. 4 Abs. 1 Rom-II kommt bei Auseinanderfallen von Handlungs- und Erfolgsort ausschliesslich der letztere in Betracht. Bei der Wahl zwischen Erfolgseintrittsort und Handlungsort kommt es im schweizerischen IPR auf ein subjektiv gefärbtes Kriterium an, nämlich ob der Schädiger mit dem Erfolgseintritt in einem bestimmten Staat rechnen musste.

II. Mögliche Konfliktfelder zwischen Rom-II und dem schweizerischen IPRG Regress: Rom-II: Art. 20 IPRG: Art. 144 Abs. 2

III. Vor-/Nachteile der zwei behandelten Regelungen, Anpassungsbedarf des IPRG an Rom-II? kein grundsätzlicher Modernisierungsbedarf für das schweizerische IPR des Deliktsrechts Prozessrecht noch wichtiger für praktische Schadensabwicklung subjektive Anknüpfung: Beschränkung des IPRG lässt sich nicht rechtfertigen, Lösung von Rom-II überzeugt objektive Anknüpfung: Art. 133 Abs. 2 IPRG flexibler, Kriterium in Art. 133 Abs. 2 Satz 2 IPRG hingegen verfehlt; sollte ersetzt werden durch einseitige Rechtswahl der geschädigten Partei oder die Wahl des Gerichts zwischen dem Recht am Handlungs- oder Erfolgsort

III. Vor-/Nachteile der zwei behandelten Regelungen, Anpassungsbedarf des IPRG an Rom-II? Allein der Vorteil der einheitlichen Rechtsanwendung rechtfertigt keine vollständige Übernahme des Inhalts von Rom-II durch die Schweiz. Für eine gegenseitig verbindliche Annäherung der Schweiz an Rom-II steht nur das Instrument des Staatsvertrages zur Verfügung.